Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für den Umzug eines Steuerpflichtigen in seine eigengenutzte Eigentumswohnung gehören zur privaten Lebensführung und sind daher bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1, § 21 Abs. 2, § 21a

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im November 1976 eine Eigentumswohnung in der Absicht, sie selbst zu nutzen. Am 18. Februar 1977 zog er aus seiner Mietwohnung in die Eigentumswohnung um. Die Kosten für den Frachtführer bezahlte er noch am selben Tag. In der Einkommensteuererklärung für 1977 begehrte der Kläger die Berücksichtigung der Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den Abzug. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch das in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 624 veröffentlichte Urteil ab.

Mit der vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und der §§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er ist der Ansicht, daß die Umzugskosten Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG seien. Der Gesetzgeber fingiere durch den Ansatz des Nutzungswerts nach § 21 Abs. 2 EStG Einnahmen, um die wirtschaftlichen Vorteile auszugleichen, die der Eigenwohner im Vergleich zum Mieter habe. Die beabsichtigte Gleichstellung sei jedoch nicht lückenlos verwirklicht. Denn der Mieter werde ausgabenmäßig mit der Bruttomiete belastet. Der Selbstnutzer dürfe hingegen alle mit der Nutzung zusammenhängenden Kosten einschließlich der sog. Mietnebenkosten steuermindernd berücksichtigen. Im Ergebnis treffe dies auch für das pauschalierte Verfahren der Einkunftsermittlung nach § 21 a EStG zu.

Die Annahme eines fiktiven Mietverhältnisses finde im Gesetz keine Stütze. Durch die Regelung des § 21 Abs. 2 - erste Alternative - EStG habe der Gesetzgeber einen Lebenssachverhalt, der der privaten Lebensführung zuzuordnen sei, zu einem steuerlich bedeutsamen Sondertatbestand erhoben. Damit sei dieser Bereich in vollem Umfang aus dem Kreis der privaten Lebensführung herausgelöst worden. Dies habe auch der erkennende Senat im Urteil vom 17. Januar 1978 VIII R 97/75 (BFHE 124, 445, BStBl II 1978, 337) so gesehen. Die von ihm getragenen Umzugskosten stünden dann aber mit der Nutzung der Wohnung im eigenen Haus in einem inneren wirtschaftlichen Zusammenhang. Der Ansatz eines Nutzungswerts setze den tatsächlichen Bezug der Wohnung und dieser wiederum das Verbringen des Mobiliars in die zu nutzenden Räume voraus. § 21 a Abs. 3 EStG schließe den Abzug des streitigen Betrages nicht aus, weil die Verbindlichkeit vor dem für den Ansatz des Grundbetrages maßgebenden Zeitpunkt entstanden und abgegolten worden sei.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege darin, daß der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus zwar als Einnahme angesehen werde, die mit der Einkunftserzielung zusammenhängenden Aufwendungen jedoch nur beschränkt als Werbungskosten anerkannt würden. Insoweit seien Steuerpflichtige mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i. S. des § 21 Abs. 2 EStG willkürlich schlechtergestellt als die Bezieher anderer Einkunftsarten.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1977 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 1979 dahin abzuändern, daß die streitigen Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. FA und FG haben zu Recht den Abzug der streitigen Umzugsaufwendungen als Werbungskosten bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus abgelehnt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteile vom 18. Oktober 1974 VI R 72/72, BFHE 114, 468, BStBl II 1975, 327; vom 15. Oktober 1976 VI R 162/74, BFHE 121, 27, BStBl II 1977, 117, und vom 23. Juni 1978 VI R 175/75, BFHE 125, 263, BStBl II 1978, 526) gehören Umzugskosten für einen Wohnungswechsel grundsätzlich zu den Lebenshaltungskosten nach § 12 Nr. 1 EStG. Nur wenn derartige Aufwendungen beruflich oder betrieblich veranlaßt sind, können sie in bestimmtem Umfang als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden. Um eine berufliche oder betriebliche Veranlassung der Umzugskosten geht es im Streitfall jedoch nicht.

2. Die Umzugskosten können auch nicht im Rahmen der §§ 21 Abs. 2 und 21 a EStG als Werbungskosten berücksichtigt werden. Denn die Anerkennung der Umzugskosten als Werbungskosten bei der Erfassung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus würde dem mit der Regelung der §§ 21 Abs. 2 und 21 a EStG verfolgten gesetzgeberischen Zweck widersprechen, eine steuerliche Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Mietaufwendungen für eine Wohnung im fremden Haus aufbringen müssen, mit solchen Steuerpflichtigen zu erreichen, denen derartige Aufwendungen wegen der Nutzung einer Wohnung im eigenen Haus nicht erwachsen (s. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 3. Dezember 1958 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3, BStBl I 1959, 68, sowie Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1982 VIII R 74/81, BFHE 138, 23, BStBl II 1983, 364, m. w. N.). Das Ziel der gesetzlichen Regelung würde nämlich - worauf das FG zu Recht hinweist - ins Gegenteil verkehrt, wenn es ausreichen würde, daß der Betroffene eine ihm gehörende Wohnung bezieht, um Umzugsaufwendungen den Charakter von Werbungskosten zu verleihen. Er würde dann bessergestellt als ein Fremdmieter, bei dem die Kosten nach § 12 Nr. 1 EStG als Kosten der privaten Lebensführung nicht abziehbar sind.

3. Die Nichtabziehbarkeit der Umzugskosten als Werbungskosten ergibt sich auch daraus, daß die §§ 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 21 a EStG die Nutzung von Grundstücken, Gebäuden und Wohnräumen durch Fremdvermietung bzw. Eigennutzung erfassen und sich nicht auf die Nutzung von Möbeln oder sonstiger Einrichtungsgegenstände, deren Nutzungsüberlassung ggf. nach § 22 Nr. 3 EStG erfaßt wird, erstrekken. Daher können nur diejenigen Aufwendungen als Werbungskosten anerkannt werden, die mit der Eigennutzung des Wohnraums, nicht aber diejenigen, welche mit der Nutzung von Mobiliar oder sonstiger Einrichtungsgegenstände in Zusammenhang stehen.

4. Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht - wie der Kläger annimmt - in Widerspruch zu seinem Urteil vom 17. Januar 1978 VIII R 97/75 (BFHE 124, 445, BStBl II 1978, 337). Dort hat der Senat Aufwendungen als Werbungskosten anerkannt, die unmittelbar auf die Nutzung des Gebäudes durch den Eigentümer gerichtet waren, wie z. B. die von ihm getragenen Abstandszahlungen und Prozeßkosten, um die Wohnung für sich selbst freizubekommen. Es handelte sich in dem dort entschiedenen Fall um Verwaltungskosten, die vom Vermieter aufgebracht werden müssen.

5. Der Senat vermag auch nicht den vom Kläger gerügten Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu erkennen. Weder wird in der Vorentscheidung wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandelt (vgl. dazu Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., Art. 3 Anm. 2, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG). Die Zugehörigkeit der Umzugskosten beim Mieter als Lebenshaltungskosten nach § 12 Nr. 1 EStG rechtfertigt die Entscheidung, derartige Aufwendungen im Rahmen der §§ 21 Abs. 2, 21 a EStG ebenfalls nicht zum Abzug zuzulassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74922

BStBl II 1984, 297

BFHE 1984, 187

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