Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auch an einem ungeteilten Grundbesitz, der zivilrechtlich im Eigentum einer Person steht, kann wirtschaftliches Miteigentum begründet sein, wenn mehrere Personen den Grundbesitz als ihnen gemeinschaftlich gehörig besitzen.

Für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit gemeinsamen Eigenbesitzes mit der Folge der Anerkennung wirtschaftlichen Miteigentums kann es von Bedeutung sein, ob die Beteiligten nach dem Wegfall von Hindernissen, die der Schaffung entsprechender bürgerlich-rechtlicher Eigentumsverhältnisse entgegenstanden, eine entsprechende überführung des wirtschaftlichen in zivilrechtliches Eigentum vornehmen.

 

Normenkette

StAnpG § 11 Ziff. 4

 

Tatbestand

Die Eltern des Beschwerdeführers (Bf.) waren Eigentümer eines Ehegattenerbhofs in ... Sie sind inzwischen verstorben, zuletzt der Vater im Jahre 1945.

Streitig ist, ob der genannte Grundbesitz für die Soforthilfeabgabe zum 21. Juni 1948 dem Bf. allein oder zusammen mit seinen beiden Schwestern zuzurechnen ist.

Die Vorbehörden haben den Hof nur dem Bf. zugerechnet. Demgegenüber ist der Bf. der Auffassung, daß der in vollem Umfang erbhofgebundene Grundbesitz am Währungsstichtag mindestens im Sinne des wirtschaftlichen Eigentums ihm nur zu einem Drittel und zu je einem weiteren Drittel seinen beiden unverheirateten Schwestern zuzurechnen gewesen sei. Der elterliche Hof sei seinerzeit gegen den Willen der Beteiligten Erbhof geworden. In Erwartung einer Aufhebung, mindestens einer Auflockerung des Erbhofrechts, habe der sterbende Vater den Bf. beauftragt, die Aufhebung der Erbhofeigenschaft zu betreiben, um damit die Möglichkeit zu schaffen, allen Kindern entsprechend ihrer langjährigen Mitarbeit im Betrieb einen gleichartigen Anteil an dem zum Nachlaß gehörigen Grundbesitz zu verschaffen, wie es den Grundsätzen der ererbten Realteilung in der dortigen Gegend entspreche. Nachdem die Landwirtschaftskammer seinerzeit die Aufhebung der Erbhofeigenschaft abgelehnt habe, sei dem Bf. zur Durchführung des Willens des Vaters kein anderer Weg geblieben, als, wie in der notariellen Verhandlung vom 2. Februar 1949 geschehen, zunächst auf Grund eines Hoffolgezeugnisses seine Eintragung als Eigentümer im Grundbuch zu betreiben, um damit rechtlich in die Lage versetzt zu werden, nach Ergehen der nach § 19 Abs. 5 der Höfeordnung (HO) zu erwartenden Anordnung zu erklären, daß seine Besitzung nicht mehr die Eigenschaft eines Hofes haben solle.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Zwar ist den Ausführungen des Finanzgerichts beizutreten, daß der strittige Grundbesitz, sei es nach den §§ 19, 20 Ziff. 1 des Reichserbhofgesetzes (RErbhG) - bei geregelter Erbfolge am 24. April 1947 als dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Höfeordnung -, sei es nach den §§ 4, 5 Ziff. 1, 6 Abs. 1 HO (falls die Erbfolge zu diesem Zeitpunkt noch ungeregelt war), kraft Gesetzes auf den Bf. als Anerben (Hoferben) übergegangen ist und am Währungsstichtag im Sinne des bürgerlichen Rechts ihm zum alleinigen Eigentum zugestanden hat. Das Finanzgericht hat auch darin Recht, daß die Besitzung des Bf. nach § 3 Abs. 1 der für die Bezirke der Oberlandesgerichte Düsseldorf und Köln auf Grund des § 19 Abs. 5 HO erlassenen Verordnung über die Aufhebung der Hofeigenschaft vom 4. März 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen 1949 S. 67) erst mit dem Eingang einer entsprechenden Erklärung beim Gericht die Eigenschaft als Hof verlieren konnte, und daß selbst dann der Bf. noch so lange zivilrechtlicher Eigentümer des Grundbesitzes blieb, als er nicht rechtsgeschäftlich über sein Eigentum verfügte.

