Entscheidungsstichwort (Thema)

Adressierung eines Steuerbescheides an einen Konkursverwalter - zur Reichweite der Änderung nach § 174 Abs. 4 AO 1977 bei Vorsteuerabzugsberichtigung - Adressat eines Vorsteuerberichtigungsanspruchs des FA im Konkurs)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Steuerbescheid, der sich an den Gemeinschuldner "zu Händen Herrn ..." ohne Bezeichnung als Konkursverwalter richtet, ist dem Konkursverwalter nicht wirksam bekanntgegeben worden.

2. Versagt das FA dem Unternehmer auf Grund irriger Beurteilung des Sachverhaltes das Recht zum Vorsteuerabzug und wird der Steuerbescheid deshalb auf Grund des Rechtsbehelfs des Unternehmers zu seinen Gunsten geändert, so kann das FA den Umsatzsteuerbescheid eines Folgejahres im Hinblick auf die in diesem Jahr erforderliche Berichtigung des Vorsteuerabzuges gemäß § 15a UStG 1973 jedenfalls dann nicht nach § 174 Abs.4 AO 1977 ändern, wenn es dort nur um die Höhe des ansonsten bereits berücksichtigten Vorsteuerberichtigungsanspruchs geht.

 

Orientierungssatz

Ein zu den Massekosten i.S. des § 58 Nr.2 KO gehörender Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA muß gegenüber dem Konkursverwalter, der nach Konkurseröffnung die steuerlichen Pflichten der Gemeinschuldnerin zu erfüllen hat, geltend gemacht werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

AO 1977 § 34 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1, §§ 165, 167; KO § 58 Nr. 2; AO 1977 §§ 168, 174 Abs. 4; UStG 1973 § 15 Abs. 1, § 15a Abs. 1, § 18 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.12.1992; Aktenzeichen 3 K 158/89)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der S-Ltd. Der Konkurs wurde 1976 eröffnet.

Die Geschäftstätigkeit der S-Ltd. umfaßte im Erhebungsgebiet die langfristige Vermietung eines Appartement- und Hotelkomplexes. Diesen Komplex hatte sie im Jahr 1975 erworben. Der Kaufpreis betrug 11 641 882,29 DM, von denen neben den Grundstücken 4 700 000 DM auf die Einrichtungsgegenstände entfielen.

Die S-Ltd. verzichtete gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 auf die Steuerbefreiung der Mietumsätze nach § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1973 und begehrte für das Jahr 1975 den Abzug der auf den Kaufpreis entfallenden Umsatzsteuer als Vorsteuer. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA--) lehnte dies ab. Die daraufhin vom Kläger erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. August 1988 X R 55/81, BFHE 154, 477, BStBl II 1989, 120).

Der Kläger verkaufte den Appartement- und Hotelkomplex am 21. Februar 1978 zu einem Kaufpreis von 9 Mio DM gemäß § 4 Nr.9 Buchst.a UStG 1973 steuerfrei und erklärte für das mitveräußerte Inventar einen steuerpflichtigen Umsatz von netto 83 000 DM. Das FA hielt die Aufteilung des Kaufpreises nicht für angemessen. Es setzte für das Inventar nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ein Entgelt von netto 177 700 DM an. Aufgrund seiner Auffassung, daß die S-Ltd. im Jahre 1975 ohnehin nicht zum Vorsteuerabzug aus der Vermietung des Hotel- und Appartementkomplexes berechtigt gewesen sei, sah es von einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG 1973 allerdings zunächst vollen Umfanges ab und setzte die Umsatzsteuer 1978 durch Bescheid vom 5. Dezember 1979 unter Vorbehalt der Nachprüfung auf 18 299,52 DM fest. Nach Eingang der Umsatzsteuererklärung des Klägers am 20. Dezember 1979 folgte das FA dann aber doch dessen Angaben, berichtigte den Vorsteuerabzug gemäß § 15a UStG 1973 anteilig mit 40,37 v.H. (= 4 700 000 DM von 11 642 882 DM) und setzte die Umsatzsteuer 1978 durch gemäß § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid vom 21. März 1980 --weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung-- auf nunmehr 427 639,30 DM fest. Der Steuerbescheid war an die S-Ltd. zu Händen des nur namentlich und nicht in seiner Funktion als Konkursverwalter benannten Klägers unter dessen Anschrift adressiert. In einer nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) dem Bescheid beigefügten Anlage führte das FA aus:

"Um nachhaltige Rechtsfolgen zu vermeiden, werden Sie gebeten, gegen den geänderten USt-Bescheid nochmals Einspruch einzulegen. Durch die Veranlagung nach Erklärung erfolgte keine Anerkennung der im anhängigen Klageverfahren geltend gemachten Vorsteuern. Das FA behält sich eine Änderung des Bescheids in diesem Punkt (Vorsteuerberichtigung) ausdrücklich vor. Der Betrag von 407 701,23 DM wird nach § 361 AO ausgesetzt."

