Leitsatz (amtlich)

Begnügt sich der im Betriebe angestellte Vater des Betriebsinhabers im Rahmen eines steuerlich anerkannten Arbeitsverhältnisses im betrieblichen Interesse jahrelang mit niedrigeren Aktivbezügen als sie seiner (leitenden) Stellung entsprechen, so kann die Zusage einer im Verhältnis zu diesen Bezügen hohen Pension einen betrieblich veranlaßten Ausgleich bilden. Eine Pensionsrückstellung ist in diesem Falle nicht im Hinblick auf die niedrigen Aktivbezüge zu kürzen (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1975 IV R 170/73, BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, §§ 6a, 12 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beschäftigte in seinem Betrieb seit 1961 seinen Vater als Werkstattleiter von Betriebsstätten und seit 1968 als technischen Leiter des gesamten Betriebs.

Mit Wirkung vom 1. Dezember 1969 erließ der Kläger zu Weihnachten 1969 eine "Versorgungsordnung", mit der er seinen Betriebsangehörigen nach mindestens 10jähriger Betriebszugehörigkeit eine monatliche Altersrente von 200 DM zusagte; für jedes weitere Dienstjahr erhöhte er die Zusage um monatlich 3 DM. Am 15. Dezember 1969 gab er seinem Vater eine schriftliche Altersversorgungszusage auf Rentengrundlage, für welche die Versorgungsordnung für die Betriebsangehörigen mit der Maßgabe gelten sollte, daß die Monatsrente des Vaters 1 000 DM betrage. Auf dieser Grundlage berechnete der Kläger für den Vater die Zuführungen an Pensionsrückstellungen.

Nach einer Betriebsprüfung beanstandete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Höhe der für den Vater gebildeten Pensionsrückstellung. Gegen die berichtigten Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1969 bis 1971 (Streitjahre) wandte sich der Kläger erfolglos mit Einspruch und Klage. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1977, 308 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die Vorentscheidung weiche von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. November 1975 IV R 170/73 (BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142) insofern ab, als es dessen Grundsätze nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt habe. Dem Streitfall liege ein anderer Sachverhalt zugrunde, weil nicht künftige Lohnerhöhungen und Geldentwertungen durch die Altersversorgungszusage hätten ausgeglichen werden sollen.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer der Streitjahre mit der vollen Rückstellung anderweit festzusetzen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

1. Nach § 6 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1969 darf eine Rückstellung für eine Pensionsanwartschaft gebildet werden, wenn die Anwartschaft auf einer vertraglichen Pensionsverpflichtung beruht. Dabei unterliegt grundsätzlich die Höhe der späteren Pensionsleistung der freien Vereinbarung der Beteiligten (BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142). Allerdings ist die betriebliche Altersversorgung dazu bestimmt, die nach der gesetzlichen Rentenversicherung noch bestehende Versorgungslücke auszufüllen (vgl. BFH-Urteile vom 15. Juli 1976 I R 124/73, BFHE 120, 167, BStBl II 1977, 112, sowie BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142, Abschn. II B 3.4.). lst die zugesagte Pension wesentlich höher, so kann dies als Anhaltspunkt dafür gewertet werden, daß der Pensionszusage (auch) andere Erwägungen zugrunde liegen als nur die der Versorgung des Berechtigten aus betrieblichen Gründen. Ist eine solche Pensionszusage einem nahen Angehörigen erteilt, mit dem ein steuerlich anerkanntes Arbeitsverhältnis besteht, so spricht eine -- widerlegbare -- Vermutung dafür, daß es sich nur zum Teil um eine betriebliche Verpflichtung handelt. Eine solche höhere Pensionsleistung kann aber dann betrieblich gerechtfertigt sein, wenn der Versorgungsberechtigte unangemessen niedrige Aktivbezüge erhielt oder erhält und die höhere Pension nach dem klaren Willen der Vertragsbeteiligten einen Ausgleich bilden soll (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., 1981, Tz. 9 b zu § 6 a EStG).

Das FG kann sich für seine Auffassung, daß die Rückstellung für die dem Vater des Klägers zugesagte Pension teilweise nicht anerkannt werden könne, nicht auf das Urteil in BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142, berufen. Denn diese Entscheidung betraf andere Sachverhalte. Es handelte sich dort um Pensionszusagen, die im Vergleich zu den Aktivbezügen deshalb überhöht waren, weil sie einen -- subjektiv geschätzten -- zukünftigen "säkularen Einkommenstrend" vorwegnahmen. In einem solchen Fall müsse, so führte der IV. Senat aus, die Rückstellung auf einen angemessenen Betrag zurückgeführt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, daß zwischen den maßgebenden Aktivbezügen und der zugesagten Pension in der Regel bestimmte Relationen bestünden. Maßgebend seien grundsätzlich die am Bilanzstichtag tatsächlich gezahlten Bezüge. Dabei ging der IV. Senat von dem Normalfall aus, daß diese Bezüge angemessen waren. Denn er grenzte den von ihm entschiedenen Fall ausdrücklich von einem Sachverhalt ab, um den es im vorliegenden Fall geht. Denn die Eigenart des dort entschiedenen Falles ist u. a. damit gekennzeichnet, daß die "Überhöhung" des zugesagten Altersruhegeldes nicht etwa einen Ausgleich für unzureichende Aktivbezüge darstellte (vgl. Entscheidungsgründe in Abschn. II B 1.3.).

