Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Einkommensteuerpflicht einer Entschädigung, die für Wertminderung landwirtschaftlicher Grundstücksflächen gezahlt wird, Treu und Glauben im Steuerrecht.

 

Normenkette

EStG § 3 Abs. 3 Ziff. 1, § 13/1/1, § 4 Abs. 3; StAnpG § 1 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt eine Metzgerei und bewirtschaftet landwirtschaftliche Flächen, die dem Weinbau und der Obstkultur dienen. Neben einem 12 ar großen Obstbaumgrundstück hat er einen 1350 qm (54 Ruten) großen Garten, in dem er Obst und Gemüse baut. Im Jahre 1946 mußte er von diesem Garten 20 Ruten für die Erweiterung des Sportplatzes der Besatzungstruppen abgeben. Nach seiner Darstellung wurden hierbei mehrere wertvolle im besten Ertrag stehende Obstbäume, sowie zwei gemauerte Mistbeetkästen entfernt. Ferner sei wertvoller Kulturboden abgetragen und durch Steine, Zement, Kies und Sand ersetzt worden. Die alte Einfriedung sei beseitigt und auf der neuen Grenze erstellt worden. Im Herbst 1949 habe er das entwertete, zweckentfremdete Stück Land wieder zurückerhalten. Nach den bei den Akten befindlichen Unterlagen hat der Bf. für das Grundstück eine Nutzungsentschädigung erhalten, die sich nach der Währungsumstellung auf 15 DM monatlich belief. Die steuerliche Behandlung der Nutzungsentschädigung ist aus den Akten nicht klar zu erkennen. Nach Rückgabe des Grundstücks durch die Besatzungsmacht erhielt der Steuerpflichtige (Stpfl.) eine Entschädigung von 4.188 DM, die sich wie folgt zusammensetzte:

Entschädigung für Erdarbeiten ----------- 1.700 DM Entschädigung für Maurerarbeiten --------- 856 DM Entschädigung für Schlosserarbeiten ------- 330 DM Entschädigung für Aufwuchskosten -------- 1.302 DM.Der Bf. hat die umstrittenen Flächen nach ihrer Rückgabe durch die Besatzungsmacht verpachtet. Zu ihrer Wiederinstandsetzung hat er bisher nach den Feststellungen des Finanzgerichts 122 DM aufgewandt. Das Finanzgericht hat diesen Betrag als abzugsfähige Betriebsausgabe anerkannt. Nach den Ausführungen des Bf. ist es nicht lohnend, den alten Zustand vor der Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht wiederherzustellen. Die Ermittlung der landwirtschaftlichen Einkünfte erfolgt nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Vorbehörden haben die Entschädigung in Höhe von 4.188,80 DM als einkommensteuerpflichtig angesehen (anteilige Einkommensteuer 2.808 DM). Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

 

Entscheidungsgründe

Den Vorbehörden muß darin beigepflichtet werden, daß man nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu § 4 Abs. 3 EStG 1939 zu ihrem Ergebnis kommen kann. Der Bf. sieht in dem Obst- und Gemüsegarten kein betriebliches Vermögen. Der Reichsfinanzhof hat jedoch in der Entscheidung VI A 571/33 vom 18. Oktober 1933, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1934 S. 43, ausgesprochen, daß der Gemüse- und Obstgarten eines Gutsbesitzers auch dann notwendiger Bestandteil des landwirtschaftlichen Betriebes ist, wenn seine Erzeugnisse im wesentlichen vom Besitzer und seiner Familie verbraucht werden. Da der Bf., von seinen Weingärten abgesehen, auch auf einem anderen landwirtschaftlichen Grundstück Obstbau betreibt, muß nach dieser Rechtsprechung der Garten als betriebliches Vermögen angesehen werden. Man könnte annehmen, daß die umstrittenen Flächen, insbesondere im Hinblick auf ihre Zweckentfremdung aus dem landwirtschaftlichen Betrieb ausgeschieden sind. Da der Bf. aber Nutzungsentschädigung erhalten hat, ist das Grundstück Einkommensquelle geblieben. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 318/36 vom 6. Mai 1936, RStBl. 1936 S. 985; VI 509/39 vom 13. September 1939, RStBl. 1940 S. 13) ist es möglich, die Nutzungsentschädigung den landwirtschaftlichen Einkünften, wie den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen. Sieht man in der Nutzungsentschädigung landwirtschaftliche Einkünfte, so muß dem Finanzgericht darin beigepflichtet werden, daß nach den in der Entscheidung VI 183/42 vom 2. Dezember 1942, RStBl. 1943 S. 10, aufgestellten Grundsätzen es naheliegt, die umstrittene Entschädigung als Betriebseinnahme anzusehen. Der Reichsfinanzhof hat in dieser Entscheidung Aufwendungen, die sich nur und unmittelbar auf den nackten Grund und Boden beziehen, als Betriebsausgaben anerkannt. Der Reichsminister der Finanzen hat den Runderlaß vom 23. Juli 1938 (Anl. 22 der Einkommensteuer-Richtlinien 1951) Abschn. A II letzter Absatz angeordnet, daß Entschädigungen, die für die Wertminderung des Grund und Bodens, z. B. durch Grundwassersenkung gezahlt werden, steuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Nach den Grundsätzen dieses Erlasses könnte man die 1.700 DM Entschädigung für Erdarbeiten aus der Einkommensermittlung ausscheiden.

Bei der Beurteilung der Rechtslage darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß bisher ein Abschlag für die auf dem umstrittenen Gartenland befindlichen Anlagen, die von der Besatzungsmacht beseitigt worden sind, und für die Veränderung des Grund und Bodens durch die Besatzungsmacht nicht gemacht worden ist.

Nach Lage der Verhältnisse unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben wird man die umstrittenen Beträge insoweit nicht der Einkommensteuer unterwerfen können, als ihnen ein Abschlag nach § 4 Abs. 3 EStG gegenüberstehen würde. Den bisher unterlassenen Abschlag muß man für das Streitjahr vornehmen. Er kann nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Der Senat schätzt diesen Betrag im Wege freier Würdigung auf 3.000 DM. Das Einkommen mindert sich auf diese Weise von 25.873 DM um 3.000 DM auf 22.873 DM. Die Einkommensteuer hierauf bemißt sich auf 10.242 DM. Dementsprechend ändert sich auch die Kirchensteuer und das Notopfer Berlin.

Zu keinem wesentlich anderen Ergebnis kommt man, wenn man in der Nutzungsentschädigung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sieht. Es liegt nahe, die Entschädigung einer steuerfreien Brandentschädigung gleichzustellen, die der Besitzer eines Miethauses erhält. Der Vergleich ist aber rechtlich nicht haltbar, da die Brandentschädigung nicht zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zählt. Ihre Zahlung erfolgt auf Grund eines Versicherungsvertrages, also nicht auf Grund des Miet- und Pachtvertrages. Dies letztere wäre aber bei dem Entschädigungsbetrag von 4.188,80 DM der Fall. Er müßte somit den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden. Es könnte auch hier nur im Wege einer außerordentlichen Abnutzungsabsetzung den wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung getragen werden.

Da der Bf. in der Hauptsache obsiegt hat, erschien es angemessen, ihn von einer Verpflichtung zur Tragung anteiliger Kosten freizustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407489

BStBl III 1952, 307

BFHE 1953, 800

BFHE 56, 800

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