Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht ist darin zu sehen, daß eine tatsächliche Feststellung des FG in substantiierter Form bestritten wird.

Der Ausfuhrnachweis kann auch in anderer Form als durch die in § 25 Abs. 2 UStDB a. F. vorgesehenen Ausfuhrbescheinigungen geführt werden, wenn der inländische Beauftragte steuerlich nicht zugelassen ist.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1, § 118/2, § 118/3; UStG § 16

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) lieferte im Jahre 1961 auf Grund von Bestellungen ihrer ausländischen Alleinvertreterin Motoren für Mopeds an die inländischen Einbaufirmen X und Y, im folgenden Einbaufirmen. Bei diesen Firmen hatten ausländische Abnehmer Mopedfahrgestelle bestellt. Die beiden Firmen bauten die Motoren in die Fahrgestelle ein. Nach dem Zusammenbau wurden Motor und Fahrgestell an Kunden der ausländischen Alleinvertreterin in das Ausland versandt. Die von den beiden Firmen gestellten Anträge, ihnen die Ausstellung roter Ausfuhrbescheinigungen gemäß § 23 Ziff. 2 Buchst. b UStDB zu bewilligen, wurden von der Oberfinanzdirektion (OFD) abgelehnt.

Streitig ist, ob die Stpfl. die ihr gewährte Ausfuhr- und Ausfuhrhändlervergütung zurückzuzahlen hat. Diese hat das Finanzamt (FA) auf Grund einer Vergütungsprüfung mit Bescheid vom 11. Februar 1963 in Höhe von ... DM zurückgefordert, wovon ein Betrag von ... DM unstreitig ist. Das FA vertrat dabei die Auffassung, daß es an einer Versendung durch die Stpfl. fehle; diese lasse die Beförderung der Motoren in das Ausland weder durch einen Frachtführer oder Verfrachter besorgen, noch liege eine Lieferung eines steuerlich zugelassenen inländischen Beauftragten ihres ausländischen Abnehmers vor.

Es seien auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr (AusfFördG) nicht gegeben; denn diese Vorschrift erfordere, daß der gelieferte Gegenstand und der ausgeführte Gegenstand identisch seien, d. h. der beauftragte Dritte dürfe keine die Marktgängigkeit ändernde Bearbeitung vornehmen.

Die Sprungberufung (Klage) hatte keinen Erfolg. Mit der Rb. beantragt die Stpfl. erneut, den Rückforderungsbescheid des FA vom 11. Februar 1963 aufzuheben und die von ihr zurückzufordernde Ausfuhr- und Ausfuhrhändlervergütung in Höhe des unstreitigen Betrages ... DM festzusetzen. Sie trägt dazu vor, daß die beiden Einbaufirmen zum Einbau der Motoren von der ausländischen Alleinvertreterin, der Firma N, beauftragt gewesen seien. Die Lieferungsgeschäfte zwischen den beiden Einbaufirmen und deren ausländischen Abnehmern hinsichtlich der Mopedfahrgestelle seien durch Vermittlung der Firma N zustande gekommen. Diese habe auch jeweils disponiert, in welchem Ausmaß Motoren in für sie selbst oder für die anderen ausländischen Abnehmer bestimmte Fahrzeuge einzubauen und auszuliefern gewesen seien. Die Einbaufirmen seien daher entgegen der Auffassung des Finanzgerichts (FG) tatsächlich inländische Beauftragte ihrer, der Stpfl., ausländischen Abnehmerin gewesen. Es lägen auch Grenzzollbescheinigungen vor, die allen Erfordernissen entsprächen und aus denen die Ausfuhr der Motoren eindeutig hervorgehe.

Im übrigen sei aber auch die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Ziff. 2 AusfFördG anwendbar. Das FG habe dies zu Unrecht verneint.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Stpfl. braucht die ihr bezahlten Vergütungen dann nicht zurückzuzahlen, wenn sie einen Anspruch darauf hat. Ein solcher steht ihr zu, wenn sie eine Ausfuhrlieferung (§ 23 UStDB) bewirkt hat (§ 70 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB). Eine Voraussetzung für das Vorliegen einer Ausfuhrlieferung ist, daß der Gegenstand nachweislich in das Ausland versandt worden ist (§ 23 Ziff. 2 UStDB). Die Versendung kann auch durch einen Dritten vorgenommen werden. In diesem Fall läßt § 25 Abs. 2 UStDB den Nachweis der Ausfuhr durch die in Ziff. 1 und 2 Buchst. a, b und c bezeichneten Bescheinigungen zu. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Kann-Vorschrift. Dies bedeutet, daß der Unternehmer nicht gezwungen ist, den Nachweis ausschließlich in der nach § 25 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 UStDB vorgesehenen Art und Weise zu führen (vgl. Urteil des BFH V 269/60 vom 14. Mai 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 401). Die in § 25 Abs. 2 UStDB erwähnte steuerliche Zulassung des inländischen Beauftragten eines ausländischen Abnehmers ist deshalb lediglich dafür von Bedeutung, ob eine grüne, weiße oder rote Ausfuhrbescheinigung erteilt werden darf. Sie ist jedoch nicht Tatbestandsmerkmal der Ausfuhrlieferung selbst. Ist der inländische Beauftragte steuerlich nicht zugelassen, so muß der Ausfuhrnachweis in anderer Form als nach § 25 Abs. 2 UStDB vorgesehen, geführt werden, z. B. durch eine Grenzzollbescheinigung. Von dieser Rechtsauffassung geht zutreffend auch die in Der Betrieb 1961 S. 1408 abgedruckte Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen aus.

Im Streitfall können also keine Bedenken dagegen bestehen, daß die Einbaufirmen steuerlich nicht zugelassen gewesen sind. Da diese Firmen jedoch die Versendung vorgenommen haben, kommt es darauf an, ob ihnen von der ausländischen Alleinvertreterin der Stpfl. ein Auftrag zum Einbau der Motoren in die Fahrgestelle und zur anschließenden Versendung erteilt worden ist.

Das FG hat hierzu festgestellt, daß ein solche Auftrag offensichtlich nicht vorgelegen habe. Eines besonderen Auftrags zum Einbau und zur Versendung an die Abnehmer der Alleinvertreterin habe es nicht bedurft. Die Stpfl. bestreitet die Richtigkeit dieser Feststellung des FG und gibt ihrerseits eine eingehende Darstellung über das Verhältnis der Alleinvertreterin zu den beiden Einbaufirmen. An sich ist der Senat an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Es kann deshalb neues tatsächliches Vorbringen durch den Senat nicht berücksichtigt werden.

Die Stpfl. hat im Verfahren vor dem FG stets vorgetragen, daß die beiden Einbaufirmen von ihrem ausländischen Alleinvertreter zum Einbau der Motoren beauftragt worden seien. Diese Darstellung ist vom FA bestritten worden. Der Sachverhalt hätte daher insoweit vom FG von Amts wegen erforscht werden müssen (§ 76 Abs. 1 FGO), bevor es der Urteilsfindung die Feststellung zugrunde legte, daß ein Auftrag der Alleinvertreterin an die Einbaufirmen offensichtlich nicht vorgelegen habe. Die Verletzung der Verfahrensvorschrift ist auch gerügt. Die Rüge ist darin zu erblicken, daß die Stpfl. in der Revision die Feststellung des FG in substantiierter Form bestreitet und die Darstellung des Sachverhalts inhaltlich mit dem Vorbringen dem FG gegenüber übereinstimmt. Unter diesen Umständen war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 118 Abs. 3 in Verbindung mit § 126 Abs. 3 FGO).

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Prüfung, ob ein Abholfall im Sinne des § 7 Abs. 1 Ziff. 2 AusfFördG vorliegt. Nach dieser Vorschrift ist nämlich vorausgesetzt, daß der Antragsteller den Gegenstand im Inland liefert, d. h. daß er dem ausländischen Abnehmer die Verfügungsmacht im Inland durch tatsächliche übergabe verschafft und daß der ausländische Abnehmer selbst oder durch einen beauftragten Dritten den Gegenstand ausführt. Im Streitfall ist nicht zu erkennen, inwieweit die Stpfl. an ihre ausländische Abnehmerin im Inland bereits die tatsächliche Verfügungsmacht übertragen hat. Denn nach dem unstreitigen Sachverhalt hat die inländische Abnehmerin die Motoren nicht selbst abgeholt. Die Motoren sind vielmehr an die beiden Einbaufirmen versandt worden. Unter diesen Umständen kann die ausländische Alleinvertreterin der Stpfl. Verfügungsmacht an den Motoren nur dann erhalten haben, wenn die beiden Einbaufirmen Beauftragte der ausländischen Abnehmerin gewesen sind (vgl. § 2 Abs. 2 UStDB).

Ergibt die Aufklärung des Sachverhalts durch das FG, daß die inländischen Einbaufirmen tatsächlich Beauftragte der ausländischen Alleinvertreterin der Stpfl. gewesen sind, so wird das FG weiter zu prüfen haben, ob der Ausfuhrnachweis erbracht ist. Die Stpfl. behauptet, diesen durch Grenzzollbescheinigungen führen zu können. Das FG wird, soweit es sich um ordnungsgemäße Grenzzollbescheinigungen handelt, diese anerkennen können, soweit sie nach ihrem Inhalt die Ausfuhr der an die Einbaufirmen übergebenen Motoren in einer vernünftige Zweifel ausschließenden Weise beweisen.

Die übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO; der Streitwert bestimmt sich nach § 140 Abs. 3 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412411

BStBl III 1967, 145

BFHE 1967, 375

BFHE 87, 375

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