Leitsatz (amtlich)

Das Buchführungsprivileg der steuerberatenden Berufe umfaßt nicht die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Buchführungshilfe im Rahmen der Abschlußarbeiten.

 

Normenkette

StBerG § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 6 Nr. 3

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Rechenzentrum. Bei ihr sind in leitender Stellung Bilanzbuchhalter tätig.

Am 4. August 1982 traf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgende "Anordnung":

"Der Firma ... wird untersagt, Hilfeleistung in Steuersachen auszuüben, die über das geschäftsmäßige Kontieren von Belegen und über die laufende Lohnbuchhaltung hinausgeht.

Im einzelnen wird die Ausübung folgender Leistungen untersagt:

- Beratung über Buchführungsorganisation und Buchführungseinrichtung

- Organisation und Einrichtung der Buchführung

- Finanzbuchhaltung (soweit sie über das geschäftsmäßige Kontieren von Belegen hinausgeht)

- Auswertungen mit automatischem Monats- und Jahresabschluß

- Erstellung von Hauptabschlußübersichten

- Umfassende Lohnbuchhaltung (soweit über die laufende Lohnbuchhaltung hinausgehend)

- Vereinsbuchhaltung (soweit über geschäftsmäßiges Kontieren von Belegen und über die laufende Lohnbuchhaltung hinausgehend).

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung wird ein Zwangsgeld in Höhe von 3 000 DM angedroht."

Das FA bezog sich auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juni 1980 1 BvR 697/77 (BStBl II 1980, 706, BVerfGE 54, 301 - im folgenden Beschluß vom 18. Juni 1980) und vom 27. Januar 1982 1 BvR 807/80 (BStBl II 1982, 281, BVerfGE 59, 302 - im folgenden Beschluß vom 27. Januar 1982). Es führte aus, daß die Klägerin durch die genannten Leistungen ihr nicht gestattete Hilfe in Steuersachen erbringe. Diese Tätigkeiten seien nicht mehr von § 6 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) gedeckt und weiterhin den in §§ 3, 4 StBerG bezeichneten Personen oder Vereinigungen vorbehalten.

Die nach erfolgloser Beschwerde erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus:

Die Untersagungsverfügung sei aufzuheben, soweit sie Tätigkeiten betreffe, die keine Hilfeleistung in Steuersachen i. S. von §§ 2 ff. StBerG darstellten.

Nicht zu beanstanden sei die Untersagungsverfügung hinsichtlich "Organisation und Einrichtung der Buchführung". Insoweit habe das BVerfG das Buchführungsprivileg nicht beanstandet. Soweit neben der Einrichtung der Buchführung auch deren Organisation untersagt worden sei, komme dem keine besondere Bedeutung zu. Es handle sich insoweit um zwei im wesentlichen inhaltsgleiche Begriffe, mit der nicht konkret voneinander abtrennbare Tätigkeiten untersagt worden seien.

Der Klägerin sei auch die "Erstellung von Hauptabschlußübersichten" zu Recht untersagt worden. Derartige Abschlußarbeiten seien als Schwerpunkt der steuerlichen Beratung den in §§ 3 und 4 StBerG bezeichneten Personen vorbehalten. Zutreffend weise die Klägerin zwar darauf hin, daß es sich bei der Aufstellung der in die Hauptabschlußübersicht eingehenden, die Abschluß- und Umbuchungen vorbereitenden Summen- und Saldenbilanz um gestattete mechanische Tätigkeiten handle. Zu Unrecht sei die Klägerin jedoch der Auffassung, das FA habe ihr mit dem Verbot der Erstellung einer vollständigen Hauptabschlußübersicht auch die Ausführung der mechanischen, die Erstellung des Jahresabschlusses nur vorbereitenden Einzelakte untersagt.

