Leitsatz (amtlich)

Ein Bescheid, in dessen Tenor der Arbeitgeber vom FA als Haftender in Anspruch genommen wird, dessen Begründung aber eindeutig auf die Festsetzung einer pauschalen Lohnsteuer hinweist, ist unwirksam.

 

Orientierungssatz

1. NV: Auch wenn eine Revision auf nicht revisibles Landesrecht gestützt ist, hat dies nicht die Unzulässigkeit, sondern die Unbegründetheit der Revision zur Folge (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.1971 II R 104/70). Im Streitfall konnte offenbleiben, ob es sich bei den im Streit befindlichen Vorschriften über die Erhebung von Arbeitskammerbeiträgen im Saarland im Bundesrecht oder um revisibles Landesrecht i.S. des § 118 Abs. 1 S. 2 FGO handelt oder ob weder das eine noch das andere der Fall ist.

2. NV: Eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftungsschuldner für nicht einbehaltene Lohnsteuern setzt grundsätzlich voraus, daß das FA seine Ermessenserwägungen, aus denen heraus es den Arbeitgeber an Stelle des Arbeitnehmers in Anspruch nimmt, im Haftungsbescheid oder in der Einspruchsentscheidung darlegt. Eine Darlegung der Ermessenserwägungen konnte auch nicht etwa ausnahmsweise unterbleiben (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7.12.1984 VI R 72/82), weil es sich nicht um eine Vielzahl von Arbeitnehmern, sondern nur um fünf dem Arbeitgeber namentlich bekannte Bedienstete handelte, deretwegen der Arbeitgeber in Anspruch genommen worden war. Ob die Vorschriften über Arbeitgeberhaftung auf die Einbehaltung von Arbeitskammerbeiträgen im Saarland überhaupt anwendbar sind, konnte offenbleiben.

3. NV: Aufwandsentschädigungen, die von privatrechtlichen Zusammenschlüssen öffentlich-rechtlicher Verbände gezahlt werden, sind keine steuerfreien Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen i.S. des § 3 Nr. 12 und 13 EStG, wenn Finanzgebaren und Kassenführung des privatrechtlichen Zusammenschlusses ausschließlich verbandsinterner Kontrolle unterliegt.

 

Normenkette

AO 1977 § 119 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 1 Sätze 1-2; EStG § 3 Nrn. 12-13; EStG 1974 § 38; EStG 1975 § 42d; EStG 1977 § 42d

 

Tatbestand

Der Kläger ++/ , Revisionsbeklagte /++ und Anschlußrevisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein des bürgerlichen Rechts. Eine am 1.Juli 1977 durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung ergab, daß der Kläger seinem Präsidenten im ersten Halbjahr 1977 eine unversteuerte monatliche Aufwandsentschädigung von ... DM zahlte. ++/ Außerdem hat er für fünf Bedienstete in der Zeit vom 1.Januar 1974 bis 30.Juni 1977 Arbeitskammerbeiträge nicht einbehalten. /++ Der Beklagte /++ , Revisionskläger /++ und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) forderte deshalb durch "Haftungsbescheid" vom 22.Juli 1977 vom Kläger ... DM ein. ++/ Der Betrag setzt sich aus ... DM Lohn- und Kirchensteuer für die unversteuerten Aufwandsentschädigungen und ... DM für nachgeforderte Arbeitskammerbeiträge zusammen. /++ Im Teil C des "Haftungsbescheids" ist auf die Lohnsteuer-Außenprüfung Bezug genommen und zur Begründung auf den Prüfungsbericht verwiesen. Darin heißt es u.a.: "Da es sich um eine Tätigkeit in geringem Umfang und gegen geringes Entgelt handelt, kann die Lohnsteuer mit dem Pauschsteuersatz von 10 % des Arbeitslohns erhoben werden, wenn der Arbeitgeber die Steuern übernimmt (§ 40a EStG). Die aufgrund dieser Regelung pauschal besteuerten Arbeitslöhne und die davon eingehaltenen Steuerabzugsbeträge bleiben bei einer Veranlagung des Arbeitnehmers außer Betracht."

Die Klage hatte ++/ hinsichtlich der Arbeitskammerbeiträge /++ Erfolg. ++/ Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß § 9 der Verordnung über die Erhebung der Arbeitskammerbeiträge in der seit dem 1.Januar 1977 geltenden Fassung (Amtsblatt des Saarlandes 1976, 1173 --im folgenden kurz Verordnung--) lediglich vorsehe, daß die Vorschriften über den Steuerabzug vom Arbeitslohn für die Erhebung, Abführung, Festsetzung und Vollstreckung der Beträge entsprechend zur Anwendung kämen, jedoch keine Rechtsgrundlage dafür enthielten, daß auch die Haftungsvorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) Anwendung fänden. Im übrigen wies es die Klage ab.

