Leitsatz (amtlich)

Durch die Umwandlung einer GmbH auf ihren Alleingesellschafter (hier ebenfalls eine GmbH) nach dem UmwG 1969 (verschmelzende Umwandlung) ging die Beteiligung der übernehmenden an der übertragenden Gesellschaft unter. Die Beteiligung war gewinnmindernd auszubuchen. Die in der Beteiligung ruhenden stillen Reserven konnten bei der übernehmenden Gesellschaft nicht durch eine Zurechnung außerhalb der Bilanz der Körperschaftsteuer unterworfen werden. Die gegenteilige Auffassung des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen Im Schrelben vom 2. Junl 1972 F/IV B 5 - S 1978 - 20/72 (BStBl I 1972, 409) hatte keine Rechtsgrundlage.

 

Normenkette

KStG 1968 §§ 6, 15; EStG §§ 5-6; AktG §§ 238, 344; UmwG 1969 §§ 1-5, 15, 24

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war alleinige Gesellschafterin der K-GmbH, die durch Gesellschafterbeschluß vom 13. Juli 1970 mit Wirkung vom 31. Mai 1970 derart auf ihren Alleingesellschafter umgewandelt wurde, daß das gesamte Betriebsvermögen unter Ausschluß der Liquidation entsprechend den Vorschriften des handelsrechtlichen Umwandlungsgesetzes (UmwG) i. d. F. vom 6. November 1969 (BGBl I, 2081) auf die Klägerin überging. Der Umwandlungsbeschluß wurde am 28. September 1970 in das Handelsregister eingetragen. Zwischen beiden Gesellschaften bestand bis zur Umwandlung eine Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag.

Für die untergehende K-GmbH wurde auf den 31. Mai 1970 eine Umwandlungsbilanz erstellt, in der das Betriebsvermögen nach den steuerrechtlichen Vorschriften ohne Berücksichtigung des § 15 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 in Höhe von 764 444,40 DM ausgewiesen war. Mit diesem Gesamtbuchwert übernahm die Klägerin das Betriebsvermögen der K-GmbH, dem bei der Klägerin ein Buchwert für ihre untergehende hundertprozentige Beteiligung an der K-GmbH in Höhe von 1 212 104 DM gegenüberstand. Dadurch ergab sich ein buchmäßiger Übernahmeverlust von (1 212 104 DM .I. 764 444,40 DM =) 447 659,60 DM, um den die Klägerin ihren Steuerbilanzgewinn 1970 und ihr steuerpflichtiges Einkommen minderte.

Die Klägerin hat (bisher) lediglich beantragt, die §§ 2 und 3 des Umwandlungs-Steuergesetzes - UmwStG - 1969 (steuerliche Rückbeziehung auf den Umwandlungsstichtag) anzuwenden, sich die Erweiterung ihres Antrags aber vorbehalten.

Der Auffassung des Betriebsprüfers folgend, daß sich die steuerliche Auswirkung der verschmelzenden Umwandlung bei der aufnehmenden Gesellschaft (Klägerin) nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 2. Juni 1972 F/IV B 5 - S 1978 - 20/72 (BStBl I 1972, 409) richte, änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Körperschaftsteuerbescheid der Klägerin für 1970 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) in der Weise, daß der buchmäßige Übernahmeverlust von 447 659,60 DM dem Einkommen der Klägerin hinzugerechnet und ein "Übernahmegewinn" in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Buchwert der untergehenden Beteiligung und der bei der Betriebsprüfung festgestellten Teilwerte der auf die Klägerin übergegangenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens der K-GmbH in Höhe von 1 088 840 DM zur Körperschaftsteuer herangezogen wurde.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß das BMF-Schreiben vom 2. Juni 1972 ohne Rechtsgrundlage sei.

