Entscheidungsstichwort (Thema)

(Doppelte Haushaltsführung: Wohneigentumsförderung für Eigentumswohnung am Beschäftigungsort)

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Arbeitnehmer, der einen doppelten Haushalt i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG führt und am Beschäftigungsort in einer eigenen Eigentumswohnung wohnt, steht kein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG für diese Wohnung zu, wenn er die notwendigen, durch die doppelte Haushaltsführung entstandenen Mehraufwendungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzieht.

 

Orientierungssatz

Der Senat läßt offen, ob die Grundförderung nach § 10e EStG zu gewähren ist, wenn die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG zwar vorliegen, der Arbeitnehmer aber keine Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung, sondern nur die Kosten für Heimfahrten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG geltend macht. Ausführungen zum Vorrang des Abzugs von Betriebsausgaben und Werbungskosten als Teil der Einkunftsermittlung vor den nach § 10 bis § 10h EStG abziehbaren Sonderausgaben und Abzugsbeträgen bzw. Vorkosten als Teil der Einkommensermittlung.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nrn. 4-5, § 10e Abs. 1

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie wohnen in G und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Aufgrund einer Betriebsverlegung ist der Kläger seit April 1985 in N tätig. Durch notariellen Vertrag vom 28. November 1986 kauften die Kläger dort eine 44 qm große Eigentumswohnung (Anschaffungskosten ohne Anteil für Grund und Boden: 105 151 DM; Anteil für Grund und Boden: 19 470 DM). Besitz, Nutzungen und Lasten gingen Anfang 1987 über. Durch Mietvertrag vom 31. Januar 1987 vermietete die Klägerin den ihr gehörenden halben Miteigentumsanteil an der Wohnung an den Kläger für eine monatliche Kaltmiete von 300 DM. Seit 1. Februar 1987 wohnt der Kläger während der Woche in dieser Wohnung; die Wochenenden verbringt er am Familienwohnsitz in G.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1987 erklärte die Klägerin einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1 951 DM. Als Einnahmen setzte sie die Mietzahlungen des Klägers (11 x 300 DM = 3 300 DM) an. Die Finanzierungskosten von 7 912 DM, die Grundsteuer von 335 DM, sonstige Kosten von 150 DM sowie Absetzungen für Abnutzung --AfA-- (105 151 DM x 2 v.H. = 2 104 DM) zog sie zur Hälfte (5 251 DM) als Werbungskosten ab. Der Kläger beantragte, die andere Hälfte der Kosten (5 250 DM) als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Daneben begehrten die Kläger für die Wohnung einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1987 in Höhe von 5 v.H der Anschaffungskosten der Wohnung und der Hälfte der Anschaffungskosten für den anteiligen Grund und Boden (105 151 DM + 9 735 DM = 114 886 DM x 5 v.H. = 5 745 DM). Außerdem machten sie Baukindergeld nach § 34f Abs. 2 EStG für ein Kind geltend.

Im Einkommensteuerbescheid 1987 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sowohl den Verlust aus Vermietung und Verpachtung als auch die Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in der beantragten Höhe an. Den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG und das Baukindergeld gewährte das FA nicht. Der Einspruch der Kläger war erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen den --während des finanzgerichtlichen Verfahrens geänderten und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten-- Einkommensteuerbescheid 1987 ab. Es führte aus: Der Klägerin stehe für ihren Anteil an der Wohnung kein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG zu, weil sie die Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Sie habe ihren Anteil an den Kläger vermietet und daher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Dem Kläger stehe für seinen Anteil ebenfalls kein Abzugsbetrag zu, weil er die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt habe und daher die Aufwendungen nur als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen dürfe.

