Leitsatz (amtlich)

1. Wer das Meistgebot in fremdem Namen abgegeben hat, ist, wenn das Grundstück anschließend dem Vertretenen zugeschlagen wird, auch dann nicht Meistbietender, wenn die erteilte Vollmacht entgegen § 71 Abs. 2 ZVG nicht in öffentlich beglaubigter Urkunde nachgewiesen worden ist.

2. Daß das Gebot „für einen anderen” (vgl. § 81 Abs. 3 ZVG) abgegeben und dieser beim Gebot ausdrücklich benannt wird, besagt bei Fehlen einer dem § 71 Abs. 2 ZVG entsprechenden Vollmacht noch nicht, daß es in dessen Namen abgegeben worden ist.

3. Eine Unbilligkeit in der Sache selbst kann nicht allein deshalb verneint werden, weil der gesetzliche Besteuerungstatbestand erfüllt ist.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 15 Nr. 4; AO § 131

 

Tatbestand

Der Kläger A.K. hat im Gesamtausgebot der von einem persönlichen Gläubiger betriebenen Zwangsversteigerung von Grundstücken das Meistgebot abgegeben. Streitig ist, ob dieses Meistgebot ihm selbst (oder seinem Auftraggeber) zuzurechnen ist.

Das Protokoll des Versteigerungstermins nennt als einzigen erschienenen Beteiligten den Kläger „mit Vertretungsvollmacht – diese wurde nach Einsicht auf Verlangen zurückgegeben”. Die Vollmacht war nicht gerichtlich oder notariell beglaubigt; sie ist nicht mehr aufzufinden. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) soll sie den Kläger ermächtigt haben, „die Grundstücke entweder für B.V. persönlich oder für die B.V. GmbH zu erwerben”. Für die Letztgenannte waren Sicherungshypotheken eingetragen.

Ausweislich des Protokolls beantragte „der Vertreter der Firma V.” das Gesamtausgebot der Grundstücke. Als einziges Gebot wurde abgegeben „von A.K. Gesamtausgebot von 400 DM für Firma B.V. GmbH, evtl. für Herrn B.V. – ohne Vertretungsmacht, Vertretungsmacht nachzuziehen versprechend – und bei Unwirksamkeit persönlich”.

Am Tage vor Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag erklärte der Kläger zu Protokoll des Versteigerungsgerichts, die V, GmbH, für die er ohne Vertretungsmacht gehandelt habe, habe die Genehmigung des Meistgebots verweigert; er trete die Rechte aus dem Meistgebot an B.V. (Ersteher) persönlich ab. Der miterschienene Ersteher nahm die Abtretung an und übernahm die Pflichten aus dem Meistgebot. Am folgenden Tage hat das Amtsgericht die Grundstücke dem Ersteher B.V. zugeschlagen und den Kläger als Meistbietenden für mithaftend erklärt.

Bei Zuschlag und Mithafterklärung ist es auch im weiteren Verlauf geblieben. Hinsichtlich der Fassung des Erwerbsgrundes hat jedoch der Rechtspfleger die Formulierung des Beschlusses zweimal geändert. Die letzte Änderung geht darauf zurück, daß Kläger und Ersteher die Abtretungserklärungen wegen Irrtums angefochten hatten und der Ersteher das für ihn abgegebene Meistgebot, bezüglich dessen er die Vertretungsmacht des Klägers bestätigte, annahm und diesem Gebote zustimmte.

Das Finanzamt – FA – (Beklagter) hat gegen den Kläger die Grunderwerbsteuer aus dem Meistgebot festgesetzt. Sein Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG hat die Berufung zurückgewiesen. Die wesentlichen Entscheidungsgründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 1964 S. 548 (EFG 1964, 548) veröffentlicht.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des Klägers war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Das FG geht davon aus, der Kläger habe erkennbar als Vertreter der Firma V. GmbH, evtl. für B.V. persönlich geboten. Es rechnet jedoch im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) II 206/55 U vom 8. Februar 1956 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 62 S. 253 – BFH 62, 253 –, BStBl III 1956, 93) das Meistgebot dem Kläger zu, weil das Steuerrecht den zivilrechtlichen Begriffen und Formen zu folgen habe, soweit nicht Zweck und wirtschaftliche Bedeutung des einzelnen Steuergesetzes eine abweichende Behandlung erforderten, und weil § 71 Abs. 2 des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) nicht zuließe, eine unmittelbare Stellvertretung des Meistbietenden auf Grund der Vorlage einer privatschriftlichen Urkunde und des bloßen Auftretens als offener Stellvertreter anzuerkennen.

Diese Ausführungen verkennen das bürgerliche Recht und das Zwangsversteigerungsrecht, denen das FG zu folgen meinte. Denn eine – u. U. sogar Innerhalb der Vertretungsmacht – in fremdem Namen abgegebene Erklärung wird nicht dadurch zu einer eigenen, daß die Vorschriften eines Verfahrensgesetzes über den Nachweis der Vertretungsmacht nicht eingehalten sind.

Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrages für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab (§ 177 Abs. 2 BGB). Sofern der Wille, in fremdem Namen zu handeln, erkennbar hervorgetreten ist (§ 164 Abs. 2 BGB), kann die Erklärung weder im einen noch im anderen Fall unmittelbar auf den Vertreter bezogen und ihm wie eine im eigenen Namen abgegebene Erklärung zugerechnet werden. Allenfalls ist der Vertreter, sofern er seine Vertretungsmacht nicht nachweisen kann, dem anderen Teile nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadenersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert (§ 179 Abs. 1 BGB); er haftet indessen nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen mußte (§ 179 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Auch aus § 71 ZVG ergibt sich nicht, daß ein eindeutig in fremdem Namen abgegebenes Gebot unter irgendwelchen Voraussetzungen dem Vertreter als eigenes zugerechnet werden dürfte. Diese Vorschrift enthält keine Aussage zum materiellen Recht; sie spricht sich allein über die verfahrensrechtliche Zurückweisung von Geboten aus. Wird ein Gebot in fremdem Namen abgegeben, so ist nach der eindeutigen Fassung des § 71 Abs. 2 ZVG der andere der „Bieter”; das Gebot ist zurückzuweisen, wenn die Vertretungsmacht nicht bei dem Gericht offenkundig ist oder durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde sofort nachgewiesen wird.

Darin erschöpft sich die einschlägige Aussage des § 71 Abs. 2 ZVG. Das zurückgewiesene Gebot wird unwirksam (§ 72 Abs. 2 ZVG). Wird indessen § 71 Abs. 2 ZVG nicht beachtet, so wird das abgegebene Gebot nicht ein solches des Vertreters (im eigenen Namen), sondern bleibt namens des Vertretenen – des „Bieters” im Sinne des § 71 Abs. 2 ZVG – abgegeben, mag es als Gebot des Vertretenen wirksam oder trotz Zulassung unwirksam sein (vgl. Beschluß des Oberlandesgerichts – OLG – Braunschweig vom 15. Februar 1902, Centralblatt für freie Gerichtsbarkeit und Notariat sowie Zwangsversteigerung – C-Bl-FG-Bd. 3 S. 45; Hagemann, C-Bl-FG Bd 12 S. 212 [216 ff.]; Urteil des BFH II 80/62 U vom 13. Oktober 1965, BFH 83, 586 [588], BStBl III 1965, 712) –.

Hätte der Kläger in fremdem Namen geboten, so wäre er folglich ohne Rücksicht darauf, ob er in einer der Form des § 71 Abs. 2 ZVG genügenden Form oder auch nur materiell-rechtlich (vgl. § 176 Abs. 2 BGB) bevollmächtigt war oder nicht (§§ 177, 180 BGB), nicht Bieter gewesen und selbst nicht Meistbietender geworden. Es wäre demnach, da er auch nicht ein irrig auf ihn bezogenes Meistgebot durch Annahme des Zuschlags (Nichteinlegen der sofortigen Beschwerde) genehmigt hätte, nicht Schuldner der Grunderwerbsteuer (§ 15 Nr. 4 GrEStG).

Demzufolge war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache kann noch nicht abschließend entschieden werden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Denn möglicherweise ist auch der Ausgangspunkt des FG, der Kläger habe – zumindest primär – in fremdem Namen geboten, von Rechtsirrtum beeinflußt.

Die mit dem Protokoll des Versteigerungsgerichts übereinstimmenden Feststellungen des FG ergeben lediglich, daß der Kläger „für Firma B. V. GmbH, evtl. für Herrn B. V.” (und bei Unwirksamkeit persönlich) geboten habe. Eine derartige Formulierung des Gebots könnte zwar bedeuten, daß der Kläger in einer nach Versteigerungsrecht unzulässigen, gleichwohl aber vom Versteigerungsgericht nicht zurückgewiesenen Weise primär namens der B. V. GmbH und sekundär namens des späteren Erstehers gesteigert hätte; auf sein hilfsweises eigenes Gebot käme es dann, da das erste Eventualgebot wirksam geworden wäre, nicht mehr an. Für diese Ausnahme scheint allerdings das eigene Eventualgebot des Klägers zu sprechen, ebenso, daß die Person dessen, „für den” der Kläger primär und sekundär geboten hat, protokolliert wurde.

Entgegen der vermutlichen Ansicht des FG ergibt sich daraus aber nicht zwingend, daß der Kläger auch in fremdem Namen gehandelt und nicht nur eine mittelbare, unechte Stellvertretung offenbart hat. Denn der Ausdruck, daß jemand „für einen anderen” bietet, ist in § 81 Abs. 3 ZVG gerade für den Fall gebraucht, daß er das Meistgebot zwar im Interesse, gegebenenfalls sogar im Auftrage eines anderen, aber eben nicht in dessen, sondern in eigenem Namen abgegeben hat (vgl. Urteil II 80/62 U vom 13. Oktober 1965, a.a.O.). Der vom Versteigerungsgericht protokollierte und vom FG festgestellte Inhalt des Gebots schließt also nicht aus, daß der Kläger das Meistgebot nicht nur hilfsweise, sondern schlechthin in eigenem Namen abgegeben hat.