2. Die Kläger machten geltend, daß der Vater sich mit niedrigeren Aktivbezügen begnügt habe, als sie nach seiner Tätigkeit angemessen gewesen wären. Auf angemessenen Lohn habe er verzichtet, um dem Betrieb während der Aufbaujahre weniger flüssige Mittel zu entziehen. Für die Berechnung der Pension müsse deshalb auf angemessene Aktivbezüge des Vaters abgestellt werden. Der erkennende Senat teilt die Auffassung, daß es geboten sein kann, bei der steuerlichen Prüfung der Pensionsrückstellungen von angemessenen (normalen) Aktivbezügen anstelle von unzureichenden gezahlten Bezügen als Maßstab auszugehen.

Mit dem FG ist davon auszugehen, daß für die steuerrechtliche Berücksichtigung von Arbeitsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen von vornherein klare und eindeutige Vereinbarungen getroffen sein müssen (vgl. BFH-Urteile vom 8. Februar 1962 IV 303/58 S, BFHE 75, 394, BStBl III 1962, 412, und vom 7. September 1972 IV R 197/68, BFHE 107, 35, BStBl II 1972, 944). Das FG hat aus diesem Grundsatz für den Streitfall jedoch zu Unrecht gefolgert, daß die Pensionszusage schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses (1961) hätte erteilt werden müssen, wenn sie einen Ausgleich für unzureichende Gehaltsbezüge bilden sollte. Die Besonderheit des Streitfalls besteht darin, daß die Pensionszusage dem Vater erst im Zuge einer allgemeinen Pensionsregelung für den Betrieb erteilt wurde. Die Zusagen hatten nämlich zugleich den Charakter von Vergütungen für in der Vergangenheit dem Betriebe geleistete Dienste.

Das zeigt sich vor allem auch daran, daß die Versorgungsordnung allgemein an eine mindestens zehnjährige Betriebszugehörigkeit anknüpfte (vgl. dazu Urteil in BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142, 147, Abschn. II B 3., m. w. N.). Unter diesen Umständen erscheint es sachgerecht, wenn der Kläger -- die Richtigkeit seines Vortrags unterstellt -- nunmehr bei der Vereinbarung des Ruhegehalts für seinen Vater einen Ausgleich dafür schuf, daß sich der Vater im betrieblichen Interesse jahrelang mit unangemessen niedrigen Bezügen begnügt hatte. Dabei erscheint dem Senat von Bedeutung, daß für ein Rechtsverhältnis zwischen Vater und Sohn nicht, wie das FG annahm, ohne weiteres die Grundsätze angewendet werden können, die die Rechtsprechung für Rechtsverhältnisse zwischen Ehegatten, besonders für Ehegatten-Arbeitsverhältnisse, entwickelt hat (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 10. November 1982 I R 135/80, BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173, betreffend Betriebsausgabenabzug bei Direktversicherung des mitarbeitenden Sohnes). In der Regel sind die bei diesen beiden Fallgruppen maßgebenden wirtschaftlichen Interessenlagen verschieden. Deshalb weicht der erkennende Senat mit der vorliegenden Entscheidung nicht von dem BFH-Urteil vom 26. Oktober 1982 VIII R 50/80 (BFHE 137, 269, BStBl II 1983, 209) ab. Denn dieses Urteil hatte eine nachträgliche Pensionsregelung zugunsten eines Arbeitnehmer-Ehegatten zum Gegenstand.

3. Das FG ist von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben werden. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG -- von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig -- nicht festgestellt hat, ob die Aktivbezüge des Vaters des Klägers unangemessen niedrig waren, ob diese Art der Entlohnung des Vaters betrieblich veranlaßt war oder ob dabei außerbetriebliche (familiäre) Zusammenhänge eine Rolle spielten, schließlich ob die Aktivbezüge zusammen mit der zugesagten Pension noch eine angemessene Gesamtvergütung bildeten.

Die Sache ist nach alledem zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74673

BStBl II 1983, 562

BFHE 1983, 450

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