Dagegen geben die Ausführungen des Finanzgerichts, daß der Bf. auch wirtschaftlich alleiniger Eigentümer des Grundbesitzes am Währungsstichtag gewesen sei, zu rechtlichen Bedenken Anlaß. Das Finanzgericht verneint die Annahme wirtschaftlichen Miteigentums der beiden unverheirateten Schwestern des Bf. u. a. deshalb, weil ihnen jede Möglichkeit einer Bewirtschaftung ihrer ideellen Anteile gefehlt habe, und fügt hinzu, daß diese Frage dann anders zu beurteilen sein könnte, wenn vor dem 21. Juni 1948 eine reale Teilung des Erbhofs vorgenommen worden wäre und die Anteile der Geschwister z. B. verpachtet worden wären. Diese Ausführungen des Finanzgerichts können nur so verstanden werden, daß das Finanzgericht wirtschaftliches Miteigentum zu ideellen Teilen an Grundbesitz, der zivilrechtlich einer Person gehört, nicht für möglich hält und für die Anerkennung wirtschaftlichen Eigentums anderer Personen als des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers eine reale Zuteilung bestimmter Teile dieses Grundbesitzes an diese anderen Personen zur Bewirtschaftung als Eigenbesitzer verlangt. Diese Auffassung ist zu eng. Nach dem hier in Frage kommenden § 11 Ziff. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) werden Wirtschaftsgüter, die jemand in Eigenbesitz hat, dem Eigenbesitzer zugerechnet. Eigenbesitzer ist, wer ein Wirtschaftsgut als ihm gehörig besitzt. Es ist nicht einzusehen, warum es nicht möglich sein sollte, daß mehrere Personen an einem ungeteilten Grundbesitz den Eigenbesitz haben, d. h. den Grundbesitz als ihnen gemeinschaftlich gehörig besitzen sollten. Ein gemeinsamer Eigenbesitz kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalles ausreichende dahingehende Feststellungen möglich sind. Dabei kann es für die Annahme eines ernstlich auf gemeinsamen wirtschaftlichen Eigenbesitz gerichteten Willens der Beteiligten von Bedeutung sein, ob nach Wegfall der einer Begründung entsprechender bürgerlich-rechtlicher Eigentumsverhältnisse entgegenstehenden Hindernisse eine überführung des behaupteten wirtschaftlichen Eigentums in zivilrechtliches Eigentum - sei es zu Miteigentum oder im Wege der Realteilung - vorgenommen wird. Daraus, daß hiernach das spätere Verhalten der Beteiligten für die Entscheidung darüber, wem der strittige Grundbesitz am Währungsstichtag unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums zuzurechnen ist, von Bedeutung sein kann, ergibt sich für das Verhaltensrecht, daß die Entscheidung gegebenenfalls nach § 100 der Reichsabgabenordnung (AO) zunächst nur vorläufig ergehen kann.

Die Auffassung, daß die Beteiligten - der Bf. und seine beiden unverheirateten Schwestern - den nach dem Reichserbhofgesetz bzw. nach der Höfeordnung gebundenen, im alleinigen zivilrechtlichen Eigentum des Bf. stehenden Grundbesitz wirtschaftlich als ihr gemeinsames Eigentum betrachtet und bewirtschaftet haben, ist somit, wie dies auch in der Rechtsbeschwerdebegründung vom Bf. vorgetragen wird, nicht von der Hand zu weisen. Die Vorentscheidung ist daher wegen möglicher rechtsirriger Auslegung des § 11 Ziff. 4 StAnpG aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung an das Finanzamt zurück, das nunmehr erneut zu prüfen haben wird, ob der strittige Grundbesitz zum Währungsstichtag allein dem Bf. oder unter Annahme wirtschaftlichen Miteigentums dem Bf. und seinen beiden Schwestern zu je einem Drittel zuzurechnen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407595

BStBl III 1953, 114

BFHE 1954, 290

BFHE 57, 290

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