Leitsatz (amtlich)

1. Die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO erlischt mit der Vollbeendigung einer Personengesellschaft. Sie geht nicht auf einen Rechtsnachfolger über.

2. Eine Personengesellschaft, die überwiegend Softwareprogramme herstellt, ist gewerblich tätig.

3. Zur Bindung des FA an früheres Verhalten.

 

Orientierungssatz

1. Die Prozeßführungsbefugnis (gesetzliche Prozeßstandschaft) der zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter einer Personengesellschaft geht auch im Falle einer Umwandlung nicht auf die rechtsnachfolgende GmbH über. Nach der Vollbeendigung (auch ohne Abwicklung) kann deshalb ein Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren Gesellschaftern angegriffen werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die den anzugreifenden Gewinnfeststellungsbescheid betrifft (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Da bei Angriffen gegen Gewerbesteuermeßbescheide aufgrund ihrer Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft ein Klagerecht im eigenen Namen zusteht (keine Prozeßstandschaft der Gesellschaftergeschäftsführer), erlischt die Klagebefugnis nicht mit der Vollbeendigung der Gesellschaft, sondern geht auf deren Rechtsnachfolger über.

3. Ausführungen zu den Berufsbildern "beratender Betriebswirt" und "Ingenieur" und zu den Voraussetzungen für die Annahme eines ähnlichen Berufs (vgl. BFH-Urteile vom 18.6.1980 I R 109/77 und vom 11.6.1985 VIII R 254/80).

4. Durch die Eintragung einer OHG als Personenhandelsgesellschaft im Handelsregister wird eine widerlegbare Vermutung begründet, daß ihre Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit auch die OHG selbst gewerblich tätig sind. Die OHG ist nur dann freiberuflich tätig, wenn alle ihre Gesellschafter im Rahmen der Gesellschaft einen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Katalogberuf oder einen einem solchen Katalogberuf ähnlichen Beruf ausüben (vgl. BFH-Rechtsprechung).

5. Ausführungen und BFH-Rechtsprechung zu den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung, auch bei vorangegangenen Betriebsprüfungen; zur Schaffung eines Vertrauenstatbestands durch das FA, insbesondere bei Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 22.6.1971 VIII 23/65), und zur Bindung an Zusagen und Auskünften (Begriffsbestimmungen).

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 40 Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 S. 3; GewStDV § 1 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Rechtsnachfolgerin der R-OHG. Die R-OHG war am 1.April 1970 gegründet worden. Ihr Gesellschaftszweck war "Organisationsberatung und Softwareproduktion". Mit Wirkung vom 31.Dezember 1980 wurde die R-OHG in eine GmbH umgewandelt.

Gesellschafter der R-OHG waren K, L und N. Alle Gesellschafter haben nach dem Besuch der Volksschule bzw. der Hauptschule und einer weiterführenden Schule (Handelsschule, Realschule, Oberschule) die Mittlere Reife erlangt und danach eine Kaufmannslehre absolviert. Anschließend sind sie als kaufmännische Angestellte im Rechnungswesen, in der Lehrlingsausbildung, im Bankbereich und im Datenverarbeitungsbereich tätig gewesen. Sie haben während dieser Zeit Fachkurse für Datenverarbeitung besucht. L hat außerdem einen Lehrgang "Praktischer Betriebswirt" bei einem Fern-Lehrinstitut durchlaufen. N hat ein 7-semestriges betriebswirtschaftliches Abendstudium mit dem Diplom als "Betriebswirt VWA" abgeschlossen.

Für die Veranlagungszeiträume 1970 bis 1972 wurden die Einkünfte der Gesellschafter der R-OHG vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) erklärungsgemäß zunächst "vorläufig" als solche aus Gewerbebetrieb behandelt. Nach entsprechenden Eingaben des jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin richtete das FA unter dem 29.August 1974 folgendes Schreiben an den Bevollmächtigten der R-OHG:

"Aufgrund der neuen bzw. veränderten Gesichtspunkte die in der mündlichen

Verhandlung mit den Gesellschaftern und in Ihrem Schreiben vom 9.August

1974 zum Ausdruck gekommen sind, ist eine Änderung der steuerlichen

Beurteilung dahingehend gerechtfertigt, daß nunmehr die Tätigkeit der

Gesellschafter als selbständige Arbeit i.S.d. § 18 I Nr.1 EStG anerkannt

werden kann.