Mit seiner Revision rügt das FA, das FG habe § 15 Abs. 2 KStG sowie die Vorschriften über die Ermittlung des Gewinns (insbesondere §§ 5, 16 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i. V. m. § 6 KStG) verletzt.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und (sinngemäß) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

1. Die Umwandlung beruht im Streitfall handelsrechtlich auf §§ 24, 15, 3 ff. UmwG 1969. Es handelt sich dabei um die Neubekanntmachung des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 - UmwG 1956 - (BGBl I, 844) aufgrund des Art. 2 des Gesetzes zur Ergänzung der handelsrechtlichen Vorschriften über die Änderung der Unternehmensform vom 15. August 1969 (BGBl I, 1171) unter der neuen Bezeichnung Umwandlungsgesetz. Im Streitfall ist eine GmbH gemäß § 24 UmwG auf ihren alleinigen Gesellschafter - die Klägerin - umgewandelt worden (§ 15 UmwG 1969). Die Umwandlung einer GmbH auf eine andere, die Gesellschafterin der untergehenden GmbH ist, sieht § 1 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 24 UmwG 1969 ausdrücklich vor. Gemäß §§ 24, 5 UmwG 1969 ist mit der Eintragung ins Handelsregister das Vermögen der (schwindenden) GmbH einschließlich der Schulden auf die Klägerin übergegangen. Die schwindende GmbH war damit aufgelöst. Es liegt ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge vor.

2. Steuerrechtlich ist das UmwStG 1969 zu beachten. Im Streitfall ist § 1 UmwStG 1969 einschlägig: Wird eine Kapitalgesellschaft nach den Vorschriften des Abschn. 1 UmwG 1956 i. d. F. des Gesetzes zur Ergänzung der handelsrechtlichen Vorschriften über die Änderung der Unternehmensform vom 15. August 1969 (BGBl I, 1171) umgewandelt, so gelten, wenn die Umwandlung nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beschlossen wird, auf Antrag die Vorschriften der §§ 2 bis 13. Der Antrag kann auf die Vorschriften der §§ 2 und 3 beschränkt werden, die den Umwandlungsstichtag und den steuerlichen Umwandlungszeitpunkt regeln. Die Klägerin hat ihren Antrag in diesem Sinne vorläufig beschränkt.

II.

Die Rechtsprechung von Reichsfinanzhof (RFH) und Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit Umwandlungen der vorliegenden Art außerhalb des UmwStG bisher nur insoweit befaßt, als es bei der übertragenden (schwindenden) Kapitalgesellschaft oder Körperschaft um die Frage ging, ob die Besteuerung nach den Regeln der §§ 15 Abs. 1, 14 KStG a. F. vor sich gehe oder ob § 15 Abs. 2 KStG (analog) anzuwenden sei.

Nach § 15 Abs. 1 KStG ist, wenn das Vermögen einer Kapitalgesellschaft mit oder ohne Abwicklung (Liquidation) auf einen anderen übergeht, § 14 entsprechend anzuwenden. Für die Ermittlung des Gewinns tritt an die Stelle des zur Verteilung kommenden Vermögens der Wert der für die Übertragung des Vermögens gewährten Gegenleistung nach dem Stand im Zeitpunkt der Übertragung. Wird - wie hier - keine Gegenleistung gewährt, so muß an die Stelle der Gegenleistung die Summe der Teilwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter treten (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 15 KStG, K 12, Rdnr. 7).

Nach § 15 Abs. 2 KStG scheidet der sich beim Übergang ergebende Gewinn für die Besteuerung insoweit aus, als die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

(1.) das Vermögen einer inländischen Kapitalgesellschaft muß als Ganzes auf eine andere inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten der übernehmenden Gesellschaft übergehen;

(2.) es muß sichergestellt sein, daß dieser Gewinn später der Körperschaftsteuer unterliegt.

Die Entwicklung der Rechtsprechung von RFH und BFH, der Verwaltungsauffassung und des Schrifttums ergibt folgendes Bild:

