Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Erhält ein buchführender Gewerbetreibender für die zu seinem Anlagevermögen gehörenden Aktien Freiaktien, so braucht er die Freiaktien nicht zu aktivieren, da er dafür keine Aufwendungen gemacht hat, die als Anschaffungskosten nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG zu behandeln wären.

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2; Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer vom 30. Dezember

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2; KapErhStG 1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine KG, die ihren Gewinn nach § 5 EStG ermittelt, ist an einer schwedischen AG beteiligt. Diese erhöhte im Jahre 1955 ihr Stammkapital und teilte die neuen Aktien ihren Aktionären unentgeltlich im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung zu. Das Finanzamt (FA) sah die Zuwendung der Freiaktien als verdeckte Gewinnausschüttung an und erhöhte den Gewinn der Stpfl. bei der einheitlichen Feststellung für 1955 um den Nennwert der Freiaktien von 375 000 skr (= 288750 DM).

Der Einspruch und die Berufung der Stpfl. hiergegen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Freiaktien seien Erträge der Stammaktien. Wirtschaftlich sei es so anzusehen, als habe die AG die Einzahlung des Kapitals zugunsten ihrer Aktionäre übernommen. Bei Steuerpflichtigen, bei denen die Stammaktien zum Betriebsvermögen gehörten, erhöhten die Freiaktien den gewerblichen Gewinn. Das gelte auch bei Freiaktien ausländischer Gesellschaften. Die Stpfl. bestreite eine Gewinnerhöhung, weil handelsrechtlich die Aktivierung unzulässig sei, da sie für die Freiaktien keinen Aufwand gemacht habe. Diese Auffassung treffe nicht zu. Da die Zuteilung von Freiaktien die Ausschüttung freien Geldes und gleichzeitig die Wiedereinlage in die Kapitalgesellschaft als gebundenes Kapital bedeute, lägen in Höhe des Nennwerts der Freiaktien Anschaffungskosten vor. Mit diesem Betrag seien die Freiaktien auch zu aktivieren. Daß nach dem Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer vom 30. Dezember 1959 (BGBl 1959 I S. 834, BStBl 1960 I S. 14) die Ausgabe von Freiaktien bei den Aktionären nicht mehr der Einkommensteuer unterliege, stehe der Besteuerung hier nicht entgegen; denn diese Neuregelung könne nicht auf die zurückliegende Zeit angewendet werden, zumal die Steuerfreiheit auf die nach dem 31. Dezember 1959 ausgegebenen Freiaktien ausländischer Kapitalgesellschaften erst durch Art. 13 des Steueränderungsgesetzes (StändG) 1961 eingeführt worden sei.

Die Stpfl. wendet sich mit der Revision weiterhin gegen die Zurechnung des Nennwerts der Freiaktien zu ihrem gewerblichen Gewinn. Sie führt insbesondere aus, § 20 EStG, auf den das FG verwiesen habe, gelte nicht für die Feststellung des Gewinns nach § 5 in Verbindung mit § 15 EStG. Die Freiaktien führten zur Erhöhung des Gewinns, wenn sie nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Berücksichtigung der steuerlichen Bewertungsvorschriften im Betriebsvermögen auf den 31. Dezember 1955 auszuweisen seien. Handelsrechtlich und auch nach § 6 EStG komme aber eine Aktivierung nur in Höhe der Anschaffungskosten in Betracht. Sie habe bei dem Erwerb der Freiaktien nichts aufgewendet, so daß eine Aktivierung nicht in Betracht komme.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Stpfl. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen.

Der Reichsfinanzhof (RFH) hat in übereinstimmung mit der damals herrschenden bürgerlich-rechtlichen und handelsrechtlichen Auslegung in der Ausgabe von Freiaktien eine Doppelmaßnahme gesehen, nämlich einmal die Ausschüttung von freien Reserven durch die AG und außerdem die Wiedereinzahlung des Betrags durch die Aktionäre an die AG (Gutachten I D 4/20 vom 14. Dezember 1920, Slg. Bd. 4 S. 222, 227). Dementsprechend bejahte er die Kapitalertragsteuerpflicht der Freianteile (Urteil I A 20, 21/22, 199/21 vom 15. Dezember 1922, Slg. Bd. 11 S. 157). Die Begründung für die Annahme eines steuerpflichtigen Kapitalertrags war in der Folgezeit aber nicht einheitlich. Erwähnung verdient insbesondere der Wandel in der Begründung im RFH-Urteil IV 324/39 vom 28. März 1940 (RStBl 1940 S. 570), in dem der RFH die Steuerpflicht damit begründete, daß den Aktionären in Form der Freiaktien zurückgestellte Werte freigegeben würden, die sie in Geld umsetzen könnten (ebenso Urteil IV 136/42 vom 19. November 1942, RStBl 1943 S. 226).

Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte im Urteil I 165/54 S vom 17. September 1957 (BStBl 1957 III S. 401, Slg. Bd. 65 S. 437) die Kapitalertragsteuerpflicht der Ausgabe von Freiaktien und im Urteil VI 13/57 U vom 1. August 1958 (BStBl 1958 III S. 390, Slg. Bd. 67 S. 300) demgemäß den Charakter der Freiaktien als Kapitalertrag im Sinn von § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG mit der Begründung, daß die Umwandlung von Reserven in Stammkapital die Umwandlung von steuerpflichtigen in steuerfreie Beträge bedeute. Er wandelte damit die bisherige Begründung wesentlich ab und lehnte die Annahme einer Doppelmaßnahme im Sinn der älteren Rechtsprechung des RFH ausdrücklich ab.