Die Gewerbesteuermeßbescheide 1970 vom 24.9. 1970, 1971 vom 16.7. 1973,

1972 vom 4.4. 1974 werden deshalb ersatzlos aufgehoben."

In der Zeit vom 26.November 1974 bis zum 15.April 1975 wurde bei der R-OHG eine Betriebsprüfung für die Jahre 1970 bis 1973 durchgeführt. In dem Bericht vom 2.Mai 1975 ist vermerkt:

"Durch die Entscheidung des Finanzamts F vom 29.8. 1974 wurden die

erzielten Gewinne aus Beratung, Organisation und Erstellung von Programmen

für die Datenverarbeitung (Softwareberatung) als Einkünfte aus

freiberuflicher Tätigkeit anerkannt."

Für die Veranlagungszeiträume 1976 bis 1978 fand bei der R-OHG in der Zeit vom 14.April 1980 bis 17.April 1980 eine Betriebsprüfung statt. Der Betriebsprüfer (Tz.3.O3 des Berichts vom 2.September 1980) stellte fest, daß die R-OHG nicht überwiegend auf dem Gebiet der Organisationsberatung und der Systemanalyse tätig war, sondern daß die Erstellung von Software für verschiedene Auftraggeber überwogen hat. Der Betriebsprüfer vertrat deshalb die Auffassung, die R-OHG sei gewerblich tätig gewesen. Das FA schloß sich dieser Auffassung an. Es erließ Gewinnfeststellungsbescheide für 1976 bis 1978 in denen die Gewinne der R-OHG als gewerbliche Gewinne behandelt wurden. Auch in den Gewinnfeststellungsbescheiden für 1979 und 1980 wurden die Gewinne der R-OHG als gewerbliche eingestuft. Da die R-OHG im Zeitpunkt des Erlasses der Gewinnfeststellungsbescheide 1976 bis 1980 bereits in die R-GmbH umgewandelt worden war, ergingen die Feststellungsbescheide gegen die früheren Gesellschafter der R-OHG, nämlich K, L und N. Außerdem ergingen Gewerbesteuermeßbescheide für die Jahre 1976 bis 1980. Diese adressierte das FA an die R-GmbH als Rechtsnachfolgerin der R-OHG. Die Einspruchsentscheidungen ergingen, soweit sie die Gewinnfeststellungsbescheide betrafen, gegenüber den früheren Gesellschaftern der R-OHG und, soweit sie die Gewerbesteuermeßbescheide betrafen, gegenüber der R-GmbH als Rechtsnachfolgerin der R-OHG.

Gegen alle Bescheide hat die R-GmbH als Rechtsnachfolgerin der R-OHG Klage erhoben. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Das FG-Urteil ist gegen die R-GmbH als Rechtsnachfolgerin der R-OHG ergangen. Nach Auffassung des FG ist die Tätigkeit der R-OHG als gewerbliche einzustufen. Das FG hat außerdem ausgeführt, das FA sei an der Behandlung der Einkünfte der Gesellschafter der R-OHG als gewerbliche ab 1976 nicht gehindert, weil weder eine verbindliche Zusage oder Auskunft noch eine Bindungswirkung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kraft vorhergehenden Verhaltens des FA, noch eine Verwirkung des Gewerbesteueranspruchs vorliege.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin mangelnde Sachaufklärung und Verletzung materiellen Rechts geltend.

Sie beantragt, das FG-Urteil und die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide 1976 bis 1980 einschließlich der dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen aufzuheben sowie die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 1976 bis 1980 dahingehend zu ändern, daß die Gewinne der R-OHG keine gewerblichen, sondern solche aus einer freiberuflichen Tätigkeit sind und diese Gewinne der Höhe nach wegen der wegfallenden Gewerbesteuerrückstellungen zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist, soweit sie die Gewinnfeststellungsbescheide 1976 bis 1980 betrifft, unbegründet, weil die Klage gegen diese Bescheide unzulässig ist; denn die R-GmbH ist insoweit --auch als Rechtsnachfolgerin der R-OHG-- nicht klagebefugt.

