Entscheidungsstichwort (Thema)

Beratung im Umwelt-Marketing als mit einem freiberuflichen Betriebswirt vergleichbare Tätigkeit; Anforderungen an die Kenntnisse eines Autodidakten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Beratungstätigkeit, die sich auf alle Fragen des Marketing und damit auf einen Hauptbereich der Betriebswirtschaft erstreckt, kann mit der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vergleichbar sein. Beinhaltet die Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen aber nicht nur diese Beratung, sondern auch Tätigkeiten, die isoliert betrachtet als gewerblich anzusehen wären, muss die Beratung den Schwerpunkt der gesamten Tätigkeiten bilden, um insgesamt als freiberufliche Tätigkeit zu gelten.

2. Ein Autodidakt hat dabei außerdem Kenntnisse nachzuweisen, die dem Niveau eines "Staatlich geprüften Betriebswirts" an einer Fachschule entsprechen. Genügen diese Kenntnisse in nur einem Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre nicht den Anforderungen, die in einer entsprechenden Abschlussprüfung verlangt werden, so ist dies unschädlich, wenn der Steuerpflichtige mit seinen Kenntnissen in den anderen Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre insgesamt eine entsprechende Abschlussprüfung bestehen würde.

 

Normenkette

EStG §§ 15, 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.08.2000; Aktenzeichen 1 K 3014/97; EFG 2001, 20)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), Jahrgang 1943, war im Streitjahr (1995) u.a. als Berater für umweltrelevante Fragen selbständig tätig. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) sah darin einen Gewerbebetrieb und erließ dementsprechend einen Gewerbesteuermessbescheid.

Mit seinem Einspruch führte der Kläger aus, dass er ähnlich einem beratenden Betriebswirt im Bereich des Umwelt-Marketings tätig sei. Er berate Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie bei umweltrelevanten Fragen, informiere über die Umweltgesetzgebung und schlage u.a. Vermeidungs- und Verwertungsstrategien vor. Dabei sei das Betätigungsfeld im Umweltbereich, der sich verstärkt erst seit einigen Jahren entwickelt habe, extrem vielseitig, so dass eine Spezialisierung nötig sei. Der von ihm, dem Kläger, abgedeckte Bereich reiche von Recherchen zur Marktentwicklung, zu politischen und gesellschaftspolitischen Strömungen, zu Rechtsfragen, zur Entwicklung der Entsorgungswirtschaft usw. über Lobbying, Erstellung von Gutachten, Information und Beratung bis hin zur Entwicklung von Strategien und Konzepten zur Umsetzung im Markt.

Seinen beruflichen Werdegang beschrieb der Kläger folgendermaßen: Er verfüge als gelernter Industriekaufmann mit Realschulabschluss über eine 30-jährige kaufmännische Berufserfahrung, davon 12 Jahre als Verkaufsleiter, 4 Jahre als Marketing-Leiter und 6 Jahre als Mitglied der Geschäftsleitung (Prokurist) in einem zu einem internationalen Konzern gehörenden Unternehmen mit ca. 450 Mitarbeitern und über 150 Mio. DM Umsatz. Er führe seit 30 Jahren Personal und sei auch viele Jahre in die Lehrlingsausbildung eingebunden gewesen.

Mitte der achtziger Jahre habe er sich auf umweltrelevante Fragen spezialisiert, und zwar durch regelmäßige Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, auch auf internationaler Basis (z.B. durch langjährige Teilnahme an einem Arbeitskreis, durch Teilnahme am Umweltarbeitskreis der Industrie- und Handelskammer (IHK), als Deutschland-Vertreter in der internationalen Arbeitsgruppe "Umwelt" des X-Konzerns, durch Teilnahme an diversen Kongressen, Seminaren und Schulungen, durch regelmäßiges Studium aller relevanten Fachzeitschriften und -publikationen aus den Bereichen Kunststoff, Verpackung, Umwelt, durch einen Fachlehrgang für Leitungs- und Beaufsichtigungspersonal von Entsorgungsfachbetrieben und durch den Erwerb eines Zertifikats als Umweltbetriebsprüfer (Fortbildungsveranstaltung der Y-Akademie ―eine Akademie für Aus- und Weiterbildung― in Zusammenarbeit mit der IHK). Als Nachweis legte der Kläger zahlreiche Unterlagen vor (z.B. Zeugnisse, zwei Beratungsverträge, einen Abschlussbericht mit Ist-Analyse Serviceverpackungen, eine Untersuchung "Aktuelle Fragen und Antworten rund um die Verpackungssteuer-Satzung", Schreiben an verschiedene Firmen und Fachverbände sowie Publikationen).

