Leitsatz (amtlich)

1. Zur Verwertungsbefugnis i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG.

2. Ergibt sich für A aus der Gesamtheit der mit B (Grundstückseigentümer) getroffenen Vereinbarungen (u. a. notariell beurkundete Zusage des A, alle oder die noch nicht verkauften Grundstücke an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Kaufpreis zu übernehmen; Auswahl und Benennung der Käufer; Auskehrung eines evtl. Mehrerlöses an A; Verpflichtung des A, Zinsen auf den Kaufpreis zu zahlen; Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des A) die Möglichkeit, Grundstücke auf eigene Rechnung zu verwerten, so unterliegt dieser Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer.

 

Normenkette

GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte durch Kaufvertrag vom 7. Dezember 1960 den in Niedersachsen gelegenen landwirtschaftlichen Betrieb des Herrn M zum großen Teil erworben. Dem M waren noch fünf Flurstükke verblieben. Diese hatte M in Teil II des Vertrages dem Kläger "oder dem von ihm zu benennenden Dritten" insgesamt, einzeln oder geteilt zum Kauf angeboten. Der Kaufpreis für die fünf Flurstücke war auf 146 300 DM festgesetzt, "spätestens am 31. Dezember 1961 fällig und zahlbar" und mit jährlich 6 v. H. vom 1. Februar 1961 an zu verzinsen. Die Flurstücke sollten "mit Annahme des Angebots" übergeben und aufgelassen werden.

Der Kläger hatte in derselben Urkunde das Angebot des M in geänderter Form angenommen: Er hatte sich bereit erklärt, die fünf Flurstücke "als Käufer zu ... übernehmen". wenn diese Grundstücke nicht zum Teil oder ganz bis zum 31. Dezember 1961 an von ihm dem M genannte dritte Kaufinteressenten verkauft worden seien. Er werde den in dem Angebot festgelegten Kaufpreis zahlen abzüglich der Beträge, die von Dritten für inzwischen erworbene Flurstücke an M entrichtet worden seien. Ein Mehrerlös solle ihm, dem Kläger, zustehen, ebenso der Anspruch auf unentgeltliche Übertragung einer Teilfläche, die nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises noch unveräußert geblieben sei. M hatte in derselben Urkunde dieses modifizierte Angebot des Klägers angenommen.

Der Anspruch auf Auflassung der fünf Flurstücke an den Kläger sollte durch Eintragung einer einheitlichen Vormerkung gesichert werden.

M hatte durch Vertrag vom 8. Mai 1961 vier de===r vorerwähnten Flurstücke zum Preise von 98 300 DM an die NL-Gesellschaft mbH (im folgenden: NLG) verkauft, die ihm von dem Kläger in demselben Vertrag als Käufer benannt worden war. Bezüglich dieser Flurstücke hatte M zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch, der Kläger eine entsprechende Umschreibung der auf ihn eingetragenen Auflassungsvormerkung auf die NLG bewilligt und beantragt (§ 7 des Vertrages). Das verbliebene fünfte Flurstück hatte der Kläger zum Preise von 48 000 DM (= 146 300 DM ./. 98 300 DM) gemäß den Vereinbarungen im Vertrag vom 7. Dezember 1960 selbst übernommen. Es war am 9. Mai 1963 an ihn aufgelassen worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von 146 300 DM fest.

Einspruch und Klage des Klägers blieben erfolglos.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 1 Abs. 2 GrEStG. Ihm habe keine Verwertungsbefugnis an den vier Flurstücken zugestanden, die die NLG von M gekauft habe. Er habe diese Flurstücke nicht erwerben wollen, da sie für seinen Betrieb unwirtschaftlich gewesen seien. M habe lediglich eine Garantie des Klägers für den Verkauf der Grundstücke haben wollen. Der Kläger rügt ferner, das FG habe die angebotenen Beweise nicht erhoben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil läßt weder materiell-rechtliche noch verfahrensrechtliche Mängel erkennen, die seine Aufhebung oder die Zurückverweisung der Sache rechtfertigen könnten.

1. Das FG hat mit zutreffender Begründung die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG hinsichtlich der vier von der NLG erworbenen Flurstücke verneint.

2. Die Ausführungen des FG zur Verwertungsbefugnis enthalten -- entgegen der Auffassung des Klägers -- keinen Rechtsfehler.

Gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer Erwerbsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dieser selbständige und -- gegenüber den Tatbeständen in § 1 Abs. 1 GrEStG -- subsidiäre (Ersatz-)Tatbestand kann ohne Rücksicht auf die Beweggründe oder die Absicht der Beteiligten erfüllt werden. Er stellt darauf ab, ob die maßgebenden Rechtsvorgänge es einem anderen als dem Eigentümer rechtlich oder wirtschaftlich "ermöglicht" haben, das "Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten". Damit setzt § 1 Abs. 2 GrEStG eine Verwertungsmacht des Berechtigten voraus, deren rechtlichen Gehalt das Gesetz im einzelnen nicht umschreibt; die Unterscheidung "rechtlich oder wirtschaftlich" betrifft allein die Art und Weise der möglichen Verwertung. Diese Rechtsmacht begründet keinen (bürgerlich-rechtlichen) Anspruch auf Übereignung, andernfalls nicht § 1 Abs. 2 GrEStG, sondern § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anzuwenden wäre. Deshalb ist nicht erforderlich, daß der andere wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen kann, d. h. es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann (vgl. Entscheidung des BFH vom 24. Oktober 1956 II 60/56 U. BFHE 63, 433, BStBl III 1956, 364 ). Es genügt, wenn der andere die Verwertungsbefugnis über das Grundstück erlangt hat, auch wenn das eine oder andere der eben genannten Rechte ihm nicht eingeräumt worden ist oder ihm nicht zusteht.

