Leitsatz (amtlich)

Ein Tabakwarenhersteller hat die Ansprüche auf Steuererleichterung nach §§ 81 ff. TabStG (sogenannte Betriebsbeihilfe), soweit sie sich nach den erst nach dem Bilanzstichtag bezahlten Steuerzeichen-(Banderolen-) Schulden bemessen und die Banderolen bis zum Bilanzstichtag zusammen mit der Ware bereits verkauft waren, zu aktivieren, wenn nach den Verhältnissen des Betriebes und den Erfahrungen der Vergangenheit mit der Gewährung der Steuererleichterung gerechnet werden kann.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2; TabStG § 81 ff.

 

Tatbestand

Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung 1957, ob die Ansprüche eines Tabakwarenherstellers auf Steuererleichterung nach dem Tabaksteuergesetz (TabStG) vom 6. Mai 1953 (BGBl I 1953, 169) auch insoweit zu aktivieren sind, als sie sich auf am Bilanzstichtag passivierte und erst im nächsten Jahr bezahlte Tabaksteuerbeträge beziehen (§§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Die Revisionsklägerin, eine offene Handelsgesellschaft - im folgenden OHG -, betrieb eine Zigarrenfabrik, Sie zahlte Tabaksteuer nach Maßgabe der §§ 10 ff. TabStG, indem sie beim Zollamt (ZA) Steuerzeichen (Banderolen) kaufte. Entsprechend der Vorschrift des § 12 TabStG rechnete sie jeweils erst im Laufe des nächsten Monats darüber ab. In der Bilanz zum 31. Dezember 1957 setzte sie die sich aus den Banderolenkäufen ergebende, noch nicht gezahlte Tabaksteuer als Verbindlichkeit ein.

Als kleinerem Betrieb der Tabakindustrie wurde der OHG laufend die in den Vorschriften der §§ 81 ff. TabStG vorgesehene Steuererleichterung (sogenannte Betriebsbeihilfe) in Form einer Steuererstattung gewährt. Der Erstattungsbetrag bemaß sich nach der Höhe der in einem Kalendervierteljahr gezahlten Tabaksteuer (§ 81 Abs. 1 TabStG). Die Steuererleichterung ergab sich jeweils aus einem nach Ablauf des Kalendervierteljahrs von der Zollbehörde erlassenen Bescheid. Die OHG aktivierte in ihren Bilanzen, so auch im Streitjahr, den Anspruch auf die sogenannte Betriebsbeihilfe insoweit, als die Tabaksteuerschuld bereits durch Zahlung getilgt war. Soweit die Betriebsbeihilfe im Folgejahr auf Grund von Steuerzahlungen gewährt wurde, die die OHG erst nach dem Bilanzstichtag (31. Dezember 1957) leistete und für die sie zum Bilanzstichtag eine Verbindlichkeit angesetzt hatte, sah die OHG von der Aktivierung eines Beihilfeanspruchs ab.

Auf Grund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung im Jahre 1960 aktivierte das FA einen Anspruch auf Betriebsbeihilfe, der auf die zum 31. Dezember 1957 noch nicht bezahlte, aber passivierte Tabaksteuerschuld entfiel. Der Einspruch gegen den berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid blieb ohne Erfolg.

In der Berufung trug die OHG vor, daß am Bilanzstichtag noch keine nach Grund und Höhe feststehende Forderung gegen das ZA bestanden habe. Der Anspruch sei erst mit der Feststellung sämtlicher Voraussetzungen durch das ZA entstanden.

Das FG wies in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1964 S. 540 - EFG 1964, 540 - (Nr. 661) veröffentlichten Entscheidung die Berufung als unbegründet zurück, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Betriebsbeihilfe am Bilanzstichtag bereits vorgelegen hätten (§ 81 Abs. 1 TabStG). Der Anspruch sei am Bilanzstichtag als bewertungsfähiges Wirtschaftsgut vorhanden gewesen. Die Vorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 2 TabStG regle nicht die Entstehung des Anspruchs, sondern nur seine Bemessung. Es ergebe sich eine ähnliche Rechtslage wie bei Ansprüchen auf Erstattung von Umsatzsteuer und Gewerbesteuer und für die Aktivierung von Ansprüchen auf einen Umsatzbonus (Hinweis auf das Urteil des BFH IV 33/56 U vom 7. November 1957, BFH 66, 163, BStBl III 1958, 65). Hinzu komme, daß die OHG die noch offenen Steuerschulden aus dem Banderolenkauf passiviert habe. Die Beträge hätten daher den Gewinn gemindert. Das erfordere, daß der auf sie entfallende Anspruch auf Betriebsbeihilfe in voller Höhe aktiviert werde. Andernfalls entstünde ein verzerrtes Bilanzbild.

