Leitsatz (amtlich)

Eine nach § 4 Nr. 8 UStG 1951 umsatzsteuerfreie Kreditgewährung liegt nicht vor, wenn jemand einem Kaufmann Geld für dessen Unternehmen oder zur Durchführung einzelner Geschäfte gegen Beteiligung nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust zur Verfügung stellt.

 

Normenkette

UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 8

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist ... Importeur. Sie beteiligt sich in dieser Eigenschaft an zahlreichen, von den Mitwirkenden - sämtlich ... Importeure - als "Gemeinschaftsunternehmen" bezeichneten ... Geschäften. Diese spielen sich wie folgt ab: Einer der Mitwirkenden, der sog. "Hauptbeteiligte" importiert im eigenen Namen einen Posten ... und verkauft ihn in Teilposten (Partien), ebenfalls im eigenen Namen, weiter. Da der Handel sehr kapitalintensiv ist und infolgedessen das Eigenkapital und der Bankkredit des einzelnen zur Finanzierung der Importe oft nicht ausreichen, vereinbart der Hauptbeteiligte mit anderen ... Importeuren, den sog. "Unterbeteiligten", die Mitfinanzierung der Geschäfte in Höhe eines bestimmten Hundertsatzes des Gesamtfinanzbedarfs. Alle Mitwirkenden sind entsprechend ihrem prozentualen Finanzierungsanteil am Gewinn und Verlust des Verkaufsgeschäfts beteiligt. Die Abwicklung des Geschäfts vom Einkauf bis zum Verkauf der Ware liegt allein in den Händen des Hauptbeteiligten. Dieser rechnet nach dem Verkauf des ... Postens mit den Partnern des Gemeinschaftsunternehmens ab und schüttet den nach Abzug des Einkaufspreises und der Nebenkosten (Einkaufscourtage, Fracht- und Lagerkosten, Verkaufsprovisionen, Versicherungsspesen, Diskontspesen usw.) vom Verkaufserlös verbleibenden Saldo, der die geleisteten Kapitaleinschüsse und die darauf entfallenden Gewinn-(Verlust-)anteile gesondert ausweist, an die Unterbeteiligten aus. Aus diesen Gemeinschaftsunternehmen hat die Steuerpflichtige im Jahre 1965 als Unterbeteiligte Gewinnanteile von insgesamt ... DM vereinnahmt.

Streitig ist, ob dieser Betrag (mit 4 v. H.) der Umsatzsteuer unterliegt oder ob insoweit Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1951 besteht.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat die Steuerpflichtige im Anschluß an eine Betriebsprüfung mit dem streitigen Betrage zur Umsatzsteuer herangezogen. Im Steuerbescheid wird auf den Betriebsprüfungsbericht hingewiesen, in dem ausgeführt wird, die Gemeinschaftsunternehmen seien Innengesellschaften, die Steuerpflichtige habe gegenüber der Hauptbeteiligten Leistungen durch anteilige Übernahme des Geschäftsrisikos erbracht, Kreditgewährungen lägen nicht vor.

Die Sprungklage der Steuerpflichtigen wurde als unbegründet zurückgewiesen. In der Vorentscheidung wird ausgeführt: Im Streitfalle finde ein Leistungsaustausch statt, der die Zahlung eines Finanzierungsbeitrages und die Mitübernahme des Geschäftsrisikos einerseits, die Beteiligung an den Ergebnissen des Gemeinschaftsunternehmens andererseits zum Inhalt habe. Dies ergebe sich daraus, daß nicht eine Rückzahlung des von der Steuerpflichtigen eingeschossenen Kapitals und daneben Zinsleistungen, sondern eine Beteiligung am Gewinn und Verlust des Geschäfts vereinbart werde. Eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1951 komme nicht in Betracht. Kreditgewährungen lägen nicht vor, weil die Steuerpflichtige keinen Anspruch auf Rückzahlung der Kapitaleinschüsse habe. Vielmehr hänge es von der Geschäftsentwicklung ab, ob und in welcher Höhe die Steuerpflichtige ihren Kapitalbeitrag zurückerhalte bzw. darüber hinaus an Überschüssen beteiligt sei. Auf die Höhe des von der Steuerpflichtigen bei den Gemeinschaftsunternehmen eingegangenen Risikos komme es nicht an, sondern darauf, ob mit der Hingabe des Kapitalbeitrags überhaupt ein Risiko vertraglich übernommen werde, was im Streitfalle zutreffe, weil die Rückzahlung des Betrags im Gewinnanteil aufgehe. Das anteilige Geschäftsrisiko trete hinter den Finanzierungsbeitrag nicht so weit zurück, daß es unberücksichtigt bleiben könnte. Auch auf die Höhe des im Verhältnis zum Kapitaleinsatz erzielten Gewinn- bzw. Verlustanteils komme es nicht an.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision, mit der Verletzung von Bundesrecht, nämlich des § 76 Abs. 1 FGO und des § 4 Nr. 8 UStG 1951, geltend gemacht wird, hat im Ergebnis keinen Erfolg, auch wenn die Ausführungen der Vorinstanz in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden sind.