Die erwähnten Entscheidungen des BFH lösten gesetzgeberische Maßnahmen aus. Das Gesetz vom 30. Dezember 1959 (a. a. O.) erklärte die Ausgabe von Freiaktien auf Grund des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. Dezember 1959 (BGBl 1959 I S. 789) für steuerfrei. In der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 417 der III. Wahlperiode) wurde ausgeführt, daß die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ein Vorgang sei, der sich innerhalb der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter abspiele und der die Ertragssphäre der Gesellschafter nicht berühre. Das Gesetz geht also davon aus, daß die Ausgabe der Freiaktien ein Vorgang ist, der sich ausschließlich oder doch im wesentlichen im Bereich des Vermögens vollzieht und der deshalb keine ertragsteuerlichen Auswirkungen haben kann. Diese gesetzliche Regelung betraf zunächst nur die Freiaktien inländischer Kapitalgesellschaften. Erst durch Art. 13 StändG 1961 wurde die Steuerfreiheit auch auf die Freiaktien ausländischer Kapitalgesellschaften ausgedehnt.

Die gesetzliche Neuregelung findet an sich auf den Streitfall, der das Jahr 1955 betrifft, keine Anwendung. Gleichwohl ist aber im Streitfall die Ausgabe der Freiaktien auf den Ertrag der Stpfl. ohne Einfluß.

Alle angeführten Urteile des RFH und des BFH betreffen die Kapitalertragsteuerpflicht bei der AG, die die Freiaktien ausgibt, oder die Einkünfte der Gesellschafter aus Kapitalvermögen. Die Erwägungen, die zur Annahme einer Kapitalertragsteuerpflicht bzw. zur Einkommensteuerpflicht führten, gelten aber nicht ohne weiteres auch für die Gewinnermittlung bei buchführenden Gewerbetreibenden. Wie Freiaktien bilanzmäßig auszuweisen sind, richtet sich nach den Grundsätzen des Handelsrechts und des Bilanzsteuerrechts. Die Stpfl. weist in der Begründung ihrer Revision zutreffend darauf hin, daß nach Handelsrecht und auch nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG 1955 Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, zu denen die Beteiligung hier gehört, grundsätzlich mit den Anschaffungskosten zu bewerten sind. Die Stpfl. hat aber für die Freiaktien keine Aufwendungen gemacht, die als Anschaffungskosten in Betracht kommen. Nach dem vom RFH ursprünglich angenommenen Doppelvorgang bei der Ausgabe von Freiaktien hätte man zwar in der Wiedereinzahlung des Ausschüttungsbetrags eine Aufwendung zum Erwerb der Freiaktien erblicken können. Im Grundsatzurteil I 165/54 S (a. a. O.), dessen rechtlicher Beurteilung der Senat sich im Urteil VI 13/57 U (a. a. O.) angeschlossen hat, wurde diese Auffassung jedoch in übereinstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister der Justiz aufgegeben. Bei der diesen neuen Entscheidungen zugrunde liegenden anderen Betrachtung, daß bei der Ausgabe von Freiaktien gebundenes, in den Reserven des Unternehmens steckendes Kapital in Stammkapital umgewandelt werde, kann man aber Aufwendungen der Aktionäre zum Erwerb der Freiaktien nicht konstruieren. Zu dem gleichen Ergebnis führt auch die Erwägung, daß die gesetzliche Regelung des Jahres 1959 in der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln einen ausschließlich auf dem Gebiet des Vermögens sich vollziehenden Vorgang sieht, bei dem also lediglich der den Aktionären gehörende Anteil am Gesellschaftsvermögen in anderer Weise als vorher, nämlich in einer größeren Anzahl von Aktien, verkörpert ist. Nachdem die Rechtsprechung an der Auffassung von dem Doppelcharakter des handelsrechtlichen Vorgangs bei der Ausgabe von Freiaktien nicht mehr festgehalten hat, ist es auch für das Streitjahr 1955 nicht angängig anzunehmen, daß die Stpfl. Aufwendungen für die ihr zugeteilten Freiaktien gemacht habe. Wollte man übrigens, wie das FA meint, annehmen, daß die Stpfl. für die Freiaktien einen Teil des Wertes ihrer Altaktien hingegeben und dieser Wert zu aktivieren sei, so wäre der Teilwert der Altaktien grundsätzlich wohl etwas um den gleichen Betrag zu mindern, so daß der ganze Vorgang im Ergebnis erfolgsneutral wäre.

Da die Stpfl. für den Erwerb der Freiaktien also tatsächlich nichts aufgewendet hat, fehlt es an Anschaffungskosten im Sinn von § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG. Der bisherige Bilanzansatz in der Schlußbilanz des Jahres 1955 umfaßt sowohl den Altbesitz an Aktien als auch die im Streitjahr 1955 hinzugekommenen Freiaktien. Auswirkungen durch den Bezug der Freiaktien werden sich erst bei einer Veräußerung der Freiaktien in einem späteren Veranlagungszeitraum ergeben.

Zu den Fragen, die bei der Feststellung eines Veräußerungsergebnisses, insbesondere bei einer teilweisen Veräußerung von alten Aktien oder Freiaktien auftreten können, braucht hier nicht Stellung genommen zu werden, da eine Veräußerung im Streitjahr nicht erfolgt ist.

Das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung beruhen auf einer anderen rechtlichen Beurteilung. Sie waren daher aufzuheben. Es erscheint dem Senat zweckmäßig, die Sache an das FA zurückzuverweisen, damit es den Gewinn der Stpfl. für das Jahr 1955 nach den obigen Rechtsausführungen durch eine Einspruchsentscheidung erneut einheitlich feststellt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411947

BStBl III 1966, 220

BFHE 1966, 21

BFHE 85, 21

BB 1966, 487

DB 1966, 605

DStR 1966, 343

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