Leitsatz (amtlich)

Unterhaltsleistungen eines in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Gastarbeiters an seine im Heimatland lebenden Angehörigen können nach § 33 a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden, wenn sie entsprechend nachgewiesen werden. Der Nachweis, daß Unterhaltsbeträge während des Heimaturlaubs in bar geleistet worden sind, kann in der Regel nicht lediglich durch die Vorlage einer Bescheinigung des Bürgermeisters der Heimatgemeinde erbracht werden.

 

Normenkette

EStG 1977 § 33a Abs. 1; AO 1977 § 90 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als türkischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) tätig. Er machte im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1978 Unterhaltszahlungen an seine in der Türkei lebende Mutter in Höhe von 3 200 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Er überreichte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -FA-) eine Bescheinigung des türkischen Verwaltungsbezirkspräsidenten, nach der die Mutter vom Kläger unterstützt worden sei, weil sie keine Einkünfte und kein Vermögen und keine anderen Angehörigen habe, die in der Bundesrepublik lebten. Das FA lehnte die Berücksichtigung des geltend gemachten Betrages als außergewöhnliche Belastung ab. Der Kläger legte im Einspruchsverfahren eine Erklärung des Vorstehers der Heimatgemeinde der Mutter vor, in der dieser bestätigte, daß der Kläger in seinem Urlaub seiner Mutter 3 200 DM zum Unterhalt ausgehändigt habe. Der Einspruch hatte jedoch keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte u. a. aus:

Die Klage sei unbegründet, weil der Kläger die Aufwendungen für den Unterhalt seiner in der Türkei lebenden Mutter nicht hinreichend nachgewiesen habe. Es sei sachgerecht, wenn die Finanzverwaltung für den Nachweis solcher Leistungen grundsätzlich die Vorlage von Post- oder Bankbelegen verlange. Eine Eigenerklärung der unterstützten Person, Unterhaltsleistungen empfangen zu haben, genüge bei Unterhaltsleistungen ins Ausland nicht. Die vom Kläger im Streitfall vorgelegte Bescheinigung des türkischen Gemeindevorstehers reiche zum Nachweis der Unterhaltszahlung ebenfalls nicht aus. Sie sei nicht geeignet, die Unterhaltsleistungen glaubhaft zu machen, da nicht ersichtlich sei, auf welche Weise der Gemeindevorsteher Kenntnis von der Geldübergabe erlangt habe. Es sei unerheblich, daß das FA im Verfahren über den Lohnsteuer-Jahresausgleich des Vorjahres für die Unterhaltsleistungen an die Mutter keine weiteren Nachweise verlangt habe.

Der Kläger rügt mit der Revision sinngemäß die Verletzung des § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und des § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1977 (EStG 1977). Er bringt u. a. vor:

Entgegen der vom Bundesminister der Finanzen (BMF) im Schreiben vom 16. Januar 1979 IV B 6 - S 2365 - 3/79 (Betriebs-Berater - BB - 1979, 148) vertretenen Ansicht könne der Nachweis von Unterhaltsaufwendungen von Gastarbeitern an ihre im Ausland lebenden Angehörigen nicht auf die Vorlage von Post- oder Bankbelegen beschränkt werden. Nach § 90 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 seien die Beteiligten verpflichtet, alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung auszuschöpfen. Diese Vorschrift verbiete es, mögliche Beweismittel nach Art und Umfang so einzuschränken, wie es in dem vorgenannten Schreiben des BMF geschehen sei.

Diese Handhabung werde auch nicht den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht. Viele Unterhaltsberechtigte im Ausland seien Analphabeten und lebten in unwegsamen Gebieten; Post- oder Bankniederlassungen lägen oft weit entfernt.

Da die Möglichkeit einer Vernehmung im Ausland lebender Angehöriger regelmäßig ausscheide, müsse die Anhörung durch ein anderes Beweismittel, wie hier durch die Bescheinigung des Bürgermeisters, ersetzt werden. Es sei in der Regel davon auszugehen, daß die Heimatbehörde in ihrer Bescheinigung einen überprüften Vorgang zutreffend ausweise, auch wenn die äußeren Umstände der Überprüfung nicht im einzelnen aus der Bescheinigung zu ersehen seien.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einspruchsentscheid des FA vom 16. November 1979 aufzuheben und den Bescheid des FA über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1978 dahin abzuändern, daß Unterhaltsleistungen an seine Mutter in Höhe von 3 200 DM nach § 33 a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden, sowie hilfsweise, ihm im Fall des Unterliegens Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der BMF ist auf Aufforderung des Senats dem Verfahren beigetreten. Er führt aus:

