Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur steuerlichen Behandlung von solchen Zuweisungen an Unterstützungskassen für 1951, die vor Verkündung des Gesetzes über die Behandlung von Zuwendungen an Unterstützungskassen vom 26. März 1952 erfolgt sind.

KStG 1951 § 4 Abs. 1 Ziff. 7; KStDV § 12; Gesetz über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 7; KStDV § 12; ZuwG § 2/2/1/b, § 4

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat am 20. Dezember 1951 eine Pensions- und Unterstützungskasse ohne Rechtsanspruch für Betriebsangehörige gegründet. Die Eintragung der Kasse im Vereinsregister erfolgte am 22. Januar 1952. Die Bfin. wandte daraufhin dieser Kasse am 22. Februar 1952 einen Betrag von 31.585,87 DM unwiderruflich zu. Die Kasse stellte diese Summe der Bfin. alsbald wieder darlehensweise zur Verfügung. Die Zuwendung sollte zum 31. Dezember 1951 rückwirkend erfolgen und hat den Bilanzgewinn des Jahres 1951 um den gesamten Betrag gemindert. Seit September bzw. Oktober 1952 wurden an sieben Mitglieder Rentenbeträge gezahlt. Die Aufnahme dieser Betriebsangehörigen als Vereinsmitglieder erfolgte im Juli 1952; sie stellten im August bzw. im September 1952 Anträge auf Gewährung einer Unterstützung.

Unter Bezug auf § 2 Abs. 2 Ziff. 1b des Gesetzes über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag vom 26. März 1952 (Bundessteuerblatt - BStBl. - I S. 227) erkannte das Finanzamt bei der Körperschaftsteuer-Veranlagung für 1951 nur einen Betrag von 9.475,87 DM (1/2 v. H. der Lohn- und Gehaltssumme) als Betriebsausgabe an und erhöhte den körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn um 22.110 DM.

Hiergegen hat die Bfin. Sprungberufung mit der Begründung eingelegt, im Zeitpunkt der Zuwendung habe noch die Verordnung vom 1. Dezember 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1950 S. 779) gegolten, die eine steuerfreie Zuwendung in Höhe von 5 v. H. der Lohn- und Gehaltssummen zugelassen habe. Eine Rückwirkung des Gesetzes vom 26. März 1952 sei jedenfalls dann unzulässig und auch nicht gewollt, wenn bei Verkündung des Gesetzes bereits eine unwiderrufliche Zuwendung nach der Verordnung vom 1. Dezember 1950 erfolgt sei. Das Finanzamt wandte hiergegen ein, daß das Gesetz vom 26. März 1952 im § 4 mit rückwirkender Kraft ausgestattet und ordnungsmäßig verkündet worden sei. Im Berufungsverfahren trat das Finanzgericht der Auffassung des Finanzamts bei.

Der Senat hat dem Bundesminister der Finanzen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Er hat sich wie folgt geäußert: Schreiben vom 23. Dezember 1954:

In der Rechtsbeschwerde ist streitig, ob die nach dem vorbezeichneten Gesetz vorgesehene Rückwirkung der Regelung des § 2 auf den Veranlagungszeitraum 1951 rechtsgültig ist, ..... Ich nehme dazu wie folgt Stellung:

Durch das am 28. März 1952 verkündete Gesetz über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag ist die steuerliche Behandlung der Zuwendungen an betriebliche Unterstützungskassen ausdrücklich mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1951 geändert worden. An einer rückwirkenden änderung gesetzlicher Vorschriften ist der Gesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil vom 24. April 1953 - I BvR 102/51 - "eine überpositivrechtliche Norm", die jede Rückwirkung von Gesetzen ausschließt, nicht anerkannt. Auch gibt es keine verfassungsrechtliche Vorschrift, die die Frage der Rückwirkung von Gesetzen regelt. In dem Urteil vom 30. April 1952 - I BvR 14,25 167/52 - hat das Bundesverfassungsgericht nur ausgesprochen, daß es für die - an sich zulässige - Rückwirkung von Gesetzen Grenzen gibt. Diese will es etwa dort sehen, wo ein Gesetz rückwirkende Eingriffe in Rechte oder Rechtslagen des Staatsbürgers vornimmt, mit denen dieser in dem Zeitpunkt, von dem ab sie gelten sollen, nicht rechnen konnte und die er also bei einer verständigen Vorausschau im privaten und beruflichen Bereich nicht zu berücksichtigen brauchte (Hinweis auf die Entscheidung des BFH vom 9. Juni 1953 - BStBl. 1953 III S. 250 -, die die Ausführungen wiedergibt).

Diese Voraussetzung ist bei der änderung der Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Unterstützungskassen durch das Gesetz vom 26. März 1952 nicht gegeben. Zwar war die steuerliche Behandlung der Zuwendungen an betriebliche Unterstützungskassen durch die Verordnung vom 1. Dezember 1950 zeitlich nicht begrenzt. Im Laufe des Jahres 1951 wurde aber in der Literatur verschiedentlich darauf hingewiesen, daß die steuerliche Behandlung der Zuwendungen an betriebliche Unterstützungskassen mit Wirkung vom 1. Januar 1951 zusammen mit der änderung der Behandlung der Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen durch ein Gesetz geregelt werden sollte (z. B. "Der Betriebs-Berater" - Sonderdienst für betriebliche Altersfürsorge - Folge 3 vom 20. April 1951). Wenn auch der im April 1951 den gesetzgebenden Organen vorgelegte Regierungsentwurf für Zuwendungen an Unterstützungskassen vorsah, grundsätzlich die Regelung beizubehalten, die im § 2 der Verordnung niedergelegt war, so mußte doch eine änderung des Entwurfs mit Wirkung vom 1. Januar 1951 auf Grund der parlamentarischen Beratungen in Rechnung gestellt werden. Es konnte nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß die gesetzgebenden Körperschaften den Regierungsentwurf unverändert zum Gesetz erheben würden.

Im übrigen stellt die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Unterstützungskassen nach § 2 des Gesetzes vom 26. März 1952 nicht in jedem Fall eine Verschlechterung gegenüber der Verordnung dar. Maßgebend für die änderung der Regierungsvorlage im Bundestag war u. a. die Erwägung, daß die Unterstützungskassen mit einer großen Zahl von Pensionären bessergestellt werden sollten als Kassen, bei denen noch nicht laufend Pensionszahlungen geleistet wurden. Wenn eine Kasse bereits laufende Leistungen gewährt, soll das für die Finanzierung dieser Leistungen erforderliche Deckungskapital alsbald zugewiesen werden können, um die Weiterzahlung der Pensionen sicherzustellen. Dies erschien auch deshalb erforderlich, weil nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte nach Ablauf einer bestimmten Frist ein Rechtsanspruch auf Weitergewährung einer Pension entsteht. Soweit eine Unterstützungskasse noch keine Pensionszahlungen leistet, besteht das Bedürfnis auf Bildung eines vollen Deckungskapitals noch nicht, weil ein Rechtsanspruch gegen die Kasse nicht gegeben ist.

An Unterstützungskassen, die am 31. Dezember 1951 bereits Pensionen zahlten, können daher nach der gesetzlichen Regelung im allgemeinen höhere Zuwendungen gemacht werden, als nach der Verordnung zulässig gewesen wäre. Dafür nahm der Gesetzgeber eine Schlechterstellung der Unterstützungskassen in Kauf, die noch keine Pensionen zu zahlen hatten. Wirkt sich die neue Regelung im Einzelfall dahin aus, daß im Jahr 1951 nur eine geringere Zuweisung zur Unterstützungskasse möglich ist, als nach der Verordnung zulässig gewesen wäre, so muß das im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden. Die Anwendung des Gesetzes entsprechend dem eindeutigen Wortlaut führt nicht zu ungewollten Ergebnissen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich die Rückwirkung angeordnet. Daran war er um so weniger gehindert, als für 1951 bereits zugewendete Beträge, die die zulässigen Zuwendungen übersteigen, nicht gänzlich, sondern nur für 1951 vom Abzug ausgeschlossen sind. Für den überschießenden Betrag kann in die Bilanz ein Rechnungsabgrenzungsposten eingestellt werden, der im nächsten Jahr ganz oder teilweise gewinnmindernd aufgelöst werden kann. Schreiben vom 2. April 1955:

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, daß sie davon ausgehen konnte, daß der Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag keine wesentlichen änderungen mehr erfahren würde, nachdem er den gesetzgebenden Körperschaften bereits neun Monate vorlag.

Diese Auffassung entspricht nicht der allgemeinen Erfahrung. Aus den sich über viele Monate erstreckenden Beratungen des verhältnismäßig kurzen Gesetzentwurfs mußte nach der allgemeinen Erfahrung geschlossen werden, daß die Regierungsvorlage zum mindesten nicht die uneingeschränkte Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften gefunden hatte. Bei einer verständigen Vorausschau mußte deshalb gerade aus diesem Umstand die Folgerung gezogen werden, daß änderungen gegenüber der Regierungsvorlage zu erwarten seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde (Rb.) ergibt folgendes:

Das Gesetz vom 26. März 1952 hat für Zuwendungen an Unterstützungskassen, bei denen laufende Leistungen am 31. Dezember 1951 noch nicht getätigt worden sind, eine Verschlechterung der Rechtslage mit Rückwirkung gebracht. Zur Frage der Rückwirkung in Steuergesetzen hat der Senat in den Entscheidungen I 34/53 S vom 9. Juni 1953, Slg. Bd. 57 S. 654, BStBl. III S. 250, und I 33/53 U vom 8. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 70, BStBl. III S. 318, eingehend Stellung genommen. Er hat das Recht des Gesetzgebers, Gesetze mit Rückwirkung zu erlassen, grundsätzlich anerkannt. Gleichzeitig hat er aber auf die Bedenken hingewiesen, die gegen eine rückwirkende Verschlechterung des Rechtszustandes der Steuerpflichtigen bestehen.

Auch der Bundestag war sich bei der Verabschiedung des Gesetzes vom 26. März 1952 der Bedenken gegen die Rückwirkung bewußt. In der Sitzung des Bundestages hat der Berichterstatter unter anderem folgendes ausgeführt (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht Bd. 10 S. 8069):

"Seitens der Finanzbehörden ist weiterhin den in Frage kommenden Firmen mit Pensionskassen mitgeteilt worden, daß diese Regelung erfolgt. Die Bilanzabschlüsse für diese Zeit sind auch noch nicht getätigt worden. Es handelt sich um ungefähr 300 Firmen im Gesamtgebiet des Bundes".

Der Bundestag ging somit davon aus, daß die Zuweisungen an die Unterstützungskassen erst nach Erlaß des Gesetzes in Verbindung mit der Beschlußfassung über die Bilanz 1951 vorgenommen würden, wie das wohl im allgemeinen auch zugetroffen hat.

Gegen die Rückwirkung der Verschlechterung des Rechtszustandes der Steuerpflichtigen wird in der Literatur unter Hinweis auf Art. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) geltend gemacht, daß ein Steuerpflichtiger sich bei seinen Maßnahmen ihrer Tragweite bewußt sein müsse. Das erfordere die Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften und ihre Auswirkung (siehe Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 33/53 U). Der Bundestag wollte, wie sich aus den oben mitgeteilten äußerungen des Berichterstatters ergibt, gegen diese Grundsätze nicht verstoßen.

Im Streitfall ist über die Zuwendungen an die Unterstützungskassen am 22. Februar 1952 Beschluß gefaßt worden, also bereits vor Erlaß des Gesetzes. Wie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 204/53 U vom 28. Juni 1955, BStBl. 1955 III S. 262, ausgeführt, kann von einem Steuerpflichtigen nicht verlangt werden, daß er die Verhandlungen der gesetzgebenden Körperschaften verfolgt, um seine Maßnahmen entsprechend einzurichten. Im allgemeinen wird dem Steuerpflichtigen der Wille des Gesetzgebers erst durch die Verkündung des Gesetzes mitgeteilt. Die Lage kann eine andere sein, wenn es sich um Fragen handelt, die schon vor Verabschiedung des Gesetzes die öffentlichkeit allgemein bewegen.

Wie oben ausgeführt, ging der Gesetzgeber davon aus, daß die Firmen bei der Beschlußfassung über die Zuweisungen an die Unterstützungskassen über den gesetzgeberischen Willen unterrichtet waren. Die Unterlagen lassen nicht erkennen, daß der Bfin. vor dem Beschluß vom 22. Februar 1952 ein Schreiben der vom Berichterstatter des Bundestages bezeichneten Art von der Finanzbehörde zugegangen ist. Es ist dies auch nicht anzunehmen. Der Senat sieht einen Sonderfall im Sinne der Entscheidung I 57/52 U vom 8. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 138, BStBl. III S. 344, für gegeben und erkennt dem § 2 Abs. 2 Ziff. 1 b des Gesetzes vom 26. März 1952 insoweit die Rückwirkung nicht zu. Das hat allerdings die Folge, daß bei der Veranlagung 1951 Unterschiede auftreten können, je nachdem Steuerpflichtige vor oder nach Verkündung des Gesetzes Beträge an Unterstützungskassen überwiesen haben.

Die Entscheidung I 57/52 U vom 8. September 1953 ist für die Verordnung vom 1. Dezember 1950 zu einem anderen Ergebnis gekommen. Es muß jedoch der grundlegende Unterschied der Rechtslage zum Gesetz vom 26. März 1952 beachtet werden. Im Falle der Verordnung vom 1. Dezember 1950 wurde eine Ermächtigung des Gesetzgebers zum Erlaß einer Verordnung mit Rückwirkung nicht angenommen (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 33/53 U). Das Gesetz vom 26. März 1952 hat die Rückwirkung ausdrücklich angeordnet. Wie bereits ausgeführt, ist der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, Gesetzen die Rückwirkung zuzulegen. Begrenzt man die Rückwirkung des Gesetzes vom 26. März 1952 durch die oben gegebene Auslegung, so wird man einen Verstoß gegen das GG und überpositives, auch den Verfassungsgeber bindendes Recht (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvG 1/51 vom 23. Oktober 1951 Rechtssatz 27, Slg. Bd. 1 S. 14/18) nicht annehmen können. Das Gesetz ist somit auch insoweit wirksam erlassen. Der Senat geht lediglich davon aus, daß die Rückwirkung Sonderfälle der vorliegenden Art nicht treffen soll. Siehe auch den vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß 1 BvL 104/52 vom 7. Mai 1953, Rechtssatz 4 (Slg. Bd. 2 S. 267), ausgesprochenen Grundsatz, daß ein Gesetz nicht verfassungswidrig ist, wenn eine Auslegung möglich ist, die im Einklang mit dem GG steht und das Gesetz bei dieser Auslegung sinnvoll bleibt.

Vom Standpunkt der gleichmäßigen Behandlung der Steuerpflichtigen könnten gegen diese Auslegung Bedenken geltend gemacht werden. Man wird jedoch den Bedenken gegen die Rückwirkung auf die Fälle der Zuweisungen an Unterstützungskassen vor Verkündung des Gesetzes gegenüber diesen Bedenken den Vorrang einräumen müssen. Gegen den Gleichheitsgrundsatz des § 3 GG wird nicht verstoßen, da die Fälle der Zuweisung an die Unterstützungskassen vor und nach Verkündung des Gesetzes verschieden liegen (zum Gleichheitsgrundsatz siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 1953 - 1 BvR 323/51, 195/51, 138/52, 283/52, 319/52 - Rechtssatz 4, Slg. Bd. 3 S. 162).

Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur Durchführung der Veranlagung entsprechend den dargestellten Grundsätzen an das Finanzamt zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423333

BStBl III 1955, 309

BFHE 1956, 289

BFHE 61, 289

DB 1955, 983

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