Im Hinblick auf den Beschluß des BVerfG vom 27. Januar 1982 sei die Untersagung der "umfassenden Lohnbuchhaltung (soweit über die laufende Lohnbuchhaltung hinausgehend)" hinreichend klar und bestimmt und auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Nach dem genannten Beschluß falle die Lohnbuchhaltung grundsätzlich unter das Buchführungsprivileg. Nur hinsichtlich der laufenden Lohnbuchhaltung, nicht jedoch hinsichtlich der Einrichtung der Lohnkonten und der Abschlußarbeiten zum Jahresende, habe das BVerfG das Buchführungsprivileg für mit Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar erklärt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung sachlichen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit sie die Klage abgewiesen hat, und auch insoweit entsprechend ihren Anträgen in der Vorinstanz zu entscheiden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit durch diese die Klage abgewiesen wurde, und zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 4. August 1982 in Gestalt der Beschwerdeentscheidung vom 13. Oktober 1982 auch insoweit, als das FG sie bestätigt hat.

1. Die angefochtene Verfügung des FA untersagte in ihrem Satz 1 der Klägerin, "Hilfeleistung in Steuersachen auszuüben, die über das geschäftsmäßige Kontieren von Belegen und über die laufende Lohnbuchhaltung hinausgeht". "Im einzelnen" wird der Klägerin in Satz 2 der Verfügung, soweit diese noch streitbefangen ist, untersagt:

a) Erstellung von Hauptabschlußübersichten;

b) umfassende Lohnbuchhaltung (soweit über die laufende Lohnbuchhaltung hinausgehend);

c) Organisation und Einrichtung der Buchführung.

Satz 1 der Verfügung hat, wovon auch das FG ohne weitere Begründung ausgegangen ist, keine eigenständige Bedeutung. Er beschränkt sich darauf, abstrakt jene Hilfeleistung in Steuersachen zu bezeichnen, die nach dem StBerG in Verbindung mit den Entscheidungen des BVerfG vom 18. Juni 1980 und 27. Januar 1982 verboten ist. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 1. März 1983 VII R 27/82 (BFHE 138, 129, BStBl II 1983, 318) entschieden hat, kann eine schlichte Wiederholung des abstrakten gesetzlichen Verbots für sich allein nicht Gegenstand einer Untersagungsverfügung nach § 7 Abs. 1 StBerG sein. Diese muß vielmehr hinreichend deutlich und konkret erkennen lassen, welche Tätigkeiten dem Betroffenen im einzelnen untersagt werden. Die entsprechende Untersagung enthält allein Satz 2 der Verfügung vom 4. August 1982. Gleichwohl ist Satz 1 der Verfügung nicht ohne Bedeutung. Er bildet mit dem Satz 2 eine Einheit und macht deutlich, daß das FA nicht nur Tätigkeiten der Klägerin untersagt hat, die zu den jeweils genannten Ergebnissen (z. B. "Einrichtung" der Buchführung, "Erstellung" der Hauptabschlußübersichten) führt. Vielmehr ist der Klägerin jegliche Hilfeleistung bei den genannten Tätigkeiten untersagt, d. h. auch solche Hilfeleistungen, die nur Teilabschnitte der im einzelnen genannten Tätigkeiten umfassen.

2. Das FA kann die Hilfeleistung in Steuersachen untersagen, wenn die Tätigkeit durch eine Person oder Vereinigung ausgeübt wird, die nicht unter §§ 3 oder 4 StBerG fällt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 StBerG). Eine solche Untersagungsverfügung ist eine zweigliedrige Entscheidung: Hinsichtlich der Frage, ob die in Betracht kommende Tätigkeit eine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen ist, stellt sie eine Rechtsentscheidung dar; in einer weiteren Stufe hat die Verwaltung nach ihrem Ermessen die Entscheidung zu treffen, ob sie eine Untersagungsverfügung nach § 7 Abs. 1 StBerG erlassen will. Falls die in Satz 2 der Verfügung ausgesprochenen einzelnen Teiluntersagungen auch nur teilweise Tätigkeiten betreffen, die rechtlich nicht unter das Buchführungsprivileg der steuerberatenden Berufe fallen, der Klägerin also nicht untersagt werden dürfen, leidet die Verfügung insoweit an einem Rechtsfehler und ist sie aufzuheben. Davon ist das FG ohne Rechtsirrtum bei den Teilen der Untersagungsverfügung ausgegangen, die es aufgehoben hat. Es hat aber zu Unrecht die übrigen Teile der Verfügung bestätigt.