Für diese Auslegung des festgestellten Gebots spricht, daß man nicht ohne weiteres davon ausgehen kann, dem Versteigerungsgericht sei eine derart grundlegende und inhaltlich einfache Vorschrift wie § 71 Abs. 2 ZVG unbekannt gewesen. Das Versteigerungsprotokoll nennt den Kläger als Meistbietenden, während es ihn – mit Recht – bezüglich des Antrags auf ein Gesamtausgebot als „Vertreter der Firma V.” bezeichnet. Daß der Versteigerungsrichter das Meistgebot als ein solches des Klägers angesehen hat, läßt sich möglicherweise daraus schließen, daß er, der Vorschrift des § 81 Abs. 4 ZVG folgend, im Zuschlagsbeschluß den Kläger für mithaftend erklärt hat. Dabei ist es auch bei den folgenden Änderungen des Zuschlagsbeschlusses verblieben. Daher kann – zumindest zunächst – dahingestellt bleiben, ob diese Änderungen zulässig waren und wirksam geworden sind. In dem Schriftsatz vom 27. Februar 1963 hat der Kläger selbst hervorgehoben, daß das Versteigerungsgericht die von ihm vorgelegte Vollmacht nicht für ausreichend erachtet habe; ein anderer Grund als der des § 71 Abs. 2 ZVG ist vorläufig nicht zu erkennen. Von dieser Vorschrift ausgehend, mußte aber das vom Versteigerungsgericht zugelassene Gebot des Klägers dessen eigenes gewesen sein.

Hätte der Kläger im eigenen Namen geboten, so wäre ihm das Meistgebot selbst zuzurechnen (§ 81 ZVG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 15 Nr. 4 GrEStG), und es käme nicht darauf an, daß er erkennbar gemacht hat, daß er für Rechnung eines anderen (vgl. §§ 383, 407 HGB) handelt. Insofern führt das Ausdruckspaar der offenen und verdeckten Stellvertretung in die Irre. Maßgebend ist allein, ob ein Fall der unmittelbaren Vertretung im Sinne der §§ 164, 177 BGB vorliegt mit der Folge, daß die Erklärungen bei materiell gegebener Vertretungsmacht (§§ 167 ff. BGB) als solche des Vertretenen gelten (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), bei fehlender Vertretungsmacht – soweit sie überhaupt wirksam werden können (§ 180 BGB) – mit der Genehmigung des Vertretenen gegen diesen wirksam werden (§ 177 Abs. 1, § 180 Satz 2 BGB), eine Haftung des Vertreters aber nur nach Maßgabe des § 179 BGB erzeugen. Diese eigentliche – rechtliche – Vertretung erscheint allerdings in der Regel als eine „offene” (§ 164 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB); doch kann sie bei den – in der Zwangsversteigerung unzulässigen (Urteil II 80/62 U vom 13. Oktober 1965, a. a. O.) – Fällen eines „Geschäfts für den, den es angeht” auch „verdeckt” sein. Umgekehrt ist es für die – rechtlich nur das Innenverhältnis betreffende, im Außenverhältnis rein faktische (vgl. § 392 HGB) – mittelbare (uneigentliche) Vertretung nicht wesentlich, daß der Name des Auftragsgebers (Hintermannes) verdeckt bleibt; ein Kommissionsgeschäft (§ 383 HGB) verliert seinen Charakter nicht dadurch, daß der Kommissionär den Namen seines Auftragsgebers preisgibt, also „offen” handelt.

Demzufolge hängt die Entscheidung in der Sache davon ab, ob der Kläger im eigenen oder im fremden Namen geboten hat. Zur Feststellung dieses Tatsachenmerkmals war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Über die Frage, ob die Einziehung der Steuer nach Lage des vorliegenden Falles unbillig und die Steuer deshalb gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 AO zu erlassen wäre, kann in dem vorliegenden Verfahren nicht befunden werden. Diese Entscheidung obliegt zunächst – unbeschadet des Rechtswegs – den Finanzverwaltungsbehörden. Eine Unbilligkeit in der Sache selbst kann indessen nicht allein deshalb verneint werden, weil der gesetzliche Besteuerungstatbestand erfüllt ist (vgl. das Urteil II 112/65 vom 19. November 1968, das demnächst veröffentlicht wird). Denn § 131 Abs. 1 Satz 1 AO setzt voraus, daß der Steueranspruch von Rechts wegen entstanden ist, unbeschadet dessen, daß es bei zweifelhafter Rechtslage, aber offenbarer Unbilligkeit einer etwa entstandenen Steuer zulässig und geboten sein kann, die möglicherweise entstandene Steuer ohne Rücksicht darauf zu erlassen, wie die Rechtfrage zu entscheiden wäre (vgl. das Urteil II 9/65 vom 7. November 1968, BFH 94, 85).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens war dem FG zu übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 514530

BFHE 1969, 113

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