Die Darstellung im Tatbestand und in den Gründen der Vorentscheidung ist - wie sich aus den Feststellungen des Betriebsprüfers und aus dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien im Klageverfahren ergibt - insofern unzutreffend, als sich der Betrag von ... DM nicht aus zurückerstatteten Kapitaleinschüssen und ausgeschütteten Gewinnanteilen zusammensetzt, sondern lediglich die der Steuerpflichtigen aus den Gemeinschaftsunternehmen zugeflossene Summe der Gewinnanteile wiedergibt. Das FA hat auch nur diese Gewinnanteile der Umsatzsteuer unterworfen, nicht dagegen die zurückgezahlten Kapitaleinschüsse. Die Vorstellung des FG, in den Gewinnanteilen seien die Kapitaleinschüsse enthalten, widerspricht den Regeln der Bilanzlehre, die zwischen Reingewinnen und Kapitalrückzahlungen scharf unterscheidet. Die Annahme des FG, Kapitalrückzahlungen seien in den Fällen, in denen die Partner statt der Zahlung von Zinsen eine Beteiligung am Gewinn und Verlust des finanzierten Geschäfts vereinbaren, Gegenleistungen für die Kapitaleinschüsse, ist rechtsirrig. Denn die Kapitalrückzahlungen gehören nicht zu den Beträgen, die die Hauptbeteiligten "aufwenden", um die Kapitaleinschüsse der Unterbeteiligten zu erhalten (vgl. § 10 Satz 1 UStDB 1951). Hätte sich der Sachverhalt so zugetragen, wie das FG annimmt, d. h. hätte das FA die Kapitalrückzahlungen besteuert, so wäre die Revision insoweit begründet.

Die tatsächlich erfolgte Besteuerung allein der Gewinnanteile aus den Gemeinschaftsunternehmen entspricht dagegen der Rechtslage. Es ist ein Leistungsaustausch (§ 1 Nr. 1 UStG 1951) gegeben, der auf seiten der Steuerpflichtigen in der Hingabe des Geldes und - infolge der Beteiligung an einem etwaigen Verlust des finanzierten Geschäfts - in der anteiligen Übernahme des Geschäftsrisikos, auf seiten des Hauptbeteiligten in der Ausschüttung der Gewinnanteile besteht. Zivilrechtlich ist jedes einzelne Gemeinschaftsgeschäft als Gewinn-und Verlustgemeinschaft in der Form einer Gelegenheitsgesellschaft (= Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im weiteren Sinne) zu beurteilen, die nach außen hin nicht in Erscheinung tritt (vgl. Hueck, Gesellschaftsrecht, 14. Aufl., § 39 II). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. das Urteil V R 50/66 vom 12. Februar 1970 und die dort angeführten weiteren Urteile, BStBl II 1970, 477) sind solche Innengesellschaften für das Umsatzsteuerrecht unbeachtlich; die Leistungen ihrer Gesellschafter wenden sich nicht an die Gesellschaft, sondern an die anderen Mitglieder der Gesellschaft; die an die einzelnen Gesellschafter verteilten Reinerlöse sind keine nichtsteuerbaren Gesellschaftsgewinne, sondern vereinnahmte Entgelte.

Das FA hat die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 UStG 1951 zu Recht nicht angewendet. "Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und sonstigen Vereinigungen" finden nicht statt, weil die Leistungen der Steuerpflichtigen (Kapitaleinschüsse und anteilige Übernahmen der Geschäftsrisiken) - wie dargelegt - umsatzsteuerrechtlich betrachtet nicht den Innengesellschaften, sondern den Hauptbeteiligten gegenüber erbracht werden.

Auch "Kreditgewährungen" liegen nicht vor. Unter Kreditgewährung ist die Hingabe von Geld (Kapitalkredit) zur Nutzung mit dem Versprechen künftiger Rückzahlung seitens des Kreditnehmers zu verstehen. Der Anspruch des Kreditgebers auf ungeschmälerten Rückempfang des hingegebenen Kapitals gehört zum Wesen der Kreditgewährung (Urteil des BFH V 216/54 U vom 8. März 1956, BFH 62, 427, BStBl III 1956, 158). Untersuchungen darüber, ob die Kreditgewährung oder die Risikoübernahme den Hauptgegenstand der Leistung bildet, ob das Geschäftsrisiko der Unterbeteiligten groß oder angesichts ihrer Fach- und Branchenkenntnisse klein ist und ob es abschätzbar ist, gehen daher an dem Kern der Sache vorbei. Kreditgewährungen beinhalten das uneingeschränkte Recht des Kreditgebers auf Rückgewähr des Kapitals durch den Kreditnehmer.

