Leitsatz (amtlich)

§ 8 SHG bestimmt, mit welchem Wert Grundbesitz der Soforthilfeabgabe zu unterwerfen ist. Dagegen ist über die Frage, wem der Wert eines Grundstücks für die Berechnung der Soforthilfeabgabe zuzurechnen ist, nach § 2 SHG zu entscheiden. Es ist maßgebend, wer am Beginn des Währungsstichtags Eigentümer des Grundstücks im steuerrechtlichen Sinne gewesen ist. Dies gilt auch für die Zurechnung eines Erbbaurechts nach Maßgabe des § 46 RBewDVO.

 

Normenkette

SHG §§ 2, 8; RBewDVO § 46

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) hat auf Grund eines vor der Finanzdeputation beurkundeten Erbbaurechtsvertrages vom 25. April 1930 mit dem Staat sein Wohnhaus (Einfamilienhaus mit Nebengebäuden) auf Staatsgrund errichtet. Das Erbbaurecht besteht für die Zeit vom 1. Juli 1925 bis zum 30. Juni 1985. Nach Ziffer 12 des Vertrages darf der Bg. die Bauwerke beim Erlöschen oder Heimfall des Erbbaurechts nicht abbrechen oder sich Bestandteile daraus aneignen. Dagegen hat der Staat ihm in dem gedachten Falle eine Entschädigung für die Bauwerke in Höhe von 2/3 des gemeinen Wertes zu gewähren, den sie beim Erlöschen des Erbbaurechts haben.

Der Einheitswert für den Grund und Boden einschließlich der Gebäude ist auf den 1. Januar 1935 auf 12 600 RM festgestellt und in vollem Umfange dem Bg. zugerechnet worden.

Streitig ist der Betrag, mit dem der Bg. zur Soforthilfeabgabe heranzuziehen ist. Das Finanzamt hat gemäß dem vollen Einheitswert des Grundstücks die Soforthilfeabgabe mit 2 % von 12 600 RM = 252 DM berechnet und hiervon 216 DM = 90 % der 240 DM betragenden Zinsen- und Tilgungsbeträge abgezogen, so daß sich eine Jahresabgabe von 36 DM ergab; das Finanzgericht hat dagegen nach § 46 der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz (RBewDVO) dem Bg. wegen der bis zum Ablauf des Erbbaurechtsvertrages nur noch laufenden 37 Jahre lediglich 70 % des Grund und Bodens und wegen der bei Ablauf des Vertrages fälligen Entschädigung von 2/3 des gemeinen Wertes 2/3 des Gebäudewertes zugerechnet, d. h. also

2100 RM Wertanteil

an Grund und Boden und 6400 RM Wertanteil am

Gebäude, im ganzen also 8500 RM,

wovon das Finanzgericht 2000 DM gemäß § 15 Absatz 2 des Soforthilfegesetzes (SHG) als Freibetrag für die Berechnung der Soforthilfeabgabe unberücksichtigt ließ. Das Finanzgericht hat also nur 6500 DM der Berechnung der Soforthilfeabgabe zugrunde gelegt, während das Finanzamt von dem alten Einheitswert (1935) von 12 600 RM bei seiner Berechnung ausging.

Gegen dieses Urteil des Finanzgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Der Beschwerdeführer (Bf.) steht auf dem Standpunkt, daß nach § 8 Satz 1 SHG auch im vorliegenden Falle für die Bemessung der Abgabe derjenige Einheitswert des Grundstücks maßgebend ist, der auf den letzten vor dem Währungsstichtag liegenden Zeitpunkt tatsächlich festgestellt worden ist, und daß deshalb hier der Einheitswert 1935 der Berechnung der Soforthilfeabgabe zugrunde zu legen ist. Der Bf. hält es deshalb nicht für zulässig, ohne vorherige Fortschreibung des Einheitswertes des Grundstücks nach § 46 RBewDVO im Verfahren über die Festsetzung der Soforthilfeabgabe den hier zugrunde zu legenden Wert den Beteiligten in anderer Weise zuzurechnen, als es bei der Einheitsbewertung 1935 geschehen ist.

