Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatztantieme als vGA

 

Leitsatz (NV)

1. Auch die zivilrechtlich zulässige Zusage einer Umsatztantieme an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH kann steuerrechtlich nur unter besonderen Voraussetzungen anerkannt werden.

2. Ein besonderer Grund für die Zusage einer Umsatztantieme kann darin liegen, daß die mit der variablen Vergütung angestrebte Leistungssteigerung durch eine Gewinntantieme nicht zu erreichen wäre.

3. Zu den Voraussetzungen, unter denen im Einzelfall die steuerliche Anerkennung einer Umsatztantieme möglich erscheint.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde 1972 gegründet. Ihre Gesellschafter jeweils zur Hälfte des Stammkapitals sind S und K. Beide sind zugleich jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Dem zuvor nur als Mitarbeiter in dem Einzelunternehmen des S tätigen K obliegen allerdings die wesentlichen leitenden Aufgabenbereiche, während S nur teilweise für die Klägerin tätig ist. Sein Aufgabengebiet umfaßt vor allem die Unterstützung und Vertretung von K. Als Vergütung für die Geschäftsführertätigkeit erhalten S und K neben Festbezügen eine Tantieme von 1 v. H. (S) und 2 v. H. (K) des Umsatzes der Klägerin. Der Anspruch auf die Tantieme ist davon abhängig, daß der Gewinn mehr als 10 000 DM beträgt. An dem Gewinn ist S mit 30 v. H. und K mit 70 v. H. beteiligt.

In den Streitjahren 1987 und 1988 erhielt K hiernach neben einem Gehalt von ... DM (1987) und ... DM (1988) Tantiemen von ... DM (1987 und ... DM (1988). Die Umsätze der Klägerin beliefen sich 1987 auf ... DM und 1988 auf ... DM, die Gewinne (nach Abzug der Körperschaftsteuer) 1987 auf ... DM und 1988 auf ... DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) behandelte die an K geleisteten Tantiemen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 285 wiedergegebenen Gründen statt.

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die an K geleisteten Umsatztantiemen stellen vGA dar.

Eine vGA ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631). Im Regelfall ist eine Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795; vgl. auch Abschn. 31 Abs. 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien -- KStR --).

Aus der Sicht des gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters wären im Streitfall die streitigen Umsatztantiemen nicht vereinbart worden.

1. Die Vereinbarung einer Umsatztantieme für die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH ist zwar zivilrechtlich zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1993 I R 83/92, BFH/NV 1994, 124 m. w. N.). Die grundsätzlich einer Kapitalgesellschaft auch bei Vertragsabschluß mit einem Gesellschafter eingeräumte Gestaltungsfreiheit wird aber aufgrund des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG für das Steuerrecht eingeschränkt. Anzuerkennen ist danach eine Vereinbarung zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter u. a. nur dann, wenn diese auch von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter abgeschlossen worden wäre. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter wählt nicht jede zivilrechtlich zulässige (vgl. dazu für die Vereinbarung einer Umsatztantieme BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 124, unter 1. der Entscheidungsgründe), sondern nur die unter Beachtung der Aufgaben des Geschäftsführers einerseits und der Lage der Gesellschaft andererseits angemessene Gestaltung.

Die Zusage einer variablen Vergütung im Rahmen eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrags ist grundsätzlich auch im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer anerkannt vgl. z. B. BFH-Urteile vom 8. Januar 1969 I R 26/67, BFHE 95, 1, BStBl II 1969, 268, und vom 2. Dezember 1992 I R 54/91, BStBl II 1993, 311). Bei der Wahl zwischen Gewinn- oder Umsatztantieme wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter aber grundsätzlich beachten, daß letztere für die auf Gewinnsteigerung bedachte Kapitalgesellschaft besondere Risiken enthält. Zum einen ist die Umsatztantieme unabhängig von der Erwirtschaftung eines Gewinns zu zahlen. Zum anderen birgt sie das Risiko in sich, daß Umsätze zu Lasten der Rentabilität in die Höhe getrieben werden können. Für das Aktienrecht gilt daher, daß sich der Aufsichtsrat wegen der besonderen Risiken dieser Art der variablen Vergütung einer Pflichtverletzung schuldig machen kann (vgl. Geßler/Hefermehl/Ekardt/Kropff, Aktiengesetz, Kommentar, § 86 Rdnr. 6; Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktiengesetz, § 21 Rdnr. 36; Mertens in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 86 Rdnr. 4). Diesen Überlegungen entspricht der vom Senat im Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 230/75 (BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234; bestätigt durch Urteile vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854, und in BFH/NV 1994, 124) aufgestellte Grundsatz, wonach ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eine umsatzabhängige Vergütung nur gewährt, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen. Dem entspricht auch die Praxis. Bereits vor Ergehen des Urteils des Senats in BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234 wurde die Umsatztantieme nur in einer vergleichsweise geringen Zahl der Fälle erfolgsbezogener Vergütungen gewährt (vgl. Kienbaum, GmbH-Rundschau 1972, 227).

Ein besonderer Grund für die Gewährung einer Umsatztantieme liegt dann vor, wenn die mit der variablen Vergütung angestrebte Leistungssteigerung durch eine Gewinntantieme nicht zu erreichen wäre (BFH-Urteile in BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854, und in BFH/NV 1994, 124). Als besonderer Umstand wird die Aufbauphase eines Unternehmens betrachtet (vgl. Urteil in BFH/NV 1994, 124 m. w. N.). In einem solchen Fall hat allerdings die Kapitalgesellschaft grundsätzlich durch eine entsprechende Vereinbarung mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer sicherzustellen, daß die Zahlung der Umsatztantieme tatsächlich auf die Dauer der Aufbauphase beschränkt bleibt (z. B. durch eine Revisionsklausel; durch eine zeitliche Beschränkung im Anstellungsvertrag). Auch sind die eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten über die künftige Umsatzentwicklung in einer Aufbau- oder Übergangsphase angemessen bei der Gestaltung der Umsatztantieme (Bemessung der Prozentsätze; Festlegung von Höchstgrenzen) zu berücksichtigen. In Einzelfällen kann es auch sachgerecht sein, dem ausschließlich für den Vertrieb zuständigen Geschäftsführer eine am Umsatz bemessene variable Vergütung zuzusagen (Urteil in BFH/NV 1994, 124 m. w. N.). Soweit der Geschäftsführer für den Gesamtbetrieb verantwortlich ist, erscheint hingegen eine Erfolgsbeteiligung nur in der Form einer Gewinntantieme angebracht. Die Branchenüblichkeit einer Umsatztantieme ist nicht Voraussetzung für ihre Anerkennung, wenn die individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft unter den bezeichneten Gesichtspunkten die Einräumung einer Umsatztantieme sachgerecht erscheinen lassen. In anderen Fällen ist sie als Indiz geeignet nachzuweisen, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eine Umsatztantieme gewährt hätte (Urteil in BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234). Hingegen kann der im Schrifttum vertretenen Auffassung, daß die Einräumung einer Umsatztantieme schlechthin steuerlich anzuerkennen ist, solange die Gesamtausstattung eines Geschäftsführers angemessen ist (vgl. z. B. Lange, Verdeckte Gewinnausschüttungen, 5. Aufl., Rdnr. 690; Greif/Schuhmann, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rdnr. 83 Umsatztantieme; Felix, Betriebs- Berater -- BB -- 1988, 277; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 8 Anm. 150 Dienstverhältnis, Anm. 2 m. w. N.; vgl. auch FG München, Urteil vom 29. April 1986 VII 279/83 K, G, EFG 1987, 41) nicht zugestimmt werden (Urteil in BFH/NV 1994, 124). Solange die Praxis im allgemeinen die Risiken einer Umsatztantieme meidet, weil diese strukturell auch zur Absaugung nichterwirtschafteter Gewinne führt, ist dies grundsätzlich auch der Kapitalgesellschaft im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern zuzumuten. Da steuerlich eine von den Vertragsparteien gewählte Gestaltung (hier: Umsatztantieme) nicht durch eine andere (hier: Gewinntantieme) ersetzt werden kann, kann eine Umsatztantieme auch nicht in eine angemessene Gewinntantieme umgedeutet werden.

2. Aufgrund der Feststellungen des FG liegen im Streitfall keine besonderen Gründe für die Gewährung der Umsatztantiemen vor.

Die Klägerin wurde 1972 gegründet. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß sie sich in den Streitjahren 1987 und 1988 noch in einer Aufbau- bzw. Übergangsphase befunden hätte. Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder dargetan, daß es der Klägerin darum gegangen wäre, K aufgrund der internen Geschäftsverteilung durch die Zusage der Umsatztantieme einen besonderen Anreiz zur Leistungssteigerung zu bieten. Daß bei ihm und nicht bei S die Hauptlasten der Geschäftsführung lagen, ändert daran nichts.

Angesichts dessen läuft die Vorentscheidung im Ergebnis auf die allgemeine steuerliche Anerkennung von Umsatztantiemen hinaus, solange nur die Gesamtausstattung der Geschäftsführer den Rahmen des Angemessenen nicht verläßt. Ein solches Verständnis wird vom Senat aus den angeführten Gründen indes nicht geteilt. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Gesamtbezüge, die K als Geschäftsführer in den Streitjahren vereinnahmte, noch als angemessen angesehen werden können oder ob die entsprechenden Feststellungen des FG gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage der Klägerin ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420981

BFH/NV 1996, 508

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