Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 geendet haben, bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG i.d.F. des StBereinG 1999 sind --jedenfalls in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000-- auch Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 geendet haben, zu berücksichtigen (gegen BMF-Schreiben vom 22. Mai 2000 IV C 2 -S 2144- 60/00, BStBl I 2000, 588 Tz. 36).

 

Normenkette

EStG 1999 § 4 Abs. 4a

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 21.10.2003; Aktenzeichen 5 K 127/01; EFG 2004, 713)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt als Inhaber einer Zimmerei und eines Baugeschäfts Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seinen Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr.

In seiner Erklärung zur gesonderten Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr 1999 erklärte der Kläger einen Gewinn in Höhe von 16 278 DM. Hinzurechnungen von nach § 4 Abs. 4a EStG begrenzt abziehbaren Schuldzinsen hatte der Kläger nicht vorgenommen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte zunächst die Einkünfte des Klägers --unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977)-- erklärungsgemäß fest. Er forderte den Kläger auf, die Höhe der nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen mitzuteilen, da er ausweislich der Bilanz im Jahr 1999 Überentnahmen getätigt habe. Daraufhin reichte der Kläger beim FA eine Aufstellung der Unter- bzw. Überentnahmen für das Streitjahr 1999 ein. Unter- oder Überentnahmen der Vorjahre sind darin nicht berücksichtigt. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen betragen danach 3 405 DM.

Am 15. Januar 2001 änderte das FA den Feststellungsbescheid für das Jahr 1999 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977. Die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb erhöhten sich um die nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen auf 19 682 DM.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit welcher der Kläger begehrte, den Gewinn 1999 auf 16 278 DM herabzusetzen, mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 713 veröffentlichtem Urteil ab. Das FA habe etwaige Unterentnahmen des Klägers aus den Wirtschaftsjahren vor dem 1. Januar 1999 rechtsfehlerfrei nicht berücksichtigt.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von materiellem Recht. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil und den Gewinnfeststellungsbescheid 1999 vom 15. Januar 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. April 2001 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist der Auffassung, dass Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 geendet haben, bei der Berechnung der nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) --im Folgenden: EStG 1999-- abziehbaren Schuldzinsen unberücksichtigt bleiben. Dies entspreche der in Tz. 36 des BMF-Schreibens vom 22. Mai 2000 IV C 2 -S 2144- 60/00 (BStBl I 2000, 588) dargelegten Verwaltungsauffassung, die durch § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 (StÄndG 2001) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) ausdrücklich bestätigt und gesetzlich abgesichert worden sei.

Bei § 4 Abs. 4a EStG 1999 handle es sich um einen gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage vollkommen neuen Regelungsansatz. Es würden nunmehr erstmalig Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre in die Berechnung abziehbarer Schuldzinsen einbezogen. § 52 Abs. 11 Satz 1 EStG 1999 sehe eine Anwendung erstmals für Wirtschaftsjahre vor, die nach dem 31. Dezember 1998 endeten.

Eine Einbeziehung von Über- und Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Januar 1999 geendet haben, würde dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechen. Bei einer anderen Auslegung müssten Unterentnahmen vergangener Wirtschaftsjahre bis weit in die Vergangenheit berücksichtigt werden. Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, würden benachteiligt werden; der Grundsatz der Totalgewinngleichheit bei den Gewinnermittlungsarten dürfe nicht ohne zwingenden Grund in Frage gestellt werden.

Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung des Schuldzinsenabzugs in § 4 Abs. 4a EStG 1999 eine einfache, pauschalierende Regelung schaffen wollen. Die Einbeziehung von Über- und Unterentnahmen vergangener Wirtschaftsjahre würde dem diametral entgegenstehen. Die Einbeziehung von Überentnahmen aus den Jahren vor 1999 sei als möglicherweise echte Rückwirkung zudem verfassungsrechtlich nicht unproblematisch. Eine Berücksichtigung nur der früheren Unterentnahmen würde diesen Bedenken zwar Rechnung tragen, den Willen des Gesetzgebers zur Einschränkung des Schuldzinsenabzugs aber missachten. Vor 1999 hätten die Steuerpflichtigen gezielt Überentnahmen im betrieblichen Bereich herbeigeführt, um eine Verlagerung von Schuldzinsen in den betrieblichen Bereich zu erreichen. Überentnahmen vor 1999 dürften weitaus häufiger gegeben gewesen sein als Unterentnahmen. Deshalb habe der Gesetzgeber Unterentnahmen in typisierender Weise außer Betracht lassen können. Dies gelte umso mehr, als bei Steuerpflichtigen hinsichtlich der in den Wirtschaftsjahren vor 1999 vorhandenen Unterentnahmen kein schutzwürdiges Vertrauen habe entstehen können. Bei Anwendung des Zwei-Konten-Modells hätten Unterentnahmen einem Schuldzinsenabzug sogar entgegengestanden.