Nach § 48 Abs.1 Nr.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) können eine Klage in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen, nur die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter erheben, es sei denn, es liegt einer der Sonderfälle des § 48 Abs.1 Nr.1 oder 2 FGO vor, was im Streitfall nicht gegeben ist. Die Vorschrift des § 48 Abs.1 Nr.3 FGO verleiht den zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern jedoch kein Klagerecht im eigenen Namen, sondern nur die Befugnis im Namen der Gesamtheit der Gesellschafter, also der Gesellschaft aufzutreten (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672). Diese Prozeßführungsbefugnis, die ein Fall der gesetzlichen Prozeßstandschaft ist (vgl. BFH-Urteile vom 24.Mai 1977 IV R 47/76, BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737, und vom 19.Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15), erlischt mit der Vollbeendigung der Personenhandelsgesellschaft ohne Abwicklung, also auch in dem Fall, in dem eine Personengesellschaft in eine GmbH umgewandelt wird. Die Prozeßführungsbefugnis nach § 48 Abs.1 Nr.3 FGO geht hier nicht auf die GmbH als Rechtsnachfolgerin über. Nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft kann daher ein Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren Gesellschaftern angegriffen werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die den anzugreifenden Gewinnfeststellungsbescheid betrifft (Urteil in BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15).

2. Anders als bei der Klage gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1976 bis 1980 ist die R-GmbH zur Klage gegen die Gewerbesteuermeßbescheide 1976 bis 1980 als Rechtsnachfolgerin der R-OHG befugt; denn im Gegensatz zur Klagebefugnis bei Angriffen gegen Gewinnfeststellungsbescheide steht einer Personengesellschaft bei Angriffen gegen Gewerbesteuermeßbescheide ein Klagerecht im eigenen Namen zu, weil eine Personengesellschaft Schuldnerin der Gewerbesteuer ist (§ 5 Abs.1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--). Hier ist kein Fall einer Prozeßstandschaft gegeben. Die Klagebefugnis erlischt hier nicht mit der Vollbeendigung der Personengesellschaft, sondern geht auf deren Rechtsnachfolger --im Streitfall die R-GmbH-- über.

3. Die Revision ist trotzdem, auch insoweit sie die Gewerbesteuermeßbescheide 1976 bis 1980 betrifft, unbegründet, weil die R-OHG ein gewerbliches Unternehmen hatte; denn ihre Gesellschafter haben sich gemeinsam nicht freiberuflich betätigt.

a) Durch die Eintragung der R-OHG als Personenhandelsgesellschaft im Handelsregister ist eine widerlegbare Vermutung begründet worden, daß ihre Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit auch die R-OHG selbst gewerblich tätig sind (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 9.Juli 1964 IV 427/62 U, BFHE 80, 154, BStBl III 1964, 530, und vom 26.November 1970 IV 60/65, BFHE 101, 115, BStBl II 1971, 249). Die Klägerin hat diese Vermutung nicht widerlegt, denn sie hat nicht dargetan und nachgewiesen, daß die R-OHG freiberuflich tätig ist.

b) Die R-OHG wäre in den Streitjahren (1976 bis 1980) nur dann freiberuflich tätig gewesen, wenn alle ihre Gesellschafter im Rahmen der Gesellschaft einen in § 18 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Katalogberuf oder einen einem solchen Katalogberuf ähnlichen Beruf ausgeübt hätten (vgl. BFH-Urteil vom 11.Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584). Das ist nicht der Fall.

Daß die Gesellschafter der R-OHG keinen Katalogberuf im Rahmen der R-OHG ausgeübt haben, ist unstreitig und bedarf deshalb keiner weiteren Erörterung.

Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann. Es muß das typische Bild des Katalogberufs mit all seinen Merkmalen dem Gesamtbild der Tätigkeit des ähnlichen Berufs vergleichbar sein (BFH-Urteil vom 18.Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118).

Im Streitfall kommen als ähnlicher Beruf der eines beratenden Betriebswirts oder der eines Ingenieurs in Betracht.