In ihrer Rb. beantragt die OHG die Aufhebung der Vorentscheidung, da die Aktivierung eines Anspruchs auf Steuererleichterung unzulässig sei. Der Anspruch auf die sogenannte Betriebsbeihilfe entstehe erst durch die tatsächliche Bezahlung der Steuerschuld. Er berechne sich nach den in dem Quartal tatsächlich gezahlten Steuerbeträgen. Ob und inwieweit die erst im Januar 1968 vorgenommenen Zahlungen auf die im Dezember 1957 bereits entstandene Tabaksteuerschuld einen Beihilfeanspruch entstehen ließen, könne am Bilanzstichtag noch nicht übersehen werden. Denn nach den §§ 84 und 85 TabStG könne unter bestimmten Voraussetzungen der Anspruch ganz entfallen oder gekürzt werden. Es handle sich nicht nur um die Regelung eines Berechnungsmodus, sondern der Voraussetzungen der Entstehung des Anspruches. Im übrigen sei der Kauf der Banderolen im Dezember auf das Bilanzergebnis ohne Einfluß. Denn die gekauften Steuerzeichen müßten nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung in gleicher Höhe auf der Aktivseite ausgewiesen werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Die Steuererleichterungen für kleinere Betriebe der Tabakindustrie, die in den §§ 81 ff. TabStG geregelt sind, wurden vom Gesetzgeber in die Form von Tabaksteuererstattungen gekleidet. Auf diese Erstattungen hatte der Hersteller, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllte, einen Rechtsanspruch. Die Steuererleichterung bemaß sich u. a. nach der im Kalenderjahr gezahlten Tabaksteuer (vgl. § 87 der Durchführungsbestimmungen zum Tabaksteuergesetz - TabStDB -). Zur gezahlten Tabaksteuer im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 2 TabStG gehörten alle für Steuerzeichen gezahlten und auf Steuerzeichen-Schulden des Herstellers verrechneten Beträge (§ 88 TabStDB). Der Antrag auf Gewährung der Steuererleichterung wurde jeweils für ein abgelaufenes Kalendervierteljahr gestellt (§ 87 TabStDB).

Aus der tabaksteuerrechtlichen Regelung ergibt sich zwar, daß Zahlungen auf im Dezember begründete Steuerzeichen-Schulden, die im Januar des Folgejahres geleistet werden, erst nach Ablauf des ersten Quartals des neuen Jahres zu einer Steuererleichterung führen. Aus ihr folgt jedoch nicht, daß eine nach den Verhältnissen des einzelnen Betriebes zu beurteilende, am Bilanzstichtag bereits bestehende Anwartschaft auf die künftige Steuererleichterung nicht bereits als Wirtschaftsgut behandelt werden könnte. Für die bilanzmäßige Behandlung kommt es nicht immer darauf an, ob ein Anspruch bei bürgerlich-rechtlicher Beurteilung bereits entstanden ist. Steuerlich ist entscheidend, ob bereits ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut vorliegt. Das ist bei einem erst in der Entstehung begriffenen Anspruch dann der Fall, wenn sich die Anwartschaft genügend konkretisiert hat und bei einer Veräußerung des Betriebs bei der Festsetzung des Kaufpreises berücksichtigt würde (vgl. BFH-Urteil IV 291/65 vom 28. September 1967, BFH 90, 69, BStBl III 1967, 763, und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Voraussetzung ist hier gegeben.

