Leitsatz (amtlich)

Ist die nach § 3 der 17. UGDV i. d. F. der 26. UGDV für die Verbindung der Wirtschaftsjahre II/1948 und 1949 erforderliche Anzeige bei dem Registergericht nicht eingegangen, und hat auf den 31. Dezember 1948 weder eine Bestandsaufnahme noch eine Bilanzaufstellung stattgefunden, so liegt keine ordnungsmäßige Buchführung vor; die hiervon abhängige Vergünstigung des nichtentnommenen Gewinnes kann daher nicht gewährt werden.

 

Normenkette

EStG 1949 § 10 Abs. 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt den Import und Großhandel mit Obst und Gemüse; die unter seinem Namen geführte Firma ist seit 1938 im Handelsregister eingetragen. Seiner Steuererklärung für II/1948 und 1949 fügte er eine Abschrift der nach § 3 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz (UGDV) in der Fassung der 26. UGDV erforderlichen Anzeige an das Handelsregister bei und beantragte unter Einreichung der DM-Eröffnungsbilanz und der Abschlußbilanz zum 31. Dezember 1949 die Verbindung der Wirtschaftsjahre II/1948 und 1949. Das Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr. Auf den 31. Dezember 1948 ist eine Bilanz nicht aufgestellt, auch eine Bestandsaufnahme hat nicht stattgefunden.

Die Anzeige, die nach der 41. UGDV bis zum 31. Januar 1950 beim Registergericht eingegangen sein muß, ist bei diesem nach seiner Auskunft nicht angekommen. Das Finanzamt hat deshalb die Verbindung der Wirtschaftsjahre abgelehnt, den buchmäßigen Gewinn nach dem Umsatzverhältnis auf die Steuerabschnitte II/1948 und 1949 verteilt und dabei die auf Grund des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 beantragte Vergünstigung des nichtentnommenen Gewinns versagt, weil infolge Fehlens der Bilanz und der Bestandsaufnahme auf den 31. Dezember 1948 eine ordnungsmäßige Buchführung nicht vorliege.

Das Finanzgericht hat zwar wegen des nicht nachgewiesenen Eingangs der Anzeige beim Registergericht ebenfalls die Berechtigung zur Verbindung der Wirtschaftsjahre II/1948 und 1949 nicht anerkannt, jedoch den Abzug des nichtentnommenen Gewinns in der gesetzlich zugelassenen Höhe gewährt. § 10 EStG setze für die Inanspruchnahme der hier in Betracht kommenden Vergünstigung nur voraus, daß der Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt werde. Es sei unbestritten, daß die Gewinne auf einer auch vom Finanzamt ordnungsmäßig anerkannten Buchführung beruhten. Wenn auch wegen des als formellen Mangel zu kennzeichnenden Fehlens eines Abschlusses auf den 31. Dezember 1948 die Verteilung des Gewinns auf die beiden Veranlagungszeiträume durch Schätzung vorgenommen worden sei und müsse, so ändere das nichts an dem durch die Buchführung zutreffend ausgewiesenen Gesamtgewinn. Es bestehe kein Anlaß, in diesem Falle den Abzug des nichtentnommenen Gewinns zu versagen, da auch bei einer rechtswirksamen Verbindung der Wirtschaftsjahre nach § 73 Abs. 7 des D-Markbilanzgesetzes die Aufteilung des buchmäßig ermittelten Gewinns schätzungsweise (nach dem zeitlichen Anteil) vorgenommen werde; aus diesem Grunde sei noch niemals die von der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung abhängige Vergünstigung versagt worden.

