Entscheidungsstichwort (Thema)

(Keine verbindliche Auskunft bei finanzbehördlichem Vorbehalt - Schenkung eines Betriebsgrundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt - Änderung der Kostenentscheidung des FG nach teilweiser Erledigung der Hauptsache)

 

Leitsatz (amtlich)

Aus einer finanzbehördlichen Auskunft können Rechtsfolgen nur abgeleitet werden, wenn der Steuerpflichtige eine verbindliche Zusage beantragt und das FA eine solche ohne Einschränkung oder Vorbehalte erteilt hat.

 

Orientierungssatz

1. Die Schenkung (hier: von landwirtschaftlichen Betriebsgrundstücken unter Nießbrauchsvorbehalt) ist ein privater Vorgang, der nur im außerbetrieblichen Bereich vollzogen werden kann. Der Vorbehalt des Nießbrauchs hat nicht zur Folge, daß nur ein (wertmäßiger) Teil des Grundbesitzes aus dem Betriebsvermögen entnommen worden wäre. Der Eigentümer, der sein Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt unentgeltlich überträgt, bleibt nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. NV: Änderung des Kostenausspruchs des FG bei einer Klageabweisung nach Herabsetzung der Steuern durch Änderungsbescheide aufgrund eines Erörterungstermins: Soweit sich die Hauptsache danach erledigt hatte, waren dem FA die Kosten des Klageverfahrens bis zur Bekanntgabe der Änderungsbescheide nach § 138 Abs. 2 FGO und im übrigen den Klägern nach § 135 Abs. 1 FGO aufzuerlegen (vgl. BFH-Urteil vom 6.6.1984 II R 184/81).

 

Normenkette

AO 1977 § 204; BGB § 242; EStG § 4 Abs. 1; FGO § 138 Abs. 2, § 135 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreiben einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in Form einer BGB-Gesellschaft. Durch Erbvertrag erhielten die Klägerin zu 1 und ihre Schwester im Jahre 1953 als nicht befreite Vorerben verschiedene landwirtschaftliche Parzellen. Als Nacherben waren die Abkömmlinge jedes Vorerben eingesetzt. Nachdem die Erbengemeinschaft im Jahre 1968 durch Realteilung aufgelöst worden war und die Klägerin zu 1 die in A belegenen Grundstücke zu Eigentum erhalten hatte, wurden diese von der BGB-Gesellschaft als notwendiges Betriebsvermögen bilanziert.

Mit Schreiben vom 14.Juli 1982 trug der Prozeßbevollmächtigte der Kläger dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) seine Überlegungen zu einer Übertragung der Grundstücke auf die Nacherben unter Nießbrauchsvorbehalt vor und bat um Stellungnahme. Dazu führte er u.a. wörtlich aus:

"Ich habe nunmehr unserer Mandantin vorgeschlagen, bereits jetzt die zur

Debatte stehenden Ländereien an die Kinder zu übertragen und sich selbst

weiterhin ... den lebenslänglichen Nießbrauch vorzubehalten. Durch den

Vorbehalt des Nießbrauchs ist der Entnahmewert wesentlich geringer

anzusetzen, als bei einem unbelasteten Grundstück."

In dem Schreiben folgt eine Berechnung des Teilwerts der Grundstücke, der, gemindert um den Wert des Nießbrauchs, die nach § 55 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten Anschaffungskosten unterschritt. Es heißt dann weiter:

"Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie meine Gedankengänge überprüfen

und mir ihre Ansicht über den Entnahmewert mitteilen würden. ..."

Das FA antwortete mit Schreiben vom 21.Juli 1982 u.a. wie folgt:

"Zu Ihrem o.g.Schreiben teile ich in sachlicher Übereinstimmung mit der

landwirtschaftlichen Betriebsprüfungsstelle mit, daß es sich bei den ...

Parzellen um notwendiges Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen

Betriebs handelt. Eine Entnahme des notwendigen Betriebsvermögens im

Zusammenhang mit einer gleichzeitigen Übertragung auf die Kinder Ihrer

Mandantin ist, wie von Ihnen zutreffend dargelegt, mit dem Teilwert zu

bewerten (§ 6 Abs.1 Nr.4 EStG).

Ihren Ausführungen zur Teilwertminderung bedingt durch eine im Grundbuch

eingetragene Nießbrauchsbelastung stimme ich grundsätzlich zu. Allerdings

vermag ich zu den von Ihnen ermittelten Entnahmewerten, die durchaus

realistisch erscheinen könnten, derzeit keine verbindliche Stellungnahme

abzugeben, da der Teilwert erst im Zeitpunkt der tatsächlichen erfolgten

Entnahme nach den Gesamtverhältnissen ermittelt werden kann.

Im übrigen weise ich darauf hin, daß die von Ihnen erbetene Auskunft bzw.

Stellungnahme den Rahmen einer normalen Behördenauskunft überschreitet und

unter Beachtung des § 204 AO nicht erteilt werden kann."

Im April 1983 übertrug die Klägerin zu 1 die entsprechenden Parzellen auf ihre Kinder, die ihren Eltern, den Klägern zu 1 und 2, als Gesamtberechtigten den lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundbesitz einräumten.

Im Anschluß an eine bei der BGB-Gesellschaft durchgeführte Betriebsprüfung vertrat das FA mit dem Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.Februar 1974 IV R 60/69 (BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481) die Auffassung, die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt führe zu einer Entnahme mit dem vollen Teilwert. Entsprechende Gewinnfeststellungsbescheide ergingen für die Streitjahre 1982 und 1983.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Anfechtungsklage. Das Finanzgericht (FG) erhob durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis über den Verkehrswert des übertragenen Grundbesitzes. Der vom Gutachter ermittelte Verkehrswert wurde erst auf Grund eines Erörterungstermins herabgesetzt, weil sich herausstellte, daß er nur zu einem Teil auf die streitigen Parzellen entfiel. Es ergingen geänderte Feststellungsbescheide und die Klage wurde abgewiesen.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 1982 und 1983 auf den Ansatz eines Entnahmegewinns zu verzichten.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung FGO--).

1. Das FG ist zu Recht von einer Entnahme zum vollen Teilwert (§ 4 Abs.1, § 6 Abs.1 Nr.4 EStG) ausgegangen. Die Schenkung ist ein privater Vorgang, der nur im außerbetrieblichen Bereich vollzogen werden kann (BFH-Urteil vom 2.August 1983 VIII R 170/78, BFHE 139, 76, BStBl II 1983, 735, m.w.N.). Der Vorbehalt des Nießbrauchs hat entgegen der Auffassung der Kläger nicht zur Folge, daß nur ein (wertmäßiger) Teil des Grundbesitzes aus dem Betriebsvermögen entnommen worden wäre (seit dem Senatsurteil in BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481 ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 20.September 1989 X R 140/87, BFHE 158, 361, BStBl II 1990, 368).

2. Das FA war auch nicht nach Treu und Glauben daran gehindert, die Entnahme mit dem vollen Teilwert anzusetzen. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH anerkannt, daß die Finanzbehörde auch außerhalb einer Außenprüfung (§§ 204 bis 207 der Abgabenordnung --AO 1977--) unter bestimmten Voraussetzungen eine Zusage abgeben kann, deren Verbindlichkeit aus Treu und Glauben abzuleiten ist (zuletzt BFH-Urteil vom 13.Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274, m.w.N.). Eine solche Zusage hat das FA im Streitfall jedoch nicht erteilt.

Das FG hat das Schreiben des FA vom 21.Juli 1982 in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als unverbindliche Auskunft beurteilt; es hat auch in dem dieser Auskunft vorangegangenen Schreiben der Kläger kein Begehren gesehen, das auf Erteilung einer verbindlichen Zusage gerichtet gewesen wäre. Der erkennende Senat kann diese Würdigung durch die Vorinstanz nur daraufhin überprüfen, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 118 Anm.17, m.w.N.). Die Vorentscheidung bietet insoweit keinen Anlaß zu Beanstandungen. Der Bevollmächtigte der Kläger hat das FA mit Schreiben vom 14.Juli 1982 gebeten, seine Gedankengänge zu überprüfen und ihm seine Ansicht über den Entnahmewert mitzuteilen. Das FG hat hierin zutreffend nur eine Bitte der Kläger um eine unverbindliche Auskunft gesehen, die aus der Sicht des FA nicht Veranlassung geben konnte, eine verbindliche Zusage zu erteilen. Eine solche Zusage hat das FA auch nicht erteilt. Das FG hat das Schreiben des FA vom 21.Juli 1982 vor allem deshalb nicht als Zusage gewertet, weil es mit einem Vorbehalt endet, der --wenn auch unvollkommen formuliert-- selbst nach Auffassung der Kläger die Verbindlichkeit der Auskunft ausschließen soll. Entgegen der Auffassung der Kläger bezieht sich dieser Schlußsatz auch nicht allein auf den vorangehenden Absatz, sondern erkennbar auf die gesamte Stellungnahme. Denn während die ersten beiden Absätze der Antwort des FA die materiell-rechtliche Würdigung der Grundstücksübertragung zum Gegenstand haben, befaßt sich der letzte Absatz dieses Schreibens mit der verfahrensrechtlichen Bedeutung der gesamten Stellungnahme als unverbindlicher Auskunft.

3. Auch die übrigen Einwendungen der Kläger greifen nicht durch.

a) Die Kläger selbst sind von einer Entnahme der Parzellen ausgegangen. Das FG hatte danach keine Veranlassung, zu prüfen, ob die Klägerin zu 1 wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke geblieben ist. Nach ständiger Rechtsprechung bleibt der Eigentümer, der sein Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt unentgeltlich überträgt, nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks (z.B. BFH-Urteile vom 8.Dezember 1983 IV R 20/82, BFHE 139, 556, BStBl II 1984, 202, und vom 16.Dezember 1988 III R 113/85, BFHE 155, 380, BStBl II 1989, 763). Das FG hat keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, daß die rechtliche und tatsächliche Lage der Klägerin zu 1 gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks sich von der normalen Stellung eines Nießbrauchers unterschied. Insbesondere haben im Streitfall nicht die Besonderheiten vorgelegen, die der Senat in seinem Urteil vom 5.Mai 1983 IV R 43/80 (BFHE 139, 36, BStBl II 1983, 631) zu bewerten hatte. Die Kläger berufen sich daher zu Unrecht auf diese Entscheidung.

b) In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger geltend gemacht, das Nießbrauchsrecht sei nach Treu und Glauben zu aktivieren und abzuschreiben. Zwar habe der Große Senat des BFH die Abschreibungsfähigkeit eingelegter Nutzungsrechte abgelehnt (Beschluß vom 26.Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348); sie, die Kläger, hätten aufgrund vorangegangener Rechtsprechung des BFH jedoch darauf vertraut, daß das Nießbrauchsrecht abgeschrieben werden könne. Der erkennende Senat vermag den Klägern auch darin nicht zu folgen. Dabei kann dahinstehen, ob das Vertrauen in den Bestand einer Rechtsprechung weitergehende Rechtsfolgen als den Erlaß von Übergangsregelungen auslösen kann, denn eine solche Rechtsprechung hat zu dem Zeitpunkt der Entnahme der Grundstücke nicht bestanden. Der erkennende Senat hat die Abschreibung eines bei einer Grundstücksschenkung vorbehaltenen Nießbrauchsrechts schon in seiner Entscheidung in BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481 abgelehnt. Auch aus dem Urteil des VIII.Senats des BFH in BFHE 139, 76, BStBl II 1983, 735 können die Kläger nichts herleiten, denn diese Entscheidung ist erst nach Vollzug der Entnahme durch die Klägerin ergangen; zudem hat der Bundesminister der Finanzen es abgelehnt, dieses Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden (Schreiben vom 10.Juli 1984, BStBl I 1984, 460). Schließlich berufen sich die Kläger erfolglos auf das Urteil des FG Berlin vom 10.Mai 1988 VII 386/83 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 14), denn diese Entscheidung hat der erkennende Senat mit Urteil vom 30.November 1989 IV R 76/88 (BFH/NV 1991, 457) aufgehoben. Im übrigen handelt es sich bei den Grundstücken im Streitfall um unbebaute Grundstücke, während sich die Urteile, auf die sich die Kläger bezogen haben, mit bebauten Grundstücken zu befassen hatten.

++/ 4. Zu Recht rügen die Kläger jedoch, das FG habe eine fehlerhaft Kostenentscheidung getroffen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Entnahmegewinn erst aufgrund eines Erörterungstermins herabgesetzt worden, weil sich herausstellte, daß ein Entnahmegewinn insoweit nicht anzusetzen war, als Grundstücke oder Grundstücksteile auf den Kläger zu 3 übertragen worden und daher in dessen Sonderbetriebsvermögen gefallen sind. Soweit sich die Hauptsache danach erledigt hatte, waren dem FA die Kosten des Klageverfahrens bis zur Bekanntgabe der Änderungsbescheide nach § 138 Abs. 2 FGO und im übrigen den Klägern nach § 135 Abs. 1 FGO aufzuerlegen (BFH-Urteil vom 6.Juni 1984 II R 184/81, BFHE 141, 333, BStBl II 1985, 261). /++

 

Fundstellen

Haufe-Index 64216

BFH/NV 1993, 17

BStBl II 1993, 218

BFHE 169, 290

BFHE 1993, 290

BB 1993, 352 (L)

DB 1993, 415-416 (LT)

DStR 1993, 241 (KT)

DStZ 1993, 189 (KT)

StE 1993, 90 (K)

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