1. Im Urteil vom 6. Juli 1943 I 134/42 (RStBl 1943, 758) hatte der RFH entschieden: Wird bei einer Umwandlung durch Übertragung des Vermögens auf den Hauptgesellschafter nach § 8 der Dritten Durchführungsverordnung zum Umwandlungs-Steuergesetz ein Teil der Gesellschafter der untergehenden Gesellschaft durch Barabfindung abgefunden, so ist die Steuervergünstigung des § 15 Abs. 2 KStG nur insoweit anwendbar, als der Umwandlungsgewinn auf die untergehenden Gesellschaftsrechte entfällt und die spätere Versteuerung dieses Gewinns sichergestellt ist. § 15 Abs. 2 KStG setze voraus, daß der Vermögensübergang gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten der übernehmenden Gesellschaft erfolge. Auch nach dem Handelsrecht (vgl. § 233 des Aktiengesetzes - AktG - 1937) sei grundsätzlich Voraussetzung für eine Verschmelzung der Vermögensübergang als Ganzes gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Eine Ausnahme enthalte § 238 AktG 1937 insoweit, als die übernehmende Gesellschaft Gesellschaftsrechte der übertragenden Gesellschaft besitze. Um ein Auseinandergehen von Handelsrecht und Steuerrecht zu vermeiden, werde auch auf steuerlichem Gebiet vom Erfordernis der Gewährung von Gesellschaftsrechten der übernehmenden Gesellschaft insoweit Abstand genommen, als die aufnehmende Gesellschaft Gesellschaftsrechte der übertragenden Gesellschaft besitze. Sei dies nur zum Teil der Fall, so müsse die übernehmende Gesellschaft auf einen Teil des Grundkapitals, der nicht in ihrem Besitz sei, eigene Gesellschaftsrechte als Gegenleistung gewähren (Hinweis auf § 238 AktG 1937). Obwohl in solchen Fällen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 KStG nicht in vollem Umfang erfüllt seien, sei die völlige steuerfreie Übertragung der Buchwerte (des Betriebsvermögens der übertragenden Gesellschaft) aus dem Gesichtspunkt verwaltungsmäßig einfacher Handhabung vertretbar. Anders liege es, wenn ein Teil der Gesellschafter keine Anteilsrechte an der übertragenden Gesellschaft, sondern nur Barabfindungen erhalte. Die Barabfindung stelle einen Teilerwerb des Vermögens der untergehenden Gesellschaft gegen Zahlung eines Geldbetrages dar und müsse zur Steuerpflicht der damit verwirklichten stillen Rücklagen der untergehenden Gesellschaft führen. Insoweit komme § 15 Abs. 2 KStG nicht zum Zuge. Soweit im Urteilsfall der Gewinn auf die untergehenden Gesellschaftsrechte entfalle, seien die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 KStG gegeben, da infolge des Übergangs des Vermögens der übertragenden Gesellschaft zu den Buchwerten die spätere Versteuerung dieses Gewinns sichergestellt sei.

Schon diese Entscheidung beruht ersichtlich auf der Vorstellung, daß bei der übernehmenden Gesellschaft die Buchwerte an die Stelle der untergehenden Gesellschaftsrechte treten können und durch Übernahme der Buchwerte die Besteuerung in ausreichendem Maße sichergestellt sein kann.

2. Gegen die (analoge) Anwendung des § 15 Abs. 2 KStG auf Fälle der verschmelzenden Umwandlung hatte sich Thiel (Der Betrieb - DB - 1957, 28 f.) gewandt. Er hatte vor allem beanstandet, daß bei dieser Rechtsauffassung dem System der körperschaftsteuerlichen Dreifachbesteuerung nicht ausreichend Rechnung getragen werde. Diese Dreifachbesteuerung bestehe einmal in der Versteuerung der stillen Reserven bei der Verwertung der Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft, zum zweiten bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern der übertragenden Kapitalgesellschaft und schließlich bei der Ausschüttung des Gewinns dieser Kapitalgesellschaft in der Person des Kapitaleigners. Da die Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft untergehe, führe die Übernahme der Buchwerte des Betriebsvermögens der übertragenden Gesellschaft in das Betriebsvermögen der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht zur Aufdeckung der in der Beteiligung ruhenden stillen Reserven (vgl. dazu später Thiel, DB 1959, 1092, und Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1962, 127).

Im Anschluß an Thiel war der (koordinierte Länder-) Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen S 2522-4416/VA-2 vom 2. September 1958 (BStBl II 1958, 142) ergangen. Danach habe die übertragende Gesellschaft - soweit nicht eine steuerbegünstigte Umwandlung i. S. des UmwStG vom 11. Oktober 1957 (BGBl I, 713, BStBl I, 468) vorliege - die stillen Reserven nach § 15 Abs. 1 KStG zu versteuern. Eine andere Auffassung hatte Fasselt (DB 1959, 1064) vertreten mit der Begründung, eine Dreifachbesteuerung sei dem Körperschaftsteuerrecht fremd. Flume (DB 1959, 1233) hatte hervorgehoben, daß die Dreifachbesteuerung bei der verschmelzenden Umwandlung durch den Untergang der Beteiligung entfalle.

