Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Stellt eine Brauerei ihren Bierabnehmern für die Dauer der Bierlieferung Gegenstände zur Einrichtung der Gastwirtschaft ohne besonderes Entgelt zur Verfügung, so ist in der Regel für die Aktivierung eines Bierlieferungsrechts kein Raum.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6/2/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.), eine Brauerei, stellte in den Veranlagungszeiträumen 1950 bis 1954 Gegenstände zur Einrichtung der Gastwirtschaft ohne besonderes Entgelt ihren Bierabnehmern zur Verfügung, um sie zum laufenden Bierbezug zu veranlassen. Ein Teil der Bierabnehmer ist vertraglich zur Bierabnahme für einen längeren Zeitraum verpflichtet. Wird die Verbindung zur Bfin. gelöst, müssen die Bierabnehmer das ihnen "leihweise" überlassene Mobiliar entweder zum Schätzungswert übernehmen oder an die Bfin. herausgeben. Die Bfin. behandelte die den Bierabnehmern überlassenen Einrichtungsgegenstände als Anlagevermögen und buchte, soweit es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter handelte (vgl. § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1953), die Anschaffungskosten als Betriebsausgaben des Jahres der Anschaffung.

Das Finanzgericht sah das Entgelt für die überlassung des Mobiliars im Bierbezug und nahm an, daß die Bfin. jedenfalls in den Fällen, in denen ein langfristiger Bierlieferungsvertrag bestand, zwar bürgerlich-rechtlicher, nicht aber wirtschaftlicher Eigentümer des Mobiliars geblieben sei. Sie habe dieses Mobiliar für bestimmte Kunden mit der Absicht angeschafft, es bei ordnungsmäßiger Abwicklung der Verträge nicht mehr zurückzunehmen. Das Mobiliar habe bis zur überlassung an die Bierabnehmer zum Umlaufvermögen gehört, für das die Abschreibungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nicht in Anspruch genommen werden könne. Mit den aus dem Betriebsvermögen ausscheidenden Wirtschaftsgütern habe die Bfin. ein selbständig bewertbares und aktivierungspflichtiges Bierlieferungsrecht erworben, das der Laufzeit des Bierlieferungsvertrags entsprechend abgeschrieben werden dürfe. Wenn das Finanzamt bei der überlassung von Wirtschaftsgütern, für die die Bewertungsfreiheit nicht in Anspruch genommen werden könne, die Abschreibung des Wirtschaftsguts "Bierlieferungsrecht" nicht nach der Vertragsdauer, sondern nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungszeit des Mobiliars bemessen habe, so bestünden hiergegen keine Bedenken.

Soweit sich die Bierabnehmer zum Bierbezug während einer bestimmten Zeit nicht verpflichtet hätten, sei es zweifelhaft, ob das von der Bfin. angeschaffte und an Bierabnehmer überlassene Inventar Anlage- oder Umlaufvermögen sei. In jedem Falle könnten die überlassenen geringwertigen Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung als Betriebsausgaben behandelt werden. Ein greifbares aktivierungspflichtiges Bierlieferungsrecht sei hier nicht entstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bfin. ist begründet.

Das Finanzgericht geht zutreffend davon aus, daß von einer unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung des Mobiliars keine Rede sein könne und daß sie im Zusammenhang mit dem Bierbezug gewürdigt werden müsse. Die Bfin. stellt den Gastwirten während der Zeit des Bierbezugs Mobiliar zur Verfügung und liefert ihnen das bestellte Bier. Die von den Gastwirten zu zahlenden Bierpreise enthalten das Entgelt für das Bier und für sonstige im Zusammenhang mit der Bierlieferung gemachte Nebenleistungen, also auch für die überlassung von Mobiliar. Dabei ist es gleichgültig, ob ein langfristiger Bierlieferungsvertrag besteht oder nicht. Da die Bfin. Eigentümerin des Mobiliars bleibt, hat die Nebenleistung Mietcharakter. Es kann dem Finanzgericht darin nicht zugestimmt werden, daß die Bfin. bei Abschluß eines langfristigen Bierlieferungsvertrages nur bürgerlich-rechtlich Eigentümer des Mobiliars bleibe, das wirtschaftliche Eigentum aber auf die Bierabnehmer übergehe. Diese Auslegung des Vertrages entspricht nicht dem Willen der Beteiligten und wird seiner wirtschaftlichen Bedeutung nicht gerecht. Der Bierabnehmer darf während des Vertrages nicht wie ein Eigentümer über das Mobiliar verfügen; er hat es vielmehr für die Bfin. zu erhalten und sorgfältig zu behandeln. Die Bfin. hat ein berechtigtes Interesse daran, über das Mobiliar zunächst verfügungsberechtigt zu bleiben, um die wirtschaftliche Bindung des Bierabnehmers enger zu gestalten. Die von der Bfin. ihren Bierabnehmern überlassenen Inventargegenstände bleiben also auch wirtschaftlich ihr Eigentum und gehören zu ihrem Anlagevermögen.