Nach dem Urteil des erkennenden Senats in BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584 liegt ein einem beratenden Betriebswirt ähnlicher Beruf nur vor, wenn der ähnliche Beruf auf einer vergleichbaren breiten Vorbildung wie der Beruf eines beratenden Betriebswirts beruht und die Beratungstätigkeit sich auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt.

Die gemeinsame Tätigkeit der Gesellschafter der R-OHG im Rahmen dieser Gesellschaft umfaßte nicht diese erforderliche fachliche Breite. Die Tätigkeit der Gesellschafter der R-OHG bezog sich nur auf Teilbereiche und nicht auf die Breite der hauptsächlichen Bereiche der Betriebswirtschaft. Das ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, wonach die Tätigkeit der Klägerin im wesentlichen in der Herstellung von Software bestand. Eine solche Tätigkeit reicht, wie der Senat in dem Urteil in BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584 entschieden hat, zur Annahme eines einem beratenden Betriebswirt ähnlichen Berufes nicht aus. Die Rüge der Revision, das FG habe es unterlassen, den Tätigkeitsbereich der Gesellschafter aufzuklären, geht fehl. Das FG hat in seinem Urteil hinsichtlich der Tätigkeit der Gesellschafter der R-OHG auf Tz.3.03 des Prüfungsberichts vom 2.September 1980 verwiesen. Diese Teilziffer enthält eine ausführliche Darstellung der Tätigkeit der Gesellschafter der R-OHG im Rahmen dieser Gesellschaft. Diese Ausführungen sind dadurch Gegenstand der tatsächlichen Feststellungen des FG geworden (§ 105 Abs.3 FGO).

Die selbständige Berufstätigkeit eines Ingenieurs kann grundsätzlich nur ausüben, wer nach den Ingenieurgesetzen der Länder berechtigt ist, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Das dürfen grundsätzlich nur Personen, die das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule, einer Ingenieurschule oder den Betriebsführungslehrgang an einer Bergschule abgeschlossen haben (Urteil in BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118). Dem Ingenieurberuf ähnlich ist ein Beruf, der in seinem Gesamtbild dem typischen Bild des Ingenieurberufs mit all seinen Merkmalen vergleichbar ist. Da der Ingenieurberuf eine qualifizierte Ausbildung voraussetzt, muß bei dem ähnlichen Beruf auch die Ausbildung vergleichbar sein (Urteil in BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Die Gesellschafter der R-OHG haben nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs.2 FGO), eine solche Ausbildung nicht.

4. Das FA ist im Streitfall auch zutreffend davon ausgegangen, daß hinsichtlich der Streitjahre weder eine Zusage noch ein sonstiger Vertrauenstatbestand gegeben ist, der es rechtfertigen könnte, die Tätigkeit der R-OHG als eine freiberufliche anzusehen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. u.a. Urteile vom 25.Mai 1977 I R 93/75, BFHE 122, 296, BStBl II 1977, 660, und vom 11.Februar 1981 I R 128/77, BFHE 132, 552, BStBl II 1981, 448) ist ein FA bei der Durchführung einer Veranlagung grundsätzlich nicht an Auffassungen gebunden, die es bei vorhergehenden Veranlagungen vertreten hat. Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung bewirkt die Beurteilung in einem Veranlagungszeitraum keine Bindung des FA für künftige Steuerabschnitte. Das gilt selbst dann, wenn das FA bei früheren Veranlagungen aufgrund einer Betriebsprüfung anders verfahren ist.

Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen gilt nur dann, wenn das FA eine Zusage erteilt hat oder durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte.

b) Eine Zusage liegt im Streitfall --auf den insoweit noch die Vorschriften der Reichsabgabenordnung (AO) Anwendung finden-- nicht vor.

