Leitsatz (amtlich)

1. Eine Anfechtungsklage gegen einen auf 0 DM Körperschaftsteuer lautenden Bescheid ist zulässig, wenn sie mit dem Ziel einer anderweitigen (fingierten) Feststellung des Einkommens geführt wird.

2. Fehlt es in dem angefochtenen Bescheid an dem fingiert feststellenden Ansatz eines Einkommens, so kann eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel erhoben werden, das Einkommen fingiert festzustellen, wenn das FA konkludent behauptet, der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid genüge den Voraussetzungen des § 47 Abs.2 KStG 1977.

 

Orientierungssatz

Ist das Einkommen in einem Körperschaftsteuerbescheid nicht gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 fingiert festgestellt worden, so ist die fehlende Feststellung durch Erlaß eines Ergänzungsbescheids gemäß § 179 Abs. 3 AO 1977 nachzuholen (Festhaltung an BFH-Urteil vom 9.12.1987 I R 35/86).

 

Normenkette

KStG 1977 § 47 Abs. 2 S. 2; AO 1977 § 179 Abs. 3, § 182 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2, 1

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, zahlte erhebliche als "Auslandsprovision" bezeichnete Beträge bar an eine nicht näher benannte Person, die für eine Firma in Brüssel tätig war.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte den Abzug der Beträge als Betriebsausgaben und erhöhte entsprechend den Gewinn der Klägerin. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

Während des Verfahrens vor dem Finanzgericht (FG) wurde der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid aufgrund eines Verlustrücktrages aus 1981 und 1982 vom FA am 26.Juli 1984 geändert und die Körperschaftsteuer auf 0 DM festgesetzt. Die Klägerin leitete den geänderten Bescheid in das Klageverfahren über.

Das FG wies die Klage ab.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine unrichtige Beweiswürdigung des FG und die fehlerhafte Anwendung des § 160 der Abgabenordnung (AO 1977).

Sie beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und den Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung insoweit abzuändern, daß die Auslandsprovisionen gewinnmindernd berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG hat übersehen, daß in dem geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1980 vom 26.Juli 1984, den die Klägerin in das Klageverfahren übergeleitet hat, die Körperschaftsteuer mit 0 DM festgesetzt wurde. Da die Klägerin keine abweichende Festsetzung der Körperschaftsteuer 1980 begehrt hat, ist der steuerfestsetzende Teil des Körperschaftsteuerbescheids nicht mehr Gegenstand der Klage. Insoweit ist die Hauptsache erledigt.

2. a) Der von der Klägerin vor dem FG gestellte Antrag ist auf den Ansatz eines anderweitigen Einkommens im Körperschaftsteuerbescheid 1980 gerichtet, der gemäß § 47 Abs.2 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 für Zwecke der Gliederungsrechnung als Grundlagenbescheid gilt. Eine entsprechende Anfechtungsklage ist in der Regel zulässig, weil das im Körperschaftsteuerbescheid fingiert festzustellende Einkommen in unveränderter Höhe Eingang in die Gliederungsrechnung findet (§ 182 Abs.1 AO 1977). Wird deshalb das Einkommen im Körperschaftsteuerbescheid zu hoch oder zu niedrig fingiert festgestellt, so muß die Steuerpflichtige den Körperschaftsteuerbescheid anfechten, um Nachteile für die Gliederungsrechnung zu vermeiden.

b) Allerdings ist der Körperschaftsteuerbescheid in dem oben genannten Sinne nur dann anfechtbar, wenn er einen fingiert feststellenden Ansatz des Einkommens enthält. Daran fehlt es im Streitfall. Der Körperschaftsteuerbescheid 1980 vom 26.Juli 1984 ist auf dem Vordruck "KSt 2 M" gefertigt. In dem Vordruck wird das "Einkommen" an keiner Stelle ausgewiesen. In verschiedenen Zeilen ist das zu versteuernde Einkommen angesetzt. An keiner Stelle findet sich jedoch der feststellende Verfügungssatz, der Aufschluß darüber geben könnte, welcher Betrag als Einkommen i.S. des § 47 Abs.2 Satz 2 KStG 1977 festgestellt gilt.

c) Zwar hat das FG in der Vorentscheidung die dem Körperschaftsteuerbescheid 1980 vom 26.Juli 1984 entnommenen Besteuerungsgrundlagen in tatsächlicher Hinsicht nicht ausdrücklich festgestellt (§ 118 Abs.2 FGO). Der Senat kann sie jedoch bei seiner Entscheidung berücksichtigen, weil das FG in der Vorentscheidung auf den Bescheid vom 26.Juli 1984 Bezug genommen hat. Damit gelten die in ihm unstreitig angesetzten Besteuerungsgrundlagen als i.S. des § 118 Abs.2 FGO festgestellt (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285).

3. Fehlt es an dem fingiert feststellenden Ansatz eines Einkommens 1980 im Körperschaftsteuerbescheid vom 26.Juli 1984, so fehlt es auch an einem entsprechenden fingierten Grundlagenbescheid, den die Klägerin hätte anfechten können. Dennoch ist die Klage der Klägerin deshalb nicht unzulässig. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß die Finanzverwaltung eine förmliche fingierte Feststellung des Einkommens im Körperschaftsteuerbescheid für entbehrlich hält. Nach Auffassung der Finanzverwaltung geht die in § 47 Abs.2 Satz 2 KStG 1977 i.V.m. § 182 Abs.1 AO 1977 vorgeschriebene Bindungswirkung von dem Einkommen aus, das das FA der Feststellung der Körperschaftsteuer 1980 zugrunde gelegt hat, auch wenn der Bescheid das Einkommen betragsmäßig nicht ausweist. Der Bescheid vom 26.Juli 1984 enthält damit den "Schein des Ansatzes eines Einkommens", von dem die Klägerin behauptet, daß es zu hoch fingiert festgestellt worden sei. Prozessual gesehen ist die Klägerin berechtigt, Anfechtungsklage auch gegen den Schein eines (hier: fingierten) Feststellungsbescheides zu erheben (BFH-Urteil vom 22.April 1986 VII R 123/80, BFH/NV 1986, 587).

4. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 9.Dezember 1987 I R 35/86 (BFHE 151, 566), entschieden, daß dann, wenn das Einkommen in einem Körperschaftsteuerbescheid nicht gemäß § 47 Abs.2 Satz 2 KStG 1977 fingiert festgestellt worden ist, die fehlende Feststellung durch Erlaß eines Ergänzungsbescheides gemäß § 179 Abs.3 AO 1977 nachzuholen ist. An der Auffassung hält der Senat fest. Sie führt im Ergebnis dazu, daß die Vorentscheidung aufzuheben ist. Das FG ist von einer falschen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.

Das FA kann durch Erlaß eines Ergänzungsbescheides die dem Bescheid vom 26.Juli 1984 anhaftenden Mängel heilen. Soweit die Klägerin dann den Antrag nach § 68 FGO stellt, kann der Rechtsstreit gegen den Ergänzungsbescheid fortgeführt werden.

Sollte das FA den Erlaß eines Ergänzungsbescheides ablehnen, kann der Ablehnungsbescheid in das Klageverfahren übergeleitet und die Klage in eine Verpflichtungsklage geändert werden. Sollte das FA weder einen positiven noch einen negativen Ergänzungsbescheid erlassen, wird das FG die Umstellung der Anfechtungsklage in eine Verpflichtungsklage anregen und das fingiert festzustellende Einkommen selbst ermitteln müssen. Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62022

BStBl II 1988, 683

BFHE 153, 219

BFHE 1989, 219

BB 1988, 1514-1515 (LT1-2)

DB 1988, 1634-1635 (LT)

HFR 1988, 499 (LT1-2)

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