Nachdem der BFH durch das erwähnte Urteil in BFHE 154, 477, BStBl II 1989, 120 entschieden hatte, nahm der Kläger seinen gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch zurück. Der Bescheid wurde daraufhin vom FA nach § 174 Abs.4 AO 1977 durch Bescheid vom 25. Januar 1989 geändert, wobei es davon ausging, daß die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1973 unrichtig vorgenommen worden sei. Es vertrat die Ansicht, die auf die Einrichtungsgegenstände entfallende Vorsteuer aus 1975 sei lediglich mit 2,25 v.H. anzusetzen, da der Wert der Einrichtungsgegenstände sich auf nur 177 700 DM belaufen habe. Der Vorsteuerberichtigungsanspruch erhöhte sich hierdurch auf 658 357,48 DM. Die festgesetzte Umsatzsteuer 1978 belief sich nunmehr auf 678 295,55 DM.

Das FG gab der gegen diesen Änderungsbescheid nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 359 wiedergegebenen Gründen statt. Es war der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 174 Abs.4 AO 1977 lägen nicht vor. Im Hinblick auf die Frage der Vorsteuerberichtigung weiche die rechtliche Beurteilung in den für 1975 und für 1978 ergangenen Umsatzsteuerbescheiden nicht voneinander ab. Vielmehr habe die rechtliche Beurteilung im Streitjahr gerade derjenigen entsprochen, die der BFH für 1975 für richtig angesehen habe.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

1. Die Voraussetzungen des § 174 Abs.4 AO 1977 lägen vor. Die Frage des Vorsteuerabzuges sei im Jahre 1975 unrichtig beurteilt worden. Folglich könnten aus diesem Rechtsirrtum im Streitjahr im Hinblick auf die Frage der Vorsteuerberichtigung die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden, und zwar selbst dann, wenn die rechtliche Beurteilung des Vorganges in dem für das Streitjahr ergangenen Bescheid bereits der nunmehr für 1975 als richtig erkannten Beurteilung entsprochen habe. Der Wortlaut des § 174 Abs.4 AO 1977 enthalte diesbezüglich keine Einschränkungen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift solle eine umfassende materiell-rechtliche Berichtigung der für das eine Jahr unrichtigen Beurteilung in dem anderen Jahr ermöglicht werden. Unabhängig davon könne von einer entsprechenden Beurteilung bei Erlaß des Bescheides für das Streitjahr aber auch keine Rede sein. Das FA sei seinerzeit vielmehr davon ausgegangen, daß im Jahre 1975 ein Vorsteuerabzug nicht zu gewähren sei. Folglich sei aus Sicht des FA auch eine Vorsteuerberichtigung im Streitjahr nicht in Betracht gekommen. Die gleichwohl ergangene Steuerfestsetzung sei ohne Prüfung erfolgt.

2. Der für das Streitjahr ergangene Bescheid vom 21. März 1980 sei --wie sich aus der ihm beigefügten Anlage ergebe-- hinsichtlich der Vorsteuerberichtigung aber ohnehin vorläufig ergangen und insofern jederzeit änderbar gewesen. Daß die Vorschrift des § 165 AO 1977 im Bescheid nicht ausdrücklich erwähnt worden sei, stehe dem nicht entgegen. Ausreichend sei, daß für den Steuerpflichtigen deutlich werde, noch mit einer abschließenden Prüfung des Sachverhaltes rechnen zu müssen.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt --letztlich mit den Gründen des FG--, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.