Gegen das Urteil des FG legten sowohl das FA als auch der Kläger Revision ein.

Das FA trägt zur Begründung seiner Revision vor, das FG habe seine Entscheidung zu Unrecht damit begründet, daß § 9 der Verordnung nicht die Geltung der Haftungsvorschriften anordne. Denn § 9 der Verordnung bestimme, daß die Vorschriften über den Steuerabzug vom Arbeitslohn u.a. für die Erhebung der Beiträge entsprechend anwendbar seien. Die Frage der (Steuer-)Erhebung habe aber § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum Gegenstand, was sich schon daraus ergebe, daß § 42d EStG im Kapitel "Steuererhebung" stehe. Das FG habe somit § 9 der Verordnung verkannt und deshalb § 42d EStG fälschlich nicht angewandt. Hierauf könne auch die Revision gestützt werden, obwohl § 9 der Verordnung eine landesrechtliche Bestimmung sei. Denn § 10 der Verordnung eröffne den Rechtsweg, so daß die Revision gemäß § 118 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf gestützt werden könne, daß das Urteil des FG auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

Das FA beantragt sinngemäß, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Streitsache bezüglich der Entscheidung über die Arbeitskammerbeiträge an die Vorinstanz zurückzuverweisen. /++

Der Kläger rügt mit seiner ++/ (selbständigen) /++ Anschlußrevision die Verletzung materiellen Rechts. ++/ Er meint, sein Präsident sei eine öffentliche Dienste leistende Person im Sinne des § 3 Nr.12 EStG. Obwohl privatrechtlich organisiert, leiste er, der Kläger, öffentliche Dienste.

Sein Präsident erhalte auch Bezüge aus einer öffentlichen Kasse im Sinne des § 3 Nr.12 und Nr.13 EStG. Entgegen der Auffassung des FG unterliege seine, des Klägers, Kasse der Dienstaufsicht durch Organe der öffentlichen Hand, die auch sein Finanzgebaren überprüfe.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde, und den angefochtenen Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung auch hinsichtlich der Festsetzung der Lohn- und Kirchensteuerhaftung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision aus den Gründen der Vorentscheidung zurückzuweisen. /++

 

Entscheidungsgründe

++/ Die Revision des FA ist unbegründet.

Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei den im Streit befindlichen Vorschriften über die Erhebung der Arbeitskammerbeiträge um Bundesrecht oder um revisibles Landesrecht im Sinne des § 118 Abs.1 Satz 2 FGO handelt, oder ob weder das eine noch das andere der Fall ist. Denn auch wenn die Revision auf nicht revisibles Landesrecht gestützt sein sollte, hätte dies nicht die Unzulässigkeit, sondern die Unbegründetheit der Revision zur Folge (BFH-Urteil vom 22.Oktober 1971 II R 104/70, BFHE 103, 541, BStBl II 1972, 183, und Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm.4 am Ende, mit weiteren Nachweisen). Wäre sie dagegen auf revisibles Recht gestützt, so wäre sie ebenfalls unbegründet, weil das FA nicht dargelegt hat, aus welchen Erwägungen heraus es den Kläger als Haftenden und nicht die Bediensteten, für die die Arbeitskammerbeiträge nicht einbehalten worden sind, als Schuldner in Anspruch genommen hat.

Wie der Senat im Urteil vom 18.September 1981 VI R 44/77 (BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801) dargelegt hat, setzt eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Haftungswege grundsätzlich voraus, daß das FA seine Ermessenserwägungen, aus denen heraus es den Arbeitgeber an Stelle des Arbeitnehmers in Anspruch nimmt, im Haftungsbescheid oder in der Einspruchsentscheidung darlegt, weil nur so eine entsprechende Überprüfung durch das FG erfolgen kann. Das ist hier nicht geschehen. Das wäre aber, falls die Vorschriften über die Arbeitgeberhaftung auf die Einbehaltung der Arbeitskammerbeiträge überhaupt anwendbar sind, in gleicher Weise wie bei der Lohnsteuerhaftung erforderlich gewesen. Die Darlegung der Ermessenserwägungen konnte auch nicht etwa ausnahmsweise unterbleiben. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 7.Dezember 1984 VI R 72/82 (BFHE 142, 494, BStBl II 1985, 170) eine Ausnahme von der Darlegungspflicht für einen Fall zugelassen, in dem sich der Arbeitgeber gegen die Inanspruchnahme nie gewehrt und einen Rückgriff offensichtlich von Anfang an ausgeschlossen hatte. Dort handelte es sich jedoch um eine Vielzahl von Arbeitnehmern, derentwegen der Arbeitgeber in Anspruch genommen worden war. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden, in dem es sich nur um fünf dem Arbeitgeber namentlich bekannte Bedienstete handelt, nicht vergleichbar, so daß das FA seine Ermessenserwägungen hier auf jeden Fall hätte darlegen müssen. Es kommt mithin nicht darauf an, ob die im Urteil VI R 72/82 genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Ausnahme von der Darlegungspflicht an sich vorliegen würden.