Das FA wies den Einspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, der Kläger übe keine einem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit aus. Aus den vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht erkennen, dass der Kläger theoretische Kenntnisse aufweise, die mit denen eines beratenden Betriebswirts vergleichbar seien.

Im finanzgerichtlichen Verfahren legte der Kläger weitere Unterlagen vor. Die Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 20 veröffentlicht.

Das FG führte im Wesentlichen aus: Der Kläger übe eine dem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liege ein dem Katalogberuf des beratenden Betriebswirts ähnlicher Beruf vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruhe und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstrecke (wird ausgeführt). Zwar umfasse das Wissen des Klägers nicht alle Kerngebiete der Betriebswirtschaftslehre. Der Kläger habe sich nämlich lediglich mit den Bereichen Marktforschung, Werbung, Verkauf, Investition und Finanzierung sowie Personal- und Ausbildungswesen intensiv beschäftigt. Eine Ähnlichkeit sei im Streitfall dennoch anzunehmen, da die Rechtsprechung an den Nachweis der vergleichbaren Kenntnisse zu hohe Anforderungen stelle. Es sei nahezu ausgeschlossen, dass jemand in der Lage sei, anhand praktischer Arbeiten nachzuweisen, dass er auf allen Kerngebieten der Betriebswirtschaftslehre über das notwendige breite und tiefe Wissen verfüge. Die höchstrichterliche Rechtsprechung verlange keine Ähnlichkeit, sondern vielmehr eine Identität bzw. Gleichheit.

Da die BFH-Rechtsprechung auch eine Gruppenähnlichkeit der zu vergleichenden Tätigkeit zu den Katalogberufen ablehne, werde im Ergebnis verhindert, dass neue Berufe, die sich erst in den Jahren nach 1960 ―der insoweit letzten Änderung des § 18 Abs. 1 EStG― entwickelt hätten, in den von der Gewerbesteuer befreiten Kreis der freiberuflichen Tätigkeit eingeordnet werden könnten. Die Masse der formalen Anforderungen werde somit zu einer faktischen Berufssperre.

Deshalb gebiete wegen der gravierenden Auswirkungen bei der Gewerbesteuer eine verfassungskonforme Auslegung des § 18 Abs. 1 EStG, die qualifizierte Tätigkeit des Klägers als "Umweltberater" als der eines beratenden Betriebswirts ähnlich anzusehen. Auf diesem Fachgebiet habe der Kläger als ausgewiesener Experte durch seine praktische Tätigkeit nachgewiesen, dass er in vielen (wenngleich nicht allen) Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre und darüber hinaus in anderen Bereichen, wie Kunststofftechnik, Materialwesen und Umweltschutz über Kenntnisse verfüge, die ihn in die Lage versetzten, die nicht nachgewiesenen Kenntnisse in anderen Teilbereichen der Betriebswirtschaftslehre gleichwertig zu kompensieren.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor: Seine Tätigkeit sei der eines beratenden Betriebswirts ähnlich. Er habe anhand umfangreicher Unterlagen nachgewiesen, dass er über ein theoretisches Wissen in den wesentlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre und in wichtigen Rechtsgebieten verfüge. Zwar habe es zu Zeiten, zu denen er sich auf die Umweltthematik spezialisiert habe, noch keine adäquaten Ausbildungsmöglichkeiten gegeben. Auch gebe es heute nur eine Vielzahl von unterschiedlich aufgebauten Bildungsmaßnahmen. Wegen des Fehlens einer reglementierten Ausbildung könne jedoch die Ähnlichkeit eines ausgeübten Berufs nicht abgelehnt werden.

Der von ihm ausgeübte Beruf erfordere nicht nur Kenntnisse der Betriebswirtschaftslehre, sondern auch Kenntnisse des allgemeinen Rechts, des Steuerrechts und der Naturwissenschaft. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die freien Berufe nicht auf den Personenkreis der (Fach-)Hochschulabsolventen begrenzt werden. Dies zeige schon der Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Weiter könne die Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87 (BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337), dass es Sache des Gesetzgebers sei, den Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erweitern, im Zeitalter des Internets und der sich überschlagenden Fortentwicklung der mit den neuen Medien und Techniken verbundenen Berufe nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr müsse die Rechtsprechung erfüllbare Voraussetzungen schaffen.

Er, der Kläger, habe zudem nachgewiesen, dass er eine einer Diplomarbeit vergleichbare wissenschaftliche Arbeitsleistung in seiner praktischen Tätigkeit erbracht habe. Er sei vom … als Spezialist zum Thema "Aktuelle Fragen und Antworten rund um die Verpackungssteuer-Satzungen" benannt worden, nachdem er zu dieser Sache eine Untersuchung durchgeführt habe. Er habe auf einem entsprechenden Forum ein Fachreferat gehalten und sei wegen seines Fachwissens in verschiedene Gremien gewählt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Anhand der vom FG getroffenen Feststellungen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger freiberuflich tätig war.

1. Den Beruf des beratenden Betriebswirts i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG übt nach der Rechtsprechung des BFH derjenige aus, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft (Unternehmensführung, Leistungserstellung ―Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen―, Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen ―vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 2000 IV R 51/99, BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616―) und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Diesem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts entsprechend liegt ein "ähnlicher Beruf" nur dann vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruht und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt (ständige Rechtsprechung, s. schon BFH-Urteile vom 13. April 1988 I R 300/83, BFHE 153, 222, BStBl II 1988, 666; vom 2. September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24; vom 14. März 1991 IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769).

a) Das FG hat nicht begründet, warum gerade die praktische Tätigkeit des Klägers der eines beratenden Betriebswirts ähnlich sein soll.

Ursprünglich wurde nach der Rechtsprechung des BFH eine Person als "beratender Betriebswirt" eingestuft, die aufgrund ihrer umfassenden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse Unternehmen bei entsprechendem Bedarf in allen anfallenden betriebswirtschaftlichen Fragen berät. Eine Spezialisierung der Beratung war dabei aber unschädlich, sofern sie wenigstens einen betrieblichen Hauptbereich umfasste. Danach erfüllt z.B. die Spezialisierung auf die Beratung im gesamten Absatzwesen die Anforderungen an die fachliche Breite, während eine Beschränkung auf Werbung oder PR-Beratung als einen Teil des Absatzwesens unzureichend ist (BFH-Urteile vom 16. Januar 1974 I R 106/72, BFHE 111, 316, BStBl II 1974, 293; vom 25. April 1978 VIII R 149/74, BFHE 125, 369, BStBl II 1978, 565).

Auf den Streitfall bezogen bedeutet das, dass eine Beratung in allen Fragen des Marketing als Beratung in einem Hauptbereich der Betriebswirtschaft anzusehen ist. Der Begriff des Marketing kann zunächst mit dem des Absatzes gleichgesetzt werden. Es hat darüber hinaus jedoch eine zweite Bedeutung, nämlich die aktive Gestaltung von Märkten. In diesem Sinn ist Marketing nicht nur die Deckung von Nachfrage, sondern auch die Produktion von Nachfrage (Zentes in Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, Bd. I. 3. Aufl. 1993, S. 321; vgl. auch die Nachweise im Senatsurteil vom 27. Februar 1992 IV R 27/90, BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826, unter 1. d).

Es ist jedoch nach den Feststellungen des FG nicht klar, welchen Umfang eine umfassende Marketingberatung im Rahmen der Tätigkeit des Klägers hatte. Der Kläger berät zwar Hersteller von Einweggeschirr ("Serviceverpackungen") auf dem Gebiet des Marketing, er betätigt sich aber auch ―und offenbar in erster Linie― als Lobbyist. Das Thema, das sich wie ein roter Faden durch die vorgelegten Tätigkeitsnachweise zieht, lautet: "Wie kann der durch gestiegenes Umweltbewusstsein und die Einführung von Verpackungssteuern bedingte Umsatzrückgang bei Einweggeschirr und -besteck gestoppt werden?". Dazu beobachtet der Kläger die rechtliche Entwicklung und erarbeitet Vermeidungsstrategien sowie Argumentationsmuster für seine Auftraggeber. Die Ergebnisse dieser Tätigkeit stellt er seinen Auftraggebern zur Verfügung. Er wendet sich aber auch an die jeweiligen Normgeber, an Multiplikatoren wie Journalisten und (angehende) Wissenschaftler sowie die Kunden und Wähler, die er darauf hinweist, dass die Verwendung von Mehrweggeschirr unhygienisch sein kann, zur Wasserverschmutzung beiträgt, bei Bruch ebenfalls Abfall erzeugt und sogar zu Verletzungen führen kann.