Der Bg. hat mündliche Verhandlung beantragt. Der Senat hat sich jedoch entschlossen, zunächst einen Bescheid (§ 294 Absatz 2 der Reichsabgabenordnung) zu erlassen.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. war der Erfolg zu versagen. § 8 SHG behandelt die Frage, mit welchem Wert der der Soforthilfeabgabe zu unterwerfende Grundbesitz anzusetzen ist, und bestimmt, daß derjenige Einheitswert maßgebend ist, der auf den letzten vor dem Währungsstichtag liegenden Feststellungszeitpunkt festgestellt ist. Gewisse Sonderfälle sind in den §§ 9 und 10 SHG geregelt. In Ergänzung hierzu behandelt § 20 der Ersten Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes den Fall, daß ein Einheitswert durch Wertfortschreibung oder Artfortschreibung nach der Festsetzung der Soforthilfeabgabe auf einen vor dem Währungsstichtag liegenden Zeitpunkt für Grundbesitz neu festgestellt wird. Weder in dieser Durchführungsvorschrift noch in § 8 SHG selbst ist die Frage der Zurechnung behandelt. Die entscheidende Vorschrift für die Frage, wem der Wert eines Grundstücks zuzurechnen ist, ist § 2 SHG. Nach dem Absatz 1 dieser Vorschrift ist jeder mit demjenigen Vermögen (im Sinne des § 3 a. a. O.) abgabepflichtig, dessen Eigentümer er am Beginn des Währungsstichtags gewesen ist. Da nach § 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) Steuergesetze nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszulegen sind, kommt es hierbei auf den Begriff des Eigentums im Sinne des bürgerlichen Rechts nicht maßgeblich an; vielmehr ist es entscheidend, wem die abgabepflichtigen Gegenstände nach Maßgabe des Steuerrechts zuzurechnen sind. Zwar erwähnt in dieser Richtung § 2 Absatz 2 SHG nur die Fälle des § 11 StAnpG als solche, in denen Vermögen einem anderen als dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer oder bei grundstücksgleichen Rechten einem anderen als dem bürgerlich-rechtlich Berechtigten zuzurechnen ist. Diese Regelung für die Fälle des § 11 a. a. O. ist indessen nur ein Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes, daß auf dem Gebiete des Abgabenrechts der steuerlich-wirtschaftliche Zurechnungsbegriff der bürgerlich-rechtlichen Auffassung vorgeht, und wenn § 2 Absatz 1 vom "Eigentümer" spricht, so ist damit der steuerlich-wirtschaftliche Eigentümer gemeint.

Hieraus ergibt sich für die Fälle des Erbbaurechts im Sinne des § 46 RBewDVO, der auch für das Gebiet des Soforthilfegesetzes gilt (vgl. § 3 SHG), folgendes:

Beträgt die Dauer des Erbbaurechts am Bewertungsstichtage noch mindestens 50 Jahre, so ist der Wert des Grund und Bodens einschließlich des Wertes der Gebäude in vollem Umfange dem Erbbauberechtigten zuzurechnen. Ist jedoch der Zeitraum zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Erlöschen oder Heimfall des Erbbaurechts kürzer als 50 Jahre, so ist dem Erbbauberechtigten außer dem Wert der Gebäude nur ein alle fünf Jahre sich mindernder Anteil am Wert des Grund und Bodens zuzurechnen. Das Gesetz gebraucht hier ausdrücklich die Worte "Zurechnung" und "Anrechnung". Hierbei handelt es sich keineswegs um Bewertung des Grundstücks; vielmehr bleibt der Gesamtbetrag des Wertes des Grundstücks unverändert, und nur die Zurechnung im steuerlichen Sinne ändert sich mit dem Fortschreiten der Zeit zwischen den Beteiligten.

Da es sich hier lediglich um eine Frage der Zurechnung handelt, kommt bei Festsetzung der Soforthilfeabgabe die reine Bewertungsvorschrift des § 8 SHG über die Maßgeblichkeit des zuletzt festgestellten Einheitswertes nicht zum Zuge. Die Auffassung, daß für die Frage der Eigentumszurechnung bei der Festsetzung der Soforthilfeabgabe eine Bindung an die letzte Einheitswertfeststellung dann fehlt, wenn sich die für die Zurechnung maßgebenden Verhältnisse bis zum Währungsstichtage geändert haben (z. B. durch Veräußerung, Erbgang oder Änderung der Anteile von Miteigentümern), wird auch von Binder-Drexl-Seweloh usw., der Lastenausgleich, § 2 SHG 8 d vertreten, desgleichen von Kühne, Soforthilfeabgabe, 3. Aufl. Anm. 32 S. 26.

Das Finanzgericht hat deshalb zutreffend ohne vorherige Fortschreibung des Einheitswertes des Grundstücks von sich aus für die Festsetzung der Soforthilfeabgabe die Zurechnung des Grundbesitzes gemäß § 46 RBewDVO vorgenommen. Ein Rechtsverstoß ist hierbei nicht unterlaufen. Dies gilt auch für die Zurechnung von zwei Dritteln des Gebäudewerts zum abgabepflichtigen Vermögen des Bg.

Die Rb. war deshalb mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407388

BStBl III 1952, 147

BFHE 1953, 377

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