Leitsatz (amtlich)

1. Wirtschaftliche Eingliederung der einzigen Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft im körperschaftsteuerrechtlichen Sinn setzt voraus, daß das herrschende Unternehmen eine eigene gewerbliche Tätigkeit entfaltet, die durch den Betrieb der Kapitalgesellschaft gefördert wird und die im Rahmen des Gesamtunternehmens (Organkreises) nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Dabei ist die Entwicklung innerhalb eines mehrjährigen Zeitraumes zu berücksichtigen.

2. Bei einer Betriebsaufspaltung kann das Besitzunternehmen Organträger sein, wenn es über die gewerbliche Verpachtung hinaus eine Tätigkeit im Sinne von 1. entfaltet.

 

Normenkette

KStG 1963 §§ 6-7

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die X-GmbH, wurde Ende 1960 gegründet und am 9. März 1961 im Handelsregister eingetragen. Den Geschäftsbetrieb hatte sie bereits am 1. April 1960 aufgenommen. An dem Stammkapital von 20 000 DM waren X mit 16 000 DM und seine Ehefrau mit 4 000 DM beteiligt. Die Eheleute führten auch die Geschäfte der GmbH. Den Gegenstand des Unternehmens bildeten der Bagger-, Raupen- und Transportbetrieb sowie alle einschlägigen Arbeiten und Leistungen, die ein solcher Betrieb mit sich bringt, einschließlich des An- und Verkaufs der dazu bestimmten Maschinen und Fahrzeuge. Der Hauptgesellschafter X besaß außerdem eine Einzelfirma, die aus einer bestehenden Familienpersonengesellschaft hervorgegangen war. Diese hatte sich mit dem Bagger- und Transportbetrieb sowie mit Kieshandel befaßt. Am 1. April 1960 verpachtete X, der inzwischen Alleininhaber geworden war, an die noch im Gründungsstadium befindliche Klägerin, die ihren Geschäftsbetrieb zum selben Zeitpunkt aufnahm, das dem Bagger- und Transportbetrieb dienende Anlagevermögen gegen einen monatlichen Pachtzins von 20 000 DM. In den Jahren 1961 und 1962 erzielte die Einzelfirma keine weiteren Einnahmen. Erst ab 1. April 1963 begann die Einzelfirma neben der Klägerin in begrenztem Umfang den Verkauf von Kies, den sie von der Klägerin unentgeltlich geliefert bekam. Außerdem erzielte die Einzelfirma weitere Umsätze durch die Vermietung von Gerätschaften an Dritte.

Am 30. März 1963 schlossen die Einzelfirma und die Klägerin einen Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag (EAV). Am 4. April 1963 wurde dieser Vertrag dem Beklagten und Revisionsbeklagten (dem FA) vorgelegt. Das FA nahm die Körperschaftsteuerveranlagungen 1963 bis 1965 (Streitjahre) erklärungsgemäß vor. Es erließ vorläufige Bescheide gemäß § 100 Abs. 2 AO. Im Jahre 1967 fand eine Betriebsprüfung bei der Klägerin statt, welche ergab, daß eine Betriebsaufspaltung der Einzelfirma vorliege. Das FA lehnte deshalb die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses ab und betrachtete außerdem die unentgeltliche Überlassung von verkäuflichem Kies an die Einzelfirma als verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin, da es sich dabei um die Verfügung über Nebenprodukte aus der Tätigkeit der Klägerin gehandelt habe. Die gewinnbringende Verkaufsmöglichkeit hätte nach Auffassung des FA die Klägerin selbst wahrnehmen können. Dementsprechend erließ das FA endgültige (berichtigte) Körperschaftsteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1963 bis 1965. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

In ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung des Organschaftsverhältnisses und gegen die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen.

Das FG wies die Klage ab.