Die selbständige Tätigkeit des Klägers begann, als sein früherer Arbeitgeber (ein Einweggeschirrhersteller) seine Marketingabteilung, die der Kläger geleitet hatte, aufgab. Der Kläger hatte für das Streitjahr zwei Beratungsverträge abgeschlossen. Einen mit seinem früheren Arbeitgeber und einen mit dem "Arbeitskreis E", in dem auch der frühere Arbeitgeber vertreten war. Im Arbeitskreis hatte der Kläger offenbar bereits während seiner Angestelltenzeit maßgeblich mitgearbeitet.

Die durch die Auftragsbeschreibung in den Beratungsverträgen gekennzeichnete Tätigkeit ist, soweit es sich dem Akteninhalt entnehmen lässt, ähnlich wie die des Werbe- oder PR-Beraters als gewerblich anzusehen (s. neben den genannten Entscheidungen in BFHE 111, 316, BStBl II 1974, 293 und BFHE 125, 369, BStBl II 1978, 565, das Senatsurteil vom 24. September 1998 IV R 16/98, BFH/NV 1999, 602). Insbesondere sind folgende vom Kläger (nicht nur für das Streitjahr 1995) beispielhaft genannte und belegte Tätigkeiten nicht denen eines beratenden Betriebswirts vergleichbar:

- Leitung des Arbeitskreises,

- Halten von Vorträgen, Fachveröffentlichungen, Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen,

- Kontaktaufnahme mit Politikern,

- Unterstützung von Diplomanden etc.,

- Jährliche Darstellung der Entwicklung bei den kommunalen Verpackungssteuersatzungen,

- Konzeption einer abfallfreien Tagesveranstaltung,

- Mitwirkung an der Erstellung eines Ausstellungskatalogs, Fachübersetzung,

- Mitwirkung an der Erstellung einer Ökobilanz (der Arbeitskreis hatte bei einem Institut eine Ökobilanz in Auftrag gegeben. Der Kläger war bei der Daten- und Informationsbeschaffung behilflich).

Allerdings hat der Kläger im Streitjahr nachweislich auch einen Auftrag ausgeführt, der Marketingfragen betraf, die über die durch die Verpackungssteuer und das schlechte Image von Einwegbesteck verursachte Problematik hinausgingen. Als Unterlage hierüber liegt ein "Abschlussbericht mit Ist-Analyse Serviceverpackungen" vom August 1995 vor. Hier äußert sich der Kläger u.a. auch zur Produktpalette und möglichen Kunden.

Diese Tätigkeit könnte der eines beratenden Betriebswirts ähnlich sein. Erforderlich wäre allerdings, dass der Kläger in erheblichem Umfang auch andere vergleichbare Beratungsaufträge ausgeführt hat. Denn die die Ähnlichkeit begründenden Tätigkeiten müssen im Sinne eines Schwerpunktes andere, den Ähnlichkeitsvergleich nicht begründende Tätigkeiten überwiegen (BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI R 82/94, BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518; Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 18 Rz. 126). Es ist zwar nach Aktenlage unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, dass der Kläger diese Voraussetzungen erfüllte.

War der Kläger nicht im vorstehend beschriebenen Sinne überwiegend in der Marketingberatung tätig, kann seine Tätigkeit entgegen der Auffassung des FG nicht insgesamt als freiberuflich angesehen werden.

b) Ferner hat das FG die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung nicht beachtet, soweit es eine dem beratenden Betriebswirt vergleichbar breite fachliche Vorbildung des Klägers angenommen hat. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Kläger auf seinem Tätigkeitsgebiet ein angesehener Experte ist, wurde der Nachweis über das erforderliche breite Wissen nicht erbracht.

Verfügt der Steuerpflichtige ―wie auch im Streitfall der Kläger― nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule (Diplom/graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt), muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen (vgl. Senatsurteile vom 26. Juni 2002 IV R 56/00, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2002, 1522, und vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73, unter b). Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung (vgl. nur Senatsurteil in BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616) abzugehen.

Die Ähnlichkeit mit dem beratenden Betriebswirt hat das FG wohl vor allem darin gesehen, dass der Kläger ―wenn er die übernommenen Aufträge zufriedenstellend erfüllen will― über umfangreiche Kenntnisse verfügen muss. Zweifellos besitzt der Kläger solche Kenntnisse. Es handelt sich dabei jedoch ―soweit aus den Tätigkeitsnachweisen nachvollziehbar― nicht um betriebswirtschaftliches Wissen. Vielmehr hat der Kläger im Selbststudium vor allem Kenntnisse im Umweltrecht, insbesondere im kommunalen Satzungsrecht erworben. Auf anderen Gebieten ―etwa dem der Öko-Bilanzen― muss er technische und naturwissenschaftliche Kenntnisse besitzen, die es ihm wenigstens erlauben, die Diskussion zu verfolgen und die genaue Fragestellung für Gutachten festzulegen. Die Ähnlichkeit solcher Kenntnisse mit denen eines beratenden Betriebswirts leuchtet aber nicht per se ein.

