Entscheidungsstichwort (Thema)

(Einheitliche Ausübung von Bilanzierungswahlrechten bei der Gewinnfeststellung und Gewerbesteuer - Rücklage nach § 6b EStG als Bilanzierungswahlrecht - Bilanzänderung - Bilanzierungswahlrecht nach rechtskräftiger Veranlagung - Gewerbesteuerrückstellung - Tatsachenfeststellung durch Bezugnahme auf Steuerbescheid - Nachprüfung einer Ermessensentscheidung)

 

Leitsatz (amtlich)

Das FA darf die Zustimmung zu einer Bilanzänderung wegen eines allein für gewerbesteuerliche Zwecke neu ausgeübten Bilanzierungswahlrechtes ablehnen, sofern die (Sonder-)Bilanz der bereits bestandskräftigen Gewinnfeststellung zugrunde gelegen hat (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 9.August 1989 X R 110/87, BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195).

 

Orientierungssatz

1. Die Bildung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gehört zu den sog. Ansatzwahlrechten, die im Wege der Bilanzänderung abweichend von der ursprünglichen Bilanzierung ausgeübt werden können.

2. Nach Einreichen der Bilanz beim FA kann der Steuerpflichtige die Bilanz, sofern sich die Änderung der Bilanz auf das steuerliche Ergebnis auswirkt, nur noch mit Zustimmung des FA ändern (vgl. BFH-Urteil vom 5.6.1985 I R 183/84).

3. Die Ermessensentscheidung des FA darüber, ob es einer Bilanzänderung zustimmt, ist nur dann rechtswidrig, wenn die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

4. Einer beantragten Bilanzänderung ist im allgemeinen dann zuzustimmen, wenn sich die tatsächlichen Grundlagen, von denen der Steuerpflichtige bei der ursprünglichen --negativen-- Ausübung eines Ansatzwahlrechtes ausgegangen ist, nach Einreichen der Bilanz erheblich verändert haben (vgl. BFH-Rechtsprechung).

5. Nach Bestandskraft der auf der Bilanz beruhenden Gewinnfeststellung bzw. Einkommensteuerveranlagung ist eine Bilanzänderung grundsätzlich nicht mehr möglich (vgl. BFH-Rechtsprechung). Nach Abschn. 15 Abs. 2 Satz 4 EStR 1981 muß der Antrag vor Bestandskraft der Veranlagung (bzw. Gewinnfeststellung) beim FA gestellt werden. Diese Verwaltungsanweisung ist ermächtigungskonform (vgl. BFH-Urteil vom 9.8.1989 X R 110/87).

6. Die Ausübung eines (handelsrechtlichen oder steuerrechtlichen) Wahlrechts nach Bestandskraft der Gewinnfeststellung des Streitjahres stellt keine neue, nachträglich bekanntgewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO 1977 dar, sondern eine Verfahrenshandlung (vgl. BFH-Urteil vom 19.5.1987 VIII R 327/83).

7. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 eröffnet nicht die Möglichkeit, die steuerrechtliche Wirkung von Wahlrechten, die nur bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, nach Eintritt dieses Zeitpunktes zu beseitigen (BFH-Urteil vom 27.9.1988 VIII R 432/83). Dies gilt angesichts der verfahrensrechtlichen Bedeutung des Rechtsinstituts der Bestandskraft gleichermaßen für die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten (vgl. BFH-Urteil vom 9.8.1989 X R 110/87).

8. Nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die gemäß § 7 GewStG i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags maßgebend sind, müssen Abschlußzahlungen an Gewerbesteuer, die sich auf der Grundlage des ermittelten Gewerbeertrags und Gewerbekapitals für ein Wirtschaftsjahr ergeben, durch Bildung oder Erhöhung einer Rückstellung für dieses Wirtschaftsjahr gewinnmindernd berücksichtigt werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).

9. Hat das FG im Tatbestand auf einen geänderten Feststellungsbescheid Bezug genommen, so gilt damit der gesamte Inhalt dieses Bescheids als festgestellt (vgl. BFH-Rechtsprechung).

