Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung: Handlungen eines vom Geschäftsführer Bevollmächtigten

 

Leitsatz (amtlich)

Erteilt der geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH seinem Ehepartner (Minderheitsgesellschafter) eine Vollmacht zur Ausübung aller Rechte eines Geschäftsführers, so muß sich die GmbH Handlungen des Bevollmächtigten als verdeckte Gewinnausschüttungen zurechnen lassen, mit denen er die GmbH in Ausübung der Vollmacht zu seinen Gunsten schädigt.

 

Normenkette

KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2

 

Tatbestand

I. 1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhob gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1987 mit der Begründung Klage, der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) habe zu Unrecht eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen.

An der Klägerin waren im Streitjahr 1987 der Gesellschafter H (37,5 v.H.), dessen Ehefrau E (12,5 v.H.) und deren gemeinsamer Sohn G (50 v.H.) beteiligt. Im Streitjahr waren G und E unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt. E hatte ihrem Ehemann H ab 30.Juni 1985 eine Vollmacht erteilt, wonach er berechtigt war, ihre Rechte als Geschäftsführerin nach den Grundsätzen eines ordnungsmäßigen und gewissenhaften Kaufmanns auszuüben.

In der Zeit vom 12.August 1987 bis 26.Oktober 1987 verfügte H aufgrund der ihm erteilten Vollmacht über insgesamt 492 280 DM zu seinen Gunsten. Er verwendete diese Beträge für Waren- und Termingeschäfte auf eigene Rechnung. Die Mittel gingen verloren. H zahlte einen Teil der Mittel an die Klägerin zurück. Am 4.Dezember 1987 gab er ein notariell beurkundetes Schuldanerkenntnis ab, wonach er der Klägerin seit dem 17.September 1987 458 680 DM schulde. Er unterwarf sich darin der sofortigen Zwangsvollstreckung. Zur Sicherung der Forderungen der Klägerin trat ihr H am gleichen Tage eine Eigentümergrundschuld in Höhe von 500 000 DM an einem ihm gehörigen Grundstück ab. Der Grundschuld gingen Grundpfandrechte in Höhe von 667 600 DM vor.

Mit Gesellschafterbeschluß vom 4.Dezember 1987 wurde E als Geschäftsführerin abberufen. Am 28.Dezember 1987 übertrug H seinen Anteil auf G.

Am 31.Dezember 1987 stand noch ein zwischen den Beteiligten unstreitiger Schuldbetrag von 392 065,03 DM offen. Das FA behandelte den Abfluß der Beträge von 492 280 DM als verdeckte Gewinnausschüttung. Den zwischen den Beteiligten unstreitigen Rückzahlungsbetrag von 100 215 DM wertete es als Einlage.

2. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage als unbegründet ab. Die bei der Klägerin eingetretene Vermögensminderung sei durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt. Die Vermögensminderung beruhe auf Rechtshandlungen eines Organs der Klägerin, da H aufgrund der ihm von E erteilten Vollmacht wie ein Geschäftsführer aufgetreten sei.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil in der Weise zu ändern, daß von einer verdeckten Gewinnausschüttung abgesehen werde.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13.September 1989 I R 41/86, BFHE 158, 338, BStBl II 1989, 1029, und vom 28.Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Nach der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kann eine verdeckte Gewinnausschüttung bei Kapitalgesellschaften nur angenommen werden, wenn die Vermögensminderung bzw. die verhinderte Vermögensmehrung auf einer Rechtshandlung der Gesellschaft beruht, d.h. auf einer Rechtshandlung ihrer Organe (s. BFH- Urteile vom 13.August 1957 I 161/56, Höchstrichterliche Rechtsprechung --HFR-- 1961, 230; in BFHE 158, 338, BStBl II 1989, 1029; vom 18.Juli 1990 I R 32/88, BFHE 163, 321, BStBl II 1991, 484). Der GmbH zuzurechnende Rechtshandlungen sind nach dem Urteil in BFHE 163, 321, BStBl II 1991, 484 nicht nur Rechtshandlungen der Geschäftsführer und Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, sondern auch Handlungen der beherrschenden Gesellschafter, die diese unter Überschreitung ihrer Kompetenz für die GmbH vornehmen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nach diesem Urteil jedoch nicht vor, wenn die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung auf einer Handlung eines nicht beherrschenden Gesellschafters beruht, der weder die anderen Gesellschafter noch die Geschäftsführer zugestimmt haben; denn die tatsächliche Ausnutzung einer nicht beherrschenden Gesellschafterstellung reicht nicht aus, um die entsprechende Handlung der Gesellschaft zuzurechnen.

Der erkennende Senat hat diese Rechtsprechung durch Urteil vom 14.Oktober 1992 I R 17/92 (BFHE 169, 343) dahingehend modifiziert, daß es auf eine Handlung der Organe der Gesellschaft nicht ankommt, wenn diese --durch Tun oder Unterlassen-- einem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person die Möglichkeit verschafft haben, über Gesellschaftsvermögen zu disponieren (vgl. auch Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2.Aufl. 1990, S.64).

2. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor. Der Gesellschafter H hatte aufgrund der ihm erteilten Vollmacht die Stellung und die Möglichkeiten eines Geschäftsführers. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß H aufgrund der ihm erteilten Generalvollmacht zumindest de facto die Möglichkeit hatte, wie ein Geschäftsführer über das Vermögen der Klägerin zu verfügen. Es kann insoweit dahinstehen, ob eine Vollmacht zur Ausübung aller Rechte eines Geschäftsführers überhaupt wirksam war. Daran bestehen Zweifel, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) der Geschäftsführer einer GmbH seine Vertretungsmacht nicht im ganzen durch einen anderen ausüben lassen kann (BGH- Urteil vom 18.Oktober 1976 II ZR 9/75, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1977, 199, Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 1976, 1246; ebenso, jedoch nur für eine den Geschäftsführer verdrängende Vollmacht: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 15.Aufl., § 35 Rz.36 a).

Selbst wenn jedoch die Vollmacht zivilrechtlich ganz oder teilweise unwirksam gewesen sein sollte, verschaffte sie gleichwohl H tatsächlich die Stellung eines willensbildenden Organs der Klägerin. Ein umfassende Generalvollmacht des Geschäftsführers verschafft dem Bevollmächtigten zum mindesten tatsächlich eine dem Geschäftsführer vergleichbare Stellung. Bei dieser Sachlage muß sich die Klägerin die Handlungen ihres Gesellschafters H zurechnen lassen.

Der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung steht nicht entgegen, daß H den strafrechtlichen Tatbestand einer Untreue gemäß § 266 des Strafgesetzbuches erfüllt haben dürfte. Für die Besteuerung ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 40 der Abgabenordnung --AO 1977--).

Die Vermögensminderung der Klägerin war auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt. Stellt ein Gesellschafter ohne Rechtsgrund und zur eigenen Bereicherung aufgrund einer ihm erteilten Generalvollmacht Schecks zu Lasten der vertretenen Kapitalgesellschaft aus, ist der dadurch ausgelöste Vermögensschaden der Gesellschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt.

3. § 41 AO 1977 führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift ist die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen.

Die Vorschrift ist schon deshalb nicht anwendbar, weil die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis der Veruntreuungen des H nicht bestehen ließen. Die Beteiligten haben vielmehr durch die von der Klägerin erwirkte Teilrückzahlung und das vollstreckbare Schuldanerkenntnis zum Ausdruck gebracht, daß sie die Vermögensdispositionen des Gesellschafters H rückgängig machen wollten, soweit das rechtlich und tatsächlich möglich war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64029

BFH/NV 1993, 12

BStBl II 1993, 351

BFHE 169, 340

BFHE 1993, 340

BB 1993, 207 (L)

DB 1993, 411 (LT)

DStR 1993, 127 (KT)

DStZ 1993, 155 (KT)

HFR 1993, 193 (LT)

StE 1993, 64 (K)

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