Die Revision ++/ des Klägers /++ ist begründet.

++/ Zwar ist das FG hinsichtlich der Lohnsteuer für die gezahlte Aufwandsentschädigung zutreffend davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht vorliegen. Denn eine Befreiung nach § 3 Nr.16 EStG scheidet schon deshalb aus, weil die tatsächlich entstandenen Kosten nicht dargetan und belegt worden sind. Steuerbefreiung nach § 3 Nr.12 und Nr. 13 EStG kommt nicht in Betracht, weil die Aufwandsentschädigungen nicht aus einer öffentlichen Kasse gezahlt wurden. Dies folgt daraus, daß nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG Finanzgebarung und Kassenführung des Klägers ausschließlich verbandsinterner Kontrolle unterlagen. /++

Der angefochtene Bescheid ist ++/ in seinem die Lohnsteuerhaftung betreffenden Teil aber deshalb /++ aufzuheben, weil er ++/ insoweit /++ nicht hinreichend bestimmt ist. Denn er läßt nicht erkennen, ob das FA den Kläger als Haftenden in Anspruch nehmen oder eine pauschale Lohnsteuer gegen ihn festsetzen wollte.

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es für die Frage, ob ein Haftungs- oder Steuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs.1 AO 1977), grundsätzlich auf die Überschrift und den verfügenden Teil (Tenor) des Bescheids an (vgl. Entscheidungen vom 28.Januar 1983 VI R 35/78, BFHE 138, 188, BStBl II 1983, 472; vom 29.April 1983 VI S 10/82, BFHE 138, 379, BStBl II 1983, 517, und vom 2.Dezember 1983 VI R 47/80, BFHE 140, 143, BStBl II 1984, 362). Überschrift und Tenor weisen hier verhältnismäßig eindeutig auf eine Inhaftungnahme hin, da der Bescheid als Haftungsbescheid überschrieben ist und in seinem --wenn auch mit "Steuerfestsetzung" gekennzeichneten-- Teil A nur von Haften spricht.

In direktem Gegensatz hierzu steht aber die Begründung des angefochtenen Bescheids, wegen derer das FA ausdrücklich auf den beigefügten Prüfungsbericht verwiesen hat. Denn die im Prüfungsbericht enthaltenen, auf § 40a Abs.1 Nr.2 EStG bezogenen und die Rechtsfolge des § 40a Abs.4 i.V.m. § 40 Abs.3 EStG zitierenden Ausführungen des FA weisen eindeutig auf die Festsetzung einer pauschalen Lohnsteuer hin. Festsetzungen einer pauschalen Lohnsteuer und Lohnsteuerhaftung sind aber wesensmäßig verschieden und schließen sich gegenseitig aus, weil es sich einmal um das Schulden einer eigenen Steuerschuld und das andere Mal um das Einstehenmüssen für eine fremde Steuerschuld handelt, was unterschiedliche Voraussetzungen und verschiedene Rechtsfolgen bedingt (BFHE 140, 143, BStBl II 1984, 362).

Stehen aber Tenor und Begründung eines Bescheids in direktem, sich gegenseitig ausschließenden Gegensatz zueinander, so führt dies dazu, daß dem Steuerverwaltungsakt die erforderliche Bestimmtheit fehlt. Dabei kann dahinstehen, ob und ggf. inwieweit die Begründung zum Inhalt des Bescheids gehört. Widerspricht sie dem verfügenden Teil des Bescheids so grundlegend wie im vorliegenden Fall, so kann der Bescheid jedenfalls aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht aufrechterhalten werden, weil der Wille des FA nicht eindeutig genug zum Ausdruck kommt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61092

BStBl II 1985, 581

BFHE 143, 226

BFHE 1985, 226

BB 1985, 1186-1187 (LT)

HFR 1985, 358-358 (ST)

FR 1985, 515-515 (ST)

Information StW 1985, 354-354 (ST)

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