Im Hinblick auf die wenig durchschaubaren Verhältnisse im Ausland (einschließlich einer unterschiedlichen, teilweise wenig beweiskräftigen Bescheinigungspraxis privater und öffentlicher Stellen) und bei Berücksichtigung der Tatsache, daß der Überprüfung von im Ausland geschaffenen Nachweisen enge Grenzen gesteckt seien, könnten als Nachweis für Unterhaltszahlungen an Angehörige im Ausland grundsätzlich nur sichere und leicht nachprüfbare (inländische) Unterlagen anerkannt werden. Die Finanzverwaltung habe daher zu Recht bekanntgegeben, daß der Nachweis von solchen Unterhaltsleistungen grundsätzlich nur durch Post- oder Bankbelege, die die unterhaltene Person als Empfänger auswiesen, erbracht werden könne. Ein solcher Nachweis sei dem Gastarbeiter in der Regel zumutbar. Der Bank- und Postzahlungsverkehr mit Jugoslawien und der Türkei wickle sich zuverlässig, reibungslos und schnell ab, und es könne davon ausgegangen werden, daß ein so überwiesener Unterhaltsbetrag den auf dem Einzahlungsbeleg genannten Empfänger dort tatsächlich erreiche.

Von diesen Erwägungen gehe auch sein inzwischen ergangenes und mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmtes Schreiben vom 26. November 1981 IV B 6 - S 2352-32/81 (BStBl I 1981, 744) aus. Er habe dort darauf hingewiesen, daß in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger oder ein von ihm beauftragter Dritter Bargeld für Unterhaltsleistungen bei Familienheimfahrten ins Ausland mitnehme, an den Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung einer solchen Zahlung erhöhte Anforderungen zu stellen seien. Es seien dann in der Regel inländische Belege über das Vorhandensein entsprechender Mittel (z. B. Abhebungsnachweis) und detaillierte Empfängerbestätigungen vorzulegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist Unbegründet.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld oder auf andere Leistungen für Kinder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) hat, so wird nach § 33 a Abs. 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3 000 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, wenn die unterhaltene Person kein oder nur geringes Vermögen besitzt und die Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, die in § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG genannte Grenze von grundsätzlich 3 600 DM nicht übersteigen. Solche Aufwendungen sind nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 2 EStG zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Diese Vorschriften gelten, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. Urteil vom 22. Juni 1979 VI R 85/76, BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660 und die dort erwähnte Rechtsprechung), für die in der Bundesrepublik beschäftigten Gastarbeiter in gleicher Weise wie für andere Steuerpflichtige.

Die Freibeträge nach § 33 a Abs. 1 EStG können aber ebenso wie andere Steuervergünstigungen nur in Anspruch genommen werden, wenn ihre Voraussetzungen im Einzelfall nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden. Die Finanzbehörden und Steuergerichte sind zwar verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 88 AO 1977, § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Kann ein Sachverhalt, aus dem der Steuerpflichtige einen Vorteil herleiten will, aber nicht hinreichend aufgeklärt werden, so trifft ihn der Nachteil der verbleibenden Ungewißheit. Er trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen, die die Steuerermäßigung begründen sollen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. Januar 1978 VI R 193/74, BFHE 124, 508 BStBl II 1978, 338 und die dort erwähnte Rechtsprechung).

Leisten in der Bundesrepublik lebende Gastarbeiter Unterhalt an Angehörige im Heimatland, so sind sie bei der steuerlichen Geltendmachung solcher Aufwendungen nach § 90 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 in besonderem Maße verpflichtet, solche Sachverhalte, die sich auf Vorgänge im Ausland beziehen, aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben nach den Sätzen 2 und 3 dieser Vorschrift alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und sie können sich auf die Nichtaufklärung oder Nichtbeschaffung von Beweismitteln nicht berufen, wenn sie sich nach Lage des Falles bei der Gestaltung ihrer Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätten beschaffen oder einräumen lassen können. Von diesen Grundsätzen ging der Senat auch schon vor Inkrafttreten der AO 1977 aus (vgl. Urteil in BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338).

Der Senat stimmt dem FG und dem BMF darin bei, daß sich ein Nachweis von Unterhaltszahlungen am eindeutigsten und geeignetsten durch Vorlage von Bankbelegen und Postüberweisungsabschnitten erbringen läßt. Denn durch die Einreichung solcher Unterlagen wird in der Regel in hinreichendem Maße bewiesen, wann und wieviel Geld aus dem Vermögensbereich des Unterhaltsleistenden abgeflossen ist und es kann im allgemeinen unterstellt werden, daß diese Beträge auch in den Verfügungsbereich des Adressaten gelangt, nämlich auf dessen Bankkonto im Ausland angekommen bzw. von der Post ihm bar ausgehändigt worden sind. Dabei kann es im Streitfall dahingestellt bleiben, ob dies nach den vom Kläger bezweifelten Angaben des BMF auch für den Bank- und Postzahlungsverkehr mit der Türkei und Jugoslawien zutrifft.