Die Gesamtheit der von dem Kläger mit M getroffenen Vereinbarungen hat dem Kläger -- wovon das FG zutreffend ausgegangen ist -- eine Verwertungsmacht in dem vorstehend dargelegten Sinne verschafft.

Durch die Vereinbarung eines festen Kaufpreises und der Möglichkeit, die Käufer auszuwählen, zu benennen und damit den Inhalt der Kaufverträge in preislicher Hinsicht zu bestimmen, war der Kläger -- entgegen seiner Ansicht -- an der Substanz der Flurstücke wertmäßig beteiligt. Die erzielten Erlöse minderten entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen entweder den Kaufpreis für die von dem Kläger zu übernehmende Restteilfläche, gaben ihm ggf. einen Anspruch auf unentgeltliche Übertragung dieser Teilfläche oder waren als "Mehrerlös" an ihn auszukehren. Keine oder niedrigere Erlöse führten zu einer -- in ihrer Höhe allerdings (auf 146 300 DM) begrenzten -- entsprechenden Kaufpreis-(Rest-)Zahlung des Klägers. Dieser hatte deshalb ein erhebliches eigenes Interesse daran, daß möglichst alle Flurstücke an andere verkauft und dabei möglichst hohe Entgelte erzielt würden. Der Kläger hatte sich darüber hinaus zur Zahlung von jährlichen Zinsen -- zahlbar in Halbjahresbeträgen -- verpflichtet. Eine Verzögerung der Verkäufe ging damit zu seinen Lasten und auf seine Gefahr, ebenso wie die Zahlung des Kaufpreises, der unabhängig von evtl. Verkäufen am 31. Dezember 1961 fällig war. Demgegenüber war es M gleichgültig, wer ihm den vertraglich festgelegten Kaufpreis für die Flurstücke zahlte. Dieser Interessenlage der Vertragsparteien tragen die Vereinbarungen Rechnung, wonach es dem Kläger freistand, Kaufinteressenten zu suchen, auszuwählen und dem M als Käufer zu benennen. Nach der gewählten Vertragsgestaltung war M gehalten, die Flurstücke nur an die von dem Kläger benannten Käufer zu verkaufen und zu übertragen. M hatte sich damit wirtschaftlich und rechtlich gebunden und sich der ihm als Grundstückseigentümer zustehenden Verfügungs- und Verwertungsbefugnisse weitgehend zugunsten des Klägers begeben. Das wird rechtlich durch das Bewilligen und Beantragen einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Klägers bestätigt. Mit der Eintragung dieser Vormerkung erlangte der Kläger eine dinglich wirksame Sicherung an den Flurstücken selbst (§ 883 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Demgegenüber vermögen die Einwendungen des Klägers nicht durchzudringen. Es mag zutreffen, daß der Kläger die Flurstücke wegen ihrer Unwirtschaftlichkeit nicht haben und M mit den vertraglichen Vereinbarungen eine Garantie für die Veräußerung seines gesamten landwirtschaftlichen Betriebs erreichen wollte. Beide Erwägungen beeinflussen die dem Kläger kraft der vertraglichen und tatsächlichen Gestaltung zugewachsene Verwertungsmacht i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht. Diese bestand grunderwerbsteuerrechtlich unabhängig von den Motiven und den Absichten der Vertragsparteien. Daß sich neben dem Kläger auch noch ein Makler um die Veräußerung der Flurstücke bemühte, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung. Das Tätigbleiben des Maklers mag auf seinem früheren Auftrag (Verkauf des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes) beruhen, wofür die Vereinbarung spricht, daß Provisionen von M und dem jeweiligen Käufer zu zahlen waren. Nach den vertraglichen Vereinbarungen blieb es allein dem Kläger überlassen, die von dem Makler gefundenen Käufer dem M als solche zu benennen.

3. Die Verfahrenstrüge, das FG habe die angebotenen Beweise erheben müssen, greift nicht durch. Die vom Kläger im Verfahren vor dem FG unter Beweis gestellten Tatsachen waren für die Entscheidung des FG unerheblich. Dieses hat deshalb zu Recht von der Erhebung der Beweise abgesehen. Daß dies in den Urteilsgründen nicht besonders dargelegt und begründet wurde, rechtfertigt für sich allein keine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache.

4. Der Senat läßt ausdrücklich offen, ob die Benennung dritter Personen durch den Kläger als Abtretung von Rechten i. S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 6, 7 GrEStG gewertet werden kann (vgl. Urteil des Senats vom 10. Juli 1974 II R 89/68, BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86 ).

 

Fundstellen

Haufe-Index 425964

BStBl II 1976, 27

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