Das FG legt weiter den Ähnlichkeitsbegriff in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dahin gehend aus, dass nicht die Ähnlichkeit zu einem bestimmten Katalogberuf erforderlich sei. Vielmehr soll es nach Auffassung des FG ausreichen, wenn die im Einzelfall zu beurteilende Tätigkeit die gleichen charakteristischen Merkmale aufweist, die für die im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erwähnten Berufe insgesamt typisch sind. Eine solche Gruppenähnlichkeit genügt indes nicht, weil der Gesetzgeber die Katalogberufe detailliert aufgezählt hat und die ähnlichen Berufe speziell einem dieser Katalogberufe ähnlich sein müssen (Senatsurteil vom 16. Oktober 1997 IV R 19/97, BFHE 184, 456, BStBl II 1998, 139). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Rechtsprechung, die z.B. dem Senatsurteil vom 26. November 1992 IV R 109/90 (BFHE 170, 88, BStBl II 1993, 235 ―Dispacheur―) zugrunde liegt, verfassungsrechtlich nicht beanstandet (vgl. Beschluss vom 14. Februar 2001 2 BvR 460/93, Finanz-Rundschau ―FR― 2001, 367, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―-HFR― 2001, 496; ferner den Beschluss vom 15. März 2001 1 BvR 2102/00, Steuer-Eildienst ―StEd― 2001, 307, mit dem die Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 4. Mai 2000 IV R 52/99, nicht veröffentlicht, juris ―Gewerbesteuermessbetragssache desselben Steuerpflichtigen wie in BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616― nicht zur Entscheidung angenommen wurde).

Ließe man es ausreichen, dass ein Steuerpflichtiger lediglich Kenntnisse in Teilbereichen der Betriebswirtschaft aufweist, hätte dies eine Ungleichbehandlung derjenigen Personen zur Folge, die aufgrund der Ausbildungsgänge zum Diplom-Kaufmann, zum Diplom-Betriebswirt (FH) oder zum staatlich geprüften Betriebswirt sich ein Wissen über sämtliche Hauptbereiche der Betriebswirtschaftslehre angeeignet haben. Auch wenn sich zum Beispiel ein Diplom-Kaufmann in eine bestimmte Fachrichtung ―wie etwa der Umweltberatung― mit speziellen Fach- bzw. Fortbildungskursen weiterentwickelt, muss er in seinem Grundstudium ein zumindest ausreichendes Wissen in allen Hauptbereichen der Betriebswirtschaft erworben haben.

Die Rechtsprechung des BFH verhindert auch nicht, dass neue Berufe als freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG eingestuft werden können. Da es kein typisches Berufsbild des beratenden Betriebswirts gibt und die Bezeichnung frei geführt werden darf (BFH-Urteil in BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24), können vielseitige und unterschiedliche Beratungstätigkeiten unter den Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gefasst werden, wenn ein entsprechend breites Wissen vorhanden ist und die Beratungstätigkeit in mindestens einem Hauptbereich der Betriebswirtschaft ausgeübt wird.