Von hier nicht interessierenden Zolltarifauskünften (§ 23 des Zollgesetzes --ZG--) und Lohnsteueranrufungsauskünften (§ 56 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung --LStDV--) abgesehen, gab es vor dem Inkrafttreten der Abgabenordnung (AO 1977) keine gesetzlichen Vorschriften über Zusagen und Auskünfte des FA. Im Geltungsbereich der AO wurde unter Zusage eine verpflichtende Erklärung des FA des Inhalts verstanden, einen bestimmten Steuerfall bei einer künftigen Veranlagung in einem bestimmten Sinne zu behandeln. Zusagen, die sich auf einen bei ihrer Erteilung noch nicht verwirklichten Sachverhalt beziehen und Grundlage für wirtschaftliche Dispositionen des Steuerpflichtigen geworden sind, konnten und können unter bestimmten Voraussetzungen für das FA bindend sein (BFH-Urteile vom 4.August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562, und vom 3.Juli 1964 VI 78/63 S, BFHE 80, 257, BStBl III 1964, 566 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen, vgl. auch Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 7.Aufl., § 2 AO Anm.44 b). Die Auskunft ist im Gegensatz zur Zusage eine unverbindliche Erklärung des FA über die Beurteilung eines bereits abgeschlossenen Tatbestandes. Sie hat nur die Bedeutung einer Meinungsäußerung des FA, an die weder der Steuerpflichtige noch das FA gebunden sind (Urteil in BFHE 80, 257, BStBl II 1964, 566, und Tipke/Kruse, a.a.O.).

Die Voraussetzungen, unter denen eine Zusage für das FA bindend ist, sind im einzelnen in dem Urteil in BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562 aufgeführt. Danach ist u.a. erforderlich, daß die Zusage vor Verwirklichung des zu beurteilenden Sachverhalts gegeben wird und ursächlich für die Sachverhaltsverwirklichung gewesen ist.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

Zu beurteilen war im Streitfall, ob die Tätigkeit der R-OHG eine gewerbliche oder eine freiberufliche Tätigkeit war. Die Tätigkeit der R-OHG hatte 1970 begonnen und hat unverändert bis 1980 fortbestanden. Der zu beurteilende Sachverhalt war also sowohl im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Betriebsprüfungsberichts vom 2.Mai 1975 als auch im Zeitpunkt des Zuganges des Schreibens des FA vom 29.August 1974 verwirklicht. Schon deshalb kann weder das Schreiben vom 29.August 1974, noch eine Äußerung in dem Betriebsprüfungsbericht vom 2.Mai 1975 als Zusage gewertet werden.

Bei dieser Rechtslage braucht der Senat auf die übrigen Argumente der Klägerin, die nach ihrer Auffassung für eine Zusage sprechen, nicht weiter einzugehen.

c) Ein Vertrauenstatbestand, der ein FA auch außerhalb einer Zusage zu einer bestimmten Behandlung eines Steuerfalles bindet, ist dann gegeben, wenn es die Grundsätze von Treu und Glauben gebieten, daß sich ein FA nicht mit seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der Steuerpflichtige vertraut hat und vertrauen durfte, in Widerspruch setzt (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., Anm.40) und der Steuerpflichtige aufgrund des früheren Verhaltens des FA Dispositionen getroffen hat.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben, denn es ist kein Verhalten des FA erkennbar, aus dem die Gesellschafter der R-OHG hätten schließen können und dürfen, ihre gemeinsame Tätigkeit im Rahmen der R-OHG werde bis zu dem Zeitpunkt, in dem das FA eine andere Auffassung ihnen mitteilt, als freiberuflich behandelt werden.

aa) Der Senat ist der Auffassung, daß ein das FA nach Treu und Glauben bindendes Verhalten aus dem Schreiben des FA vom 29.August 1974 schon deshalb nicht hergeleitet werden kann, weil das FA bei der Abfassung des Schreibens --aufgrund der damaligen Darstellung der Gesellschafter der R-OHG-- von einem nicht zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Nach den Feststellungen des FG hat das FA damals angenommen, daß die Tätigkeit der R-OHG auf dem Gebiet der Organisation nicht von untergeordneter Bedeutung und die R-OHG im wesentlichen auf dem Gebiete der Systemanalyse tätig sei. Im Gegensatz hierzu hat der Betriebsprüfer festgestellt, daß die R-OHG nicht überwiegend auf dem Gebiete der Organisationsberatung und Systemanalyse, sondern überwiegend auf dem Gebiet der Software tätig war. Die von der Oberfinanzdirektion (OFD) im Schreiben vom 9.März 1981 vertretene gegenteilige Meinung bindet den Senat nicht.

