Entscheidungsstichwort (Thema)

Formlose Abgabe der Umsatzsteuererklärung nach Schätzungsbescheid ist keine Klageerhebung

 

Leitsatz (NV)

Die innerhalb der Klagefrist bei dem Finanzamt ohne weitere Erklärung eingereichte Umsatzsteuererklärung kann nicht als Erhebung einer schriftlichen Klage beurteilt werden.

 

Normenkette

FGO §§ 64-65; AO 1977 § 149; UStG 1980 § 18 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 1981 vom 1. August 1983 mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen legte der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), vertreten durch seinen Prozeßbevollmächtigten, fristgemäß aber ohne Begründung Einspruch ein. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) wies den Einspruch durch die Einspruchsentscheidung vom 30. November 1983 zurück. Am 21. Dezember 1983 reichte der Kläger beim FA ohne Anschreiben die bisher noch nicht abgegebene Umsatzsteuererklärung für 1981 (außerdem eine Einkommen- und Gewerbesteuererklärung für 1981) mit einer um 3100 DM gegenüber der Steuerfestsetzung niedrigeren Umsatzsteuer ein. Unter dem 12. Januar 1984 teilte das FA dem Kläger mit, daß seine Umsatzsteuererklärung für 1981 bis zum Ablauf der Frist für die Erhebung der Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1981 (am 2. Januar 1984) nicht habe bearbeitet werden können, weil den Steuererklärungen die Gewinnermittlung nicht beigefügt worden sei. Als der Kläger erwiderte, die Steuererklärungen hätten gleichwohl bearbeitet und die Steuerbescheide hätten für vorläufig erklärt werden können, ergänzte das FA in einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 26. Januar 1984 sein Vorbringen und meinte, der Umsatzsteuerbescheid für 1981 sei inzwischen bestandskräftig geworden und könne nicht mehr geändert werden.

Gegen den Bescheid vom 26. Januar 1984 legte der Kläger am 2. Februar 1984 Einspruch ein und erhob, nachdem das FA den Einspruch durch Entscheidung vom 19. April 1984 zurückgewiesen hatte, am 14. Mai 1984 beim Finanzgericht (FG) ,,Klage wegen Umsatzsteuer 1981". Der Kläger hatte seinem Schriftsatz die Ablichtung der Einspruchsentscheidung vom 19. April 1984 beigefügt. Er begehrte Festsetzung der Umsatzsteuer 1981 entsprechend der eingereichten Jahreserklärung.

Nachdem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG am 10. Juni 1986 erklärt hatte, daß er auch die Einreichung der Umsatzsteuererklärung für 1981 während der Klagefrist als Klage behandelt wissen wolle, trennte das FG das Verfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid 1981 vom 1. August 1983 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 30. November 1983 von dem Verfahren gegen den Bescheid vom 26. Januar 1984 wegen Ablehnung der Änderung der bezeichneten Umsatzsteuerfestsetzung für 1981 und die Einspruchsentscheidung vom 19. April 1984 ab.

Das FG folgte der Ansicht des Klägers, daß die Einreichung der Umsatzsteuererklärung für 1981 als Klageerhebung zu beurteilen sei, und änderte die Steuerfestsetzung in dem Urteil vom 9. September 1986 entsprechend dem Klageantrag. Das FG vertrat die Auffassung, bei verständiger Würdigung habe der Kläger seinen Rechtsanspruch weiterverfolgen wollen, was nur durch Klageerhebung möglich gewesen sei, sofern der Steuerbescheid nicht schlicht habe geändert werden können. Zweifel hätte das FA durch Rückfrage bei dem Kläger beseitigen können. Es entspreche der Übung der Finanzverwaltung, eine nach Erlaß der Einspruchsentscheidung von dem Steuerpflichtigen lediglich eingereichte Steuererklärung dem FG gemäß § 47 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit der Anregung weiterzuleiten, eine Klarstellung herbeizuführen.