1. Der Senat kann offenlassen, ob --wie vom FG festgestellt ist, vom Kläger aber nunmehr bestritten wird-- dem Bescheid vom 21. März 1980 eine Anlage beigefügt worden war und ob sich aus dem Inhalt dieser Anlage ergab, daß der Steuerbescheid im Hinblick auf die Frage der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1973 vorläufig gewesen ist. Denn der Bescheid vom 21. März 1980 war dem Kläger nicht wirksam bekanntgegeben worden (§ 122 Abs.1 AO 1977) und deshalb nichtig (§ 124 Abs.1 AO 1977). Er war an die S-Ltd. als Gemeinschuldnerin adressiert und nicht an den Kläger als Konkursverwalter. Dies aber wäre erforderlich gewesen. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der S-Ltd. im Jahre 1976 ist der Konkursverwalter derjenige, der nunmehr die steuerlichen Pflichten der Gemeinschuldnerin zu erfüllen hat (§ 34 Abs.1 und 3 AO 1977; vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226; vom 4. Oktober 1991 VIII B 93/90, BFHE 165, 339, BStBl II 1992, 59; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 34 AO 1977 Rdnr.14 und § 122 AO 1977 Rdnr.16; Urban, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1984, 165, 170). Ihm gegenüber ist vor allem der Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA nach § 15a Abs.1 i.V.m. Abs.4 UStG 1973, der durch die Veräußerung des zur Konkursmasse gehörenden Vermögens des Gemeinschuldners ausgelöst wird, geltend zu machen, da dieser Anspruch zu den Massekosten i.S. des § 58 Nr.2 der Konkursordnung (KO) gehört (BFH-Urteile vom 9. April 1987 V R 23/80, BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527; in BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226; s. auch das Senatsurteil vom 12. Mai 1993 XI R 47/91, BFH/NV 1994, 77 im Hinblick auf die Anordnung der Zwangsverwaltung). Er und nicht die Gemeinschuldnerin hätte deshalb Adressat des Umsatzsteuerbescheides 1978 sein müssen. Daß der Bescheid vom 21. März 1980 an die S-Ltd. zu Händen des Klägers und an dessen Anschrift adressiert war, ist nicht ausreichend. Aus dieser Formulierung kann --auch durch Auslegung-- nicht ermittelt werden, daß der Kläger, nicht aber die S-Ltd. Adressat des Bescheides sein sollte. Es fehlt ein entsprechender Zusatz, der kenntlich macht, daß der Kläger selbst in seiner Funktion als Konkursverwalter betroffen ist (vgl. auch Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 122 Rdnr.23; Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 8. April 1991 IV A 5-S 0284-1/91, BStBl I 1991, 398, 407).

2. Die Unwirksamkeit des Änderungsbescheides vom 21. März 1980 hat zur Folge, daß die zuvor bestehende Verfahrensrechtslage wiederauflebt; der ursprüngliche, in seinen Wirkungen suspendierte Bescheid tritt wieder in Kraft (ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Dem unwirksamen Bescheid vorangegangen war die Umsatzsteuer-Jahreserklärung, die der Kläger als Konkursverwalter für die Gemeinschuldnerin am 20. Dezember 1979 beim FA eingereicht hatte. Diese Jahreserklärung galt nach § 168 i.V.m. § 167 AO 1977 und § 18 Abs.3 Satz 1 UStG 1973 als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung. Sie änderte die vorangegangene Steuerfestsetzung des FA vom 5. Dezember 1979. Dessen Zustimmung bedurfte es nach § 168 Abs.1 Satz 2 AO 1977 nicht, weil die Erklärung zu einer im Vergleich zu dem vorangegangenen Bescheid höheren Steuerfestsetzung führte.

3. Eine Änderung der als Steuerfestsetzung geltenden Jahreserklärung nach § 165 Abs.2 AO 1977 kam nicht in Betracht, weil ein entsprechender Vorläufigkeitsvermerk fehlte. Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO 1977 schied aus, weil der Vorbehalt der Nachprüfung durch Zeitablauf nach Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs.1 und Abs.2 Satz 1 Nr.2, § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977) mit Ablauf des Jahres 1983 weggefallen ist (§ 164 Abs.4 Satz 1 AO 1977). Das FA konnte den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 25. Januar 1989 auch nicht auf § 174 Abs.4 AO 1977 stützen. Zwar ist der Ablauf der Festsetzungsfrist nach dieser Vorschrift unbeachtlich (vgl. § 174 Abs.4 Satz 3 AO 1977). Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 174 Abs.4 Sätze 1 oder 2 AO 1977 erfüllt sind. Dies ist der Fall, wenn auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes ein Steuerbescheid ergangen ist, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde oder das Gericht zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert worden ist. Aus dem Sachverhalt können dann nachträglich durch Änderung des Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgen gezogen werden. Das FG hat zutreffend entschieden, daß diese Voraussetzungen nicht vorlagen.

