Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Begriff der Sachgesamtheit. EStG 1951 §§ 6 und 7; EStDV 1951 § 7.

 

Normenkette

EStG §§ 6-7; EStDV § 7

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt eine Formular-Druckerei. Es handelt sich um einen reinen Handwerksbetrieb. Auf Grund einer von seinem bisherigen Vermieter herbeigeführten gerichtlichen Entscheidung mußte er seinen Betrieb im Jahre 1951 verlegen. Er mietete zu diesem Zweck einen großen Raum, der zur Unterbringung seiner Werkstätte ausgebaut werden mußte. Insbesondere mußte der Raum durch Zwischenwände geteilt werden. Nach den Feststellungen des Betriebsprüfers hat der Bf. für den Ausbau 3 461 DM aufgewendet. Hierzu erhielt er von seinem bisherigen Vermieter 1 300 DM. Seine eigenen Aufwendungen betrugen hiernach 2 161 DM. Die Mietsdauer beträgt nach den Feststellungen des Prüfers fünf Jahre. Der Bf. ist der Auffassung, daß ihm trotz des auf eine entsprechende Mietsdauer lautenden Vertrags auf Grund neuer mietrechtlicher Bestimmungen jederzeit gekündigt werden kann. Er hat vorgetragen, daß er gegen den Vermieter keinen Anspruch auf Erstattung der durch den Ausbau entstandenen Aufwendungen habe. Die Aufwendungen, die zusammengefaßt auf einem besonderen Konto verbucht sind, betreffen im wesentlichen das Einsetzen von Zwischenwänden, eine Klosettanlage, Wasser- und Lichtanschlüsse, das Anbringen eines Zählers, Verlegen eines Fernsprechanschlusses, Beschaffung und Reparatur von öfen, Kalken der Wände und der Decke, Fensterputzen sowie die Umzugskosten.

Die Vorbehörden haben die Aufwendungen abzüglich der auf der Grundlage einer fünfjährigen Mietsdauer errechneten Absetzung für Abnutzung für vier Monate (= 180 DM) mit 1 981 DM aktiviert. Das Finanzgericht hat ausgeführt, daß Aufwendungen für Aus- und Umbauten an gemieteten Gebäuden durch den Mieter bei diesem wie Neubauten zu behandeln, d. h. zu aktivieren und auf die mutmaßliche wirkliche Mietsdauer abzuschreiben seien. Das gelte auch dann, wenn die Einbauten in das Eigentum des Vermieters übergingen. Eine Abschreibung in voller Höhe mit Rücksicht auf die Kündigungsmöglichkeit könne nicht anerkannt werden. Sie komme erst im Falle der tatsächlichen Kündigung in Betracht. Das Finanzgericht hat auch die Bewertungsfreiheit für geringwertige Anlagegüter nach § 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1951 abgelehnt, weil die einzelnen Wirtschaftsgüter Teile einer Sachgesamtheit bildeten. Es handle sich nicht um die Beschaffung von Wirtschaftsgütern, die einer selbständigen Nutzung fähig seien, sondern um eine Einrichtung, die der Herstellung der Werkstatt als Ganzes diene.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Steuerpflichtigen (Stpfl.) ist begründet.

Das Finanzgericht hat zutreffend ausgeführt, daß Aufwendungen für Aus- und Umbauten an einem gemieteten Gebäude oder Gebäudeteil durch den Mieter bei diesem wie Neubauten zu behandeln, d. h. zu aktivieren und entsprechend der mutmaßlichen Mietsdauer abzuschreiben sind. Hiernach gehören im Streitfall zu den aktivierungspflichtigen Aufwendungen alle Ausgaben des Stpfl. für den Ausbau des von ihm gemieteten Raumes zu einer Werkstatt, wie z. B. das Einsetzen von Zwischenwänden und Türen, die Wiederherstellung vorhandener Türen, Kalken der Decken und Wände, Dielen des Fußbodens, Verlegen von Leitungen usw. Wenn das Finanzgericht die Mietsdauer und damit die Nutzungsdauer des Ausbaues der Werkstatt auf fünf Jahre geschätzt hat, so ist dies nach dem Ergebnis seiner bisherigen Feststellungen nicht zu beanstanden. Es konnte zu der Schlußfolgerung kommen, daß der Stpfl. mutmaßlich trotz der evtl. früheren Kündigungsmöglichkeit bis zum Ablauf der vertraglich vereinbarten Mietsdauer nicht ausziehen wird.

Das Finanzgericht hat die Bauaufwendungen für das Gebäude zusammen mit allen übrigen im Zusammenhang mit der Verlegung der Druckerei entstandenen Kosten, wie z. B. Ausgaben für Fensterputzen, Beschaffung und Wiederherstellung von öfen, Transport der Inneneinrichtung usw. als Aufwendungen für eine Sachgesamtheit, nämlich für die Herstellung der Werkstatt als Ganzes angesehen. Es beruft sich hierbei auf die zur einkommensteuerrechtlichen Beurteilung kurzlebiger Wirtschaftsgüter ergangene Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs. Vgl. Urteile VI 389/38 vom 28. September 1938, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1939 S. 84; I 394/39 vom 28. November 1939, RStBl. 1940 S. 31; VI 77/43 vom 28. Juli 1943, RStBl. 1943 S. 743.

Diese Auffassung ist rechtlich unhaltbar. Für den Streitfall kommt die Vorschrift des § 7 EStDV 1951 über die Bewertungsfreiheit für geringwertige Anlagegüter in Frage. Hiernach können Stpfl., die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, Abnutzbare bewegliche Anlagegüter, die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind, im Jahre der Anschaffung oder Herstellung voll abschreiben, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im neuen oder gebrauchten Zustand 200 DM nicht übersteigen. Für die Entscheidung der Frage, ob einzelne Gegenstände selbständig nutzbar und bewertbar sind, oder ob eine Sachgesamtheit vorliegt, gelten die in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs gewonnenen Erkenntnisse in entsprechender Weise auch heute noch. Die Berufung auf sie ist jedoch verfehlt, weil im Streitfall die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse anders liegen als in den vom Reichsfinanzhof entschiedenen Fällen. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs über den Begriff der Sachgesamtheit bezieht sich auf abnutzbare bewegliche Anlagegüter, die allein auch Gegenstände der Bewertungsfreiheit des § 7 EStDV 1951 sind. Es ist unmöglich, die Aufwendungen für den Umbau eines Gebäudes, für die Beschaffung beweglicher Gegenstände, für Fensterputzen und den Transport bereits vorhandener Einrichtungsgegenstände als Aufwendungen für eine Sachgesamtheit zu behandeln. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn es sich um eingebaute Möbel handelt; um solche handelt es sich im Streitfall nicht.

Ob einzelne Gegenstände selbständig nutzbar und bewertbar sind, oder ob eine Sachgesamtheit vorliegt, ist in erster Linie nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Von Bedeutung ist auch, daß die einzelnen für sich selbständigen Gegenstände (z. B. Möbelstücke) dann, wenn sie zu einem nach Zahl, Art und Stil oder anderen Merkmalen in sich einheitlichen Ganzen vereinigt werden, wirtschaftlich als etwas anderes angesehen und im Wirtschaftsverkehr als Einheit behandelt werden. Vgl. hierzu die für das Gebiet des Umsatzsteuerrechts ergangene Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 87/52 U vom 6. März 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 162) sowie die in ihr in bezug genommenen Urteile, insbesondere V A 381/33 vom 23. Juni 1933 (RStBl S. 1246). Die technischen Gegebenheiten können ebenfalls eine Rolle spielen. Gegenstände der verschiedensten Art, die einzeln käuflich und verwertbar sind, bilden nicht schon dann eine Sachgesamtheit, wenn sie einem gemeinsamen Zweck dienen, wie etwa die Einrichtung eines Zimmers oder eines Geschäfts. Ist aber z. B. die Beleuchtungsanlage für das Zimmer des Betriebsleiters (Herrenstilzimmer), bestehend aus Decken- und Wandbeleuchtung, Steh- und Tischlampen, nach Stil, Material oder anderen Merkmalen völlig auf die Einrichtung dieses Zimmers abgestellt, so kann eine Sachgesamtheit vorliegen, obwohl die Beleuchtungsanlage anderen Zwecken dient als die Möbel. Es kann aber auch sein, daß die einzelnen Teile der Beleuchtungsanlage nach Stil usw. unter sich so verbunden sind, daß sie in sich eine Sachgesamtheit bilden. Dann würden in dem Beispielsfall zwei in sich geschlossene Sachgesamtheiten vorliegen.

Im Schrifttum ist die Frage aufgeworfen worden, ob die bei der Neugründung von Betrieben angeschafften Einrichtungen für Läden, Gaststätten, Büroräume usw. eine Sachgesamtheit darstellen. Sie ist nach den vorstehenden Grundsätzen zu entscheiden. Die Frage ist zu bejahen, wenn es sich um einheitlich gekaufte, in einem bestimmten Stil gehaltene, oder nach einem einheitlichen Plan den räumlichen und besonderen Zwecken des Betriebs angepaßte und zu einem einheitlichen Ganzen vereinigte Einrichtungsgegenstände handelt. Nicht nach diesen Merkmalen beschaffte einzelne Ausstattungsgegenstände sind selbständig zu bewertende Wirtschaftsgüter. Hierzu gehören z. B. Geschirr sowie Bestecke und Wäsche eines Fremdenheims.

Gegenstände, die zum Betriebsvermögen gehören, verlieren ihre Eigenschaft als einzelne Wirtschaftsgüter nicht durch ihre buchmäßige Zusammenfassung in einem Buchungs- (Bilanz-) Posten. Vgl. das oben angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs I 349/39.

Da die Ausführungen der Vorentscheidung mit diesen Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar sind, muß die Vorentscheidung aufgehoben werden. Die nicht spruchreife Sache geht an das Finanzgericht zurück. Dieses wird bei der erneuten Entscheidung noch folgendes zu beachten haben:

Die Kosten für den Transport der in der alten Werkstatt bereits vorhandenen Einrichtungsgegenstände, Vorräte usw. sind nicht aktivierungsfähig, da nicht anzunehmen ist, daß sich deren gemeiner Wert durch die Verlegung des Betriebs erhöht hat. Sollten die Transportkosten auch auf das zum Umbau des Raumes verwendete neue Material oder auf die neu beschafften Einrichtungsgegenstände entfallen, so wären sie unter Umständen anteilsmäßig dem Werte dieser Gegenstände zuzuschlagen.

Es kommt in Frage, die Kosten für das Verlegen des Fernsprechanschlusses und für das Anbringen des Zählers zu aktivieren und nach der mutmaßlichen Dauer der Benutzung abzuschreiben. Das Finanzgericht wird sich jedoch schlüssig werden müssen, ob es nicht wegen der Geringfügigkeit der Kosten, die z. B. beim Anbringen des Zählers nur 9 DM betragen, hiervon absieht. Die Montagekosten der Strom- und Wasseranschlüsse werden als Kosten des Ausbaues zu behandeln sein.

Die für die Einrichtung der Werkstatträume beschafften öfen werden als einzelne Gegenstände zu aktivieren und entsprechend ihrer Lebensdauer abzuschreiben sein, sofern die Anschaffungs- und Herstellungskosten einschließlich der Transportkosten 200 DM übersteigen. Sollte sie jedoch eingebaut und damit Bestandteile des Gebäudes geworden sein, so werden sie auf dem Umbaukonto zu aktivieren sein. Falls die an die Stadt gezahlten Gebühren den Umbau der Werkstatt betreffen sollten, werden sie ebenfalls auf dem Umbaukonto zu verbuchen sein. Daß die Aufwendungen für Fensterputzen als Unkosten zu behandeln sind, dürfte nicht zweifelhaft sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407809

BStBl III 1954, 18

BFHE 1954, 271

BFHE 58, 271

BB 1954, 16

DB 1954, 10

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