Bei dem Bierlieferungsvertrag und den dazu gehörigen Nebenabreden handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, bei dem die Vermutung besteht, daß sich die Leistungen der Beteiligten innerhalb einer Zeitperiode ausgleichen. Diese Vermutung ist im vorliegenden Fall nicht widerlegt. Die Bfin. überläßt den Bierabnehmern die Gegenstände in der Regel nur so lange, als sie von ihr Bier beziehen. Die überlassung des Mobiliars wird also laufend im Bierpreis vergütet. Gleichen sich Leistung und Gegenleistung laufend aus, so ist für eine Aktivierung des Werts, den der langfristige Vertrag der Bfin. darstellen mag, kein Raum. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Bfin. durch die überlassung des Mobiliars im Rahmen des gegenseitigen Vertrages auch Aufwendungen gemacht habe, die mit Einnahmen späterer Wirtschaftsjahre in sachlichem Zusammenhang stünden und so abgrenzbar und bestimmbar seien, daß die Bildung eines Aktivpostens als selbständiges Wirtschaftsgut notwendig werde, ist jedenfalls dann nicht zutreffend, wenn die Bfin. Eigentümerin des Mobiliars bleibt und es den Bierabnehmern nur zur Nutzung überläßt. Denn die während des Bierbezugs eingeräumte Gebrauchsüberlassung darf auch bei wirtschaftlicher Betrachtung der übereignung nicht gleichgestellt werden. Aus der von dem Finanzgericht angeführten Rechtsprechung kann das Gegenteil nicht entnommen werden. Es handelt sich in all diesen Fällen um Aufwendungen, die meist unabhängig von einzelnen gegenseitigen Verträgen zum Erwerb von Berechtigungen gemacht werden, die entweder selbst Gegenstände des Handelsverkehrs sind oder für den Betrieb einen mehrjährigen Vorteil bieten. An einer solchen Aufwendung fehlt es aber, wenn die Bfin. Eigentümerin des überlassenen Mobiliars bleibt und bei diesem Mobiliar, durch dessen Gebrauchsüberlassung sie in derselben Weise wie durch Vermietung einen laufenden, der Gebrauchsüberlassung auch zeitlich entsprechenden Vorteil hat, nur die Abschreibungen vornimmt, die im Rahmen des Gesetzes liegen.

Das Finanzgericht ist offenbar der Auffassung, daß in der Anschaffung des Inventars eine auf mehrere Jahre zu verteilende Aufwendung deshalb zu sehen sei, weil die Bfin. Abschreibungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter in Anspruch nehme. Darauf kann es indessen nicht ankommen. Wenn der Gesetzgeber eine sofortige Abschreibung gestattet, so ändert das an der Tatsache nichts, daß die Bfin. ihren Bierabnehmern nicht sogleich mit der überlassung des Inventars dessen Wert zuwendet, ihnen vielmehr laufend während der Zeit der Bierabnahme gegen laufende Gegenleistung keine Miete berechnet. Der Sachverhalt kann deshalb steuerlich nicht anders behandelt werden, als wenn die Bfin. ihren Bierabnehmern eine angemessene Miete berechnen, mit Rücksicht auf den zeitlich gebundenen und laufenden Bierbezug aber einen Preisnachlaß in Höhe dieser Miete gewähren würde. Daß in diesem Fall von einem Aufwand der Bfin. für ein Bierlieferungsrecht keine Rede sein könnte, liegt auf der Hand.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408977

BStBl III 1958, 75

BFHE 1958, 190

BFHE 66, 190

BB 1958, 224

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