Es kann andererseits einem in der Bundesrepublik lebenden Gastarbeiter nicht verwehrt werden, Unterhaltsbeträge seinen Angehörigen auch bei einem Heimaturlaub in bar auszuhändigen. Auch solche einmal oder zweimal im Kalenderjahr erbrachten Leistungen können nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 5. September 1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31) Unterhaltsaufwendungen i. S. des § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG sein, da durch sie in gleicher Weise wie etwa bei monatlichen Zahlungen der laufende Lebensbedarf einer Person gedeckt werden kann. Es wäre unzumutbar, in einem solchen Falle von einem Gastarbeiter zu verlangen, er dürfe zwecks steuerrechtlicher Anerkennung von Unterhaltsaufwendungen das Geld dem Unterhaltsempfänger im Ausland nicht bar aushändigen, sondern er müsse es ihm vorher oder nachher per Bank oder per Post überweisen (so auch FG Düsseldorf, Senate in Köln, Urteil vom 20. Dezember 1978 VIII 193/77 L, Entscheidungen der Finanzgerichte 1979, 232). Das gilt erst recht, wenn der unterhaltene Angehörige - wie im Streitfall die Mutter des Klägers - auf einem Dorf in der Türkei wohnt, in dem es laut Angaben des Klägers kein Postamt und keine Niederlassung einer Sparkasse oder Bank gibt.

Die Mitnahme des Geldes ins Heimatland sowie die Übergabe des Geldes an die unterhaltsbedürftigen Angehörigen während des Heimaturlaubs des Gastarbeiters müssen aber in einer Weise nachgewiesen werden, die Zweifel an einer solchen Zahlung weitgehend ausschließen. Da § 90 Abs. 2 AO 1977 keine Einschränkungen bezüglich der in Betracht kommenden Beweismittel enthält, richtet sich die Art, wie ein solcher Zahlungsweg nachzuweisen ist, stets nach den Umständen des Einzelfalles. Ob ein solcher Nachweis jeweils erbracht ist, hat das FG als Tatsacheninstanz zu entscheiden. Der Senat ist als Revisionsinstanz an die vom FG getroffenen Feststellungen gebunden, soweit der Revisionskläger hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 FGO). So hat der Senat es z. B. in dem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 19. September 1980 VI R 145/80 rechtlich nicht beanstandet, daß das FG Unterhaltsaufwendungen eines türkischen Gastarbeiters an seine in der Türkei lebenden Angehörigen durch Übergabe von Geldern während des Heimaturlaubs durch Vorlage von Empfangsbestätigungen der Angehörigen mit Unterschriftsbeglaubigung durch den Gemeindevorsteher sowie durch Einreichung einer Ablichtung des Reisepasses mit Eintragungen der Daten der Ein- und Ausreise und durch Beifügung eines Beleges einer türkischen Bank über den Kauf von 59 500 türkischer Lira zu 10 000 DM nachgewiesen hatte.

Von gleichen Grundsätzen geht inzwischen auch der BMF in seinem vorgenannten Schreiben vom 26. November 1981 aus, in dem er die Mitnahme von Bargeld durch den Gastarbeiter oder durch eine von ihm beauftragte Person anläßlich von Familienheimfahrten grundsätzlich nicht mehr als schädlich ansieht, wenn ein solcher Zahlungsweg entsprechend nachgewiesen wird.

Das FG konnte entsprechend diesen Grundsätzen die im Streitfall vom Kläger behaupteten Unterhaltszahlungen an seine in der Türkei lebende Mutter in Höhe von 3 200 DM ohne Rechtsverstoß als nicht nachgewiesen ansehen. Der Kläger hatte zum Nachweis seiner Leistungen außer einer Unterhaltsbescheinigung des türkischen Verwaltungsbezirkspräsidenten lediglich eine Erklärung des türkischen Gemeindevorstehers vorgelegt, nach der er, der Kläger, seiner Mutter den vorgenannten Betrag ausgehändigt habe. Das FG konnte diese Erklärung rechtsirrtumsfrei als nicht ausreichend würdigen. Es hat zutreffend festgestellt, daß aus der Bescheinigung des Bürgermeisters nicht ersichtlich war, auf welche Weise er sich Kenntnis von der Geldübergabe an die Mutter des Klägers verschafft hatte. Der Kläger hatte zudem auch nicht etwa die Abhebung von DM-Beträgen oder den Umtausch von DM-Beträgen in türkische Lire belegt. Das FG hat es zu Recht nicht für wesentlich erachtet, daß das FA beim Lohnsteuer-Jahresausgleich des vorangegangenen Jahres keine weiteren Nachweise verlangt hatte. Denn die Voraussetzungen für die Gewährung einer Steuerermäßigung sind für jedes Ausgleichsjahr erneut zu prüfen.

Für die Gewährung von Vollstreckungsschutz bei rechtskräftiger Abweisung der Klage ist nicht der Senat, sondern das FA zuständig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74394

BStBl II 1982, 772

BFHE 1983, 97

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