Dem Gesetzgeber wäre es nicht verwehrt gewesen, bereits im StBereinG 1999 ausdrücklich eine Regelung zu treffen, wonach Über- und Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren vor 1999 für die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG 1999 unberücksichtigt zu bleiben haben. Letztlich habe dies der Gesetzgeber durch § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 nachgeholt. Eine Auslegung, wonach § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 nur für die Jahre ab 2001 eine Aussage treffe, für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 aber keine Wirkung entfalte, sei mit dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschrift nicht vereinbar. Die Aussage "Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre bleiben unberücksichtigt" mache nur Sinn, wenn man sie in Zusammenhang mit Satz 1 lese, der die erstmalige Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StÄndG 2001 für Wirtschaftsjahre anordne, die nach dem 31. Dezember 1998 enden.

Zudem werde in der Begründung zum Entwurf des StÄndG 2001 (BRDrucks 399/01, S. 48) § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG ausdrücklich als klarstellende Regelung bezeichnet. Die Regelung sei so zu verstehen, "dass Über- und Unterentnahmen in Wirtschaftsjahren, die vor dem Jahr 1999 geendet haben, den Abzug der Schuldzinsen ab dem Jahr 1999 nicht beeinflussen. Die Ermittlung von Über- und Unterentnahmen hat als integrierter Bestandteil der Neuregelung erstmals ab 1999 zu erfolgen". Diese Formulierung schließe auch aus, dass der Gesetzgeber erst für den Schuldzinsenabzug ab dem Jahr 2001 die Nichteinbeziehung von Über- und Unterentnahmen der Wirtschaftsjahre vor 1999 vorsehe, eine entsprechende Regelung für die Jahre 1999 und 2000 selbst aber nicht treffen wollte.

 

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Zu Unrecht hat das FG nicht geprüft, welche Schuldzinsen privat bzw. betrieblich (vgl. § 4 Abs. 4 EStG) veranlasst sind. Es hat zudem verkannt, dass Unterentnahmen des Klägers aus den vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahren bei der Ermittlung der nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen zu berücksichtigen sind.

1. Die Revision ist zulässig. Der Inhalt der Revisionsbegründung entspricht den Mindestanforderungen.

Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Revisionsbegründung muss u.a. die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO). Hierzu wird von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gefordert, dass die erhobene Rüge eindeutig erkennen lässt, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält, und dass der Revisionskläger ferner die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angibt, die seiner Auffassung nach das angefochtene Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Das folgt aus dem Sinn und Zweck der Norm, nämlich das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsbegehrens von vornherein klarzustellen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 15/03, BFHE 205, 22, BStBl II 2004, 566). Demgemäß muss sich der Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinander setzen und darlegen, weshalb er dieses für unrichtig hält (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 1998 III R 7/98, BFH/NV 1999, 501; BFH-Urteil vom 16. März 2000 III R 21/99, BFHE 192, 169, BStBl II 2000, 700).

Diese Anforderung schließt es im Allgemeinen aus, dass die Revision allein durch Bezugnahme auf Schriftsätze begründet wird, die in einem früheren Abschnitt des Verfahrens eingereicht worden sind. Ausnahmsweise kann die Revision durch Bezugnahme auf die schriftsätzlichen Ausführungen im Klageverfahren begründet werden, wenn sich aus dem in Bezug genommenen Schriftsatz hinreichend deutlich ergibt, was gegenüber dem angefochtenen Urteil gerügt werden soll (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 120, Rz. 61). Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor. Zwar bezieht sich der Kläger in der Revisionsbegründung weitgehend auf den Schriftverkehr mit dem FA sowie die Einspruchs- und Klagebegründung, doch wird aus den in Bezug genommenen Schriftsätzen hinreichend deutlich, dass der Kläger bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG die Berücksichtigung der Unterentnahmen aus den vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahren anstrebt.

2. Schuldzinsen sind nach näherer Maßgabe des § 4 Abs. 4a EStG 1999 nicht abziehbar, wenn und soweit Überentnahmen getätigt worden sind. Auf der Grundlage dieser Bestimmung ist der betriebliche Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag X R 46/04).

a) Auf einer ersten Stufe ist die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen (vgl. insbesondere die Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817; vom  8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) zu beurteilen. Danach sind Schuldzinsen anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Darlehensmittel der Erwerbs- bzw. der Privatsphäre zuzuordnen. Darlehen zur Finanzierung außerbetrieblicher Zwecke sind nicht betrieblich veranlasst. Wickelt der Steuerpflichtige seinen betrieblich bzw. privat veranlassten Zahlungsverkehr über ein einheitliches --gemischtes-- Kontokorrentkonto ab, ist für die Ermittlung der Betriebsausgaben i.S. von § 4 Abs. 4 EStG der Sollsaldo grundsätzlich aufzuteilen.

b) Auf einer zweiten Stufe ist dann zu prüfen, welche der betrieblich veranlassten Schuldzinsen auf Überentnahmen beruhen und daher nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar sind.

c) FA und FG haben nicht festgestellt, ob und inwieweit die vom Kläger geltend gemachten Schuldzinsen wegen der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel für private Zwecke privat veranlasst und daher nach § 4 Abs. 4 EStG nicht abziehbar sind. Diese Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

3. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen sind nach § 4 Abs. 4a EStG 1999 zu berechnen, da diese Vorschrift gemäß § 52 Abs. 11 Satz 1 EStG 1999 erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden ist, das nach dem 31. Dezember 1998 endet.

a) Die Änderung von § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) durch das StBereinG 1999 verstößt nicht gegen formelles Verfassungsrecht. Das Demokratieprinzip in Gestalt des Parlamentsvorbehalts (Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) wurde gewahrt, weil die Grenzen, die Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und Bundesrat gesetzt sind, nicht überschritten worden sind.

aa) Diese Grenzen hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wiederholt aufgezeigt (vgl. zuletzt Urteil vom 7. Dezember 1999  2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162). Danach darf der "Vermittlungsausschuss … eine Änderung, Ergänzung oder Streichung der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften nur vorschlagen, wenn und soweit dieser Einigungsvorschlag im Rahmen des Anrufungsbegehrens und des ihm zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens verbleibt. Das zum Anrufungsbegehren führende Gesetzgebungsverfahren wird durch die in dieses eingeführten Anträge und Stellungnahmen bestimmt. Stellungnahmen des Bundesrates sind auch dann in den Vermittlungsvorschlag zum Ausgleich der Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat einzubeziehen, wenn diese vom Bundestag in seinem Gesetzesbeschluss nicht berücksichtigt worden sind" (so unter B. I. 1. c bb der Entscheidungsgründe in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162). "Der Beschlussvorschlag des Vermittlungsausschusses soll somit eine Brücke zwischen schon in den Gesetzgebungsorganen erörterten Alternativen schlagen, ohne eine --dem Vermittlungsausschuss nicht zustehende-- Gesetzesvorlage einzubringen (Art. 76 Abs. 1 GG), das Gesetzgebungsverfahren in der parlamentarischen Demokratie zu verkürzen oder die Gesetzgebungszuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu verfälschen. Der Bundestag muss den Vermittlungsvorschlag auf der Grundlage seiner Debatte über ihm vorliegende Anträge und Stellungnahmen als ein ihm zuzurechnendes und von ihm zu verantwortendes Ergebnis seines parlamentarischen Verfahrens erkennen und anerkennen können. Der Vermittlungsvorschlag ist deshalb in dem Rahmen gebunden, der nach den bisherigen Beratungen im Bundestag inhaltlich und formal vorgezeichnet ist" (so unter B. I. 1. c cc der Entscheidungsgründe in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162). "Soweit ein Anrufungsbegehren allein durch die Benennung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetzes gekennzeichnet ist und dieses Gesetz --wie beim Artikelgesetz-- die Änderung mehrerer Gesetze zum Gegenstand hat, oder aber in einem Einzelgesetz eine Fülle von Neuregelungen vorsieht, bedarf der in dem Anrufungsbegehren enthaltene Vermittlungsauftrag deutlicher Umgrenzung. Diese sollte sich in der Regel aus einer präzisen Fassung des Anrufungsauftrages ergeben, kann aber auch aus den Kontroversen in der parlamentarischen Debatte und zwischen Bundestag und Bundesrat erschlossen werden. Der Vermittlungsausschuss darf hingegen keinen Vorschlag unterbreiten, der außerhalb der bisherigen Auffassungsunterschiede im Parlament oder der bisherigen Gegenläufigkeit zwischen Bundestag und Bundesrat bleibt" (so unter B. I. 1. d der Entscheidungsgründe in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162).

bb) Nach diesen Maßstäben hat der Vermittlungsausschuss die ihm von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen seines Vermittlungsauftrages nicht überschritten.

Zwar wurde der Vermittlungsausschuss zu bestimmten Nummern des Art. 1 StBereinG 1999 angerufen, die ausschließlich die Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen betrafen und nach dem Vorschlag des Bundesrats gestrichen werden sollten (BRDrucks 636/99). Doch kann der Gegenstand des Vermittlungsverfahrens nicht nur nach dem Anrufungsbeschluss des Bundesrats bestimmt werden. Vielmehr wird der Rahmen des Vermittlungsverfahrens nach der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162 durch die in das Gesetzgebungsverfahren eingeführten Anträge und Stellungnahmen bestimmt. Auch wenn im Zeitpunkt der Anrufung des Vermittlungsausschusses Meinungsverschiedenheiten in einem bestimmten Punkt nicht mehr bestehen, ist es denkbar, dass deren Beseitigung bereits auf einem Kompromiss beruht, der durch das weitere Verfahren im Vermittlungsausschuss hinfällig wird. Zunächst zurückgestellte Meinungsunterschiede zu dem geklärten Punkt können wieder zu Tage treten.

In Bezug auf § 4 Abs. 4a EStG gab es vor der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat unterschiedliche Meinungen in Bundestag und Bundesrat. So hatten die Länder Bayern und Thüringen am 23. September 1999 im Bundesrat den Antrag eingebracht, § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ersatzlos zu streichen (BRDrucks 475/5/99). In seiner Stellungnahme zum Entwurf des StBereinG 1999 gemäß Art. 76 Abs. 2 GG vom 24. September 1999 schlug der Bundesrat eine Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG vor (BRDrucks 475/99). Der Finanzausschuss des Bundestags schließlich versuchte, durch eine Modifizierung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 (vgl. BTDrucks 14/2035) "die materiellen Auswirkungen dieser Regelung abzumildern und ihre praktische Handhabung zu verbessern" (BTDrucks 14/2070).

b) Auch wenn das StBereinG 1999 nach seinem Art. 28 Abs. 1 erst am 1. Januar 2000 und damit nach Ablauf des Veranlagungszeitraums 1999 in Kraft getreten ist, beinhaltet § 52 Abs. 11 Satz 1 EStG 1999 als § 4 Abs. 4a EStG 1999 betreffende Anwendungsregelung keinen nachträglichen Eingriff in einen abgeschlossenen Tatbestand ("echte Rückwirkung" bzw. nach der neueren Terminologie des 2. Senats des BVerfG "Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs ist nicht normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt worden, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 22. März 1983  2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343; vom 14. Mai 1986  2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200). Normen des geschriebenen Rechts werden nach dem deutschen Staatsrecht mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung rechtlich existent. Das StBereinG 1999 ist im BGBl vom 29. Dezember 1999 verkündet worden. § 4 Abs. 4a und § 52 Abs. 11 Satz 1 EStG 1999 wurden somit noch im Jahr 1999 gültig.

c) Auch in den Fällen der --verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässigen-- unechten Rückwirkung bzw. --nach der neueren Terminologie des 2. Senats des BVerfG-- "tatbestandlichen Rückanknüpfung" bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Belastende Steuergesetze dürfen schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen nicht ohne hinreichende Rechtfertigung enttäuschen. Vielmehr sind das Ausmaß des Vertrauensschadens und das gesetzgeberische Anliegen für das Wohl der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen. Es ist in jedem Einzelfall zu ermitteln, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende günstige Rechtslage schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 72, 200, 254, und vom 5. Februar 2002  2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17, 36 f.; BFH-Entscheidungen vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284; vom 1. März 2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398). Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich jedoch nicht geschützt.

