Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass von Nachzahlungszinsen bei nachträglicher Zuordnung von Einkünften zu einem anderen Veranlagungszeitraum

 

Leitsatz (NV)

Werden nachträglich zunächst vor 1989 besteuerte Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum nach 1988 der Einkommensteuer unterworfen, sind Nachforderungszinsen nur in der Höhe zu erlassen, als Erstattungszinsen zur Einkommensteuer des früheren Veranlagungszeitraums angefallen wären, wenn § 233a AO 1977 i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 auch in diesem Veranlagungszeitraum gegolten hätte. Ein weitergehender Erlass der Zinsen nach § 233a AO 1977 kommt angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung im Steuerreformgesetz 1990, den Zinslauf auf vier Jahre zu begrenzen, nicht in Betracht.

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 1, §§ 227, 233a

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 18.05.2004; Aktenzeichen 15 K 537/01)

 

Tatbestand

I. Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) sind Gesamtrechtsnachfolgerinnen ihrer in den Jahren 1993 bzw. 1999 verstorbenen Eltern, die in den Jahren 1988 und 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Mit dem nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Steuerbescheid vom 16. Februar 1994 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer für das Jahr 1988 unter erstmaliger Berücksichtigung eines gesondert festgestellten Veräußerungsgewinns in Höhe von 3 159 877 DM auf 691 906 DM fest. Ohne Ansatz des Veräußerungsgewinns hätte die Einkommensteuer 0 DM betragen. Mit Einkommensteuerbescheid 1988 vom 21. Juli 1999 wurde die Steuer auf 698 538 DM heraufgesetzt. Die Einkommensteuer für das Jahr 1988 wurde wie folgt entrichtet:

vor dem 1. April 1990

17 559,00 DM

12. November 1990

32 043,70 DM

14. Januar 1990

122 221,30 DM

17. September 1993

3 663,45 DM

28. September 1993

1 118,06 DM

17. Dezember 1993

22 317,70 DM

25. Januar 1994

6 475,34 DM

8. März 1994

486 469,45 DM

8. Juli 1999

1 092,00 DM

12. August 1999

5 540,00 DM

Die Einkommensteuer für das Jahr 1990, die zunächst aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen auf 256 600 DM (Bescheid vom 18. August 1993) festgesetzt und nach Abgabe der Steuererklärung auf 194 515 DM herabgesetzt worden war (Bescheid vom 11. Juni 1994), wurde durch den weiteren Änderungsbescheid vom 25. Oktober 1995 auf 195 125 DM festgesetzt.

Nachdem durch geänderte Feststellungsbescheide für die Jahre 1988 und 1990 der zunächst im Jahr 1988 erfasste Veräußerungsgewinn dem Jahr 1990 zugeordnet worden war, setzte das FA mit Bescheiden vom 15. Februar 2001 die Einkommensteuer für das Jahr 1988 auf 0 DM herab und die Einkommensteuer für das Jahr 1990 auf 1 006 732 DM herauf. Mit der geänderten Einkommensteuerfestsetzung 1990 wurde die Festsetzung von Nachzahlungszinsen in Höhe von 192 526 DM verbunden. Das FA berechnete die Zinsen auf der Grundlage eines abgerundeten Unterschiedsbetrags von 811 600 DM für die Zeit vom 1. April 1992 bis zum 31. März 1996.

Dem Antrag der Klägerinnen vom 19. März 2001, die für 1990 festgesetzten Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, entsprach das FA mit Bescheid vom 27. April 2001 in Höhe eines Teilbetrags von 34 388 DM. Im Übrigen lehnte es den Erlassantrag ab. Der erlassene Teilbetrag entspricht den Erstattungszinsen, die für das Jahr 1988 festzusetzen gewesen wären, wenn die Regelung des § 233a AO 1977 in diesem Jahr bereits gegolten hätte.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) in Höhe eines Teilbetrags von 24 869,24 € statt. Wechselwirkungen, die sich aus Gewinnverlagerungen für die betroffenen Veranlagungszeiträume ergäben, könnten bei der Billigkeitsprüfung der Zinsfestsetzung nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Im Streitfall sei die Entstehung von nach § 233a AO 1977 auszugleichenden Liquiditätsvorteilen aus der verspäteten Erfassung des Veräußerungsgewinns für das Jahr 1990 insoweit ausgeschlossen, als dieser während des Verzinsungszeitraums für 1990 bereits die Steuerfestsetzung für 1988 erhöht habe und die darauf entfallende Steuer von den Klägerinnen bzw. ihren Rechtsvorgängern tatsächlich entrichtet worden sei.

