Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsaufspaltung: keine Zusammenrechnung der Einheitswerte des Besitz- und des Betriebsunternehmens für die Anwendung des § 7g EStG; abweichendes Wirtschaftsjahr der Betriebsgesellschaft, keine korrespondierende Bilanzierung, Gewerbesteuerpflicht einer inländischen Betriebsstätte der ausländischen Besitzgesellschaft, Eigenständigkeit beider Unternehmen bei der Gewährung von Steuerbefreiungen nach dem GewStG

 

Leitsatz (amtlich)

Entgegen Abschn.83 Abs.3 Satz 5 EStR 1984 (jetzt Abschn.83 Abs.2 Satz 5 EStR 1990) fehlt es für die Anwendung des § 7g EStG an einer rechtlichen Grundlage dafür, den Einheitswert des gewerblichen Betriebsvermögens des Besitzunternehmens dem des Betriebsunternehmens hinzuzurechnen.

 

Orientierungssatz

1. Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen werden im Falle einer Betriebsaufspaltung für die Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebsvermögens als selbständige Betriebe behandelt, für die jeweils gesondert Einheitswerte festzustellen sind (vgl. Literatur).

2. Die Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahres durch eine im Wege der Betriebsaufspaltung entstandene Betriebsgesellschaft bedarf nicht der Zustimmung des FA (vgl. BFH-Urteil vom 27.9.1979 IV R 89/76).

3. Es besteht kein allgemeiner Grundsatz, daß bei einer Betriebsaufspaltung Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen korrespondierend bilanzieren müßten (vgl. BFH-Urteil vom 8.3.1989 X R 9/86).

4. Betriebsaufspaltung: Die Entscheidung, ob eine ausländische Besitzgesellschaft im Inland eine Betriebsstätte begründet hat, die zur Gewerbesteuerpflicht führt, ist allein nach den Gegebenheiten des Besitzunternehmens zu treffen; die gewerbliche Tätigkeit der inländischen Betriebsgesellschaft macht diese gesonderte Entscheidung nicht entbehrlich (vgl. BFH-Urteil vom 28.7.1982 I R 196/79).

5. Betriebsaufspaltung: Steuerbefreiungen nach dem GewStG bei der einen Gesellschaft bleiben ohne steuerliche Wirkungen bei der anderen Gesellschaft, wenn bei dieser selbst die Voraussetzungen nicht vorliegen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 3; EStG § 4a Abs. 1; BewG 1974 § 95; EStR 1984 Abschn. 83 Abs. 3 S. 5; EStR 1990 Abschn. 83 Abs. 2 S. 5; GewStG § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 15.06.1988; Aktenzeichen 3 K 1253/88)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) pachtete im Zuge einer Betriebsaufspaltung eine Halle mit zugehöriger Hoffläche von ihrem Hauptgesellschafter, der neben seinen Kindern an ihr zu 60 v.H. beteiligt war. Maschinen und maschinelle Anlagen standen in ihrem Eigentum.

Die Klägerin erwarb im Streitjahr (1984) eine Schneidemaschine für 25 200 DM und machte dafür die Sonderabschreibung gemäß § 7g des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1984 vom 22.Dezember 1983 (BGBl I, 1583, BStBl I 1984, 14 --EStG 1984--) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gewährte in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 1984 vom 10.März 1986 die beantragte Sonderabschreibung. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat er die Auffassung, im Streitfall sei die Anspruchsvoraussetzung des § 7g Abs.2 Nr.1 a EStG ("Einheitswert des Betriebs, zu dessen Anlagevermögen das Wirtschaftsgut gehört, nicht mehr als 120 000 DM") nicht erfüllt. Im Falle der Betriebsaufspaltung seien die Einheitswerte des Besitzunternehmens und der Betriebsgesellschaft (der Klägerin) zusammenzurechnen. Die zusammengerechneten Einheitswerte überschritten aber den Betrag von 120 000 DM.

Der Einspruch der Klägerin gegen den Körperschaftsteuer- Änderungsbescheid vom 2.Februar 1988 hatte keinen Erfolg. Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1984 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf. Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 514 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 7g EStG und der Grundsätze über die Betriebsaufspaltung.

Es beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Köln vom 15.Juni 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin die Sonderabschreibung gemäß § 7g EStG in Anspruch nehmen kann. Der Einheitswert ihres Betriebs betrug im Zeitpunkt der Anschaffung der Maschine nicht mehr als 120 000 DM (§ 7g Abs.2 Nr.1 a EStG 1984); entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn.83 Abs.3 Satz 5 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1984) ist ihm der Einheitswert des Besitzunternehmens nicht hinzuzurechnen. Die weiteren Voraussetzungen des § 7g EStG liegen unstreitig vor.

1. Eine Betriebsaufspaltung führt dazu, daß eine ihrer Art nach vermögensverwaltende und damit nicht gewerbliche Betätigung (das Vermieten oder Verpachten von Wirtschaftsgütern) durch die personelle und sachliche Verflechtung zweier rechtlich selbständiger Unternehmen --Besitz- und Betriebsunternehmen-- zum Gewerbebetrieb wird (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8.November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; BFH-Urteile vom 22.Oktober 1986 I R 180/82, BFHE 148, 272, BStBl II 1987, 117, 118, und vom 8.März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 10.Aufl. 1991, § 15 Anm.140 ff.). Rechtsgrundlage dafür ist ein in wertender Betrachtungsweise verstandener Begriff des Gewerbebetriebs i.S. von § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.1, Abs.2 EStG (Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.142).

Die beiden Unternehmen selbst werden hingegen nicht als ein einheitliches behandelt. Das von der Klägerin angeschaffte Wirtschaftsgut gehört deshalb i.S. des § 7g Abs.2 Nr.1 a EStG zum Anlagevermögen ihres Betriebs (vgl. BFH in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714). Besitz- und Betriebsunternehmen werden in gleicher Weise für die Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebsvermögens, die insoweit dem Ertragsteuerrecht folgt und auf die es für die Anwendung des § 7g Abs.2 Nr.1 a EStG ankommt, als selbständige Betriebe behandelt, für die jeweils gesondert Einheitswerte festzustellen sind (Rössler/ Troll, Bewertungsgesetz, Kommentar, 15.Aufl., § 95 Rdnrn.117 und 122; Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz, Kommentar, 7.Aufl., § 95 Anm.14).

2. Die personelle und sachliche Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen führt --wie aus Vorstehendem und der Rechtsprechung des BFH im übrigen folgt-- nicht dazu, daß Wirtschaftsgüter und für die Besteuerung maßgebliche Verhältnisse des einen Unternehmens dem an der Betriebsaufspaltung beteiligten anderen Unternehmen zuzurechnen sind.

So bedarf die Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahrs durch eine im Wege der Betriebsaufspaltung entstandene Betriebsgesellschaft nicht der Zustimmung des FA (BFH-Urteil vom 27.September 1979 IV R 89/76, BFHE 129, 25, BStBl II 1980, 94). Die Entscheidung, ob eine ausländische Besitzgesellschaft im Inland eine Betriebsstätte begründet hat, die zur Gewerbesteuerpflicht führt, ist allein nach den Gegebenheiten des Besitzunternehmens zu treffen; die gewerbliche Tätigkeit der inländischen Betriebsgesellschaft macht diese gesonderte Entscheidung nicht entbehrlich (vgl. BFH-Urteil vom 28.Juli 1982 I R 196/79, BFHE 136, 547, BStBl II 1983, 77, 80). Die Eigenständigkeit beider Unternehmen wirkt sich ebenso bei der Gewährung von Steuerbefreiungen nach dem Gewerbesteuergesetz aus. Befreiungen bei der einen Gesellschaft bleiben ohne steuerliche Wirkungen bei der anderen Gesellschaft, wenn bei dieser selbst die Voraussetzungen der Befreiung nicht vorliegen (BFH-Urteile vom 13.Oktober 1983 I R 187/79, BFHE 139, 406, BStBl II 1984, 115, und vom 12.November 1985 VIII R 282/82, BFH/NV 1986, 362). Ebensowenig besteht ein allgemeiner Grundsatz, daß bei einer Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsunternehmen korrespondierend bilanzieren müßten (BFH in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714).

Dementsprechend fehlt es --anders als im Streitfall vom FA angenommen-- an einer rechtlichen Grundlage dafür, den Einheitswert des gewerblichen Betriebsvermögens des Besitzunternehmens dem des Betriebsunternehmens (der Klägerin) hinzuzurechnen (gleicher Ansicht Zitzmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7g EStG Rdnr.47; Jebens in Lademann/Söffing/ Brockhoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7g Anm.21; a.A. Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7g Anm.33). Angesichts der rechtlichen Trennung zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft vermag auch der Sinn und Zweck des § 7g EStG, die Finanzierung kleiner und mittlerer Betriebe zu erleichtern (Zitzmann, a.a.O., § 7g EStG Rdnr.3), zu keinem anderen Ergebnis führen.

3. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Verbleibensvoraussetzung des § 7g Abs.2 Nr.2 EStG --wenn die Sonderabschreibung von einem Besitzunternehmen in Anspruch genommen wird-- von einer umfassenden rechtlichen und wirtschaftlichen Einheit zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft abhängt. Dies könnte im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis führen. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß das Besitzunternehmen allein wegen der Umstände, die in seinem Bereich begründet sind, als gewerblich zu qualifizieren ist (BFH in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, 716).

 

Fundstellen

Haufe-Index 63536

BFH/NV 1992, 2

BStBl II 1992, 246

BFHE 165, 369

BFHE 1992, 369

BB 1992, 30

BB 1992, 30-31 (LT)

DB 1992, 116 (LT)

DStR 1992, 67 (KT)

DStZ 1992, 92 (KT)

HFR 1992, 117 (LT)

StE 1991, 430 (K)

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