3. Der BFH hatte erstmals im Urteil vom 25. Mai 1962 I 155/59 U (BFHE 75, 231, BStBl III 1962, 351 ) § 15 Abs. 2 KStG auch auf die liquidationslose Verschmelzung von Genossenschaften nach §§ 93a ff. des Genossenschaftsgesetzes (GenG) angewandt und im Urteil vom 25. Mai 1962 I 182/60 U (BFHE 75, 238, BStBl III 1962, 354 ) diese Auffassung auch auf die liquidationslose Verschmelzung zweier Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit ausgedehnt. Insbesondere im ersten Urteil war wesentlich darauf abgestellt worden, daß die die Verschmelzung von Genossenschaften regelnden Vorschriften der §§ 93a ff. GenG zum Teil wortgetreu den entsprechenden Vorschriften des Ersten Teils des Dritten Buchs des AktG nachgebildet seien.

4. Unmittelbar zum Fall der verschmelzenden Umwandlung hat sich der BFH in zwei Urteilen zur Anwendung des § 15 Abs. 2 KStG bei der Besteuerung der übertragenden Kapitalgesellschaft bekannt.

a) Im BFH-Urteil vom 14. Mai 1969 I R 77/67 (BFHE 96, 168, BStBl II 1969, 598 ) hat der erkennende Senat ausgesprochen, § 15 Abs. 2 KStG sei sinngemäß auch auf den Fall der verschmelzenden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf ihren alleinigen Gesellschafter anwendbar, wenn der übernehmende Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft sei. Weder im Falle der Liquidation (§ 14 KStG) noch in den Fällen der Verschmelzung und der Umwandlung, in denen das Vermögen einer Kapitalgesellschaft im ganzen mit oder ohne Liquidation auf einen anderen übergehe (§ 15 KStG), könne der Untergang der Beteiligung bei dem Beteiligungsunternehmen, in den letztgenannten Fällen bei dem aufnehmenden Unternehmen, als eine Art Rückgabe der Anteile gegen Hergabe des Liquidationserlöses bzw. der durch die Anteile bisher repräsentierten Vermögenswerte der untergehenden Gesellschaft gesehen werden. Hinzu komme, daß die Vorschrift des § 15 KStG zunächst im Grunde auf die Fälle der Verschmelzung und der Umwandlung abgestellt habe, die im AktG 1937 geregelt gewesen, die aber durch das UmwG erweitert worden seien. Der Zweck der Vorschriften der §§ 14 und 15 KStG sei es, die Mehrfachbesteuerung (durch das KStG und das EStG) auch für den Fall des Unterganges der Kapitalgesellschaft, sei es durch Auflösung, Verschmelzung oder Umwandlung, sicherzustellen. Die Besteuerung des sich beim Vermögensübergang ergebenden Gewinnes im Bereich der Körperschaftsteuer könner jedoch in den Fällen der Verschmelzung und der Umwandlung auch in einem späteren Zeitpunkt als dem des Unterganges der Kapitalgesellschaft erfolgen, wenn sichergestellt sei, daß dem Verlangen des Gesetzes nach Mehrfachbesteuerung Genüge geschehe. Dabei mache es für die Frage der steuerrechtlichen Notwendigkeit der sofortigen Auflösung der stillen Reserven der untergehenden GmbH keinen Unterschied, ob die Gesellschafter der auf eine KGaA umwandelnden GmbH für ihre Anteile am Stammkapital der GmbH nunmehr nach Kraftloserklärung ihrer Anteilsrechte Aktien der KGaA erhielten (§ 276 AktG 1937) oder ob der alleinige Gesellschafter der untergehenden GmbH die durch seine Anteilsrechte repräsentierten Vermögenswerte unmittelbar übernehme (§ 15 UmwG 1956). Denn in beiden Fällen gehe die GmbH als Steuersubjekt unter und sei die Frage nach der steuerrechtlichen Notwendigkeit der sofortigen Auflösung der stillen Reserven gleich zu beantworten. Was die Form der Sicherstellung der Mehrfachbesteuerung betreffe, so dürfe die übernehmende Gesellschaft die Gegenstände des übernommenen Vermögens in ihrer ersten, auf die Vermögensübernahme folgenden Bilanz nicht mit höheren Werten ansetzen, als sie in der letzten, der Besteuerung der untergegangenen GmbH zugrunde gelegten Bilanz zutreffend angesetzt worden seien. Da im Urteilsfall nicht feststand, ob diese Voraussetzungen vorlagen, hatte der erkennende Senat das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

b) Im BFH-Urteil vom 13. Oktober 1971 I R 96/69 (BFHE 103, 425, BStBl II 197 2, 97) hielt der Senat nach nochmaliger Prüfung an seiner Auffassung in der Entscheidung in BFHE 96, 168, BStBl II 1969, 598 fest, daß § 15 Abs. 2 KStG auch auf die verschmelzende Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf ihren alleinigen Gesellschafter (in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft) anwendbar sei. Zwar sei die zweite Voraussetzung des § 15 Abs. 2 Nr. 1 KStG - Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten - nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht erfüllt. Der Senat halte jedoch angesichts der zwischenzeitlichen Fortentwicklung des Rechts, wie sie im AktG 1937 ihren Niederschlag gefunden habe, und angesichts der wirtschaftlichen Übereinstimmung der Übertragung des Vermögens der untergehenden Kapitalgesellschaft auf den alleinigen Gesellschafter mit der Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten durch die übernehmende Gesellschaft die entsprechende Anwendung der Vorschrift für geboten. Der Senat bezog sich vor allem auf den Gesichtspunkt einer parallelen Behandlung von Gesellschaftsrecht und Steuerrecht und bemerkte, daß sich die Befreiungsvorschrift des § 15 Abs. 2 KStG zu jeder Zeit allein auf den Übertragungsgewinn der untergehenden Kapitalgesellschaft bezogen habe, und daß mit dem für den Regelfall aufgestellten Erfordernis der Gewährung von Gesellschaftsrechten durch die übernehmende Gesellschaft keinerlei Verknüpfung einer Freistellung von der Steuer mit Vorgängen im Bereich der übernehmenden Gesellschaft gegeben noch beabsichtigt gewesen sei. Übertrage die inländische Kapitalgesellschaft X ihr Vermögen als Ganzes auf die inländische Gesellschaft Y ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten, so bleibe dieser sich nicht in wörtlicher Übereinstimmung mit § 15 Abs. 2 Nr. 1 KStG vollziehende Vorgang in der Regel nicht ohne steuerliche Auswirkung bei der übernehmenden Gesellschaft Y.

c) Die Entscheidung in BFHE 103, 425, BStBl II 197 2, 97 stieß hauptsächlich auf die Kritik von Hübl (Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFSt - 1972/1973, 181); er machte geltend, daß der Gesetzgeber des UmwStG 1969 von der Nichtanwendbarkeit des § 15 Abs. 2 KStG im Falle der verschmelzenden Umwandlung ausgegangen sei. Dagegen haben Ranft (Steuerberater-Jahrbuch - StbJb - 1972/1973, 325 ff.) und Döllerer (JbFSt 1976/1977, 211) der Rechtsprechung des BFH zugestimmt (vgl. außerdem Eggesiecker, DB 1972, 1895, und Albrecht (v. Miller, Betriebs-Berater - BB - 1972, 1173).

5. Der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) hat im Schreiben vom 2. Juni 1972 F/IV B 5 - S 1978 - 20/72 (BStBl I 1972, 409) die vom erkennenden Senat vertretene Geltung des § 15 Abs. 2 KStG auch für die verschmelzende Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf ihren alleinigen Gesellschafter grundsätzlich anerkannt, jedoch folgende - im Streitfall angewandte - Folgerungen aus den Entscheidungen gezogen: Die Voraussetzung der Sicherstellung der späteren Versteuerung des Übertragungsgewinns sei nur erfüllt, wenn die übernehmende Gesellschaft die steuerlichen Buchwerte der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens der untergehenden Gesellschaft fortführe. Sei bei Buchwertfortführung das in der steuerlichen Umwandlungsbilanz ausgewiesene Betriebsvermögen höher oder niedriger als der Wert, mit dem die Anteile an der umgewandelten Kapitalgesellschaft nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung in einer Bilanz auf den Bilanzstichtag anzusetzen wären (Buchwert der Anteile), so bleibe der Unterschiedsbetrag bei der Ermittlung des Gewinns der übernehmenden Kapitalgesellschaft unberücksichtigt. Bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft unterliege der sich ergebende Übernahmegewinn der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Ein Übernahmeverlust bleibe bei der Ermittlung des Einkommens und des Gewerbeertrags unberücksichtigt. Übernahmegewinn und Übernahmeverlust sind in Ziff. 3 des Schreibens definiert.

