Entscheidungsstichwort (Thema)

Stille Gesellschaft unter Familienangehörigen

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Gesellschaftsvertrag zwischen nahen Angehörigen wird steuerlich nur berücksichtigt, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustande gekommen ist und sowohl nach ihrer inhaltlichen Gestaltung als auch nach ihrer Durchführung dem zwischen Fremden üblichen entspricht.

2. Die Vereinbarung einer stillen Gesellschaft im Sinne der §§ 230 ff. HGB setzt den Betrieb eines Handelsgewerbes voraus. Ein freiberuflich tätiger Ingenieur kann keine stille Gesellschaft, sondern lediglich eine Innengesellschaft in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts vereinbaren.

3. Wird im Rahmen eines solchen Vertrages einem nahen Angehörigen eine Gewinnbeteiligung eingeräumt, die einem fremden Dritten nicht gewährt worden wäre, so wird bei der einkommensteuerrechtlichen Würdigung im allgemeinen ein angemessener Gewinnanteil als betrieblich veranlaßt angesehen. Steht die vereinbarte Gewinnbeteiligung allerdings außer jedem Verhältnis zur erbrachten Leistung, so ist anzunehmen, daß der Vereinbarung im ganzen keine betriebliche Veranlassung zugrunde liegt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4; HGB § 230 ff.; BGB § 705 ff.

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der klagende Ehemann (Kläger) unterhält ein Ingenieurbüro und erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit; er ermittelt seinen Gewinn durch Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Am 15. Dezember 1983 schloß er mit seiner 1962 geborenen Tochter, die damals Ingenieurwesen studierte, einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft. Danach beteiligte sich die stille Gesellschafterin rückwirkend zum 1. Januar 1983 an dem Unternehmen des Klägers, an dessen Vermögen und Firmenwert sie ausdrücklich nicht beteiligt sein sollte. Die Einlage sollte 100 000 DM betragen und in bar entrichtet werden. Der Gewinnanteil der stillen Gesellschafterin sollte 15 v. H. des jährlichen Reingewinns, höchstens 25 v. H. der Einlage ausmachen. Eine Verlustbeteiligung war ausgeschlossen. Da die Tochter des Klägers nicht über hinreichendes Vermögen zur Erbringung der Einlage verfügte, überwies der Kläger vereinbarungsgemäß am 19. Dezember 1983 den Betrag von 100 000 DM auf ein Konto der Tochter. Einen Tag später überwies die Tochter den Betrag auf das betriebliche Konto des Ingenieurbüros. Am 23. Dezember 1983 zahlte der Kläger der Tochter ihre Gewinnbeteiligung von 25 000 DM aus.

In der Einkommensteuerveranlagung 1983 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Vereinbarung mit der Tochter nicht an und ließ den Betrag von 25 000 DM nicht als Betriebsausgabe zum Abzug zu. Nach Klageerhebung beschränkte der Kläger die verlangte Minderung der Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit auf 15 v. H. von 100 000 DM für acht Tage. In diesem Umfang hatte die Klage Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vom Finanzgericht (FG) zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

1. Wie andere vertragliche Vereinbarungen kann auch die Eingehung eines Gesellschaftsverhältnisses zwischen Familienangehörigen steuerlich nur Berücksichtigung finden, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustandegekommen ist und sowohl nach ihrer Gestaltung als auch nach ihrer Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß die Vertragsbeziehungen tatsächlich im geschäftlichen und nicht im privaten Bereich wurzeln (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Juli 1987 IV R 95/85, BFHE 150, 539, BStBl II 1988, 245, m.w.N.).

2. Im Streitfall bestehen bereits gegen die zivilrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung über das Gesellschaftsverhältnis Bedenken, weil sie möglicherweise ein Schenkungsversprechen beinhaltet, das nach § 518 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der notariellen Beurkundung bedarf. Der VIII. Senat des BFH hat für den Fall, daß der Geschäftsinhaber seinem Kind Mittel zur Verfügung stellt, die dieses als Darlehen zurückzahlen soll, die Auffassung vertreten, daß nicht der Geldbetrag, sondern die Darlehensforderung geschenkt sei und daß diese Forderungseinräumung der notariellen Beurkundung bedürfe (Urteil vom 10. April 1984 VIII R 134/81, BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705). Der III. Senat teilt diese Auffassung nicht (Urteil vom 20. März 1987 III R 197/83, BFHE 149, 464, BStBl II 1988, 603). Es ist denkbar, daß die Gewährung von Mitteln durch den Geschäftsinhaber zur Begründung einer stillen Gesellschaft mit ihm nach gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch in der Begründung einer stillen Gesellschaft lediglich die Einräumung schuldrechtlicher Ansprüche gegenüber dem Geschäftsinhaber zu sehen ist (Urteile vom 24. September 1952 II ZR 136/51, BGHZ 7, 175; vom 25. Oktober 1952 II ZR 16/52, BGHZ 7, 378, 379). Im Streitfall kann allerdings eine stille Gesellschaft im Sinne der §§ 335 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) a. F., 230 ff. HGB n. F. nicht vereinbart worden sein, weil der Kläger als Angehöriger eines freien Berufs kein Handelsgewerbe ausübt. Das als stille Gesellschaft bezeichnete Gesellschaftsverhältnis kann jedoch als Innengesellschaft in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) angesehen werden (Ulmer in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 705, Anm. 240 ff.), auf die die Rechtsprechungsgrundsätze des BGH gleichfalls Anwendung finden.

