Leitsatz (amtlich)

Veräußert eine Wohnungsbaugesellschaft ein von ihr erstelltes Eigenheim an einen ihrer Arbeitnehmer mit einem nicht nur geringen Preisabschlag, so ist der Preisnachlaß weder eine steuerfreie Annehmlichkeit noch ein Gelegenheitsgeschenk, sondern steuerpflichtiger Arbeitslohn.

 

Normenkette

EStG 1960 § 19 Nr. 1; LStDV 1960 § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Miterben des verstorbenen B. Dieser war als Prokurist Arbeitnehmer bei der Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungs-Gesellschaft X. Im Jahr 1960 erwarb er von seiner Arbeitgeberin ein von dieser errichtetes Eigenheim mit einem Nachlaß von 6 100 DM gegenüber dem üblichen Kaufpreis von ca. 80 000 DM. Der Nachlaß beruht auf einer Entschließung der X, wonach Dauerangestellten bei Erwerb eines Eigenheims unter bestimmten Voraussetzungen der im üblichen Kaufpreis einkalkulierte Risikozuschlag erlassen und die im Kaufpreis enthaltenen Betreuungsgebühren herabgesetzt werden können.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sah in diesem Kaufpreisnachlaß einen geldwerten Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis und zog den Ermäßigungsbetrag von 6 100 DM zur Einkommensteuer heran. Der Einspruch blieb erfolglos.

Im Klageverfahren machten die Kläger geltend, der gewährte Preisnachlaß könne nicht als Entgelt für Dienstleistungen angesehen werden, er ergebe sich vielmehr aus einer individuellen Kaufpreisermittlung infolge Fortfalls einiger Kalkulationspositionen, die die X bei einer Veräußerung an Angestellte nicht zu berücksichtigen brauche. Der Risikozuschlag für Kredithaftung, Gewährleistungsansprüche und Prozeßwagnis brauche bei den Angestellten des Unternehmens nicht berechnet zu werden, weil die Gefahr, daß Kosten dieser Art entstehen, bei ihnen erfahrungsgemäß sehr viel geringer sei als bei fremden Käufern. Die Betreuungsgebühren für Architektenund Verwaltungsleistungen könnten ermäßigt werden, weil sich diese Leistungen bei den Angestellten infolge ihrer engen und fachkundigen Verbindung mit dem Unternehmen einfacher, geringfügiger und billiger gestalteten. Derartige Rabatte würden bei entsprechender Risiko- und Unkostenminderung auch anderen Abnehmern eingeräumt. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das FG wies die Klage ab und führte dazu aus, es ergebe sich aus den Bestimmungen der X, daß dieser Preisnachlaß nur an Arbeitnehmer gewährt werde. Für die Besteuerung von besonderen Vorteilen sei nicht erforderlich, daß diese zu einer bestimmten Arbeitsleistung in Beziehung gebracht werden könnten; es genüge ein allgemeiner Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts. Im Verkauf von Gegenständen zu verbilligten Preisen von Arbeitgebern an ihre Arbeitnehmer sei zwar im allgemeinen die Zuwendung eines geldwerten Vorteils aus dem Dienstverhältnis zu erblicken, ein solcher geldwerter Vorteil sei aber nicht anzunehmen, wenn der Arbeitgeber nach den betrieblichen und örtlichen Verhältnissen übliche Preisnachlässe für Gegenstände des täglichen Bedarfs und Gebrauchs gewähre, wenn die Ware der Deckung des Eigenbedarfs des Arbeitnehmers diene, wenn sie vom Arbeitnehmer selbst verwendet werde und wenn sie preislich die Selbstkosten des Arbeitgebers nicht unterschreite. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Insbesondere sei aus der Entwicklung auf dem Markt für Eigentumswohnungen zu ersehen, daß es sich auch bei der vom Erblasser der Kläger erworbenen Wohnung um einen Gegenstand des täglichen Bedarfs und Gebrauchs handle. Es müsse dem Arbeitgeber vorbehalten bleiben, den Preis auch für die Waren, die er an seine Arbeitnehmer veräußere, frei zu bestimmen. Die Behandlung von Preisnachlässen bei Waren des täglichen Bedarfs als nicht steuerbare Annehmlichkeiten entspreche ständiger Rechtsprechung und Verwaltungsübung. Ob eine Annehmlichkeit vorliege, sei dabei entgegen der Rechtsprechung weniger aus der Sicht des Arbeitnehmers als aus der Sicht des Arbeitsverhältnisses heraus zu betrachten. Abgrenzungsschwierigkeiten dürften sich nicht zu Lasten der Arbeitnehmer auswirken. Das FG habe im übrigen auch seine Aufklärungspflicht verletzt. In der Klagebegründung sei mehrfach dargelegt worden, daß der an Arbeitnehmer gewährte Preisnachlaß auf einer anderen kaufmännischen Kalkulation beruhe als der für fremde Dritte vorgenommene Preisnachlaß. Das FG hätte bei Überprüfung der Kalkulation die Richtigkeit des Sachvortrags bestätigt gefunden. Es hätte auch aus der Aufstellung der mit Preisnachlaß erfolgten Eigenheimverkäufe an außenstehende Käufer der Jahre 1967 bis 1969 Schlüsse auf das Verhalten der X im Jahr 1960 ziehen können, wenn es nachgeprüft hätte, daß es im Jahr 1960 vor Fertigstellung der Eigenheime feststehende Bewerber, die nicht Arbeitnehmer der X gewesen seien, kaum gegeben habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 LStDV gehören zum Arbeitslohn auch geldwerte Vorteile, wenn sie dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Ob dies zutrifft, ist grundsätzlich aus der Sicht des Arbeitnehmers zu entscheiden (Urteil des Senats vom 15. März 1974 VI R 25/70, BFHE 112, 70, BStBl II 1974, 413). Die Zuwendung eines geldwerten Vorteils aus dem Dienstverhältnis kann auch vorliegen, wenn der Arbeitgeber Gegenstände an seine Arbeitnehmer zu verbilligten Preisen verkauft. Der Vorteil besteht in solchen Fällen im Unterschiedsbetrag zwischen dem vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber zu zahlenden Preis und dem örtlichen Mittelpreis, den der Arbeitnehmer ansonsten zum Erwerb des Gegenstandes aufwenden müßte. Für den Streitfall bedeutet dies, daß ein geldwerter Vorteil dann angenommen werden könnte, wenn der Erblasser der Kläger, falls er nicht Arbeitnehmer der X gewesen wäre, für das Eigenheim einen höheren Preis als den vereinbarten hätte zahlen müssen. Läßt sich nämlich feststellen, daß er einen höheren Preis hätte zahlen müssen, ist daraus zu schließen, daß die Ursache für den niedrigeren Preis im Arbeitnehmerverhältnis des Erblassers lag, der geldwerte Vorteil also "aus dem Dienstverhältnis" zugeflossen ist.