III.

Der Senat folgt der Rechtsauffassung des FG.

Im Streitfall ist die Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft zu beurteilen. Wie diese Besteuerung zu geschehen habe, hat der Senat im Urteil in BFHE 103, 425, BStBl II 197 2, 97 ausdrücklich offengelassen (vgl. auch Urteil vom 22. November 1972 I R 80/72, BFHE 108, 100, BStBl II 1973, 249 ). Die Besteuerung richtet sich nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG. Danach bestimmt sich nach den Vorschriften des EStG und den §§ 7 bis 16 KStG, was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist. Zunächst sind die Vorschriften der §§ 5 und 6 EStG zu beachten. Diese beziehen sich in erster Linie auf das eigene Betriebsvermögen der aufnehmenden Gesellschaft. Dagegen kann der Vorgang der verschmelzenden Umwandlung auch bei der übernehmenden Gesellschaft nicht losgelöst von der Besteuerung der übertragenden Gesellschaft (§ 15 KStG) beurteilt werden.

1. Welche Bewertungsvorschriften des EStG für die Regelbesteuerung der übernehmenden Gesellschaft eingreifen, hängt zunächst davon ab, ob die Übernahme der Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft durch die übernehmende Gesellschaft und der Untergang der Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft, die notwendig aus der Auflösung dieser Gesellschaft folgt, als Tausch von Wirtschaftsgütern anzusehen ist. Ein Tausch liegt jedoch nicht vor. Er würde voraussetzen, daß - wie bei der Veräußerung - die Beteiligung auf einen anderen übertragen wird (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1975 I R 198/73, BFHE 117, 231, BStBl II 1976, 113 ). Die Übernahme der Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft durch die übernehmende Gesellschaft ist als Teil einer gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge anzusehen. Aus dieser Beurteilung folgt, daß die (im Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft mit ihrem Buchwert enthaltene) Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft untergeht, da die übertragende Gesellschaft aufgelöst wird. Die Beteiligung ist aus dem Betriebsvermögen auszubuchen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1979 I R 202/75, BFHE 128, 33, 38, BStBl II 1979, 581 , 583, rechte Spalte 5 b a.E.).

2. Vom steuerrechtlichen Schicksal der Beteiligung im Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft ist die Bewertung der von der übertragenden Gesellschaft übernommenen Wirtschaftgüter im Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft zu unterscheiden. Sie steht in engem Zusammenhang mit § 15 KStG, insbesondere mit Absatz 2 dieser Vorschrift, die unter den im Gesetz näher bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von der regelmäßigen Schlußbesteuerung der untergehenden Gesellschaft zuläßt, eine Aufdeckung der in den Wirtschaftsgütern der übertragenden Gesellschaft ruhenden stillen Reserven vermeidet und dadurch die Verschmelzung der beiden Gesellschaften körperschaftsteuerrechtlich erleichtert.

Die in § 15 Abs. 2 Nr. 2 KStG geforderte Sicherstellung der Besteuerung gelingt nur, wenn die aufnehmende Gesellschaft die Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft mit den Buchwerten in ihrer Bilanz fortführt. Diese Buchwertfortführung ist zulässig, weil die übernommenen Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft eingehen und damit dem Besteuerungszwang unterworfen (verhaftet) bleiben.

a) Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 KStG sind auch im übrigen erfüllt.