10. Grundsätzlich ist ein Gericht im Ermessensbereich nicht zu eigener Ermessensausübung befugt. Eine Ausnahme gilt indessen im Falle der sog. Ermessensschrumpfung auf Null. Sie tritt ein, wenn die Sachlage des Einzelfalls die Ermessensgrenzen so einengt,

 

Normenkette

AO 1977 § 164 Abs. 2, § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 173 Abs. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 4 Abs. 2; EStR 1981 Abschn. 15 Abs. 2 S. 4; EStG § 5 Abs. 1, § 6b Abs. 3; FGO § 102; GewStG § 7; FGO § 118 Abs. 2; AO 1977 § 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Beteiligt sind A mit 25 v.H. und B mit 75 v.H. Die Klägerin hatte ihren in der Rechtsform einer OHG geführten Getränkegroßhandel und Einzelhandel mit Ablauf ihres Wirtschaftsjahres 1980/ 1981 am 31.August 1981 aufgegeben. Sie verpachtete ihr Anlagevermögen ab 1.September 1981 an die Getränke P-GmbH (GmbH). Alleingesellschafterin der GmbH ist die Ehefrau des B. B verkaufte mit Vertrag vom 2.Juli 1981 zum Preise von 465 000 DM das in seinem Eigentum befindliche und bis dahin von der Klägerin als Lagerplatz genutzte Grundstück in F. Die Eigentumsübergabe erfolgte sofort. Den Kaufpreis entrichtete der Erwerber erst im Januar 1982.

Die Klägerin erfaßte den Veräußerungsgewinn in Höhe von 418 800 DM (Veräußerungserlös 465 000 DM ./. Buchwert 46 200 DM) nicht in dem für das Streitjahr maßgeblichen Gewinnermittlungszeitraum 1.September 1980 bis 31.August 1981. Für 1981 erklärte sie einen Verlust von 350 339 DM. Unter Berücksichtigung gewerbesteuerlicher Zu- und Abrechnungen ergab sich ein negativer Gewerbeertrag von 133 406 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen entsprechenden Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermeßbescheid. In dem Jahresabschluß zum 31.August 1982 wies die Klägerin den Veräußerungsgewinn von 418 800 DM als außerordentlichen Ertrag und einen Bilanzgewinn von 172 624 DM aus.

Das FA vertrat bei der Veranlagung für 1982 die Auffassung, der Veräußerungsgewinn sei in der Gewinnermittlung für das Vorjahr zu erfassen.

Es stellte bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1982 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit ./. 246 176 DM fest. Einen Gewerbesteuermeßbetrag setzte es für 1982 nicht fest. Dementsprechend berücksichtigte es den Veräußerungsgewinn von 418 800 DM nunmehr in 1981, und zwar in einem ändernden Gewinnfeststellungsbescheid vom 15.Februar 1984 und in einem ändernden Gewerbesteuermeßbescheid vom 25.Mai 1984.

Mit Schreiben vom 18.Juni 1984 beantragte die Klägerin, den geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1981 vom 25.Mai 1984 erneut zu ändern. Da das Gewerbesteuergesetz (GewStG) keinen Verlustrücktrag vorsehe, solle der Veräußerungsgewinn in Höhe von 418 800 DM in eine Rücklage gemäß § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingestellt werden. Gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1981 legte sie keinen Einspruch ein. Im Laufe des Einspruchsverfahrens gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1981 übersandte sie dem FA einen durch Ausweis einer Rücklage von 418 800 DM geänderten Jahresabschluß auf 31.August 1981 und beantragte, der Bilanzänderung zuzustimmen.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag auf 0 DM fest.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur teilweise begründet. Das FG hat zu Unrecht das FA für verpflichtet erachtet, der beantragten Bilanzänderung nach bestandskräftiger Gewinnfeststellung allein für Zwecke der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages zuzustimmen. Im Rahmen der Änderung des angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheides ist jedoch noch eine Gewerbesteuerrückstellung gewinnmindernd zu berücksichtigen.