Ein solches uneingeschränktes Rückforderungsrecht besteht nicht, wenn der Geldgeber einem Kaufmann Geld für dessen Unternehmen oder - wie im Streitfalle - zur Durchführung einzelner Geschäfte gegen Beteiligung am Gewinn und Verlust zur Verfügung stellt. Die Gewinn- und Verlustgemeinschaft der vorliegenden Art hat große Ähnlichkeit mit der stillen Gesellschaft, von der sie sich im wesentlichen dadurch unterscheidet, daß sich der Geldgeber mit seiner Einlage nicht an dem Handelsgewerbe, sondern an einzelnen Geschäften eines anderen beteiligt. Sie unterscheidet sich vom partiarischen Darlehen, das die Steuerpflichtige im Streitfalle für gegeben hält, dadurch, daß beim partiarischen Darlehen eine Beteiligung nur am Gewinn vereinbart wird. Eine Beteiligung am Verlust ist mit dem Wesen des Darlehens, bei dem die hingegebene Geldsumme zurückzuzahlen ist, unvereinbar (vgl. Hueck, a. a. O., § 20 IV 3). Daß im Streitfalle keine bloße Kreditgewährung, sondern eine wirkliche Interessen-(Zweck-)gemeinschaft gewollt ist, ergibt sich - von der Beteiligung aller Mitwirkenden am Verlust abgesehen - auch aus der eigenen Kennzeichnung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen als "Gemeinschaftsunternehmen".

Die Steuerpflichtige versucht, ihre Beteiligung an einem etwaigen Verlust der Gemeinschaftsunternehmen zu bagatellisieren. Aber allein schon die Möglichkeit, daß das einzelne Geschäft mit Verlust abschließt und die Unterbeteiligten einen Teil ihres Kapitaleinschusses einbüßen, genügt, um eine Kreditgewährung im Sinne des § 4 Nr. 8 UStG 1951 abzulehnen. Tatsächlich sind, wie aus der vom FA im Klageverfahren überreichten Aufstellung hervorgeht, bei einzelnen Gemeinschaftsunternehmen, an denen die Steuerpflichtige teilgenommen hat, nicht unerhebliche Verluste eingetreten. Die Geschäftsergebnisse der Gemeinschaftsunternehmen reichen nach den eigenen Angaben der Steuerpflichtigen auf das Jahr umgerechnet von hervorragenden Verzinsungen der Kapitaleinschüsse (bis zu 40 v. H.) über gute Verzinsungen (10-15 v. H.) und geringere Verzinsungen (unter 10 v. H.) bis zu Verlusten. Gerade die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse der Gemeinschaftsunternehmen und infolgedessen der vereinnahmten Entgelte zeigt, daß es den Unterbeteiligten nicht um eine mehr oder weniger sichere Anlage von Kapital, sondern um eine echte Unternehmensbeteiligung geht.

Der Einwand der Steuerpflichtigen, jedes Darlehnsgeschäft sei mit einem gewissen Ausfallrisiko behaftet, greift nicht durch. Zahlreiche Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens (z. B. Kauf, Miete, Pacht, Leihe) können aus den verschiedensten Gründen (u. a. infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Geschäftspartners) zu Verlusten führen. In diesen Fällen bleibt jedoch der Anspruch des Berechtigten bestehen (oder verwandelt sich in einen Ersatzanspruch, z. B. auf Schadensersatz, Wandlung, Minderung und dergleichen). Auch der Darlehnsgeber behält, wenn das von ihm finanzierte Geschäft mit Verlust abschließt, den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens. Gegebenenfalls muß der Darlehnsnehmer das Darlehen aus den Erträgen anderer Geschäfte oder seinem Vermögen zurückerstatten. Eine solche Verpflichtung besteht bei den Gewinn- und Verlustgemeinschaften der vorliegenden Art, die einzelne Geschäfte zum Gegenstand haben, nicht. Ein Ausgleich von Verlusten aus einem Gemeinschaftsunternehmen mit Gewinnen außerhalb desselben oder durch Heranziehung von Vermögenswerten des Hauptbeteiligten findet nicht statt. Hierin zeigt sich das Risiko, das solchen Gemeinschaftsgeschäften anhaftet und das es verbietet, diese Geschäfte als Kreditgewährungen im Sinn des § 4 Nr. 8 UStG 1951 zu beurteilen.

Die Revision der Steuerpflichtigen war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 602

BFHE 1970, 266

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