bb) Auch die Ausführungen in dem Betriebsprüfungsbericht vom 2.Mai 1975 sind nicht als Verhalten des FA zu werten, durch das eine Bindungswirkung im vorerwähnten Sinn erzeugt werden konnte; denn diese Ausführungen beziehen sich nur auf die geprüften Veranlagungszeiträume 1970 bis 1973. Durch die in Tz.31.3 des Betriebsprüfungsberichts vom 2.Mai 1975 enthaltenen Ausführungen, auf die das FG hingewiesen hat, bringt der Betriebsprüfer lediglich zum Ausdruck, daß für den Prüfungszeitraum die Entscheidung über die Einordnung der Tätigkeit der R-OHG durch das FA bereits getroffen worden und deshalb dieses Problem nicht mehr zu erörtern sei.

Es ist zwar richtig, daß --worauf die Klägerin hinweist-- die Tätigkeit der R-OHG im Betriebsprüfungsbericht vom 2.Mai 1975 auch noch unter Tz.34.1 angesprochen wird und daß das FG diese Berichtstelle nicht in Bezug genommen hat. Darin kann jedoch keine mangelnde Sachaufklärung durch das FG gesehen werden, weil sich aus den Ausführungen in Tz.34.1 des erwähnten Berichts ebenfalls nichts für die Bindungswirkung ergibt. Unter Tz.34.1 heißt es: "Mit Bescheid vom 29.August 1974 wurde für den gesamten Prüfungszeitraum die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit durch die Gesellschafter anerkannt. Damit ist keine Gewerbesteuerpflicht gegeben". Da diese Ausführungen ausdrücklich auf den Prüfungszeitraum beschränkt sind, konnten und durften die Gesellschafter der R-OHG daraus nicht schließen, das FA werde sie auch in Zukunft als freiberuflich Tätige behandeln.

cc) Ein für zukünftige Besteuerungsabschnitte bindendes Verhalten des FA kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß das FA die Tätigkeit der R-OHG ab 1974 als freiberufliche Tätigkeit behandelt hat. Das ist deshalb nicht möglich, weil --wie oben dargestellt-- nach ständiger Rechtsprechung des BFH die steuerliche Behandlung eines bestimmten Sachverhalts im Rahmen einer Veranlagung grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Veranlagungen erzeugt.

Für die Streitjahre besteht eine Bindungswirkung außerdem deshalb nicht, weil die Feststellungsbescheide für die Jahre 1976 bis 1978 nur unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und für die Streitjahre 1979 bis 1980 überhaupt noch keine Feststellungsbescheide für die R-OHG ergangen waren. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil vom 22.Juni 1971 VIII 23/65 (BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749). In dieser Entscheidung ist ausgeführt, der Steuerpflichtige könne sich für die geltend gemachte Gewerbesteuerfreiheit in 1961 unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben weder darauf berufen, daß das FA ihm 1952 mitgeteilt habe, ihn treffe keine Gewerbesteuerpflicht, noch darauf, daß das FA ihn in den folgenden Jahren zunächst auch nicht zur Gewerbesteuer heranzog. Das FA sei bei der Veranlagung für 1961 an eine Rechtsauffassung, die es für ein Vorjahr zugrunde gelegt habe, grundsätzlich nicht gebunden und zwar selbst dann nicht, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die Richtigkeit der objektiv unrichtigen Entscheidung disponiert haben sollte. Der Steuerpflichtige habe allenfalls erst von dem Zeitpunkt an darauf vertrauen dürfen, für den abgelaufenen Erhebungszeitraum keine Gewerbesteuerveranlagung mehr zu erhalten, in dem er den Einkommensteuerbescheid für das nächste Jahr erhielt. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß in diesem Zusammenhang der Erhalt eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheides den Nichterhalt eines Einkommensteuerbescheides (Feststellungsbescheid) gleichzusetzen ist; denn durch den Vorbehalt der Nachprüfung kommt zum Ausdruck, daß der Steuerpflichtige nicht mit einer endgültigen Entscheidung des FA in dem unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid rechnen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60944

BStBl II 1986, 520

BFHE 146, 32

BFHE 1986, 32

BB 1986, 1213-1215 (ST)

DStR 1986, 408-408 (ST)

HFR 1986, 409-410 (ST)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge