Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer aus Lieferung eines Krans als Massekosten

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Frage, ob ein Werklieferungsvertrag über einen Kran dahin abgeändert werden kann, daß der Gemeinschuldner den Kran bereits vor Konkurseröffnung liefert, ihn aber erst nach Konkurseröffnung montiert.

2. Ist der Kran nach Konkurseröffnung ausgeliefert worden, gehört die Umsatzsteuer für die Lieferung zu den Massekosten.

 

Normenkette

UStG 1980 § 3 Abs. 1, 4; KO § 58 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der . . .GmbH (im folgenden: GmbH). Am 30. April 1982 beantragte die GmbH die Eröffnung des Konkursverfahrens. Am 3. Mai 1982 ordnete das Amtsgericht Sequestration an; der Kläger wurde zum Sequester bestellt. Am 1. Juli 1982 eröffnete das Amtsgericht das Konkursverfahren.

Gegenstand des Unternehmens der GmbH war der Bau von Kran- und Verladeanlagen. Mit Vertrag vom 29. Oktober 1981 erhielt die GmbH von der . . .AG (im folgenden: AG) den Auftrag zur Herstellung, Montage und betriebsbereiten Übernahme eines . . .krans. Als Gesamtnettofestpreis wurde ein Betrag von . . . DM vereinbart. Zum Liefertermin, d.h. zum Termin der betriebsbereiten Übernahme, wurde der 1. Juni 1982 bestimmt. Auf den vereinbarten Preis hatte die Bestellerin nach Ablauf der halben Lieferzeit . . . DM Vorauszahlung geleistet.

Nach Anordnung der Sequestration ,,kündigte" die AG unter Hinweis auf § 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) den Vertrag. Das Kündigungsschreiben ging am 12. Mai 1982 bei der GmbH ein. Mit Unterschriftsleistungen vom 7. und 10. Mai 1982 schloß der Kläger als Sequester mit der AG unter Bezugnahme auf den Vertrag vom 29. Oktober 1981 zwei neue Verträge. Gegenstand des einen Vertrages war die Lieferung des Kranes bis zum 30. Juni 1982, Gegenstand des anderen die Montage und betriebsbereite Übergabe, die bis Ende Juli 1982 erfolgt sein sollten. Für die Lieferungwurde ein Preis von . . . DM (zuzüglich ,,gesetzlicher Mehrwertsteuer"), für die Montage ein solcher von . . . DM (zuzüglich ,,gesetzlicher Mehrwertsteuer") vereinbart. Die aufgrund des ursprünglichen Vertrages geleistete Vorauszahlung wurde rückgängig gemacht. Zugleich wurde in gleicher Höhe eine Vorauszahlung aufgrund des neuen Vertrages auf das vom Kläger als Sequester eingerichtete Konkurs-Anderkonto gezahlt. Der Kran wurde zum 30. Juni 1982 fertiggestellt; zum gleichen Tage wurde eine Rechnung über eine Restzahlung von . . . DM erteilt.

Nach Eröffnung des Konkursverfahrens (1. Juli 1982) wurde der Kran vom Gelände der GmbH am 15., 16., 22. und 23. Juli 1982 verladen. Die Montage und betriebsbereite Übergabe wurden Ende August 1982 abgeschlossen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die beiden Verträge vom 7. und 10. Mai 1982 als einen einheitlichen Vertrag, der durch den Konkursverwalter im August 1982 erfüllt worden sei. Das FA war der Ansicht, mit der Erfüllung habe der Konkursverwalter die geschuldete Gesamtleistung erbracht, so daß die Gegenleistung im Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung August 1982 wie folgt zu erfassen sei:. . .

Das FA setzte die Umsatzsteuervorauszahlung für August 1982 entsprechend fest.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage beantragte der Kläger, die Umsatzsteuervorauszahlung für August 1982 um . . . DM geringer festzusetzen. Er trug vor, das FA nehme die Verträge vom 7. und 10. Mai 1982 nicht zur Kenntnis. Nach dem Rücktritt vom Vertrag durch die AG sei es Pflicht des Sequesters gewesen, Schaden von der Masse fernzuhalten. Dies sei ihm durch den Abschluß der beiden Verträge gelungen. Der nahezu fertiggestellte Kran hätte sonst verschrottet werden müssen.

Die Umgestaltung der Vertragslage führe dazu, daß die während der Sequestration begründete Umsatzsteuerforderung aus dem Liefervertrag im nachfolgenden Konkurs Konkursforderung sei, während die im nachfolgenden Konkursverfahren begründete Umsatzsteuerforderung aus dem Montagevertrag zu den Masseforderungen gehöre.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die GmbH habe im August 1982 eine einheitliche, aus Lieferung und sonstiger Leistung (Montage, betriebsbereite Übergabe) bestehende steuerpflichtige Leistung erbracht. Dies ergebe sich entweder daraus, daß der ursprüngliche Vertrag vom Oktober 1981 wirksam geblieben sei, weil die AG ein Rücktrittsrecht nicht besessen habe bzw. der Sequester zum Abschluß der neuen Verträge nicht befugt gewesen sei, oder daraus, daß zwar zwei (neue) Verträge vorlägen, umsatzsteuerrechtlich aber nur ein Gesamtvorgang gegeben sei, der nicht in zwei Leistungen - Lieferung und sonstige Leistung - aufgeteilt werden könne.

Mit der - vom FG zugelassenen - Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 76, 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des § 13 Abs. 1 Nr.1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980). Er trägt im wesentlichen folgendes vor: Das FG habe die Befugnisse des Sequesters und den Begriff der einheitlichen Leistung verkannt. Die Aufteilung der Leistung sei zulässig gewesen, weil zum einen der für die Sicherstellung der Abwicklung des Großauftrages verantwortliche Sequester und der Gemeinschuldner verschiedene Personen und Unternehmer seien. Zum anderen sei eine wirtschaftlich und technisch teilbare Leistung aus zwingenden Gründen in zwei Leistungen aufgeteilt worden.

Letzteres habe bei Berücksichtigung objektiver Maßstäbe im Interesse beider Vertragspartner gelegen. Der Besteller habe aufgrund des drohenden Konkurses die Lieferung des Kranes und seine Anzahlung als gefährdet ansehen müssen und sei deshalb vom Vertrag zurückgetreten. Mit den neuen Verträgen und der Übereignung des Kran-Rohbaues am 30. Juni 1982 habe er sein Risiko auf die Montage beschränken können. Diese hätte zudem jederzeit von einem anderen Unternehmen übernommen und zu Ende geführt werden können, falls der Sequester oder später der Konkursverwalter nach der Kündigung aller . . . Arbeitnehmer im Mai 1982 hierzu nicht mehr in der Lage gewesen wäre. Die Teilung des Vertrages habe ferner wegen des vorzeitigen Gefahrenüberganges mit der Übereignung des Kran-Rohbaues und des vorzeitigen Zahlungsanspruchs ohne Abzug sonst angefallener Konventionalstrafen nicht nur aus steuerlichen Gründen - was im übrigen nicht zu beanstanden sei -, auch im Interesse des Sequesters gelegen.

Verfahrensrügen erhebt der Kläger hinsichtlich der Tatsachenfeststellung zur mündlichen Rücktrittserklärung der AG und zu den Voraussetzungen eines Rücktrittsgrundes. Er beanstandet weiter, daß das FG die von ihm in der mündlichen Verhandlung als Beweis angebotene Vernehmung eines Zeugen darüber unterlassen habe, daß die GmbH den Werklieferungsvertrag bereits zum 30. Juni 1982 durch mündlich begründetes Besitzkonstitut erfüllt habe. Einen Beweisantrag hat der Kläger ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Verhandlung des FG vom 25. November 1987 nicht gestellt.

Der Kläger rügt schließlich, das FG habe entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung die Feststellung getroffen, daß der Montagevertrag auch die Pflicht zur betriebsbereiten Übergabe der Anlage enthalten habe und deshalb nicht von einem Dritten zu erfüllen gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die GmbH hatte den Kran der AG nicht bereits am 30. Juni 1982, d.h. vor Konkurseröffnung, gemäß § 3 Abs. 1 und 4 UStG 1980 geliefert. Der AG ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Verfügungsmacht an dem Kran verschafft worden. Vielmehr hat der Kläger den Kran nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH ausgeliefert, so daß das FA die Umsatzsteuer für die Lieferung zu Recht dem Kläger gegenüber in dem angefochtenen Steuerbescheid festgesetzt hat (§ 58 Nr.2 der Konkursordnung).

2. Unstreitig hatte der ursprüngliche Vertrag vom 29. Oktober 1981 die Lieferung des betriebsfertigen Krans zum Gegenstand. Der Liefervertrag vom Mai 1982 bezog sich wegen des Leistungsumfangs auf diesen Vertrag und nahm lediglich die Montageleistung - dementsprechend auch die Abnahme der Anlage - von der Lieferungspflicht aus. Die Montage war Gegenstand des gleichzeitig abgeschlossenen Montagevertrages.

a) Es kann dahinstehen, ob es für die Aufspaltung der Leistungspflichten beachtliche außersteuerliche Gründe gab, wie der Kläger geltend macht.

b) Selbst wenn es insoweit beachtliche wirtschaftliche Gründe gegeben hätte, würde die GmbH der AG die Verfügungsmacht am Kran nicht - vor Konkurseröffnung - am 30. Juni 1982 verschafft haben. Hierzu hätte die vom Kläger behauptete mündliche Übereignung des Krans mittels eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB) nicht ausgereicht.

Ein derartiges Besitzkonstitut würde ein Besitzmittlungsverhältnis voraussetzen, aufgrund dessen die GmbH als unmittelbare Besitzerin des Krans der AG den mittelbaren Besitz an diesem bis zu seiner Auslieferung verschafft hätte. Mittelbarer Besitz liegt vor, wenn der unmittelbare Besitzer einer Sache dem mittelbaren Besitzer gegenüber als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis zum Besitz berechtigt und verpflichtet ist (§ 868 BGB). Der mittelbare Besitz kann nicht durch bloß verbale Feststellung seines Bestehens vereinbart werden, sondern nur durch ein Rechtsverhältnis, das zum unmittelbaren Besitz berechtigt und verpflichtet, begründet werden.

Der vom FG festgestellte Sachverhalt deutet auf kein Rechtsverhältnis hin, aufgrund dessen die GmbH bis zur Auslieferung des Krans zum unmittelbaren Besitz berechtigt und verpflichtet gewesen wäre. Der Kläger hat die Vereinbarung eines derartigen konkreten Rechtsverhältnisses nicht vorgetragen. Die von ihm behauptete mündliche Vereinbarung eines Besitzkonstituts am 30. Juni 1982 genügt für die Erfüllung des Tatbestands des § 930 BGB nicht.

Hinzu kommt: Die GmbH schuldete der AG - sei es aufgrund des Liefervertrages vom Oktober 1981, sei es aufgrund des Liefervertrages vom Mai 1982 - nicht nur die Übereignung des Krans, sondern auch dessen körperliche Übergabe. Selbst wenn der körperlichen Übergabe des Krans eine Übereignung der damals noch nicht montierten Kranteile durch Besitzkonstitut vorangegangen wäre, hätte die GmbH dadurch ihre Lieferpflichten noch nicht erfüllt. Erst mit der Übereignung des Krans und dessen körperlichen Übergabe hätte sie der AG die Verfügungsmacht an ihm verschafft. Erst damit hätte sie der AG den Kran geliefert.

3. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen der mangelhaften Sachaufklärung greifen nicht durch. Der Senat sieht insoweit von der Bekanntgabe seiner Entscheidungsgründe nach Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418783

BFH/NV 1993, 389

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