Hiergegen wendet sich der Vorsteher des Finanzamts. Nach ständiger Rechtsprechung (siehe Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 78/49 vom 13. Januar 1950, Steuerrechtskartei, EStG § 4 Rechtsspruch 8a--c, Steuer und Wirtschaft 1950 Nr. 48, Ministerialblatt des Bundesministeriums der Finanzen 1950 S. 343; Urteil des Reichsfinanzhofs VI 74/44 vom 3. Mai 1944, Reichssteuerblatt 1944 S. 731) werde das Fehlen oder die Unvollständigkeit einer Bestandsaufnahme nicht nur als formeller, sondern auch als sachlicher Mangel einer Buchführung angesehen. Wenn das Finanzgericht ausführe, daß bei einer auf Grund ordnungsmäßiger Anzeige vorgenommenen Verbindung der Gewinn im Schätzungswege aufgeteilt, und aus diesem Grunde die Beweiskraft einer Buchführung von niemanden in Zweifel gezogen werde, so übersehe es, daß es sich in diesen Fällen nur um einen Ermittlungszeitraum handelt, für den eine Aufteilung der Gewinne lediglich zur Berechnung der Steuer stattfinde. Bei dem Stpfl. kämen jedoch zwei Veranlagungszeiträume in Betracht, für deren einen es an einer Schlußbilanz und einer körperlichen Bestandsaufnahme fehle. Worauf diese Unterlassung beruhe, sei ohne Belang. Wenn die Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung bei durch Kriegseinwirkung verloren gegangenen Inventurunterlagen verneint werde, so müsse das erst recht für Fälle der vorliegenden Art gelten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Den Ausführungen des Vorstehers des Finanzamts ist beizutreten.

Die Vorentscheidung hat wegen der beim Registergericht nicht eingegangenen Anzeige zutreffend die Berechtigung zur Verbindung der Wirtschaftsjahre verneint. Diese Feststellung hat zur notwendigen Folge, daß der im Handelsregister eingetragene und als Vollkaufmann geltende Stpfl. für jeden der streitigen Steuerabschnitte eine Bilanz aufzustellen hatte, d. h. er mußte auch für sein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr für den 31. Dezember 1948 einen Abschluß fertigen, wozu auch eine auf diesen Stichtag vorgenommene Bestandsaufnahme gehört. Das Fehlen einer solchen stellt regelmäßig einen so erheblichen Mangel einer Buchführung dar, daß sie nicht mehr als ordnungsmäßig bezeichnet werden kann; ohne eine Bestandsaufnahme fehlt einer Buchführung eine wesentliche Unterlage für die Nachprüfung der eingesetzten Werte, so daß von einer zuverlässigen Wiedergabe des tatsächlichen Vermögensstandes eines Kaufmanns nicht mehr gesprochen werden kann. Diese Auffassung wird nicht allein durch die vom Finanzamt angeführten Urteile bestätigt, sie ist weiter auch in der Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs VI 17/45 vom 21. November 1946 (Ministerialblatt des Bundesministeriums der Finanzen 1950 S. 321) eindeutig zum Ausdruck gebracht (siehe auch Einkommensteuer-Richtlinien II/1948 und 1949 Abschnitt 107 Abs. 3). Das Finanzgericht irrt daher, wenn es in dem Fehlen einer körperlichen Bestandsaufnahme nur einen formellen Mangel erblickt; es liegt auch ein schwerwiegender sachlicher Fehler vor, der einer Buchführung regelmäßig die Beweiskraft nimmt. Liegen aber ordnungsmäßig geführte Bücher nicht vor, so kann der Stpfl. auch nicht die an solche geknüpfte steuerliche Vergünstigungen beanspruchen. Darauf, aus welchem Grunde die Bestandsaufnahme und Bilanzaufstellung unterblieben ist, kommt es nicht an. Will ein Stpfl. von einem vom Gesetz zugelassenen steuerlichen Vorteil Gebrauch machen, so muß er auch darauf bedacht sein, alle gesetzlichen Merkmale zu erfüllen. Wird daher der nach den obenbezeichneten Durchführungsverordnungen zum Umstellungsgesetz erforderliche Antrag nicht in rechtswirksamer Weise gestellt, oder wird die nach § 41 UGDV vorgesehene Antragsfrist versäumt, und die Aufstellung einer Inventur und Bilanz auf den Schluß des ersten DM-Wirtschaftsjahres unterlassen, so ist eine ordnungsmäßige Buchführung nicht gegeben. Der für beide Wirtschaftsjahre insgesamt ausgewiesene Gewinn ist im Wege der Schätzung aufzuteilen. Das Finanzamt weist mit Recht darauf hin, daß die Auffassung des Finanzgerichts, die Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung werde nicht bestritten, wenn eine rechtsgültige Anzeige an das Registergericht vorliegt, und daraufhin eine zeitanteilige Aufteilung stattfindet, nicht begründet ist. In diesem Fall handelt es sich um einen vom Gesetz zugelassenen einheitlichen Ermittlungszeitraum (verlängertes Geschäftsjahr), für den nur eine Bilanz aufzustellen ist (siehe auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 72/52 vom 10. Oktober 1952, Bundessteuerblatt 1953 III S. 3; Steuerrechtskartei, D-Markbilanzgesetz § 73 Rechtsspruch 10). Liegt aber eine Anzeige nicht vor, so kommen die allgemein geltenden Vorschriften des Handelsrechts zu Raum, nach denen für jedes Geschäftsjahr eine den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechende Inventuraufnahme und Schlußbilanz zu erstellen ist. Fehlt es, wie im vorliegenden Fall, für den 31. Dezember 1948 an beiden, dann liegt für dieses Wirtschaftsjahr keine ordnungsmäßige Buchführung vor, mit der Folge, daß die nur unter dieser Voraussetzung zugelassene Vergünstigung für den nichtentnommenen Gewinn nicht gewährt werden kann. Diese Beurteilung kann auch durch § 15 des Gesetzes zur Durchführung der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerveranlagungen für die Veranlagungszeiträume vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1948 (II/1948) und das Kalenderjahr 1949 vom 23. März 1950 -- VG -- (Bundessteuerblatt S. 48) keine Änderung erfahren, durch den nichteingetragenen buchführenden Stpfl. eine Zusammenrechnung und Aufteilung zugebilligt wird. Die vielfach vertretene Auffassung, die im Handelsregister eingetragenen Stpfl. wären einmal durch die früher endende Antragsfrist sowie durch das Fehlen einer Nachsichtgewährung bei Versäumen der Antragsfrist schlechter gestellt als die nichteingetragenen, so daß es unbillig sei, ihnen die Anwendung des § 15 VG zu versagen, scheitert an dem klaren Wortlaut der Vorschriften. Die an sich nicht zu bestreitenden Ungleichmäßigkeiten können nicht durch eine gegen den Wortlaut vorzunehmende ausdehnende Auslegung beseitigt werden, ganz abgesehen davon, daß ein Ausgleich auch nur zum Teil möglich wäre. Selbst wenn angenommen würde, der Gesetzgeber sei von einer irrigen Vorstellung über die Auswirkung der Vorschriften des § 3 der 17. UGDV in der Fassung der 26. UGDV und des § 15 VG ausgegangen, so kann nach den Grundsätzen des Urteils des Deutschen Obergerichts vom 5. Juli 1950 -- I S 2/50 -- (Neue Juristische Wochenschrift 1950 S. 651) ein Irrtum im Motiv eine eindeutig getroffene gesetzliche Regelung nicht durch eine berichtigende Auslegung richtiggestellt werden. Die in dieser Beziehung in der Vorentscheidung enthaltenen Ausführungen sind daher nicht zu beanstanden. Da der Gesetzgeber bisher eine anderweitige Regelung nicht getroffen hat, kann hier nur im Verwaltungs- und Billigkeitswege nach § 131 der Reichsabgabenordnung geholfen werden.

Da die Vorentscheidung rechtsirrtümlich den Abzug des nichtentnommenen Gewinns zu Unrecht vorgenommen hat, kann sie nicht aufrechterhalten bleiben. Die Sache ist spruchreif. Unter Aufhebung der auf Sprungberufung ergangenen Vorentscheidung war daher unter Zurückweisung der Sprungberufung als unbegründet der Steuerbescheid des Finanzamts vom 2. November 1951 wiederherzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407627

BStBl III 1953, 120

BFHE 1954, 300

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