Ein Anspruch, der bei bürgerlich-rechtlicher Beurteilung erst mit der Tilgung einer passivierten Verbindlichkeit entsteht, muß aktiviert werden, wenn er schon zuvor mit der Verbindlichkeit wirtschaftlich eng zusammenhängt (vgl. BFH-Urteil I 152/59 U vom 8. November 1960, BFH 71, 738, BStBl III 1960, 523). In Fällen der vorliegenden Art ist dieser Zusammenhang insoweit zu bejahen, als sich die eingegangene Verbindlichkeit (Steuerzeichen-Schuld) auf solche Steuerzeichen (Banderolen) bezog, die bis zum Bilanzstichtag - zusammen mit der Ware, mit der sie körperlich verbunden zu werden pflegen - weiterveräußert wurden. Ankauf und Verkauf der Steuerzeichen wurden buchmäßig auf dem Warenkonto dargestellt. Diese den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechende Sachbehandlung hatte zur Folge, daß der Gewinn aus dem Tabakwarenverkauf um die vollen buchmäßigen Anschaffungskosten der eingesetzten Banderolenbestände vermindert wurde. Wirtschaftlich gesehen waren jedoch diese Anschaffungskosten um den Betrag der sich aus der bevorstehenden Bezahlung der entsprechenden Steuerzeichen-Schulden ergebenden Steuererleichterungsansprüche niedriger. Um diesen Betrag muß der ausgewiesene Gewinn erhöht werden.

Etwas anderes gilt, soweit die Banderolen am Bilanzstichtag noch vorhanden waren. Denn die Anschaffung der Banderolen war zunächst ein erfolgsneutraler Vorgang. Den Anschaffungskosten des Banderolenbestandes standen entsprechende Verbindlichkeiten gegenüber. Die Aktivierung eines Steuererleichterungsanspruchs auch insoweit, als die Banderolen noch nicht veräußert und somit der Verkaufsgewinn noch nicht realisiert war, würde den unzulässigen Ausweis eines noch nicht verwirklichten Gewinns bedeuten.

Bei Betrieben, die nach Maßgabe der §§ 81 ff. TabStG regelmäßig die Steuererleichterung in Anspruch nehmen und bei denen sich die Bemessungsgrundlagen der Steuererleichterung von Jahr zu Jahr nicht wesentlich verändern, kann der Unternehmer in der Regel damit rechnen, daß die Bezahlung der am Bilanzstichtag bestehenden und in der Bilanz passivierten Steuerzeichen-Schulden in der üblichen Höhe zu einer Steuererstattung führen wird. Dieser Vorteil ist auch in der Hand eines gedachten Betriebsveräußerers unter der bezeichneten Voraussetzung soweit konkretisiert, daß ihn ein Betriebserwerber als bewertungsfähiges und zu berücksichtigendes Wirtschaftsgut anerkennen würde. Es ist entgegen der Auffassung der OHG unerheblich, daß nach § 81 Abs. 7 TabStG der Anspruch auf die Steuererleichterung nicht abtretbar und nicht pfändbar ist. Denn dieser Gesichtspunkt ist für die Entscheidung darüber, ob und inwieweit eine bewertbare Anwartschaft bestand, ohne Bedeutung.

Die vorstehenden Erwägungen treffen allerdings dann nicht zu, wenn nach den Verhältnissen des einzelnen Betriebes wegen starker Schwankungen in der Höhe der Beträge, die für die Bezahlung von Steuerzeichen-Schulden aufgewendet zu werden pflegen, von Jahr zu Jahr erheblich voneinander abweichende Steuererleichterungssätze in Betracht kommen (§§ 83 ff. TabStG). Dies gilt um so mehr in Grenzfällen, in denen nach den Verhältnissen des Bilanzstichtages mit der Gewährung einer Steuererleichterung überhaupt nicht gerechnet werden kann. Hier fehlt es an einer für die Annahme eines Wirtschaftsguts ausreichenden Konkretisierung. Insoweit ist kein Raum für eine Aktivierung von Steuererleichterungsansprüchen.

Nach den Feststellungen des FG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Verhältnisse so lagen, daß mit einer gewissen Regelmäßigkeit mit der Inanspruchnahme der Steuererleichterungen gerechnet werden konnte. Es muß auch geprüft werden, in welchem Umfange sich die passivierten Steuerzeichen-Schulden auf Banderolenbestände bezogen, die bis zum Bilanzstichtag verkauft waren. Die nicht spruchreife Sache muß deshalb an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68050

BStBl II 1968, 518

BFHE 1968, 207

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