Die Kläger haben hierzu im finanzgerichtlichen Verfahren zwei Behauptungen aufgestellt: Einmal sei dem Erblasser nur deswegen ein Preisnachlaß gewährt worden, weil bei ihm bestimmte preisbestimmende Kosten und Risiken weggefallen seien; zum anderen seien derartige Nachlässe bei entsprechender Risiko- und Unkostenminderung auch anderen Abnehmern, die nicht Arbeitnehmer der X gewesen seien, eingeräumt worden. Von diesen Behauptungen ist nur die zweite rechtserheblich, nämlich die X habe unter denselben Voraussetzungen auch anderen Käufern entsprechende Preisnachlässe gewährt. Die Richtigkeit der ersten Behauptung kann dagegen dahinstehen. Auch wenn man nämlich unterstellt, daß der dem Erblasser gewährte Preisnachlaß auf den von den Klägern behaupteten Tatsachen beruhte, hatte er trotzdem seine Ursache im Arbeitsverhältnis, wenn die X entsprechende Preisüberlegungen und Nachlässe nicht auch bei anderen Käufern durchgeführt hatte. Die tatsächliche Würdigung des FG hierzu, die Kläger hätten nicht nachzuweisen vermocht, daß die X zu der Zeit, als sie dem Erblasser den Preisnachlaß gewährte, entsprechende Preisnachlässe auch anderen Personen eingeräumt habe, die nicht Arbeitnehmer der X gewesen seien, ist nicht zu beanstanden. Das FG konnte ohne Verstoß gegen die Denkgesetze zu der Überzeugung gelangen, aus der von den Klägern vorgelegten Aufstellung der Preisnachlässe in den Jahren 1967 bis 1969 könnten Schlüsse auf den Zeitraum des Jahres 1960 nicht gezogen werden.