Der Veräußerungsgewinn sei in der Steuerfestsetzung für das Jahr 1988 erstmals im Änderungsbescheid vom 16. Februar 1994 erfasst worden. Da die aus diesem Einkommensteuerbescheid resultierende Abschlusszahlung noch im März 1994 vollständig entrichtet worden sei, enthalte der für die Berechnung der Nachzahlungszinsen für 1990 maßgebliche Unterschiedsbetrag von 811 600 DM einen Teilbetrag in Höhe von 691 900 DM, der dem FA bereits seit April 1994 ausschließlich aufgrund der unzutreffenden Erfassung des Veräußerungsgewinns im Jahr 1988 zur Verfügung gestanden habe. Die Erhebung der darauf für die Zeit von April 1994 bis März 1996 entfallenden Nachzahlungszinsen in Höhe von 83 028 DM sei sachlich unbillig.

Eine zusätzliche Minderung der Nachzahlungszinsen im Hinblick darauf, dass das Jahr 1988 noch nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 233a AO 1977 falle und der Veräußerungsgewinn über die zeitliche Grenze der Vollverzinsung hinwegverlagert worden sei, komme nicht in Betracht. Auch wenn die Regelung des § 233a AO 1977 bereits für 1988 gegolten hätte, wären für dieses Jahr keine Erstattungszinsen festzusetzen gewesen, die auf der zunächst erfolgten und später rückgängig gemachten Erfassung des Veräußerungsgewinns beruht hätten. Die aufgrund des Änderungsbescheids für 1988 vom 16. Februar 1994 festgesetzte Steuer sei erst im März 1994 und damit im letzten Monat des nach § 233a Abs. 2 Satz 3 AO 1977 i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) --a.F.-- auf vier Jahre begrenzten Verzinsungszeitraums entrichtet worden, so dass sie bei der Ermittlung der Erstattungszinsen für 1988 nicht mehr zu berücksichtigen gewesen wäre.

Angesichts des vom FA bereits erlassenen Teilbetrags in Höhe von 34 388 DM verbleibe noch ein zu erlassender Betrag in Höhe von 48 640 DM bzw. 24 869,24 €, zu dessen Erlass das FA zu verpflichten gewesen sei.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 227 AO 1977 bzw. § 233a AO 1977 a.F. Die Auslegung von § 233a AO 1977 a.F. müsse die typisierenden Grundannahmen des Gesetzgebers zur Höhe der Verzinsung und zum Zinslauf respektieren. Deshalb seien die allgemeinen Regelungen des § 233a AO 1977 a.F. auch bei der Verzinsung solcher Steuernachforderungen und Steuererstattungen zu beachten, die in engem sachlichen Zusammenhang zueinander stünden. Führe eine Gewinnverlagerung sowohl zu einer Steuernachforderung als auch zu einer Steuererstattung, sei hinsichtlich der Verzinsung nach § 233a AO 1977 a.F. grundsätzlich auf die Steueransprüche der einzelnen Jahre abzustellen, ohne auf Wechselwirkungen mit dem jeweiligen anderen Besteuerungszeitraum einzugehen. Die Auffassung des FG verkenne, dass für die Zinsberechnung der Grundsatz der Sollverzinsung gelte. Durch die Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Zahlung im Jahr 1994 würde der Grundsatz der Sollverzinsung eingeschränkt, da insoweit die Berechnungsgrundlage nicht mehr der Unterschied zwischen vorher und später festgesetztem Soll, sondern im Wege des Billigkeitserlasses faktisch nur noch die über den gezahlten Betrag hinausgehende Differenz wäre. Unberücksichtigt bleibe bei dieser Betrachtungsweise, dass dem Steuerpflichtigen bei einer frühzeitigen Zahlung der Einkommensteuer für das Jahr 1988 in voller Höhe am 1. Januar 1989 Erstattungszinsen --sofern § 233a AO 1977 hier zeitlich anwendbar gewesen wäre-- für den Zeitraum vom 1. April 1990 bis 31. März 1994 zugestanden hätten. Ein Billigkeitserlass im Streitfall führe zu einer Umgehung der Begrenzung des Zinslaufs auf vier Jahre. Die im Prinzip der Soll- und Istverzinsung enthaltenen scheinbaren Unbilligkeiten seien vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden.

Zwar sei richtig, dass dem Staat keine Liquiditätsnachteile entstanden seien. Zweck der Vorschrift sei es aber, Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheids objektiv und typischerweise entstehen könnten, mit Hilfe der sog. Vollverzinsung auszugleichen. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden seien, sei unbeachtlich.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen haben im Revisionsverfahren keinen Sachantrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat der Klage zu Unrecht in Höhe eines Teilbetrags von 24 869,24 € stattgegeben. Die Ablehnung dieses Teilerlasses durch das FA ist nicht ermessensfehlerhaft. Die Einziehung der streitigen Nachforderungszinsen ist nicht unbillig i.S. des § 227 AO 1977. Sachliche Billigkeitsgründe, die hier allein in Betracht kommen, sind nicht gegeben.

1. Nach § 227 AO 1977 können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

a) Nachforderungszinsen sind Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 AO 1977, denn sie gehören nach § 3 Abs. 3 AO 1977 zu den steuerlichen Nebenleistungen. Sie können nach § 227 AO 1977 aus Billigkeitsgründen erlassen werden (Senatsurteil vom 5. Juni 1996 X R 234/93, BFHE 180, 240, BStBl II 1996, 503, m.w.N.).

b) Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603) und unterliegt deshalb gemäß § 102 FGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht gemäß § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung zum Erlass aussprechen (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. November 1997 IX R 28/96, BFHE 185, 94, BStBl II 1998, 550, m.w.N.).

2. Das FG hat nach diesem Prüfungsmaßstab zu Unrecht eine Verletzung des Ermessens bejaht und das FA zu Unrecht zu einem Teilerlass verurteilt. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen lassen weder Rechts- noch Ermessensfehler erkennen. Zutreffend hat das FA angenommen, dass die Erhebung der Nachforderungszinsen zur Einkommensteuer 1990 im Streitfall nicht sachlich unbillig ist.

a) Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht oder nicht mehr zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (vgl. z.B. Senatsurteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297, m.w.N.). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können jedoch nicht einen Billigkeitserlass rechtfertigen. Die generelle Geltungsanordnung des Gesetzes darf durch eine Billigkeitsmaßnahme nicht unterlaufen werden.

Diese Grundsätze gelten auch für den Erlass festgesetzter Zinsen nach § 233a AO 1977 (vgl. BFH-Urteil vom 16. August 2001 V R 72/00, BFH/NV 2002, 545, m.w.N.).

b) Zweck der Regelungen in § 233a AO 1977 ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 11/2157, S. 194). Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheids objektiv oder typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden (BFH-Urteile in BFHE 185, 94, BStBl II 1998, 550, und vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446). Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich.

Für nachträgliche Verschiebungen von Einkünften zwischen verschiedenen Veranlagungszeiträumen hat das im Rahmen des Verzinsungszeitraums gemäß § 233a Abs. 2 AO 1977 zur Folge, dass die zu erstattende Einkommensteuer für das eine Jahr zugunsten des Steuerpflichtigen zu verzinsen ist, während dem Fiskus Zinsen für die Einkommensteuernachforderung des anderen Jahres zustehen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob ein Gewinn in einem früheren oder späteren Veranlagungszeitraum als bisher geschehen zu besteuern ist (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 69/97, BFHE 187, 198).

c) Auch wenn der Zinslauf im Streitfall nur 24 Monate betragen hätte, wenn der Veräußerungsgewinn von Anfang an dem "richtigen" Veranlagungszeitraum 1990 zugeordnet und in einem Steuerbescheid für 1990 erfasst worden wäre, war die Ablehnung eines Teilerlasses für die für den Zeitraum vom 1. April 1994 bis 31. März 1996 festgesetzten Nachzahlungszinsen durch das FA nicht ermessensfehlerhaft (vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung --AEAO-- Zu § 233a Anm. 70.3; Heuermann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 233a AO 1977 Rz. 96; Kögel in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 233a AO 1977, Rz. 108; Schwarz, Abgabenordnung, § 233a Rz. 27a; Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 233a Rz. 55 a.E.; Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 233a Rz. 100; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 233a AO 1977 Rz. 61). Das FA hat seine ablehnende Entscheidung zu Recht darauf gestützt, dass die allgemeinen Regelungen des § 233a AO 1977 nach dem Willen des Gesetzgebers auch bei der Verzinsung solcher Steuernachforderungen und -erstattungen zu beachten sind, die in engem sachlichen Zusammenhang stehen (z.B. bei Gewinnverlagerungen). In der öffentlichen Anhörung zum Steuerreformgesetz 1990, mit dem die Verzinsung nach § 233a AO 1977 eingeführt worden war, hat der Bundesverband der Deutschen Industrie u.a. eingewendet, dass die Verzinsung auch "bloße Gewinnverlagerungen" erfasse und daher Auseinandersetzungen zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen zur Folge haben werde (BTDrucks 11/2536, S. 22). Gleichwohl hat der Gesetzgeber in Kenntnis dieses Umstands an der Einführung der Vollverzinsung nach § 233a AO 1977 festgehalten und keine Sonderregelung für Fälle getroffen, in denen Steuernachforderungen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit Steuererstattungen stehen (vgl. bereits Kruse, Finanz-Rundschau 1988, 1, 10).

d) Den Besonderheiten des Streitfalles, dass nach § 233a AO 1977 i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 zwar die Nachzahlung für den späteren Veranlagungszeitraum (1990) zur Festsetzung von Nachforderungszinsen führt, die korrespondierende Steuererstattung für den Veranlagungszeitraum der ursprünglichen Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns (1988) mangels zeitlicher Anwendbarkeit des erst ab 1989 geltenden § 233a AO 1977 keine Festsetzung von Erstattungszinsen nach sich zieht, hat das FA entsprechend den im BFH-Urteil in BFHE 187, 198 entwickelten Grundsätzen Rechnung getragen und die Nachforderungszinsen zur Einkommensteuer 1990 in der Höhe erlassen, als Erstattungszinsen zur Einkommensteuer 1988 angefallen wären, würde § 233a AO 1977 i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 auch im Veranlagungszeitraum 1988 gelten. Ein weitergehender Erlass der Zinsen nach § 233a AO 1977 kommt angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung im Steuerreformgesetz 1990, den Zinslauf nach § 233a AO 1977 auf vier Jahre zu begrenzen, nicht in Betracht.

e) Auch der Gesichtspunkt, dass die Finanzverwaltung sachliche Billigkeitsgründe bejaht, wenn Steuerpflichtige bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbringen und das FA diese Leistungen angenommen und behalten hat (vgl. AEAO, Zu § 233a Anm. 70.1.1), führt im Streitfall nicht zu dem von den Klägerinnen begehrten Erlass der Nachforderungszinsen. Die Klägerinnen bzw. ihre Rechtsvorgänger haben gerade keine freiwillige Zahlung geleistet, sondern im März 1994 die festgesetzte Einkommensteuer für 1988 entrichtet. Mit dieser wirksamen Steuerfestsetzung für 1988 bestand bis zum Ergehen der Änderungsfestsetzung ein formeller Zahlungsgrund i.S. des § 218 Abs. 1 AO 1977 für die von den Rechtsvorgängern der Klägerinnen geleisteten Zahlungen. Erst mit Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung kann ein sich daraus ggf. ergebender Erstattungsanspruch zur Tilgung anderer Steueransprüche, insbesondere im Wege einer Verrechnung, verwendet werden. Diese Verrechnung wirkt aber erst ab Fälligkeit des Erstattungsanspruchs, d.h. ab Bekanntgabe der korrigierten Steuerfestsetzung (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).

3. Das FG-Urteil kann mithin keinen Bestand haben. Die Klage ist vielmehr abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1484076

BFH/NV 2006, 697

HFR 2006, 341

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge