Entscheidungsstichwort (Thema)

Liebhaberei bei Verlusten eines Automatenaufstellers

 

Leitsatz (NV)

1. Werden aus der Aufstellung von Automaten Verluste erzielt, kann auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht nur geschlossen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür festgestellt werden, dass für die Hinnahme der Verluste persönliche Gründe ausschlaggebend waren.

2. Soweit sich Zweifel an der Richtigkeit der Gewinnermittlungen auch durch weitere Sachaufklärung des FG nicht beseitigen lassen, hat das Gericht eine eigene Schätzungsbefugnis. Bei Fehlen ausreichender Anhaltspunkte für die Erzielung von Verlusten trägt der Steuerpflichtige die objektive Feststellungslast.

3. Unterlässt der Steuerpflichtige nach Erzielung langjähriger Verluste geeignete Umstrukturierungsmaßnahmen, ist darin ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu sehen. An die Feststellung persönlicher Motive, die den Steuerpflichtigen trotz überwiegender Verluste zur Weiterführung des Unternehmens bewogen haben, sind in einem solchen Fall keine hohen Anforderungen zu stellen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG (Urteil vom 11.10.2004; Aktenzeichen 13 K 562/02; EFG 2007, 121)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer GbR Spielautomaten. In ihren durch Einnahmenüberschussrechnung erstellten Gewinnermittlungen wies sie in den Jahren 1988 bis 1998 Verluste von insgesamt 440 171 DM aus. Nach einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Verluste in den Jahren 1993 bis 1998 (Streitjahre) wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht nicht mehr an. Dementsprechend ergingen geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre sowie geänderte Gewerbesteuermessbescheide 1996 bis 1998. Der vortragsfähige Gewerbeverlust wurde mit Änderungsbescheiden auf 32 181 DM (31. Dezember 1996), 26 417 DM (31. Dezember 1997) und 18 305 DM (31. Dezember 1998) festgestellt.

Nach erfolglosem Einspruch machte die Klägerin mit der Klage geltend, dass sie mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 121 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Gewinnfeststellungsbescheide 1993 bis 1998, die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1996 bis 1998 und die Bescheide über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1996, 31. Dezember 1997 und 31. Dezember 1998, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2002 dahingehend zu ändern, dass folgende Verluste berücksichtigt werden:

1993

61 817 DM

= 31 606 €

1994

27 865 DM

= 14 247 €

1995

55 033 DM

= 28 138 €

1996

36 777 DM

= 18 804 €

1997

22 828 DM

= 11 672 €

1998

32 007 DM

= 16 364 €

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Feststellungen des FG tragen seine Schlussfolgerung, die Klägerin habe Verluste ohne Gewinnerzielungsabsicht erwirtschaftet, nicht.

a) Eine einkommensteuerlich relevante Betätigung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur gegeben, wenn die Absicht besteht, auf Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse zu erzielen. Das ist dann der Fall, wenn ein betrieblicher Totalgewinn erstrebt wird (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3. der Gründe). Als innere Tatsache lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht nur anhand äußerer Umstände feststellen. Einzelne Umstände können dabei einen Anscheinsbeweis liefern (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c der Gründe). In objektiver Hinsicht ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erwirtschaften. Längere Verlustperioden in der Vergangenheit können dafür einen Anhaltspunkt bieten. Dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigte, kann aus der objektiv negativen Gewinnprognose nicht ohne weiteres gefolgert werden. Ein solcher --vom Steuerpflichtigen widerlegbarer-- Schluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276).

b) Das FG hat diese Rechtsprechung zunächst zutreffend referiert und daran anknüpfend eine objektiv negative Gewinnprognose für feststellbar erachtet. Zu seiner Auffassung, den Gesellschaftern der Klägerin habe die Gewinnerzielungsabsicht gefehlt, ist das FG aber ohne Feststellung konkreter Anhaltspunkte für die Hinnahme der Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen gekommen. Hierfür hat es sich alleine auf das Motiv der Steuerersparnis gestützt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist jedoch der Umstand, dass positive andere Einkünfte erzielt werden, zu deren Ausgleich die streitigen Verluste dienen können, isoliert betrachtet kein ausreichender Anhaltspunkt für einen solchen persönlichen Grund (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063, m.w.N.).

Dass die Gesellschafter der Klägerin mit der Aufstellung der Automaten einer eigenen Spielleidenschaft entsprochen hätten, wie das FA vorträgt, hat das FG nicht festgestellt.

Das Aufstellen von Automaten gehört auch nicht zu den Tätigkeiten, die typischerweise der Befriedigung privater Neigungen dienen. Vielmehr dient das Aufstellen von Glücksspielautomaten typischerweise der Erzielung von Gewinnen. Werden aus der Aufstellung solcher Automaten nachhaltig Verluste erzielt, kann auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht nur geschlossen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür festgestellt werden, dass für die Hinnahme der Verluste persönliche Gründe ausschlaggebend waren.

c) Eine Erklärung für den Ausweis von Verlusten kann allerdings auch darin zu finden sein, dass in der Gewinnermittlung zu geringe Einnahmen oder zu hohe Ausgaben berücksichtigt sind. Offensichtlich hält es auch das FG für zweifelhaft, ob die vorgelegten Gewinnermittlungen zutreffen. In diese Richtung weisen die Ausführungen zu dem Vorbringen der Klägerin, die Verluste seien auf Automateneinbrüche und Gelddiebstähle zurückzuführen. Das FG äußert hierzu, für die Streitjahre seien weder Strafanzeigen noch Reparaturrechnungen in ausreichender Höhe vorgelegt worden.

Hätte das FG die Zweifel an der Richtigkeit der Gewinnermittlung nicht dahinstehen lassen, wäre es möglicherweise zu der Überzeugung gelangt, dass die geltend gemachten Verluste tatsächlich nicht erzielt worden sind und Gewinnerzielungsabsicht bestand. Soweit sich im Rahmen weiterer Sachaufklärung die Zweifel an der Richtigkeit der Gewinnermittlung der Klägerin nicht hätten beseitigen lassen, etwa wegen Unvollständigkeit der vorgelegten Belege oder unzureichender Mitwirkung der Klägerin, wären die Voraussetzungen für eine Schätzung des Gewinns nach § 96 Abs. 1 Satz 1  2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 der Abgabenordnung erfüllt. Bei Fehlen ausreichender Anhaltspunkte für eine Schätzung von Verlusten hätte die Klägerin die objektive Feststellungslast mit der Folge zu tragen, dass sie durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt ist.

2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Revisionsgericht kann mangels entsprechender Feststellungen zur Höhe der Einkünfte nicht abschließend entscheiden. Die Sache muss deshalb an das FG zurückverwiesen werden.

a) Sollte das FG im zweiten Rechtsgang nicht mehr davon ausgehen, dass die Gewinnerzielungsabsicht fehlte, erübrigt sich auch eine Erörterung der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, inwieweit Darlehenszinsen für vor dem Übergang zur Liebhaberei aufgenommene betriebliche Darlehen nach Eintritt der Liebhaberei als Betriebsausgabe zu behandeln sind (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 2002 X R 3/99, BFHE 199, 241, BStBl II 2002, 809).

b) Sollte das FG hingegen im zweiten Rechtsgang ungeachtet der Ausführungen unter II.1.b der Gründe erneut zu dem Ergebnis gelangen, dass der Betrieb der Klägerin in den Streitjahren objektiv, d.h. nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung, auf die Dauer gesehen nicht dazu geeignet war, einen Totalgewinn zu erzielen, so wird das FG die folgenden Grundsätze beachten müssen:

Übt der Steuerpflichtige --wie hier-- eine gewerbliche Tätigkeit aus, die nicht typischerweise in der Nähe des Hobbybereichs anzusiedeln ist, so können im Falle einer längeren Verlustperiode die Reaktionen des Steuerpflichtigen auf die Verluste die Bedeutung wichtiger äußerer Beweisanzeichen erlangen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. Juni 1999 X R 149/95, BFH/NV 2000, 23, unter II.1. der Gründe). So spricht vor allem das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, für sich genommen schon dafür, dass langjährige Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (vgl. auch Senatsentscheidungen vom 26. Februar 2004 IV R 43/02, BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455, unter 3.a der Gründe, und vom 5. Juli 2002 IV B 42/02, BFH/NV 2002, 1447, unter 3.a der Gründe, m.w.N.). Auch wenn selbst in diesen Fällen die Gewinnerzielungsabsicht nicht allein wegen der Tatsache langjähriger Erwirtschaftung von Verlusten und fehlender Reaktionen auf bereits eingetretene Verluste verneint werden kann (vgl. Senatsurteil vom 12. September 2002 IV R 60/01, BFHE 200, 284, BStBl II 2003, 85), so ist das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf das darin liegende, nicht marktgerechte Verhalten dennoch als ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu werten; denn ein solches Verhalten lässt den Schluss darauf zu, dass die Betriebsführung nicht ernstlich darauf gerichtet war, erfolgreich am Markt tätig zu sein (BFH-Urteil vom 17. November 2004 X R 62/01, BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336, unter II.1.b bb (3) der Gründe). An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz überwiegender Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind deshalb in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874, unter II.2.b bb der Gründe).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2164549

BFH/NV 2009, 1115

HFR 2009, 880

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