Dies gilt insbesondere für § 15 Abs. 2 Nr. 1 KStG. Diese Vorschrift knüpft an das Gesellschaftsrecht an. Aktienrechtlich wird die (hier nicht vorliegende) Verschmelzung durch Neubildung von der Verschmelzung durch Aufnahme unterschieden. Die Verschmelzung durch Aufnahme definiert das Aktienrecht als "Übertragung des Vermögens einer Gesellschaft oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaften) als Ganzes auf eine andere Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Aktien dieser Gesellschaft" (§ 339 AktG 1965, § 233 AktG 1937). Die Vorschriften des Aktienrechts über die Verschmelzung durch Aufnahme kennen aber nicht nur den Hauptfall, daß die Übertragung des Vermögens gegen Gewährung von Aktien stattfindet. Vielmehr umfaßt die Verschmelzung durch Aufnahme auch den Fall, daß die übernehmende Gesellschaft Aktien der übertragenden Gesellschaft besitzt und daher die Ausgabe von Aktien nicht in Betracht kommt (§ 344 AktG 1965, § 238 AktG 1937). Dieser Fall der verschmelzenden Umwandlung ist nur eine Variante der Verschmelzung durch Aufnahme, ohne daß sie in der Definition dieses Begriffes besonders erwähnt wird. Aus dem Sinnzusammenhang zu diesen aktienrechtlichen Vorschriften ist auch § 15 Abs. 2 Nr. 1 KStG zu verstehen. Das bedeutet, daß die Anknüpfung an die Verschmelzung durch Aufnahme auch die Variante, bei der die Ausgabe von Aktien entfällt, mitumfaßt. Da § 15 Abs. 2 Nr. 1 KStG außerdem von Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) schlechthin spricht, müssen die aktienrechtlichen Vorschriften sinngemäß auch für die verschmelzende Umwandlung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung gelten (vgl. zur umwandelnden Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung nunmehr §§ 19, 22, 23 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung von Gesellschaftsmitteln und über die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 4. Juli 1980, BGBl I, 836).

b) Im Streitfall hat die Klägerin die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter angesetzt. Nach Auffassung des BMF soll die Buchwertfortführung nur mit der Folge zulässig sein, daß die in der untergehenden Beteiligung ruhenden stillen Reserven durch eine Rechnung "außerhalb der Bilanz" erfaßt und der Körperschaftsbesteuerung der übernehmenden Gesellschaft unterworfen werden. Die Aufdeckung dieser stillen Reserven widerspricht dem Untergang der Beteiligung durch Auflösung der übertragenden Gesellschaft. Die Dreifachbesteuerung (siehe oben II. 2.) kommt daher in Fällen der verschmelzenden Umwandlung der hier vorliegenden Art nicht zum Zuge. Für sie ergibt sich keine Rechtsgrundlage. Eine solche kann insbesondere nicht aus den Vorschriften des UmwStG 1969 hergeleitet werden. Gestattet man nämlich Steuerpflichtigen, sich für eine Besteuerung nach den schon vor Inkrafttreten des UmwStG 1969 geltenden Vorschriften zu entscheiden, so können diese Vorschriften nicht deshalb anders ausgelegt werden, weil später das UmwStG 1969 auf der Grundlage neuer Wertvorstellungen des Gesetzgebers geschaffen worden ist. Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Beteiligung außerhalb der Bilanz würde auch zu einer unzutreffenden Besteuerung führen. Denn der Steuerpflichtige müßte zwar die in der Beteiligung ruhenden stillen Reserven versteuern, dürfte aber andererseits nur von den übernommenen (niedrigeren) Buchwerten Absetzungen für Abnutzung - AfA - (vgl. insbesondere § 7 EStG) vornehmen. Diese Rechtsfolge findet im Gesetz keine Stütze.

c) Der Senat verkennt dabei nicht, daß nach der von ihm vertretenen Rechtsauffassung (Ausbuchung der Beteiligung einerseits und Ansatz der Buchwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter andererseits) dann buchmäßig ein Verlust eintritt, wenn der Buchwert der Beteiligung höher ist als die Summe der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter. Ein Buchverlust ist das Ergebnis eines folgerichtig unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 2 KStG bei der Klägerin durchgeführten Vermögensvergleichs. Er muß hingenommen werden.

IV.

Das FG hat es zu Recht abgelehnt, außerhalb der Bilanz der Klägerin die in der Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft ruhenden stillen Reserven aufzudecken und zutreffend den Verlust von 447 659,60 DM als eine das Einkommen der Klägerin mindernde Größe anerkannt.

Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen dem FA gemäß § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Last.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426049

BStBl II 1985, 64

BFHE 1985, 110

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