Mit der Revision tragen die Kläger vor: Zu Unrecht habe das FG der Klägerin mangels Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG versagt. Innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft komme es auf die tatsächlichen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse nicht an. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß die Klägerin die Wohnung anläßlich von Besuchen selbst genutzt habe. Sofern dies entscheidungserheblich sei, hätte das FG hierzu Feststellungen treffen müssen. Dem Kläger sei der Abzugsbetrag nicht gewährt worden, weil der Werbungskostenabzug dem Abzug als Sonderausgaben vorgehe. Die Abzugsbeträge seien jedoch keine Sonderausgaben, sondern nur "wie" Sonderausgaben abziehbar. Durch diese Wortwahl, die dem Wortlaut des § 10d EStG (Verlustabzug) entspreche, komme zum Ausdruck, daß die Aussage des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG ("Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind") für die Abzugsbeträge des § 10e Abs. 1 EStG nicht gelten solle. Dafür spreche auch, daß der Gesetzgeber nur in § 10e Abs. 6 Satz 2 EStG ausdrücklich geregelt habe, daß ein Abzug als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG ausgeschlossen sei, wenn die Aufwendungen Betriebsausgaben oder Werbungskosten seien.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1987 die Einkommensteuer auf 17 428 DM herabzusetzen und die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG weder für den Anteil der Klägerin an der Wohnung noch für den des Klägers einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG gewährt.

1. Nach § 10e Abs. 1 Satz 4 EStG kann der Steuerpflichtige von den Anschaffungskosten einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung zuzüglich der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazugehörenden Grund und Boden im Jahr der Anschaffung und den sieben folgenden Jahren jeweils bis zu 5 v.H. wie Sonderausgaben abziehen. Ein Abzugsbetrag steht dem Steuerpflichtigen jedoch nicht zu, wenn die Anschaffungskosten (in Form von AfA) bei einer Einkunftsart als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Der Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geht dem Abzug von Aufwendungen "als" bzw. "wie" Sonderausgaben vor.

Zwar bezieht sich der Einleitungssatz des § 10 EStG ("Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind") seinem Wortlaut nach nur auf die in § 10 EStG aufgezählten Sonderausgaben. § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG enthält jedoch einen allgemeinen, aus der Systematik der Einkommensermittlung folgenden Grundsatz, der auch für das Verhältnis von Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug zum Abzug von Beträgen nach § 10e Abs. 1 EStG "wie" Sonderausgaben gilt. Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) und Werbungskosten (§ 9 EStG) werden im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigt (§ 2 Abs. 2 EStG). Die §§ 10 bis 10h EStG sind dagegen nach ihrer Stellung im Gesetz Teil der Einkommensermittlung (§ 2 Abs. 4 EStG). Der Abzug von Betriebsausgaben und Werbungskosten als Teil der Einkunftsermittlung geht daher nach dem gesetzlichen Schema zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer dem Abzug von Beträgen nach § 10e Abs. 1 EStG vor, auch wenn dies --anders als für die Teilnutzung der Wohnung zu anderen als Wohnzwecken (vgl. § 10e Abs. 1 Satz 6 EStG 1987 = § 10e Abs. 1 Satz 7 EStG i.d.F. ab 1990) und für die nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbaren Vorkosten (vgl. § 10e Abs. 6 Satz 2 EStG)-- nicht ausdrücklich geregelt ist (Bundesminister der Finanzen --BMF-- vom 25. Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, Abs. 4; Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 EStG Rz. 8; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 10e Anm. 10 d m.w.N.; Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 10e Rz. B 69).

Daß sich die Anschaffungskosten einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung nicht mehrfach steuerlich auswirken dürfen, ergibt sich auch aus der Systematik der Neuregelungen durch das Wohneigentumsförderungsgesetz (WohneigFG) vom 15. Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278). Nach dem Urteil des Senats vom 25. März 1992 X R 30/90 (BFHE 168, 90, BStBl II 1992, 801) schließen Nutzungswertbesteuerung und Grundförderung nach § 10e EStG einander aus. Bei einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung, die über das Jahr 1986 hinaus der Nutzungswertbesteuerung unterliegt, sind deshalb die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nur in Form von AfA als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Daneben steht dem Steuerpflichtigen kein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG zu. Die Grundförderung des § 10e EStG wird nur für Wohnungen gewährt, mit denen der Steuerpflichtige wegen der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken keine Einnahmen erzielt und deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten folglich steuerrechtlich nicht über AfA berücksichtigt werden können. Daher ist die Bemessungsgrundlage für die Grundförderung zu kürzen, wenn Teile der Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden (§ 10e Abs. 1 Satz 6 EStG 1987 = § 10e Abs. 1 Satz 7 EStG i.d.F. ab 1990). Wohnungen, die im Rahmen einer Einkunftsart genutzt und für die AfA als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können, sollen dagegen nach der Konzeption des Gesetzgebers nicht gefördert werden. Das gilt auch für Wohnungen, die wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung angeschafft und genutzt und deren Kosten --wie im Streitfall-- nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten geltend gemacht werden.