1. Das FA hat ermessensfehlerfrei im Rahmen der Entscheidung über den allein gegen den geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1981 eingelegten Einspruch die beantragte Zustimmung zur Änderung der Steuerbilanz versagt.

Ist ein Bilanzansatz nicht fehlerhaft i.S. von § 4 Abs.2 Satz 1 EStG, so kann er durch einen anderen, gesetzlich wahlweise zulässigen Ansatz ersetzt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9.April 1981 I R 191/77, BFHE 133, 278, BStBl II 1981, 620). Die Bildung einer den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklage nach § 6b Abs.3 Satz 1 EStG gehört zu den sog. Ansatzwahlrechten, die im Wege der Bilanzänderung abweichend von der ursprünglichen Bilanzierung ausgeübt werden können. Nach Einreichen der Bilanz beim FA kann der Steuerpflichtige die Bilanz, sofern sich die Änderung der Bilanz auf das steuerliche Ergebnis auswirkt, nur noch mit Zustimmung des FA ändern (vgl. BFH-Urteil vom 5.Juni 1985 I R 183/84, BFHE 144, 353, BStBl II 1986, 84).

2. Die Ermessensentscheidung des FA darüber, ob es einer Bilanzänderung zustimmt, ist nur dann rechtswidrig, wenn die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

a) Einer beantragten Bilanzänderung ist im allgemeinen dann zuzustimmen, wenn sich die tatsächlichen Grundlagen, von denen der Steuerpflichtige bei der ursprünglichen --negativen-- Ausübung eines Ansatzwahlrechtes ausgegangen ist, nach Einreichen der Bilanz erheblich verändert haben (BFH-Urteile vom 19.Februar 1976 IV R 195/75, BFHE 118, 328, BStBl II 1976, 417, 418; vom 9.August 1989 X R 110/87, BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195 m.w.N.).

b) Nach Bestandskraft der auf der Bilanz beruhenden Gewinnfeststellung bzw. Einkommensteuerveranlagung ist indessen eine Bilanzänderung grundsätzlich nicht mehr möglich (vgl. BFH- Urteile vom 19.Mai 1987 VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848; vom 30.März 1989 IV R 81/87, BFHE 156, 208, BStBl II 1989, 558; in BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195; vom 25.April 1990 I R 136/85, BFHE 160, 529, BStBl II 1990, 905).

Die Beachtung der Bestandskraft von Steuerbescheiden gebietet der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Grundsatz der Rechtssicherheit (Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes --GG--; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 20.April 1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253, 269 f.). Dem Steuerpflichtigen kann es nicht freistehen, die Bestandskraft durch nachträgliche Ausübung von Wahlrechten zu durchbrechen, sofern nicht sonstige Berichtigungsmöglichkeiten vorliegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848; in BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195).

c) Die geänderte Gewinnfeststellung 1981 war im Zeitpunkt des Bilanzänderungsantrages vom 18.Juni 1984 bereits bestandskräftig. Berichtigungsmöglichkeiten der bestandskräftigen Gewinnfeststellung 1981 bestehen nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt nicht. Eine Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) scheidet aus; denn in dem geänderten Feststellungsbescheid 1981 vom 15.Februar 1984 hat das FA unter Teil B "Begründung und Nebenbestimmungen" den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Auch wenn das FG diesen Umstand in dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich festgestellt hat, so gilt er als i.S. des § 118 Abs.2 FGO festgestellt, weil das FG im Tatbestand auf den geänderten Feststellungsbescheid vom 15.Februar 1984 Bezug genommen hat. Damit gilt der gesamte Inhalt dieses Bescheides als festgestellt (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 17.Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285; BFH-Urteil vom 20.August 1986 I R 87/83, BFHE 147, 521, BStBl II 1987, 75).

Die Ausübung eines (handels- oder steuerrechtlichen) Wahlrechts nach Bestandskraft der Gewinnfeststellung des Streitjahres stellt keine neue, nachträglich bekanntgewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs.1 AO 1977 dar, sondern eine Verfahrenshandlung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848, 850).

Ebensowenig eröffnet § 172 Abs.1 Nr.2 Buchst.a AO 1977 die Möglichkeit, die steuerrechtliche Wirkung von Wahlrechten, die nur bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, nach Eintritt dieses Zeitpunktes zu beseitigen (BFH- Urteil vom 27.September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, 90, BStBl II 1989, 225 m.w.N.). Dies gilt angesichts der verfahrensrechtlichen Bedeutung des Rechtsinstituts der Bestandskraft (oben b) gleichermaßen für die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195).

d) Der Senat läßt dahingestellt (ebenso der X.Senat in BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195 und der I.Senat in BFHE 160, 529, BStBl II 1990, 905), ob eine Bilanzänderung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977 darstellt. Die Änderung des Gewinnfeststellungsbescheides nach dieser Vorschrift setzt jedenfalls voraus, daß das FA der Bilanzänderung zugestimmt hätte. An dieser Voraussetzung fehlt es. Das FA hat seine Zustimmung zur Bilanzänderung verweigert.

Das FA hat zwar die Zustimmung nicht ausdrücklich im Hinblick auf die Bestandskraft des ändernden Gewinnfeststellungsbescheides, sondern aus anderen materiell-rechtlichen Gründen versagt. Gleichwohl liegt hierin kein zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts führender Ermessensfehler, welcher die Klägerin in ihrem Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch verletzt; denn im Streitfall ist das Ermessen der Verwaltung --ausnahmsweise-- auf Null reduziert. Grundsätzlich ist ein Gericht im Ermessensbereich nicht zu eigener Ermessensausübung befugt. Sonst würde es seine Erwägungen an die Stelle der hier allein maßgeblichen Ermessenserwägungen der Verwaltung setzen. Eine Ausnahme gilt indessen im Falle der sog. Ermessensschrumpfung auf Null. Sie tritt ein, wenn die Sachlage des Einzelfalls die Ermessensgrenzen so einengt, daß nur eine bestimmte Entscheidung möglich ist und jede andere notwendig zu einem Ermessensfehler führen müßte (BFH-Urteil vom 1.Juli 1981 VII R 84/80, BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740).

So liegt der Fall hier. Nach Bestandskraft der auf der Steuerbilanz beruhenden Gewinnfeststellung ist eine Bilanzänderung grundsätzlich nicht mehr möglich (siehe b). Nach Abschn.15 Abs.2 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 1981 (EStR 1981) muß der Antrag vor Bestandskraft der Veranlagung (bzw. Gewinnfeststellung) beim FA gestellt werden. In Übereinstimmung mit dem X.Senat (Urteil in BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195) hält der erkennende Senat diese Verwaltungsanweisung ebenfalls für ermächtigungskonform. Das FA kann mithin den Antrag der Klägerin auf Bilanzänderung nur abschlägig bescheiden.

3. Schließlich kann ein Bilanzierungswahlrecht nicht allein für Zwecke der Gewinnermittlung im Rahmen der Gewerbesteuer ausgeübt werden, weil der Gewinnfeststellungsbescheid für den Erhebungszeitraum bereits bestandskräftig war.

a) Der IV.Senat des BFH (BFHE 144, 25, 29, BStBl II 1986, 350) hat bezüglich § 6b EStG bereits entschieden, daß bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG) eine Bindung nicht nur an die abstrakten Normen des EStG über die Gewinnermittlung besteht, sondern grundsätzlich auch an den im Einzelfall gewählten Bilanzansatz, soweit gesetzliche Bilanzierungswahlrechte eingeräumt sind.

Derartige Wahlrechte werden in der Regel durch einen entsprechenden Ansatz in der Handelsbilanz ausgeübt, die ihrerseits für die bilanzsteuerrechtliche Gewinnermittlung maßgebend ist (§ 5 EStG). Da nur eine Handelsbilanz aufgestellt wird, ist sie nach Ansicht des IV.Senats für die Gewinnermittlung für Zwecke der Einkommensteuer in gleicher Weise maßgeblich wie für jene für Zwecke der Gewerbesteuer.

Hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens fehlt allerdings eine handelsrechtliche Gewinnermittlung, die gemäß § 5 Abs.1 EStG für die steuerrechtliche Gewinnermittlung maßgeblich sein könnte. Der Gewinn ist insoweit zwar unter Beachtung der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, jedoch unabhängig von einer Handelsbilanz zu ermitteln (Urteil des BFH vom 21.Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881, 886). Das Bilanzierungswahlrecht nach § 6b EStG anläßlich der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen ist vielmehr im Rahmen der Sonderbilanz auszuüben.

Der X.Senat (BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195) hat der Rechtsprechung des IV.Senats auch für Fälle zugestimmt, in welchen keine Handelsbilanz erstellt, vielmehr (nur) nach Steuerrecht bilanziert wird und deshalb Bilanzierungswahlrechte in der der Einkommensteuerveranlagung zugrunde liegenden Steuerbilanz ausgeübt werden.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung auch für die im Streitfall gegebene Gestaltung an, daß zwar eine Handelsbilanz erstellt wird, das Bilanzierungswahlrecht jedoch im Rahmen der --steuerlichen-- Sonderbilanz ausgeübt wird.

b) Gemäß § 7 Abs.1 GewStG ist dem Gewerbeertrag --vorbehaltlich der sich aus dem Gewerbesteuerrecht ergebenden Besonderheiten-- der nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde zu legen. Für § 7 GewStG ist dabei der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft, also einschließlich gewinnwirksamer Vorgänge im Bereich des Sonderbetriebsvermögens, maßgeblich (Beschluß des Großen Senats vom 25.Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691, 698). Unstreitig begründet diese Vorschrift keine Bindungswirkung für die Gewerbesteuer an den bei der Gewinnfeststellung zugrunde gelegten Gewinn (BFH-Urteil vom 3.Oktober 1989 VIII R 184/85, BFHE 158, 385, BStBl II 1990, 319). Die Bezugnahme auf die Gewinnermittlungsvorschriften, zu denen auch § 6b EStG gehört, bewirkt jedoch, soweit die Bilanzierung betroffen ist, eine Bindung an die einkommensteuerrechtlich zulässigen konkreten Ansätze in der Steuerbilanz. Hieraus folgt insbesondere, daß der Steuerpflichtige Bilanzierungswahlrechte nur einheitlich ausüben darf. Hinsichtlich der weiteren Begründung nimmt der Senat auf das Urteil des X.Senats in BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195, 197, sub 4) im einzelnen Bezug.

Das FA durfte mithin die Zustimmung zu einer Bilanzänderung verweigern, weil die betreffende Bilanz einer bestandskräftigen gesonderten Gewinnfeststellung zugrunde lag.

4. Die Vorentscheidung stimmt mit den aufgezeigten Grundsätzen nicht überein und ist deshalb aufzuheben. Der Revision des FA ist gleichwohl nicht in vollem Umfang stattzugeben.

Nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die gemäß § 7 Abs.1 GewStG i.V.m. § 5 Abs.1 EStG auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags maßgebend sind, müssen Abschlußzahlungen an Gewerbesteuer, die sich auf der Grundlage des ermittelten Gewerbeertrags und Gewerbekapitals für ein Wirtschaftsjahr ergeben, durch Bildung oder Erhöhung einer Rückstellung für dieses Wirtschaftsjahr gewinnmindernd berücksichtigt werden (BFH-Urteile vom 23.April 1991 VIII R 61/87, BFHE 164, 422, BStBl II 1991, 752; vom 12.April 1984 IV R 112/81, BFHE 141, 45, BStBl II 1984, 554).

Da der erkennende Senat den Betrag, welcher als Gewerbesteuer zurückzustellen ist, mangels Feststellungen des FG nicht selbst errechnen kann, war die Vorentscheidung aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

5. Die Übertragung der Entscheidung über die Kosten beruht auf § 143 Abs.2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64369

BFH/NV 1992, 73

BStBl II 1992, 958

BFHE 169, 219

BFHE 1993, 219

BB 1992, 1966

BB 1992, 1966-1968 (LT)

DB 1992, 2530 (L)

HFR 1992, 675 (LT)

StE 1992, 554 (K)

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