Entscheidungsstichwort (Thema)

Ertragsteuerliche Behandlung von Eingliederungshilfen gemäß §§ 39f. BSHG

 

Leitsatz (NV)

Eingliederungshilfen gem. §§ 39f. BSHG, die eine Werkstatt für Behinderte vom Sozialhilfeträger zum Ausgleich der ihr durch die Beschäftigung von Behinderten entstehenden Mehrkosten erhält, sind auch dann keine erfolgsneutral zu behandelnde Investitionszuschüsse, wenn sie zur Erweiterung der Werkstatt für Behinderte verwendet wurden.

 

Normenkette

EStG 1981 § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; KStG 1977 § 8 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klin. - eine GmbH - beschäftigte in ihrem Produktionsbetrieb Behinderte. Die BfA erkannte den Betrieb als Werkstatt für Behinderte i.S. d. § 52 des Schwerbehindertengesetzes - SchwbG - i.d.F. vom 29. April 1974 (BGBl I 1974, 1006; jetzt: § 54 SchwbG i.d.F. vom 26. August 1986, BGBl I 1986, 1421) an. Daraufhin beantragte die Klin. beim überörtlichen Sozialhilfeträger (künftig: Ministerium), ihr die durch die Beschäftigung der Behinderten entstehenden Kosten am Arbeitsplatz zu erstatten. 1981 einigte sie sich mit dem Ministerium über die Höhe der pro Behinderten und Beschäftigungstag zu erstattenden Kosten (Tageskostensätze) für die Jahre 1979 bis 1981. Im Bewilligungsbescheid teilte das Ministerium der Klin. mit, die sich aufgrund der Tageskostensätze ergebende und 1982 ausgezahlte Gesamtsumme werde als zweckgebundener Zuschuß für die Erweiterung der Behindertenwerkstatt gewährt, über die Verwendung des Zuschusses sei, nach Abschluß der Maßnahmen Rechnung zu legen. Für die Jahre 1982 und 1983 zahlte das Ministerium der Klin. insgesamt rund . . . DM. Nach dem Bewilligungsbescheid für 1982 handelte es sich um einen zweckgebundenen Zuschuß für die Erweiterung der Behindertenwerkstatt, insbesondere für die Belegung neugeschaffener Behindertenarbeitsplätze, über dessen Verwendung Rechnung zu legen sei und der zurückgefordert werden könne, falls die Klin. die Zweckbestimmung nicht erfülle. Die Zahlung für 1983 wurde nach einem Schreiben des Ministeriums vom Dezember 1984 zur Abdeckung von Betriebskosten geleistet, welche sich aus der Beschäftigung der Behinderten ergaben.

Ende 1984 wies die Klin. dem Ministerium nach, daß sie zur Erweiterung der Werkstatt für Behinderte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens - u.a. Grundstücke und Gebäude für rund . . . DM angeschafft hatte. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte bei der Festsetzung der KSt für 1982 und 1983 die Leistungen des Ministeriums als gewinnerhöhende Betriebskostenzuschüsse. Klage und Revision hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die rund . . . DM, die die Klin. aufgrund des geschilderten Sachverhalts erhielt, sind keine erfolgsneutral zu behandelnde Investitionszuschüsse. Sie sind vielmehr Gegenleistungen für die Beschäftigung von Behinderten und erhöhen das Einkommen der Klin.

1. Zuschüsse sind Vermögensvorteile, die dem Zuschußempfänger mit der Bestimmung zugewendet werden, sie zur Förderung eines - zumindest auch - im Interesse des Zuschußgebers liegenden Zwecks zu verwenden, und die keine Gegenleistung für Leistungen des Zuschußempfängers sind (s. BFH-Urteile vom 29. April 1982 IV R 177/78, BFHE 136, 90, BStBl II 1982, 591; vom 14. Juli 1988 IV R 78/85, BFHE 154, 212, BStBl II 1989, 189; Wolff-Diepenbrock in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, 15. Aufl., §§ 4, 5 Rdnr.1615 ,,Zuschüsse"). Sie werden als Investitionszuschüsse bezeichnet, wenn sie mit der Zweckbestimmung gewährt werden, sie zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zu verwenden (s. z.B. BFH-Urteil vom 22.Januar 1992 X R 23/89, BFHE 167, 69, BStBl II 1992, 488).

2. Dazu hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt: Das Ministerium habe die rund . . . DM als Eingliederungshilfe für Behinderte gemäß §§ 39f. des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - i.d.F. vom 13. Februar 1976 und 24. Mai 1983 (BGBl I 1976, 289 und BGBl I 1983 613) gezahlt. Die Klin. habe die Zahlungen erhalten, weil sie ihrerseits dem Ministerium Leistungen erbracht habe, indem sie Beschäftigungsmöglichkeiten für Behinderte zur Verfügung gestellt und dadurch das Ministerium in die Lage versetzt habe, seinen Aufgaben gemäß § 40 Abs. 2 BSHG nachzukommen.

An diese Feststellungen, die auf einer Würdigung der vom FG erhobenen Beweise beruhen, ist der erkennende Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Klin. hat in bezug auf diese Feststellungen lediglich vorgebracht, aus den Aussagen der Zeugen ergebe sich keineswegs zwingend, daß die Zahlungen als Eingliederungshilfe geleistet worden seien; zudem müsse berücksichtigt werden, daß das Ministerium die Beschäftigung von Behinderten auch durch Investitionszuschüsse habe fördern können und nach Aussagen der Zeugen die Erweiterung der Behindertenwerkstatt aufgrund des Erwerbs des Schlachthofs ausschlaggebend für die Förderung durch das Ministerium gewesen sei. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die Bindung gemäß § 118 Abs. 2 FGO aufzuheben. Tatsächliche Feststellungen und Gesamtwürdigungen, die verfahrensrechtlich einwandfrei zustandegekommen und durch keine Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt sind, binden das Revisionsgericht auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich sind (s. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1989 V R 104/84, BFH/NV 1990, 676; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., 1987, § 118 Rz.40 m.w.N.). Dem FG sind weder Verfahrens- oder Denkfehler unterlaufen noch verstößt seine Beweiswürdigung gegen Erfahrungssätze. Es hat bei der Beweiswürdigung berücksichtigt, daß der Erwerb des Schlachthofs bei den Verhandlungen eine wesentliche Rolle spielte. Nach den Zeugenaussagen und dem Inhalt der vom FG beigezogenen Akten des Ministeriums konnte das FG jedoch zu der Überzeugung gelangen, daß das Ministerium zwar den Willen gehabt habe, durch die Zahlungen Erwerb und Ausbau des Schlachthofs zu fördern, daß es die rund . . . DM aber nicht als Zuschüsse gemäß § 13 Abs. 1 der Ausgleichsabgabeverordnung Schwerbehindertengesetz - SchwbAV - vom 8. August 1978 (BGBl I 1978, 1228) zur Erweiterung der Behindertenwerkstatt zahlte und daß die Beschäftigung von Behinderten im Betrieb der Klin. und nicht der Erwerb und Ausbau des Schlachthofs Grund der Zahlungen war.

3. Da die Klin. die rund . . . DM als Gegenleistung (Entgelt) für die dem Ministerium erbrachten Leistungen erhielt, sind sie keine Zuschüsse. Entsprechendes gilt, wenn die gezahlten Eingliederungshilfen ein Entgelt für Leistungen der Klin. an die Behinderten sein sollten, das - auf verkürztem Zahlungsweg - vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe unmittelbar an die Klin. gezahlt wurde (s. BFH-Urteile vom 15. Juni 1988 V R 137/83, BFH/NV 1989, 263; vom 6. Oktober 1988 V R 101/85, BFH/NV 1989, 327).

Selbst wenn unterstellt wird, die Klin. habe die rund . . . DM nicht als Gegenleistung, sondern als Zuschüsse erhalten, wären es keine - möglicherweise erfolgsneutral zu behandelnde - Investitionszuschüsse, sondern erfolgswirksame Betriebskostenzuschüsse.

4. Daß in den Bescheiden des Ministeriums die Eingliederungshilfen als zweckgebundene Zuschüsse für die Erweiterung der Behindertenwerkstatt bezeichnet wurden, ist steuerrechtlich unbeachtlich.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist diese Bezeichnung falsch. Sie verschleierte Anlaß und Rechtsgrundlage der Zahlungen. Das FG hat festgestellt, daß die irreführende Bezeichnung von der Klin. vorgeschlagen worden war und das Ministerium auf den Vorschlag einging, um sich mit der Klin. auf niedrigere Tageskostensätze einigen zu können. Nachdem dem Ministerium Bedenken gekommen waren, klärte es das FA über die irreführende Bezeichnung auf. Im Mai 1985 teilte es dem FA mit, die Zahlungen an die Klin. seien keine Zuschüsse, sondern in Form von Tageskostensätzen erstattete Betriebskosten. Es ist kein Grund erkennbar, warum bei einem derartigen Sachverhalt steuerrechtlich die falsche Bezeichnung maßgebend sein sollte. Eine Vorschrift, nach der den Bewilligungsbescheiden des Ministeriums steuerrechtliche Bindungswirkung zukommt, besteht nicht. Daher ist entgegen der Ansicht der Klin. das BFH-Urteil vom 21. April 1982 II R 141/78 (BFHE 135, 558, BStBl II 1982, 517) nicht einschlägig. Es betrifft einen Fall, in dem die Finanzbehörde und das Finanzgericht aufgrund einer gesetzlichen Regelung die Beurteilung durch eine andere Behörde ohne Nachprüfung anzuerkennen hatten.

5. Da die vom Ministerium gezahlten rund . . . DM keine Investitionszuschüsse sind, kann ungeklärt bleiben, ob die Rechtsansicht des FG richtig ist, für das Bilanzierungswahlrecht nach Abschnitt 34 Abs. 1 EStR 1981/1984 fehle die Rechtsgrundlage (s. dazu BFH-Urteil in BFHE 167, 69, BStBl II 1992, 488 m.w.N.).

6. Die Eingliederungshilfen sind Betriebseinnahmen der Klin. Sie erhielt die Geldbeträge aus betrieblichem Anlaß, für die Beschäftigung von Behinderten in ihrem Betrieb. Die Einnahmen erhöhten das Betriebsvermögen der Klin. und damit ihre Gewinne und ihr Einkommen (§ 8 Abs. 1 KStG 1977 i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG 1981). Es gibt keine Gewinnermittlungsvorschrift, die es gestattet, diese Betriebseinnahmen erfolgsneutral zu behandeln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64046

BFH/NV 1993, 170

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