2. Die Klägerin hat ihren Miteigentumsanteil an der Wohnung dem Kläger vermietet und die mit der Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen einschließlich der anteiligen AfA als Werbungskosten abgezogen. Die auf sie entfallenden Anschaffungskosten sind somit zu Recht über die AfA als Werbungskosten berücksichtigt worden. Ein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG steht ihr daneben nicht zu. Darüber hinaus fehlt es auch am Merkmal der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, da sie die Wohnung wegen der Vermietung nur aufgrund fremder Rechtszuständigkeit zu Wohnzwecken nutzen konnte.

3. Der Kläger hat die auf ihn entfallenden Anschaffungskosten --ebenfalls zu Recht-- im Wege der AfA als notwendige Aufwendungen im Rahmen einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen. Daneben steht auch ihm kein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG zu.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Zu den notwendigen Mehraufwendungen gehören auch die notwendigen Kosten für die Unterkunft am Beschäftigungsort.

Nach der Rechtslage vor 1987, als der Nutzungswert der Wohnung noch versteuert wurde (vgl. §§ 21 Abs. 2, 21a EStG a.F.), konnte der Steuerpflichtige, der am Beschäftigungsort eine eigene Eigentumswohnung bewohnte, AfA, Schuldzinsen und Erhaltungsaufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen, weil sie nach der Rechtsprechung der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuzurechnen und daher mit dem Grundbetrag abgegolten bzw. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen waren (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Dezember 1982 VI R 228/80, BFHE 137, 564, BStBl II 1983, 467).

Mit der Abschaffung der Nutzungswertbesteuerung ab 1987 entfiel auch die Zurechnung der mit der Zweitwohnung am Beschäftigungsort verbundenen Ausgaben zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die (notwendigen) Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer durch eine im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bewohnte eigene Wohnung erwachsen, sind daher als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen (BMF-Schreiben vom 10. Mai 1989, BStBl I 1989, 165; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 9 EStG Rz. 396; Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 9 Rz. G 136, jeweils m.w.N.).

Setzt der Arbeitnehmer --wie im Streitfall der Kläger-- die Wohnungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ab, steht ihm ein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG daneben nicht zu.

Offen lassen kann der Senat im Streitfall, ob die Grundförderung nach § 10e EStG zu gewähren ist, wenn die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG zwar vorliegen, der Arbeitnehmer aber keine Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung, sondern nur die Kosten für Heimfahrten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG geltend macht (bejahend BMF in BStBl I 1989, 165; Märkle, Steuerwarte 1989, 174, 177; kritisch hierzu Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 10e Anm. 10 d; zum Wahlrecht zwischen dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 und 5 EStG vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1988 VI R 85/85, BFHE 154, 59, BStBl II 1988, 990).

4. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher das Gericht des ersten Rechtszuges, im Streitfall das FG (BFH-Beschluß vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65065

BFH/NV 1995, 26

BStBl II 1995, 259

BFHE 176, 117

BFHE 1995, 117

BB 1995, 806

BB 1995, 806-808 (LT)

DB 1995, 555-557 (LT)

DStR 1995, 411-412 (KT)

DStZ 1995, 343 (KT)

HFR 1995, 254-255 (LT)

StE 1995, 170 (K)

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