Die Rüge mangelnder Sachaufklärung greift nicht durch. Der Aufklärungspflicht des FG steht die Pflicht der Steuerpflichtigen nach § 171 AO in Verbindung mit § 76 FGO gegenüber, auch ihrerseits das zur Aufklärung des Sachverhalts Erforderliche zu tun. Verletzen die Steuerpflichtigen diese Pflicht, ist auch die Aufklärungspflicht des FG begrenzt. Die Kläger sind ihrer Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Sie haben in keinem der Schriftsätze und laut Protokoll auch nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem FG im einzelnen dargelegt und Beweis dafür angetreten, daß anderen Käufern deswegen Risikozuschlag und Verwaltungskosten erlassen worden seien, weil bei ihnen solche Risiken und Kosten nicht bestanden hätten. Der Nachlaß dieser Kosten an fremde Käufer konnte - wie die Kläger selbst zu ihrer Aufstellung der Nachlässe in den Jahren 1967 bis 1969 ausgeführt haben - z. B. von Absatzschwierigkeiten veranlaßt worden sein. Die Tatsache des Preisnachlasses allein sagt noch nichts über dessen Grund aus. Die Kläger hatten, wie sich aus dem Beschluß des FG vom 29. Oktober 1969 und aus dem Schreiben des Vorsitzenden des Senats des FG vom 19. Januar 1970 ergibt, ausreichend Gelegenheit, ihre Behauptungen zu beweisen oder zumindest glaubhaft zu machen. Daß sie dem nicht nachgekommen sind, geht zu ihren Lasten.

Es ist mit dem FG davon auszugehen, daß der dem Erblasser der Kläger gewährte Preisnachlaß auf dessen Arbeitsverhältnis zur X zurückzuführen ist. Es sind allerdings Fälle denkbar, daß Arbeitslohn nicht anzunehmen ist, obwohl geldwerte Vorteile im Rahmen des Dienstverhältnisses gewährt werden. Dazu können auch vom Arbeitgeber gewährte Preisnachlässe gehören. Der Senat hat im Urteil VI R 25/70 Provisionsnachlässe, die eine Bank ihren Arbeitnehmern beim Kauf von Aktien gewährt hatte, nicht als Arbeitslohn angesehen, weil die Belegschaft der Bank einem außerhalb des Unternehmens stehenden Großkunden gleichzustellen war und in dieser Eigenschaft Vorteile erhielt, die nicht über die den Großkunden gewährten Vorteile hinausgingen. Ähnliche Verhältnisse liegen im Streitfall jedoch nicht vor. Es kann dahinstehen, ob noch andere Gründe - z. B. die Art des Kaufgegenstandes, nämlich Gegenstände des täglichen Bedarfs - für die Verneinung von Arbeitslohn in Betracht kommen können; denn für die Frage, ob ein Preisnachlaß als Arbeitslohn anzusehen ist, ist nicht nur die Art der Zuwendung, sondern auch ihre Höhe entscheidend. Dies hat der Senat z. B. auch bei der Zuwendung von Gelegenheitsgeschenken an Arbeitnehmer angenommen. Auch Gelegenheitsgeschenke können nur dann von der Lohnsteuer freigelassen werden, wenn sie den Arbeitnehmern aus persönlichen Anlässen gewährt werden und wenn sie nach Art und Höhe nicht ungewöhnlich und übermäßig sind (Urteile des Senats vom 28. Oktober 1966 VI 345/65, BFHE 87, 84, BStBl III 1967, 34; vom 11. Mai 1966 VI 304/65, BFHE 86, 355, BStBl III 1966, 546). Im Streitfall hat der Erblasser der Kläger einmalig einen Preisnachlaß von 6 100 DM erhalten. Bei einem solchen Betrag kann nicht mehr davon gesprochen werden, daß er sich im Rahmen des Gewöhnlichen halte. Wie in allen anderen Fällen, in denen dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis gewährte Vorteile nicht als Arbeitslohn behandelt werden, wie dies bei Annehmlichkeiten, Gelegenheitsgeschenken, verbilligten Darlehen usw. geschieht, ist auch ein Preisnachlaß nur dann kein Arbeitslohn, wenn er unter Berücksichtigung aller Umstände des Arbeitsverhältnisses nicht ins Gewicht fällt. Dies ist bei einem Vorteil von 6 100 DM nicht der Fall. Die Vorentscheidung, die den Preisnachlaß als zu versteuernden Arbeitslohn angesehen hat, ist daher nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71323

BStBl II 1975, 383

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