Unter einem "bestimmten Sachverhalt" i.S. des § 174 Abs.4 Satz 1 AO 1977 ist der einzelne Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1990 I R 42/88, BFHE 162, 470, BStBl II 1991, 387 m.w.N.). Bezogen auf den Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG 1973 ist dies die Änderung der Verhältnisse, die bei einem Wirtschaftsgut im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren. Diese veränderten Verhältnisse wurden in dem seinerzeit für das Kalenderjahr 1975 ergangenen Steuerbescheid, der durch das Gericht (vgl. Urteil in BFHE 154, 477, BStBl II 1989, 120) geändert worden ist, nicht irrig beurteilt. Sie waren dort nicht Gegenstand der Regelung und konnten dies zu jenem Zeitpunkt auch gar nicht sein. Regelungs- und Streitgegenstand war dort vielmehr die Berechtigung der Gemeinschuldnerin, die ihr für den Ankauf des Hotel- und Appartementkomplexes in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gemäß § 15 UStG 1973 als Vorsteuer abziehen zu können. Allein diese (Rechts-)Frage wurde vom FA in dem durch das Gericht geänderten Umsatzsteuerbescheid 1975 irrig beurteilt. Dessen gerichtliche Änderung wirkt sich auf die gemäß § 168 AO 1977 als Steuerbescheid geltende Umsatzsteuer-Jahreserklärung des Klägers für 1978 nicht aus.

Zwar setzt die Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach § 15a UStG 1973 voraus, daß bei Anschaffung bzw. Herstellung eines Wirtschaftsguts die Vorsteuerabzugsvoraussetzungen des § 15 Abs.1 UStG 1973 vorlagen. § 15a UStG 1973 dient --im Ergebnis-- der Korrektur des "Sofortabzugs" von Vorsteuerbeträgen bei Wirtschaftsgütern, die langfristig im Unternehmen verwendet werden. Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung beruhen insofern also auf einem einheitlichen Lebensvorgang. Dessen ungeachtet ist die Vorschrift des § 15a UStG 1973 im Verhältnis zu § 15 UStG 1973 rechtlich selbständig ausgestaltet (vgl. im einzelnen BFH-Urteil in BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527). Die Sachverhaltszusammenhänge zwischen beiden Vorschriften rechtfertigen es deshalb nicht, aus der nunmehr "richtigen" Beurteilung des Sachverhaltes hinsichtlich des Vorsteuerabzuges solche (steuerlichen) Rechtsfolgen zu ziehen, die über die erwähnte steuerrechtliche Relevanz des Abzuges für die Berichtigung nach § 15a UStG 1973 hinausgehen. Dazu aber gehört die Frage nach dem Umfang der Vorsteuerberichtigung, die sich allein nach Maßgabe des § 15a und nicht des § 15 UStG 1973 beantwortet. § 174 Abs.4 AO 1977 ermöglicht lediglich, daß "aus dem Sachverhalt", nicht aber, daß aus den steuerrechtlichen Folgen dieses Sachverhaltes Folgerungen durch Änderung eines Bescheides gezogen werden können (so zutreffend Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rdnr.65 und 66 mit weiteren Beispielen). Daran ändert auch nichts, daß die Regelungen in § 174 Abs.4 (und 5) AO 1977 nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH anders als die Tatbestände in den Absätzen 1 bis 3 der Vorschrift nicht auf die Fälle der alternativen Erfassung bestimmter Sachverhalte beschränkt sind (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126, 128 m.w.N. zur Rechtsprechung; vgl. auch Szymczak in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4.Aufl., § 174 Rdnr.19; a.A. Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO 1977 Rdnr.16 a). Denn in der als Bescheid geltenden Jahreserklärung für 1978 sind bereits die richtigen Folgerungen aus dem Umstand gezogen worden, daß die Gemeinschuldnerin zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen ist. Daß dies seitens des FA wider besseren Wissens und ohne besondere Prüfung der Rechts- und Sachlage erfolgt sein mag, kann an dem Regelungsergebnis des Bescheides nichts ändern. Es widerspricht nicht der dem FA seinerzeit im Umsatzsteuerbescheid für 1975 unterlaufenen irrigen Beurteilung des Sachverhaltes, daß die Höhe des Vorsteuerberichtigungsanspruchs zugunsten der Gemeinschuldnerin bzw. des Klägers im Ergebnis möglicherweise unrichtig ermittelt worden ist. Die Regelungen in § 174 Abs.4 AO 1977 ermöglichen die Richtigstellung der sich aus der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes ergebenden Folgerungen nicht allgemein, sondern immer begrenzt auf diesen bestimmten Sachverhalt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65346

BFH/NV 1994, 61

BFHE 174, 290

BFHE 1995, 290

BB 1994, 1491

BB 1994, 2335

BB 1994, 2335-2337 (LT)

DB 1994, 1604 (L)

DStZ 1994, 760-761 (KT)

HFR 1994, 580-581 (LT)

StE 1994, 444-445 (K)

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