d) Der Kläger kann sich nicht auf eine schutzwürdige Vertrauenslage berufen. Er konnte nicht darauf vertrauen, dass es bei der bisherigen Rechtslage zum Schuldzinsenabzug bleiben werde. Der Gesetzgeber hat bereits mit dem StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 in § 4 EStG einen Abs. 4a eingefügt, nach dem ab dem 1. Januar 1999 --in Abänderung der "nicht akzeptablen" Rechtsprechung des BFH zu den Mehrkontenmodellen (BTDrucks 14/23, S. 169; BTDrucks 14/265, S. 170)-- die auf Entnahmen entfallenden Schuldzinsen grundsätzlich nicht mehr abgezogen werden konnten. Einen ersten Gesetzentwurf hierzu hat die Bundesregierung bereits im November 1998 vorgelegt. Die handwerklichen Mängel, an denen die Bestimmung litt, wurden von Anfang an kritisiert (vgl. etwa Bornheim, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 702; Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 4 EStG Anm. 1033; Wendt, Finanz-Rundschau --FR-- 2000, 417, 420 f., jeweils m.w.N.). Die steuerrechtliche Auswirkung der dann mit dem StBereinG 1999 getroffenen Regelung hielt sich mit Rücksicht darauf, dass der Schuldzinsenabzug bereits mit dem StEntlG 1999/2000/2002 erheblich eingeschränkt worden war, in maßvollen Grenzen (zu dieser Forderung vgl. u.a. BVerfG-Beschluss vom 5. Mai 1987  1 BvR 724, 1000, 1115/81, 1 BvL 16/82 u. 5/84, BVerfGE 75, 246, 280).

4. Nach § 4 Abs. 4a EStG 1999 sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert ermittelt mit 6 v.H. der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen). Nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 11 EStG 1999 ist § 4 Abs. 4a EStG 1999 erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31. Dezember 1998 endet (§ 52 Abs. 11 Satz 1 EStG 1999).

a) Weder der Wortlaut von Satz 4 des § 4 Abs. 4a EStG 1999 noch der Sinn und Zweck der Regelung lassen Raum für die Auslegung, Unterentnahmen aus vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahren hätten bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen unberücksichtigt zu bleiben (so auch die h.M.: z.B. Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Jahresband 2002, § 4 EStG, J 01-5; Schallmoser, a.a.O., § 4 EStG, Rz. 1072; Blümich/Wacker, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz. 168i; Korn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 838; Wendt, FR 2000, 417; Eggesiecker/Ellerbeck, FR 2000, 689; Paus, FR 2000, 957; Groh, DStR 2001, 105; Ley, DStR 2001, 1005; a.A. Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl. 2005, § 4 Rz. 525; Franz/Seitz, Die Steuerberatung --Stbg-- 2000, 97; Kohlhaas, DStR 2000,901, 904).

aa) Der Wortlaut des § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG 1999 gibt keinen Hinweis, dass die Berechnung der saldierten Über- und Unterentnahmen am 1. Januar 1999 beginnen soll. Vielmehr sind nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut in allen Wirtschaftsjahren, die nach dem 31. Dezember 1998 enden (vgl. die Anwendungsregelung in § 52 Abs. 11 EStG 1999) und somit auch im Wirtschaftsjahr 1999 die nicht abziehbaren Schuldzinsen typisiert mit 6 v.H. der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), zu ermitteln. Somit schließt bereits der klare Gesetzeswortlaut die vom FA gewünschte Auslegung aus.