Für die Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung durch Abschluß des Gesellschaftsvertrages kann im Streitfall zusätzlich sprechen, daß die Tochter des Klägers auch nach Auffassung des FG eine außer jedem Verhältnis zur erbrachten Einlage stehende Gewinnbeteiligung erhalten sollte und daß ferner die Einlage erst in den letzten Tagen des Jahres 1983 geleistet wurde, gleichwohl aber eine Gewinnbeteiligung für das gesamte Jahr 1983 bestehen sollte. Das FG hat nicht untersucht, ob hierin eine zusätzliche unentgeltliche Vermögenszuwendung des Klägers an seine Tochter liegt, so daß sich die Vereinbarung über die stille Gesellschaft auch dann als gemischte, dem Formerfordernis des § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegende Schenkung darstellt, wenn davon auszusgehen wäre, daß die stille Gesellschaft im übrigen mit Hilfe von wirksam geschenkten Mitteln des Klägers entgeltlich zustandekommen sollte.

3. Der Senat braucht auf diese zivilrechtlichen Fragen nicht näher einzugehen, weil der Vertrag auch den besonderen steuerlichen Anforderungen nicht genügt, daß er wie zwischen Dritten vereinbart und abgewickelt worden ist.

Nach der Rechtsprechung des BFH führt allerdings die Einräumung einer überhöhten Gewinnbeteiligung, zu der es zwischen Dritten nicht gekommen wäre, nicht dazu, daß das Gesellschaftsverhältnis im ganzen unberücksichtigt bleiben müßte; vielmehr wird in diesem Fall ein angemessener Gewinnanteil zugrunde gelegt, während der überschießende Betrag als private Zuwendung gilt (Beschluß des Großen Senats vom 29. Mai 1972 GrS 4/71, BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5). Das FG hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung eine Gewinnbeteiligung von 15 v. H. für betrieblich veranlaßt gehalten, da die eingelegten Mittel aus geschenkten Beträgen stammten; tatsächlich hat die Rechtsprechung, falls der stille Gesellschafter - wie im Streitfall - nicht an einem Verlust beteiligt sein sollte, nur eine Gewinnbeteiligung bis zu einer Rendite von 12 v. H. der Einlage für angemessen gehalten (BFH-Urteil vom 29. März 1973 IV R 56/70, BFHE 109, 328, BStBl II 1973, 650). Darüber hinaus hat das FG nicht beachtet, daß die angemessene Gewinnverteilgung nur in der Weise ermittelt werden kann, daß nach den Ertragsaussichten im Zeitpunkt der Vereinbarung der stillen Beteiligung eine Gewinnbeteiligung veranschlagt wird, die auf Dauer die als angemessen angesehene Rendite auf die Einlage ergibt (BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5, ständige Rechtsprechung). Das FG hat stattdessen die angemessene Gewinnbeteiligung unmittelbar auf die Einlage bezogen; eine solche Vereinbarung würde zwar für ein Darlehen, nicht aber für ein Gesellschaftsverhältnis getroffen.

Der Berücksichtigung von Vereinbarungen unter Angehörigen unter Korrektur des Gegenleistungsverhältnisses und damit auch von Gesellschaftsverhältnissen unter Korrektur der Gewinnbeteiligung sind allerdings Grenzen gesetzt. Steht die vereinbarte Gegenleistung außer jedem Verhältnis zur erbrachten Leistung, kann angenommen werden, daß ihr im ganzen keine betriebliche Veranlassung zugrunde liegt, sie vielmehr eine persönliche Zuwendung enthält (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1980 IV R 53/77, BFHE 131, 26, BStBl II 1980, 450, betreffend Pensionszusagen an die Ehefrau). Dies würde bedeuten, daß das Gesellschaftsverhältnis zumindest für das Streitjahr nicht berücksichtigt werden kann, weil die Tochter des Klägers nur für wenige Tage Gesellschafterin sei, aber mit einer zudem überhöhten Beteiligung am gesamten Jahresgewinn teilnehmen sollte.

4. Auch hierauf braucht vorliegend nicht weiter eingegangen zu werden. Denn die Gesellschafter haben sich jedenfalls nicht an ihre Vereinbarung gehalten, so daß sie schon deshalb nicht berücksichtigt werden kann.

Nach dem Gesellschaftsvertrag war der Gewinnanteil der stillen Gesellschafterin innerhalb von zwei Monaten nach Feststellung des Gewinns auszuzahlen. Die Gewinnermittlung sollte seitens des Klägers innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres vorgenommen und die stille Gesellschafterin hiervon unterrichtet werden. Stattdessen hat der Kläger seiner Tochter bereits am 23. Dezember 1983 eine ,,Gewinnbeteiligung" von 25 000 DM für das Jahr 1983 ausgezahlt, obwohl diese ihre Einlage erst am 20. Dezember 1983 geleistet hatte. Hierzu bestand nach den getroffenen Vereinbarungen kein Anlaß, weil weder der Gewinn des Unternehmens festgestellt noch die für die Auszahlung des Gewinnanteils vorgesehene Frist angebrochen war. Selbst wenn sich am 23. Dezember 1983 bereits absehen ließ, daß für das Jahr 1983 die vereinbarte Begrenzung auf 25 v. H. der Einlage von 100 000 DM wirksam werden würde, wäre der Kläger gegenüber einem fremden stillen Gesellschafter doch auf die Einhaltung des vor Auszahlung der Gewinnbeteiligung vorgesehenen Verfahrens bedacht gewesen. Daß der Kläger im Streitfall hierauf verzichtete, erklärt sich nur aus den verwandtschaftlichen Beziehungen zur Gesellschafterin; schon dies hindert die Berücksichtigung des Gesellschaftsverhältnisses jedenfalls für das Streitjahr.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416657

BFH/NV 1990, 692

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