Das FG führte im wesentlichen das Folgende aus: Eine Organschaft mit der Einzelfirma könne schon deshalb nicht anerkannt werden, weil die Einzelfirma im Verhältnis zur Klägerin nicht die Haupttätigkeit ausgeübt habe. Die Einzelfirma habe in den Streitjahren keine gewerbliche Tätigkeit entfaltet, welcher der Betrieb der GmbH hätte dienen können und in die die betriebliche Tätigkeit der GmbH eingegliedert gewesen wäre. Ob es sich um eine Betriebsaufspaltung im Sinne der Rechtsprechung gehandelt habe, könne deshalb dahingestellt bleiben. - Zutreffend habe das FA die unentgeltliche Überlassung der Einnahmen aus den Kiesverkäufen an die Einzelfirma als verdeckte Gewinnausschüttungen angesehen. Die Einzelfirma habe dadurch zusätzliche Reinerlöse in Höhe von 10 295 DM im Jahre 1964 und von 77 056 DM im Jahre 1965 erzielt. Diese seien der GmbH entgangen. Stichhaltige wirtschaftliche Gründe für dieses ihren eigenen Interessen zuwiderlaufende Geschäftsgebaren habe die GmbH nicht vorgebracht. Soweit der Goodwill des alten Personenunternehmens eine Rolle spiele, hätte die GmbH sich diesen in gleicher Weise zunutze machen können. Denn es sei bekannt gewesen, daß die GmbH und die Einzelfirma demselben Inhaber gehört hätten. Schließlich treffe nicht zu, daß die Kiesverkäufe der GmbH-Satzung widersprochen hätten. Die Satzung sehe in ihrem § 2 solche Nebenleistungen vor. Die GmbH hätte also diese Verkäufe im eigenen Namen für eigene Rechnung selbst durchführen können. Der alleinige Grund für die andersartige Abwicklung liege in der Stellung des Inhabers der Einzelfirma als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH. Die Kiesverkäufe seien daher der GmbH zuzurechnen. Die Überlassung der Erlöse an die Einzelfirma stelle einen typischen Fall verdeckter Gewinnausschüttungen dar.

In ihrer Revision beantragt die Klägerin die Vorentscheidung und die endgültigen Körperschaftsteuerbescheide 1963 bis 1965 aufzuheben, die Organschaft mit der Einzelfirma anzuerkennen und im Falle der Nichtanerkennung bei den Kiesverkäufen das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen zu verneinen. Hilfsweise beantragt sie die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Klägerin rügt Verletzungen des Verfahrensrechts und sachlichen Rechts. Die Einzelfirma habe eine nicht unerhebliche gewerbliche Tätigkeit ausgeübt. Es genüge im übrigen eine an äußeren Merkmalen erkennbare leitende Tätigkeit des Organträgers (vgl. Urteil des BFH vom 17. Dezember 1969 I 252/64, BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 257). Diese habe hier vorgelegen. In beiden Unternehmen sei der Inhaber der Einzelfirma allein bestimmend gewesen. Die leitende Rolle habe hier schon in der Investitionstätigkeit der Einzelfirma bestanden. Sie sei für den Maschineneinsatz, die Arbeitsweise und den Tätigkeitsbereich der GmbH maßgebend gewesen. Die Umsätze der Einzelfirma seien seit 1963 sprunghaft gestiegen. Es sei nicht erforderlich, daß die Hauptumsätze von dem Organträger erzielt würden (vgl. BFH-Urteil I 252/64). Der Klägerin als der Organgesellschaft sei die Ausführung des Bagger- und Transportbetriebes übertragen gewesen. Seit 1963 habe sie hierauf beschränkt sein sollen. Die Kiesverkäufe seien wieder der Einzelfirma vorbehalten gewesen. Keinesfalls liege eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Die Einzelfirma habe sich nur ihren früheren Kieshandel wieder zurückgeholt. Sie könne nicht für verpflichtet gehalten werden, ihren von der früheren Personengesellschaft herrührenden Goodwill der GmbH ohne Vergütung zu überlassen. Der Kieshandel hätte im übrigen nicht mit der GmbH-Satzung in Einklang gestanden.

Das FA beantragt die Abweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

1. Unbegründet sind die Verfahrensrügen der Klägerin. Sie greifen schon deshalb nicht durch, weil sie verspätet sind. Sie hätten bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist geltend gemacht werden müssen (§ 120 Abs. 2 FGO). Indessen führt die Revision aus sachlichrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung.

2. Das Vorliegen eines körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisses mit Ergebnisabführung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß eine Kapitalgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse in ein gewerbliches Unternehmen finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich eingegliedert ist (vgl. BFH-Urteil I 252/64, mit weiteren Nachweisen). Dabei geht der erkennende Senat davon aus, daß - entgegen seinem Urteil vom 17. November 1966 I 280/63 (BFHE 87, 253, BStBl III 1967, 118) - nach den von den Steuergerichten zu beachtenden Übergangsregelungen der Finanzverwaltung, hier des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 26. Mai 1967 (BStBl II 1967, 163) - auch für die Streitjahre eine Organschaft zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem Personenunternehmen als Organträger anzuerkennen ist (vgl. BFH-Urteil I 252/64).

Aus dem Erfordernis wirtschaftlicher Eingliederung der abhängigen Kapitalgesellschaft folgt, daß Organträger nur ein Unternehmen im Sinn der Vorschrift des § 2 GewStG sein kann, welches eine eigene gewerbliche Tätigkeit gemäß § 1 GewStDV ausübt. Die wirtschaftliche Eingliederung - die anderen Merkmale sind im vorliegenden Fall nicht streitig - setzt nach der Rechtsprechung voraus, daß das Unternehmen der Kapitalgesellschaft "nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung" in das herrschende Unternehmen eingefügt ist (vgl. Urteil des RFH vom 1. April 1941 I 290/40, RStBl 1942, 947, mit weiteren Nachweisen; BFH-Urteil vom 21. Juni 1972 I R 82/70, BFHE 106, 81, BStBl II 1972, 722). Das herrschende Unternehmen muß hiernach die "Haupttätigkeit" oder die "übergeordnete Tätigkeit" ausüben (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 1957 I 119/56 U, BFHE 65, 181, BStBl III 1957, 303). Allerdings darf das Merkmal der Haupttätigkeit nicht in dem Sinn verstanden werden, daß - neben der leitenden Tätigkeit - der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Organkreises bei dem herrschenden Unternehmen liegen müsse. Das ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Konzernleitung über mehrere abhängige Unternehmen (BFH-Urteil I 252/64). Nicht ausreichend ist indessen die leitende Tätigkeit des herrschenden Unternehmens in bezug auf nur eine Kapitalgesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1970 I R 122/66, BFHE 99, 123, BStBl II 1970, 554). Es muß vielmehr eine gewerbliche Tätigkeit hinzukommen, die mit der Tätigkeit der Organgesellschaft in einem wirtschaftlichen Zusammenhang dergestalt steht, daß sich beide Unternehmen als Teile einer wirtschaftlichen Einheit darstellen (vgl. BFH-Urteil I R 82/70). Dieses Erfordernis kann bereits dann erfüllt sein, wenn die eigene gewerbliche Tätigkeit des herrschenden Unternehmens im Rahmen dieser wirtschaftlichen Einheit nicht von untergeordneter Bedeutung ist.

Unter den vorstehenden Voraussetzungen kann auch das Besitzunternehmen bei einer Betriebsaufspaltung Organträger sein. Nicht ausreichend ist allerdings die bloße - wenngleich gewerbliche - Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens (vgl. BFH-Urteile I 119/56 U; vom 7. März 1961 I 251/60 S, BFHE 72, 578, BStBl III 1961, 211; vom 25. Juli 1963 IV 417/60 S, BFHE 77, 504, BStBl III 1963, 505; vom 26. April 1966 I 102/63, BFHE 85, 472, BStBl III 1966, 426). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat auch im Hinblick auf den zur Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens in Fällen der Betriebsaufspaltung ergangenen BFH-Beschluß vom 8. November 1971 Gr. S. 2/71 (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) fest. Zwar übt nach dieser Entscheidung das Besitzunternehmen bereits für sich gesehen eine eigene gewerbliche Tätigkeit aus. Diese ist aber nicht von der Art, daß das Unternehmen der Betriebskapitalgesellschaft in sie wirtschaftlich eingegliedert sein könnte. Das Verpachtungsgeschäft des Besitzunternehmens ist keine dem Betrieb der Kapitalgesellschaft übergeordnete, als solche nach außen in Erscheinung tretende Tätigkeit, welcher die Betriebsgesellschaft "dient" oder die sie - im Unterordnungsverhältnis - "fördert". Andererseits ist auch in Fällen der Betriebsaufspaltung eine wirtschaftliche Eingliederung der Betriebskapitalgesellschaft und damit das Vorliegen einer Organschaft zu dem Besitzunternehmen dann möglich, wenn das Besitzunternehmen eine zusätzliche gewerbliche, nach außen in Erscheinung tretende Tätigkeit ausübt.

Ob die im Vorstehenden gekennzeichneten Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilen. Dabei ist im Hinblick darauf, daß ein EAV nur für einen längeren Zeitraum abgeschlossen werden kann, für die Prüfung, ob die wirtschaftliche Eingliederung zu bejahen ist, auch die Entwicklung der Verhältnisse während mehrerer aufeinanderfolgender Jahre zu berücksichtigen. Ein Organschaftsverhältnis kann somit nicht deshalb verneint werden, weil die wirtschaftliche Eingliederung zu Beginn des Vertragsverhältnisses noch unvollkommen angelegt war und sich erst in der Folgezeit - dem ursprünglichen Plan entsprechend - verstärkte.

3. Geht man von diesen Grundsätzen aus, so kann die Vorentscheidung nicht aufrechterhalten werden. Nach den Feststellungen des FG kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Unternehmen der Klägerin in das Einzelunternehmen X wirtschaftlich eingegliedert war. Für die Beurteilung der Frage, ob eine ausreichende eigene gewerbliche Tätigkeit des Einzelunternehmers X vorlag, kommt es im Streitfall auf die Art der Abwicklung und auf den Umfang der Kiesverkäufe an. Die Vermietung von Geräten an Dritte hat dabei außer Betracht zu bleiben, da die Tätigkeit der Klägerin diesem Geschäftsbereich des Einzelunternehmens nicht diente, jener somit außerhalb des notwendigen Förderungszusammenhanges stand. Für die Bejahung einer gewerblichen Tätigkeit des Einzelunternehmers X wäre es ausreichend und auch erforderlich, daß X die Kiesverkäufe in seinem Unternehmen vorgenommen hat und damit auch nach außen aufgetreten ist, sowie, daß diese Verkäufe nicht von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zu dem Geschäftsumfang des Gesamtunternehmens (Organkreises) waren. Dabei ist die Entwicklung des Kiesgeschäftes während des streitigen Zeitraumes im Zusammenhang zu sehen. Für die Beurteilung kann die Umsatzentwicklung wichtige Anhaltspunkte geben. Um indessen diese Fragen entscheiden zu können, fehlt es dem Senat an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen des FG. Die Sache muß deshalb an die Vorinstanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen werden.

4. Sollte das FG nunmehr zu dem Ergebnis gelangen, daß die - vorausgesetzt: nicht unbedeutenden - Kiesverkäufe nach ihrer tatsächlichen Abwicklung zu den Eigengeschäften des Einzelunternehmers X gehörten und daß deshalb die für die Bejahung eines Organschaftsverhältnisses erforderliche wirtschaftliche Eingliederung des Unternehmens der GmbH bereits für die Streitjahre gegeben war, so ist kein Raum für die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen. Nur dann, wenn ein Organschaftsverhältnis nicht bestand, wäre das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen zu bejahen. In diesem Falle können allerdings die verdeckten Gewinnausschüttungen nur in dem Umfange zu einer Gewinnerhöhung bei der Klägerin führen, als ihr durch die unentgeltliche Überlassung des Materials Mittel entzogen wurden. Es wären somit nicht, wie das FA und das FG annahmen, die aus den Kiesverkäufen gezogenen Erlöse des Einzelunternehmens, sondern die der Handelsstufe der Klägerin entsprechenden gemeinen Werte des überlassenen Materials als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusetzen.

Gegen die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen könnte sich die Klägerin nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. Der erkennende Senat tritt darin den Ausführungen der Vorinstanz bei, die zutreffend auch das Vorliegen einer verbindlichen Auskunft oder Zusage des FA verneint hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70549

BStBl II 1973, 740

BFHE 1974, 17

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