bb) Zudem spricht auch der Sinn und Zweck des Gesetzes gegen die Auffassung des FA. § 4 Abs. 4a EStG 1999 beschränkt den Schuldzinsenabzug, wenn und soweit die Entnahmen die Summe von Gewinn und Einlagen in diesem Wirtschaftsjahr (§ 4 Abs. 4a Sätze 1 und 2 EStG) und in den Vorjahren (§ 4 Abs. 4a Satz 4 EStG) übersteigen. § 4 Abs. 4a EStG 1999 stellt damit nicht auf einen entnahmebedingt entstandenen oder vergrößerten Liquiditätsmangel ab, sondern schränkt den Betriebsausgabenabzug ein, sofern die Summe der Entnahmen die Summe aus angesammelten Gewinnen und Einlagen, also das gesamte in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital übersteigt. Ab dem Wirtschaftsjahr 1999 wird folglich der betriebliche Schuldzinsenabzug für überschuldete Betriebe gekürzt (vgl. auch Paus, FR 2000, 957, 960). Hingegen können nach der Konzeption der Vorschrift Steuerpflichtige Eigenkapital entnehmen, ohne dass sich dies im Rahmen von § 4 Abs. 4a EStG auf den betrieblichen Schuldzinsenabzug negativ auswirkt. Zum Eigenkapital gehört aber nicht nur im laufenden Wirtschaftsjahr "gebildetes", sondern auch "angespartes" Eigenkapital früherer Wirtschaftsjahre. Auch dieses steht für Entnahmen zur Verfügung. Würden Unterentnahmen aus den vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahren nicht berücksichtigt, würde dem Betriebsinhaber die steuerunschädliche Entnahme früherer Gewinne und Einlagen verwehrt. Die Eigenkapitalbildung bei späteren Veranlagungen wäre nur im Fall einer Betriebsgründung in den Jahren 1999 ff., nicht aber im Jahr 1998 oder früher voll zu berücksichtigen (vgl. auch Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 525). Ein derartiges Ergebnis wäre mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zu vereinbaren. Das Gesetz unterstellt bei Vorliegen von Überentnahmen --über § 4 Abs. 4 EStG hinaus-- eine private Veranlassung und stuft deshalb die Zinsen als nicht abziehbar ein. Daher müssen sämtliche Jahre seit Betriebseröffnung in die Betrachtung einbezogen werden. Dass der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 4a EStG 1999 nur die Entnahme von nach dem 31. Dezember 1998 gebildetem Eigenkapital beim Schuldzinsenabzug hätte begünstigen wollen, kann mangels Vorliegens einer amtlichen Begründung nicht als Regelungswille des historischen Gesetzgebers unterstellt werden.

cc) Auch die völlige Systemumstellung zum Jahreswechsel 1998/ 1999 und Praktikabilitätsgesichtspunkte (für die Vergangenheit stehen keine Aufzeichnungen hinsichtlich Über- und Unterentnahmen zur Verfügung), die offensichtlich bei Tz. 36 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 588 eine entscheidende Rolle gespielt haben, rechtfertigen es nicht, am 1. Januar 1999 von einem "Startguthaben" in Höhe von 0 DM auszugehen. Jedenfalls bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermitteln, sind Unter- und Überentnahmen aus den vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahren in Gestalt der Bilanzen und Abschlussbuchungen verfügbar (Groh, DStR 2000, 105, 108). Ein positives Kapitalkonto lässt den Schluss auf Unterentnahmen des Steuerpflichtigen in vorangegangenen Wirtschaftsjahren i.S. von § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG 1999 zu und repräsentiert Überentnahmepotential (vgl. auch Wendt, FR 2000, 417, 430).

Auch wenn sich bei den Überschussermittlern Berechnungsschwierigkeiten ergeben, darf der bilanzierende Steuerpflichtige dadurch keinen Nachteil erleiden. Die unterschiedliche Beweissituation bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 und § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, ist eine zwangsläufige Folge der unterschiedlichen Gewinnermittlungsarten, die auch in anderen Bereichen zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. So ergeben sich beispielsweise aus dem Umstand, dass die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Grundsatz eine Zu- und Abflussrechnung i.S. von § 11 EStG ist, häufig unterschiedliche Periodengewinne. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass das Entnahmepotential des Überschussrechners am 1. Januar 1999 geschätzt werden und dieser zum Betriebsvermögensvergleich übergehen kann.

dd) Auch wenn der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 4a EStG 1999 eine einfache, pauschalierende und ausdrücklich "typisierende" Regelung des Schuldzinsenabzugs schaffen wollte, würde eine Auslegung der Vorschrift dahin gehend, dass Unterentnahmen aus den Jahren vor 1999 bei der Ermittlung der abziehbaren Schuldzinsen außer Betracht zu bleiben haben, dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht gerecht. Zwar müssen gesetzliche Regelungen verallgemeinern; der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Eigenheiten des Sachverhalts jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162). Selbst wenn --wie vom BMF im Revisionsverfahren vorgetragen-- in den Jahren vor 1999 Überentnahmen weitaus häufiger vorgekommen sein sollten als Unterentnahmen, waren Unternehmer, die weniger als die Summe ihrer Gewinne und Einlagen dem Betrieb entnommen haben, keine Einzelfälle.

b) Auch § 52 Abs. 11 Satz 1 EStG 1999 schließt nicht die Einbeziehung der Über- und Unterentnahmen der vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahre aus. Eine solche materiell-rechtliche Wirkung kommt dieser Vorschrift nicht zu (so aber Kanzler, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 2000, 513, 515). Die Bestimmung gibt keine Hinweise darauf, dass die Berechnung der saldierten Über- und Unterentnahmen am 1. Januar 1999 beginnen sollte. Sie besagt lediglich, dass sich die Zurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen zum Gewinn erstmals für das Kalenderjahr 1999 bzw. das abweichende Wirtschaftsjahr 1998/99 nach § 4 Abs. 4a EStG 1999 bemisst. Wie die nicht abziehbaren Schuldzinsen zu berechnen sind, ergibt sich ausschließlich aus § 4 Abs. 4a EStG; diese Vorschrift erhält keinerlei Beschränkung dergestalt, dass die Über- bzw. Unterentnahmen der vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahre nicht in die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen einfließen sollten (vgl. oben unter 3. a).

c) Auch § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001, der die Anwendungsvorschrift dahin gehend ergänzt, dass Über- und Unterentnahmen vorangegangener, also vor dem 1. Januar 1999 endender Wirtschaftsjahre unberücksichtigt bleiben, führt jedenfalls in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 nicht dazu, dass ein positives Kapitalkonto ohne Einfluss auf die (nicht) abziehbaren Schuldzinsen wäre. Die Gesetzesänderung, die gemäß Art. 39 Abs. 1 StÄndG 2001 am Tag nach der Verkündung, somit also am 23. Dezember 2001 in Kraft getreten ist (das Gesetz wurde im BGBl am 22. Dezember 2001 veröffentlicht) greift nur, soweit es bei der Überentnahmeberechnung für die Veranlagungszeiträume 2001 oder später darauf ankommt, ob ein Unterentnahmevortrag aus der Zeit vor 1999 zu berücksichtigen ist. Da eine Rückwirkung der Regelung nicht gesetzlich angeordnet wurde, verbleibt es für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 bei der Rechtslage, die durch das StBereinG 1999 geschaffen worden war.

Die vom BMF befürwortete Auslegung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001, wonach auch in den Wirtschaftsjahren 1999 und 2000 ein Unterentnahmevortrag aus der Zeit vor 1999 nicht zu berücksichtigen ist, ist zum einen nicht zwingend und wäre zum anderen mit dem mutmaßlichen Gesetzeszweck --nach der Konzeption der Vorschrift können Steuerpflichtige Eigenkapital entnehmen, ohne dass sich dies auf den betrieblich veranlassten Schuldzinsenabzug negativ auswirkt (vgl. oben 4. a bb)-- nicht zu vereinbaren (Korn, a.a.O., § 4 Rz. 837). Sollte § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG --wie sich aus der Begründung zum Entwurf des StÄndG 2001 (BRDrucks 399/01, S. 48) ergibt-- lediglich klarstellende Wirkung haben und sollten "Über- und Unterentnahmen in Wirtschaftsjahren, die vor dem Jahr 1999 geendet haben, den Abzug von Schuldzinsen ab dem Jahr 1999 nicht beeinflussen", würde die Regelung --jedenfalls in den Wirtschaftsjahren 1999 und 2000-- eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen beinhalten.

5. Nach den vorstehenden Grundsätzen hat das FG zu Unrecht entschieden, dass Unterentnahmen aus den vor dem 1. Januar 1999 endenden Wirtschaftsjahren bei der Ermittlung der nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht zu berücksichtigen sind. Da sich seine Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend darstellt, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Dieses wird im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob und ggf. in welcher Höhe der Kläger Unterentnahmen vor dem 1. Januar 1999 getätigt hat und diese in die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen einbeziehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1455558

BFH/NV 2006, 180

BStBl II 2006, 504

BFHE 2006, 227

BFHE 211, 227

BB 2005, 2791

DB 2005, 2784

DStR 2005, 2155

DStRE 2006, 62

DStZ 2006, 44

HFR 2006, 127

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