Mit der zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 47 Abs. 2, 64 und 65 FGO. Es meint, nicht nach § 47 Abs. 2 FGO, sondern nur nach §§ 64 und 65 FGO könne entschieden werden, ob der Steuerpflichtige habe Klage erheben wollen. Die Klage müsse schriftlich erhoben werden, den Kläger, den Beklagten, den Streitgegenstand und den angefochtenen Verwaltungsakt bezeichnen. Diesen Anforderungen habe der Kläger nicht entsprochen. Seine Einlassung in dem Verfahren des FG . . . ergebe, daß er aus Kostengründen kein gerichtliches Verfahren habe in Gang setzen wollen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat verkannt, daß der Kläger gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1981 vom 1. August 1983 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 20. November 1983 nicht innerhalb der Klagefrist von einem Monat seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 Abs. 1 FGO) eine den Voraussetzungen der §§ 64, 65 FGO entsprechende Klage erhoben hat.

1. Eine Klage ist nach § 64 Abs. 1 FGO schriftlich beim FG zu erheben. Die Frist für die Klageerhebung gilt jedoch als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde angebracht wird, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 47 Abs. 2 FGO).

Die innerhalb der Klagefrist bei dem FA ohne weitere Erklärung eingereichte Umsatzsteuererklärung entspricht nicht den Voraussetzungen für eine schriftliche Klageerhebung. Wie der BFH im Urteil vom 28. Juni 1989 I R 67/85 (BFHE 157, 305, BStBl II 1989, 848, m. w. N.) ausgeführt hat, erfüllt die bloße Abgabe von Steuererklärungen nicht die Voraussetzungen für eine Klage als dem formalisierten und konkretisierten Verlangen nach gerichtlichem Rechtsschutz.

Durch die Abgabe von Steuererklärungen kommt der Steuerpflichtige grundsätzlich seiner gesetzlichen Erklärungspflicht nach (§ 149 ff. der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1980). Sie enthalten an die Finanzbehörde gerichtete Erklärungen über Besteuerungsgrundlagen. Wenn darüber hinaus mit der Abgabe der Steuererklärung eine weitere Willenserklärung auf gerichtlichen Rechtsschutz verbunden sein soll, muß dies klar und eindeutig aus dem Inhalt der Erklärung oder aus einer zusätzlich eingereichten Erklärung hervorgehen.

Eine solche eindeutige Erklärung hat der Kläger, was das FG verkannt hat, im Streitfall innerhalb der Klagefrist nicht abgegeben. Wie der Verfahrensablauf beweist, hat der Kläger seine Erklärungspflicht erfüllen und eine Änderung der Steuerfestsetzung vom 1. August 1983 erreichen wollen. Dementsprechend sind das FA und das FG bis zur mündlichen Verhandlung am 10. Juni 1986 davon ausgegangen, daß der Kläger Rechtsschutz nur wegen der Ablehnung der Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 1981 begehre. Erst durch den Hinweis, daß die Umsatzsteuererklärung auch als Klageerhebung gegen die Umsatzsteuerfestsetzung vom 1. August 1983 gemeint sei, hat das FG ein derartiges Verfahren abgetrennt und in der angefochtenen Vorentscheidung auch beschieden.

Die Abgabe der Umsatzsteuererklärung konnte sinnvoll nicht als Klage verstanden werden, denn sie konnte und sollte Grundlage eines Änderungsbegehrens sein, wobei unerheblich ist, ob der Kläger eine schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 oder eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 oder nach einer anderen Vorschrift anstrebte.

Unter diesen Umständen bestand auch keine Verpflichtung der Finanzbeamten, den durch Steuerberater vertretenen Steuerpflichtigen auf die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Klageerhebung hinzuweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Steuererklärung erst am Mittwoch, dem 21. Dezember 1983, einging, die Klagefrist am 2. Januar 1984 ablief, daß neben der Umsatzsteuererklärung noch eine Einkommen- und Gewerbesteuererklärung abgegeben worden war, und daß die Gewinnermittlung für die Einkünfte des Klägers fehlte.

b) Die Auslegung des FG in der Vorentscheidung, die mit diesen Grundsätzen der §§ 64, 65 FGO unvereinbar ist, und die auch nicht auf die für die Erforschung des Willens bedeutsamen Begleitumstände der Verfahrensgeschichte eingegangen ist, hat danach keinen Bestand.

2. Der Senat kann abschließend entscheiden.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist (§ 56 FGO) kommt nicht in Betracht, weil der von einem Steuerberater vertretene Kläger die Klagefrist nicht unverschuldet versäumt und die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nachgeholt hat. Die danach nicht ordnungsgemäß erhobene Klage ist als nicht fristgemäß abzuweisen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 44

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