Leitsatz (amtlich)

Die Abtretung des Rückkaufsanspruchs hinsichtlich eines in eine Umlegungsmasse eingebrachten Grundstücks ist ein Veräußerungsvorgang, der der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG nicht unterliegt.

 

Normenkette

EStG § 22 Nrn. 2-3, § 23

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Zur Vermeidung der Umlegung nach dem Bundesbaugesetz (BBauG) veräußerten sie im Jahr 1970 aufgrund notariellen Kaufvertrages ein 6 280 qm großes Grundstück zum qm-Preis von 25 DM an die D-GmbH. Diese Gesellschaft war von der Stadt B beauftragt, als Zwischenerwerber ein neues Wohngebiet zu erschließen, ohne selbst Wohnungen zu bauen.

Nach § 6 des Kaufvertrages stand "den Verkäufern der Rohlandgrundstücke" "ein Anspruch auf Rückübertragung eines oder mehrerer ... Bauplätze zu ...". Ausgenommen waren die für den Gemeingebrauch benötigten Teilflächen. Bei der Berechnung des Rückkaufpreises sollte vom Einbringungspreis ausgegangen werden. Die Verkäufer erklärten im Vertrag zu beabsichtigen, "ihren Rückerwerbsanspruch voll geltend zu machen", weshalb sie den Kaufpreis bis zur Rückübereignung der Baugrundstücke stundeten. Der Vertrag sah aber vor, daß die Verkäufer "auf die Wahrnehmung ihres Rückkaufsanspruchs ganz oder teilweise verzichten oder einen anderen als Rückkäufer benennen durften".

Nach den Darlegungen des Finanzgerichts (FG) traten die Kläger "ihren Rückkaufsanspruch bezüglich dreier erschlossener Baugrundstücke" ab, und zwar mit den Urkunden

1. vom 28. August 1972 einen 1 887 qm großen Bauplatz an Herrn F zu einem Preis von 18 000 DM, zahlbar in zwei Hälften zu je 9 000 DM am 3. November 1972 und am 1. April 1973,

2. vom 9. November 1972 drei Bauplätze, die zusammen 1 334 qm groß waren, an die B-GmbH zu einem sofort zahlbaren Gesamtpreis von 15 500 DM und

3. vom 4. Juni 1973 vier Bauplätze mit einer Gesamtfläche von 2 415 qm ebenfalls an die B-GmbH zu einem Gesamtkaufpreis von 24 439,80 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in der "Aufgabe der Wiederkaufsrechte" Leistungen i. S. von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und erfaßte die hierfür erhaltenen Entgelte als sonstige Einkünfte. Im Einspruchsverfahren hatten die Kläger keinen Erfolg.

Auf die Klage setzte das FG die Einkommensteuer für 1972 auf 4 100 DM und für 1973 auf 1 104 DM herab. Zur Begründung dieser Entscheidung wird ausgeführt:

Habe ein Vertrag die Aufgabe einer der privaten Vermögenssphäre zuzuordnenden Vermögensposition zum Gegenstand, so falle eine solche "Leistung" nicht unter § 22 Nr. 3 EStG, weil die aus der ursprünglichen Eigentümerposition herrührende Rechtsstellung trotz des Verkaufs des Rohlandes rechtlich und wirtschaftlich einem Wirtschaftsgut mit eigenem Vermögenswert gleichzusetzen sei, die Veräußerung von Wirtschaftsgütern aber nicht vom Leistungsbegriff i. S. von § 22 Nr. 3 EStG erfaßt werde.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Abweisung der Klage begehrt wird.

Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Nrn. 1 bis 6) noch zu den Einkünften i. S. des § 22 Nr. 1 oder 2 EStG gehören, unterliegen als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer (§ 22 Nr. 3 EStG). Sonstige Leistung in diesem Sinne ist grundsätzlich jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und um des Entgelts willen erbracht wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1977 VIII R 2/75, BFHE 122, 271, BStBl II 1977, 631, und vom 18. August 1977 VIII R 7/74, BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796). Der Senat hat ferner ausgesprochen, daß von der Besteuerung nicht nur echte Veräußerungsvorgänge ausgenommen bleiben, sondern auch veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird.

Die hier zu beurteilende, entgeltliche Abtretung von "Rückkaufs"-Rechten an Grundstücken ist Veräußerung eines Wirtschaftsguts und damit keine Leistung i. S. des § 22 Nr. 3 EStG. Als Wirtschaftsgut werden sowohl Sachen und Rechte verstanden, wie auch wirtschaftliche Werte jeder Art (vgl. Begründung zum Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934, RStBl 1935, 33 ff., dort S. 37), also "tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten läßt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind" (Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., Bd. II, § 4 Anm. 16 a unter Zitierung von BFH-Urteil vom 29. April 1965 IV 403/62 U, BFHE 82, 461, BStBl III 1965, 414), wobei die selbständige Bewertungsfähigkeit als gegeben angesehen wird, wenn der wirtschaftliche Wert als Einzelheit von Bedeutung und bei einer Veräußerung greifbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. August 1961 IV 318/58, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 283). Demgegenüber wird der Wirtschaftsgutsbegriff auch erheblich enger gesehen (vgl. Jacobs, Zum Problem der Rechtssicherheit und Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung bei der Bilanzierung in der Ertragsteuerbilanz, Steuer und Wirtschaft 1969 Sp. 633 ff.).

Gleichgültig, wie danach der Begriff des Wirtschaftsguts bestimmt wird (vgl. hierzu auch Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 4 Anm. II 1 S. 9; Herrmann/Heuer, a. a. O., Bd. II § 4 Anm. 16 a und 16 b; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., §§ 4, 5 EStG Anm. 329, 330; Weber, Dr. Manfred, Zur Lehre vom Wirtschaftsgut, Berlin 1969 S. 42; May, Dr. Erich, Das Wirtschaftsgut 1970 S. 169 E.), war der Anspruch auf Rückkauf im vorliegenden Fall bereits, bevor er abgetreten wurde, ein Wirtschaftsgut i. S. von § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 EStG, über das ein Veräußerungsgeschäft geschlossen wurde. Denn der Anspruch aus dem Kaufvertrag auf "Rückkauf" von Grundstücken war schon ein Vermögensgegenstand, bevor das Grundstück aus der Umlegungsmasse bestimmt und ausgesondert war. Der Begriff des Wirtschaftsguts wird in § 23 Abs. 1 EStG jedenfalls nicht in einem anderen Sinne gebraucht, als dies in den Vorschriften über die ersten sechs Einkunftsarten geschieht (§ 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 EStG). Dem steht auch nicht entgegen, daß der Anspruch auf Rückkauf zu diesem Zeitpunkt bei den Klägern - wären sie Kaufleute gewesen - nicht bilanzierbar gewesen wäre, sondern erst bei den Erwerbern des Anspruchs (§ 153 Abs. 3 des Aktiengesetzes, § 5 Abs. 2 EStG). Denn die Bilanzierbarkeit ist kein Merkmal dafür, daß ein Vermögensgegenstand ein Wirtschaftsgut i. S. des Einkommensteuerrechts ist.

Waren die Ansprüche auf Rückkauf aber Wirtschaftsgüter, die übertragen werden konnten, und war die Spekulationsfrist für die Veräußerungsgeschäfte im Zeitpunkt der Abtretung der Rückkaufsansprüche abgelaufen, wie es hier der Fall ist, sind die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach § 22 Nrn. 2, 3, § 23 EStG nicht erfüllt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73065

BStBl II 1979, 298

BFHE 1979, 9

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