Der Senat sieht ferner keinen Anlass für eine hiervon abweichende, vom FG verfassungskonform genannte Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Es ist insbesondere nicht erkennbar ―und vom FG auch nicht dargetan―, dass von mehreren möglichen Auslegungsvarianten von Verfassungs wegen allein eine solche Interpretation des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG geboten sein sollte, wonach die Tätigkeit des Klägers der eines beratenden Betriebswirts gleichzusetzen sei (zu den Voraussetzungen einer verfassungskonformen Auslegung vgl. etwa Ruppe in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., Einf. EStG Anm. 638). Vielmehr ist die Rechtsprechung des Senats, wonach in der Ausbildung für den Regelfall ein zulässiges und sachlich einleuchtendes Differenzierungskriterium für die Zuordnung zu einem Katalogberuf gesehen werden kann, vom BVerfG mehrfach bestätigt worden (s. Nachweise in Senatsurteil in BFHE 170, 88, BStBl II 1993, 235, unter II. 4.). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) oder Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtszug in erster Linie zu prüfen haben, ob die Beratungstätigkeit des Klägers auf dem Gebiet des Marketing den Schwerpunkt seiner Tätigkeit darstellte. Falls dies der Fall sein sollte, ist in einem zweiten Schritt vom FG festzustellen, ob der Kläger über Kenntnisse verfügte, die der Tiefe und Breite nach denen eines beratenden Betriebswirts vergleichbar waren. Dabei ist ausreichend, dass der Kläger mindestens Kenntnisse mit Fachschulniveau nachweist (Senatsurteil in BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616). Wenn die Kenntnisse auf einem Gebiet, etwa dem des Rechnungswesens nicht denen entsprechen sollten, wie sie in der Prüfung zum "Staatlich geprüften Betriebswirt" verlangt werden, muss dies nicht unbedingt schädlich sein, weil auch eine solche Prüfung mit nicht ausreichenden Kenntnissen in (nur) einem Fach bestanden werden kann (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 5. Mai 1999 2 K 181/95, EFG 1999, 832, rechtskräftig).

Den Nachweis seiner Kenntnisse kann der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen (Senatsurteile in BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616 und in BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769). Letztere kann im Wege eines Sachverständigengutachtens vorgenommen werden, indem der Gutachter den Steuerpflichtigen gewissermaßen examiniert (Senatsurteil in BFH/NV 2002, 1522).

Die Wissensprüfung kann allerdings nur als ergänzendes Beweismittel in Betracht kommen. Nämlich nur dann, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte (Senatsurteil in BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616). Im Hinblick darauf, dass ein Misserfolg bei der Wissensprüfung weitreichende Folgen über den Prozessverlust hinaus haben kann, ist das Gericht nicht verpflichtet, diesen Beweis ohne entsprechenden Antrag des Klägers zu erheben (Senatsurteil in BFH/NV 2002, 1522).

3. Kommt das FG zu dem Ergebnis, die Tätigkeit des Klägers sei nicht insgesamt der eines beratenden Betriebswirts ähnlich, hat es schließlich noch festzustellen, ob der Kläger teilweise schriftstellerisch oder wissenschaftlich tätig war.

Schriftstellerisch tätig wird nach der Rechtsprechung des BFH derjenige Steuerpflichtige, der eigene Gedanken mit den Mitteln der Sprache schriftlich für die Öffentlichkeit niederlegt (vgl. Senatsurteil vom 25. April 2002 IV R 4/01, BStBl II 2002, 475). Für die Annahme einer wissenschaftlichen Tätigkeit ist Voraussetzung, dass eine hochstehende, besonders qualifizierte Arbeit ausgeübt wird, die dazu geeignet ist, schwierige Streit- und Grenzfälle nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten zu lösen. Dabei ist der Begriff der Wissenschaftlichkeit in besonderem Maße mit den Disziplinen verbunden, die an den Hochschulen gelehrt werden (Senatsurteil vom 23. November 2000 IV R 48/99, BFHE 193, 482, BStBl II 2001, 241).

Das FG hat aus seiner Sicht zutreffend keine Feststellungen getroffen, ob der Kläger zumindest in Teilbereichen seiner Tätigkeit im Streitjahr schriftstellerisch oder wissenschaftlich tätig war. In der Vorentscheidung kam es auf diesen Gesichtspunkt nicht mehr an.

Für eine schriftstellerische Tätigkeit spräche die Tatsache, dass der Kläger Fachartikel veröffentlichte. Der Kläger könnte auch aufgrund der Erstellung von Gutachten wissenschaftlich tätig geworden sein, soweit seine Gutachten auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhten. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger mit seiner Tätigkeit der eines beratenden Betriebswirts ähnlich ist, könnte er insoweit Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt haben. Die schriftstellerische oder wissenschaftliche Tätigkeit müsste aber nach der Verkehrsauffassung von den übrigen Tätigkeitsbereichen trennbar und eigenständig sein und dürfte nicht ―mit Blick auf die Gesamttätigkeit des Klägers― als gemischte Tätigkeit oder Nebentätigkeit angesehen werden (vgl. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 18 Rz. 50).

 

Fundstellen

Haufe-Index 861342

BFH/NV 2003, 118

BStBl II 2003, 27

BFHE 2003, 326

BFHE 200, 326

BB 2002, 2594

BB 2003, 28

DB 2003, 1938

DStR 2002, 2163

DStRE 2003, 63

HFR 2003, 137

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