Leitsatz (amtlich)

Die Zusammenveranlagung nach § 27 EStG setzt eine Haushaltszugehörigkeit der Kinder nicht voraus.

 

Normenkette

EStG § 27

 

Tatbestand

Die erste Ehe des Beschwerdegegners (Bg.), aus der zwei Töchter hervorgegangen waren, ist am 25. April 1950 geschieden worden. Er heiratete am 8. November 1950 die Witwe Y, die drei Kinder unter 18 Jahren hatte. Diese drei Kinder sind Eigentümer eines Ritterguts. Am Tage der Wiederverheiratung wurde für sie ein Vormund bestellt, dem nicht nur die Betriebsleitung und Vermögensverwaltung, sondern auch das Sorgerecht für die drei Kinder obliegt. Er veranlaßte, daß die drei Kinder im "Landschulheim X" erzogen wurden und ihre Ferien nicht bei ihrer Mutter und dem Bg. in ......, sondern in der eigenen Wohnung auf dem Gut zubringen.

Im Anschluß an die Veranlagung für 1950 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 1952 und 1953 für den Bg. in der Weise fest, daß es die Einkünfte der drei Stiefkinder mit einem geschätzten Betrage von 20 000 DM den übrigen Einkünften des Bg. hinzusetzte.

Nach erfolgloser Beschwerde gegen diese Festsetzung erhob der Bg. Berufung beim Finanzgericht. Dieses stellte tatsächlich fest, daß die drei Stiefkinder dem Haushalt des Bg. nicht zugehörten, und kam zu dem Ergebnis, daß eine Zusammenveranlagung des Bg. mit seinen Stiefkindern unzulässig sei.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Oberfinanzdirektion, mit der gerügt wird, daß das Finanzgericht die nach § 27 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gebotene Zusammenveranlagung zu Unrecht abgelehnt habe.

Der Bg. hat sich der Rb. angeschlossen, weil er sich durch die teilweise Auferlegung der Kosten der Berufung beschwert fühlt.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Streitig ist, ob trotz der festgestellten fehlenden Haushaltszugehörigkeit der Bg. mit seinen drei Stiefkindern nach § 27 EStG zusammen zu veranlagen ist.

Auszugehen ist davon, daß der § 27 EStG nach seinem Wortlaut die Zusammenveranlagung nicht von der Haushaltszugehörigkeit abhängig macht, sondern allein darauf abstellt, ob dem Steuerpflichtigen nach § 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG Kinderermäßigung zusteht. Gleichwohl kommt das Finanzgericht -- darin in Übereinstimmung mit dem überwiegenden Teil des Schrifttums -- zu dem Schluß, daß die Anwendung des § 27 die Haushaltszugehörigkeit zur Voraussetzung habe, wenngleich der Wortlaut dem entgegenstehe. Dies sei aus dem Grundgedanken der Zusammenveranlagung als solcher wie auch aus der Überschrift des § 27: "Haushaltsbesteuerung" und der Verwendung des Ausdrucks "Haushaltsvorstand" im Text des § 27 EStG zu schließen.

Die Verfolgung des Werdegangs der jetzt gültigen Fassung des § 27 EStG zeigt nun aber, daß diese Vorschrift sich jeweils der Entwicklung des § 32 engstens angeschlossen hat und jedesmal, wenn der § 32 -- die Vorschrift über die Kinderermäßigung -- eine Änderung erfuhr, dieser Änderung gefolgt ist.

Das EStG vom 27. Februar 1939 enthielt im § 27 EStG parallel dem § 32 EStG, auf den der § 27 ausdrücklich Bezug nimmt, den Halbsatz "die zu seinem Haushalt gehören", ebenso wie der § 32 EStG die Kinderermäßigung von der Haushaltszugehörigkeit abhängig machte.

Als der § 5 der Steuervereinfachungs-Verordnung (StVVO) vom 14. September 1944 die Vorschrift des § 32 dahin änderte, daß auf das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit für die Gewährung der Kinderermäßigung verzichtet wurde, ordnete § 6 a. a. O. die entsprechende Änderung des § 27 an und strich den Halbsatz "die zu seinem Haushalt gehören".

Das Kontrollratgesetz (KontrRG) Nr. 12 führte beim § 32 aufs neue das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit für die Gewährung von Kinderermäßigungen ein. Demzufolge verkündete die gemeinsame Steuer- und Zollabteilung für die britische Zone in der Zusammenfassung des für die Veranlagung gültigen Einkommensteuer-Textes 1947 (Steuer- und Zollblatt 1947 S. 255 ff.) den § 27 wiederum mit dem Zusatz "die zu seinem Haushalt gehören". Ebenso verfuhren die Süddeutschen Finanzverwaltungen (vgl. z. B. Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen -- Bay. FMBl. -- 1947 S. 57 ff.).

Der Anhang zum Militärregierungsgesetz Nr. 64 vom 22. Juni 1948 kam wieder zu einer Änderung des § 32 EStG, indem für die Gewährung der Kinderermäßigung auf die Haushaltszugehörigkeit verzichtet wurde. Eine ausdrückliche Änderung des § 27 wurde im Militärregierungsgesetz Nr. 64 nicht ausgesprochen. Der Direktor der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets wurde durch Art. XII ermächtigt, das EStG neu zu fassen. In der demgemäß ergehenden Neufassung des EStG 1949 vom 10. August 1949 wurde der § 27 wiederum der geänderten Fassung des § 32 angeglichen und demgemäß der Zusatz "die zu seinem Haushalt gehören" gestrichen. Bei dieser Fassung ist es dann bei den mehrfachen späteren Änderungen des EStG geblieben, zumal der § 32 bei der im Militärregierungsgesetz Nr. 64 niedergelegten Fassung verblieb.

Diese historische Entwicklung zeigt, daß es dem Gesetzgeber darauf ankam, den § 27 jeweils dem § 32 anzupassen und ihm die nach dem jeweiligen § 32 erforderliche Form zu geben, ohne auf Erwägungen des inneren Sinnes einer Haushaltsbesteuerung, wie sie vom Finanzgericht angestellt werden und auch im Schrifttum herangezogen werden, Rücksicht zu nehmen. Wie sich aber auch aus dem Urteil des erkennenden Senats IV 537/52 U vom 2. Juli 1953 (Slg.Bd. 57 S. 673, Bundessteuerblatt -- BStBl. -- 1953 III S. 256) und der dort aufgeführten Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ergibt, liegt das Schwergewicht der Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung sowohl der Eheleute wie mit den Kindern gar nicht so sehr auf einer gemeinschaftlichen Wirtschaftsführung, wie es der Ausdruck "Haushaltsbesteuerung" zu fordern scheint. Auch in Fällen, in denen z. B. nach den Abmachungen der Eheleute jegliche Gemeinsamkeit auf wirtschaftlichem Gebiet ausgeschlossen wurde, bleibt es bei der Zusammenveranlagung, solange noch das Band der Ehe nicht in jeglicher Beziehung durchschnitten ist und eine Trennung des Haushalts, der Wirtschaftsführung und des ehelichen Lebens durchgeführt ist. Es ergibt sich mithin, daß es für die Zusammenveranlagung nicht vorwiegend auf die Gestaltung der tatsächlichen Beziehungen zwischen Eheleuten oder Eltern und Kindern, sondern bei den Eheleuten auf das Bestehen der Ehe als solcher und bei Eltern und Kindern auf den Bezug der Kinderermäßigung ankommt. Dem Gesetzgeber war es allein von Belang, mit dem § 27 jeweils dem Wege des § 32 zu folgen. Angesichts dieser erkennbaren Absicht des Gesetzgebers ist es nicht angängig, auf Grund allgemeiner Erwägungen über das Wesen der Haushaltsbesteuerung und vollends nicht aus der Überschrift "Haushaltsbesteuerung" und der Verwendung des Ausdrucks "Haushaltsvorstand" in Abweichung von dem klaren Wortlaut des § 27 EStG zu dem Ergebnis zu kommen, daß zur Vornahme der Zusammenveranlagung die Haushaltszugehörigkeit der Stiefkinder erforderlich sei.

Auch der im Schrifttum (insbesondere von Littmann §§ 26, 27 Anm. 3) erhobene Einwand, die gegenwärtige Fassung des § 27 entbehre der gesetzlichen Grundlage, hält der Nachprüfung nicht stand. Es wird dabei übersehen, daß der § 27 jeweils die Veränderungen des § 32 EStG bei der Gewährung von Kinderermäßigungen mitgemacht hat und nunmehr, nachdem für die Kinderermäßigung die Voraussetzung der Haushaltszugehörigkeit seit dem Gesetz Nr. 64 weggefallen war, auch das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit fallen lassen mußte. Der Direktor der Verwaltung für Finanzen handelte im Rahmen des Art. XII des Anhangs zum Gesetz Nr. 64, wenn er dem § 27 EStG die durch den § 32 vorgezeichnete Fassung gab. In jedem Falle hat der Gesetzgeber aber die Fassung des § 27 EStG vom 10. August 1949 dadurch stillschweigend gebilligt, daß er trotz mehrfacher späterer Änderung des EStG den § 27 EStG unverändert so beibehielt.

Mit Recht hat deshalb das Finanzamt die Einkommensteuervorauszahlungen des Bg. derart berechnet, daß es die voraussichtlichen Einkünfte der drei Stiefkinder in die Einkünfte des Bg. einbezogen hat.

Die angefochtene Entscheidung ist deshalb wegen unrichtiger Anwendung des § 27 EStG aufzuheben und die Berufung des Bg. gegen die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion vom 30. Oktober 1952 als unbegründet zurückzuweisen. Da der Bg. damit im vollen Umfange unterlegen ist, treffen ihn die ganzen Kosten des Verfahrens. Seine Anschlußbeschwerde kann nicht durchdringen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408150

BStBl III 1955, 161

BFHE 1955, 419

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