3. Das FA durfte der Klägerin nicht jegliche Hilfeleistung bei der "Erstellung von Hauptabschlußübersichten" verbieten. Diese Hilfeleistung umfaßt auch die Durchführung rein mechanischer Tätigkeiten, wie etwa die Fertigung der den vorbereitenden Abschlußbuchungen und den Abschlußbuchungen vorausgehenden Summen- und Saldenbilanz mit Hilfe der elektronischen Verarbeitung des der Klägerin vorgegebenen Zahlenwerks. Die Durchführung einer solchen Tätigkeit ist durch § 6 Nr. 3 StBerG erlaubt (vgl. im folgenden Buchst. a), vom FA in seiner Verfügung aber auch untersagt worden (vgl. im folgenden Buchst. b). Die Verfügung ist daher insoweit rechtswidrig und aufzuheben.

a) Die Hilfeleistung in Steuersachen umfaßt grundsätzlich auch die Buchführungshilfe. § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG unterscheidet dabei die Hilfeleistung "bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen" und die Hilfeleistung "bei der Aufstellung von Abschlüssen". Nach § 6 Nr. 3 StBerG gilt das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen nicht für die "Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen".

Bei einer Auslegung streng nach dem Wortlaut könnte daraus der Schluß gezogen werden, daß das Gesetz mechanische Arbeitsgänge nur insoweit vom Verbot ausnehme, als sie bei der laufenden Buchführung vorkommen, während es - für unbefugte Personen - beim Verbot solcher Arbeitsgänge im Rahmen der Abschlußarbeiten bleibe. Es ist aber kein Grund ersichtlich, der den Gesetzgeber hätte veranlassen können, eine solche Unterscheidung bei der Durchführung mechanischer Arbeitsgänge zu treffen. Diese Arbeitsgänge sind offensichtlich steuerlich ohne wesentliche Bedeutung; ihre Durchführung durch andere als die in §§ 3, 4 StBerG genannten Personen und Vereinigungen ist nicht geeignet, das durch das StBerG geschützte Gemeinschaftsgut, die Steuerrechtspflege, zu gefährden. Es besteht daher kein Grund zu der Annahme, der Gesetzgeber habe mechanische Arbeitsgänge bei den Abschlußarbeiten in das Buchführungsprivileg einbeziehen wollen. Eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Regelung des StBerG zwingt vielmehr dazu, die Worte "bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen" in § 6 Nr. 3 StBerG weit auszulegen. Die Regelung umfaßt hiernach auch die Erlaubnis der Durchführung mechanischer Arbeitsgänge im Zusammenhang mit der Buchführungshilfe bei den Abschlußarbeiten.

b) Das FA hat der Klägerin jegliche Hilfeleistung bei der Erstellung von Hauptabschlußübersichten untersagt, also entgegen § 6 Nr. 3 StBerG auch die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge. Im Gegensatz zur Auffassung des FG kann nicht davon ausgegangen werden, daß das FA diese Arbeitsgänge - gewissermaßen stillschweigend - von der ausgesprochenen Untersagung ausgenommen wissen wollte. Eine solche Auslegung der angefochtenen Verfügung entgegen ihrem Wortlaut verbietet sich schon deswegen, weil die Auslegung, die der erkennende Senat dem § 6 Nr. 3 StBerG gibt, nicht so selbstverständlich ist, daß ohne weiteres unterstellt werden könnte, das FA sei beim Erlaß seiner Verfügung von der gleichen Auslegung ausgegangen und habe es daher nicht für notwendig erachtet, das noch ausdrücklich in der Verfügung zu sagen.

4. Auch die Untersagung der Hilfeleistung bei der "umfassenden Lohnbuchhaltung (soweit über die laufende Lohnbuchhaltung hinausgehend)" widerspricht dem Gesetz. Damit hat das FA u. a. jegliche Hilfeleistung bei den im Rahmen der Lohnbuchhaltung durchzuführenden Abschlußarbeiten untersagt. Auch diese Arbeiten - soweit sie wie im Falle der Klägerin unter Zuhilfenahme der elektronischen Datenverarbeitungvorgenommen werden - umfassen teilweise mechanische Arbeitsgänge. Das belegt z. B. der Erlaß des Bundesministers der Finanzen über den Programmablauf für die maschinelle Berechnung der vom laufenden Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer (vgl. BStBl I 1980, 627), der nach Nr. 1 seiner Anlage auch für den Lohnsteuer-Jahresausgleich durch die Arbeitgeber, also für Abschlußarbeiten im Rahmen der Lohnbuchhaltung, eingesetzt werden kann. Die Durchführung solcher mechanischen Arbeitsgänge ist der Klägerin durch § 6 Nr. 3 StBerG erlaubt (vgl. oben Nr. 3 a), vom FA ihr aber dennoch untersagt worden (vgl. oben Nr. 3 b). Es ist daher auch dieser Teil der Untersagungsverfügung aufzuheben.

5. Es kann dahingestellt bleiben, ob der bisher noch nicht behandelte Teil der Verfügung des FA, die Untersagung der Hilfeleistung bei der "Organisation und Einrichtung der Buchführung", ebenfalls etwa deswegen rechtswidrig ist, weil auch insoweit der Klägerin die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge untersagt worden ist oder weil die Anwendung der für den Senat bindenden tragenden Gründe der Beschlüsse des BVerfG vom 18. Juni 1980 und vom 27. Januar 1982 (vgl. BVerfG-Beschluß vom 10. Juni 1975 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, 88, 93) dazu zwingt, steuerlich offensichtlich irrelevante Hilfeleistungen im Rahmen der Einrichtung der Buchführung (z. B. die Hilfeleistung nach Vorgaben eines Steuerberaters oder die Hilfeleistung bei der Wahl des Buchführungssystems, der zu benutzenden Geräte, der Art und Weise der Belegübernahme oder des Ausdrucks der Buchführungsergebnisse) als nicht mehr unter das Buchführungsprivileg der steuerberatenden Berufe fallend anzusehen. Denn insoweit ist die Vorentscheidung schon deshalb aufzuheben, weil eine nach § 7 Abs. 1 StBerG zu fordernde Ermessensentscheidung des FA fehlt.

Das FA hat durch seine Verfügung vom 4. August 1982 der Klägerin in umfassender Weise die Buchführungshilfe untersagt. Dies ergibt sich nicht nur aus dem umfangreichen Katalog des Satzes 2 der Verfügung, sondern auch aus deren umfassendem, eine Klammer bildenden Satz 1. Das hat zwar nicht zur Folge, daß es dem FG und dem erkennenden Senat untersagt wäre, die sieben einzelnen Teile der konkreten Untersagungen für sich auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und ggf. aufzuheben. Durch die Aufhebung aber von sechs dieser Teile gewinnt die restliche Verfügung eine andere Qualität. Eine solche auf die Hilfeleistung bei der Organisation und Einrichtung der Buchführung beschränkte Untersagungsverfügung erfordert bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 StBerG vom FA zu treffenden Ermessensentscheidung andere Überlegungen, als sie das FA beim Erlaß der Verfügung insgesamt angestellt hat. Solche Überlegungen lagen der Verfügung aber offensichtlich nicht zugrunde und brauchten vom FA bei der von ihm vertretenen Rechtsauffassung auch nicht angestellt zu werden. Ihr Fehlen macht aber die angefochtene Verfügung auch im letzten Punkt rechtsfehlerhaft. Sie ist daher auch insoweit aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74940

BStBl II 1984, 336

BFHE 1984, 347

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