Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Personengesellschaft, zu deren Betriebsvermögen von ihr errichtete Wohngebäude gehören, darf die Sonderabschreibung nach § 7 b EStG 1953 in der Regel auch dann in vollem Umfang in Anspruch nehmen, wenn nach Fertigstellung der Wohngebäude Gesellschafter ausscheiden oder andere Gesellschafter eintreten.

Absetzungen für Abnutzung, Abschreibungen, Rückstellungen usw. dürfen von Personengesellschaften grundsätzlich nur einheitlich und nicht für jeden Gesellschafter verschieden vorgenommen werden.

Zur sogenannten Bilanzbündeltheorie bei Personengesellschaften.

 

Normenkette

EStG § 7b/1, § 15 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist ein in der Form einer KG betriebenes Bankgeschäft. Sie erteilte im Juli 1952 den Auftrag zur Errichtung eines Wohngebäudes, das im Dezember desselben Jahres mit einem Aufwand von rund 600.000 DM fertiggestellt wurde. Bis zum Juni 1952 waren an der Bfin. der Gesellschafter A. mit 60 v. H. und der Gesellschafter B. mit 40 v. H. beteiligt. Während der Errichtung des Wohngebäudes waren vorübergehend, nämlich vom Juni 1952 bis zum Juni 1953, die GmbH W. mit einer Beteiligung von 85,7 v. H. und die beiden Gesellschafter A. und B. mit einer Beteiligung von 8,6 und 5,7 v. H. Gesellschafter der Bfin. Das Stammkapital der GmbH W. befand sich etwa zur Hälfte in den Händen der Bfin. Nach dem 30. Juni 1953 änderte sich das Beteiligungsverhältnis durch Ausscheiden der GmbH W. und durch Aufnahme des Sohnes des Gesellschafters A. und der GmbH S. in der Weise, daß nunmehr A. mit 48,5 v. H., B. mit 30 v. H., A. jun. mit 17,5 v. H. und die GmbH S. mit 4 v. H. Gesellschafter wurden.

Streitig ist, ob und in welchem Umfang die Sonderabschreibungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 in Wirtschaftsjahr 1953, dem Zweitjahr, geltend gemacht werden kann. Das Finanzamt hat nur die Absetzung für Abnutzung gemäß § 7 EStG mit 1 v. H. zugelassen. Das Finanzgericht geht von der Bündeltheorie aus und will nur denjenigen Gesellschaftern die Sonderabschreibung zuerkennen, die zur Zeit der Fertigstellung des Wohngebäudes Gesellschafter waren. Bei einer Veränderung in der Zusammensetzung einer Personengesellschaft, insbesondere beim Eintritt neuer Gesellschafter nach der Fertigstellung des Wohngebäudes, seien für diese Gesellschafter die zur Herstellung des Wohngebäudes aufgewendeten Kosten nicht mehr Herstellungs-, sondern Anschaffungskosten, die nicht Gegenstand der Sonderabschreibung nach § 7 b EStG sein könnten. Da die Sonderabschreibungen bei einem zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft gehörenden Wohngebäude nur einheitlich vorgenommen werden dürfe, könne sie nicht bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Bfin. für 1953, sondern nur bei den persönlichen Veranlagungen derjenigen Gesellschafter berücksichtigt werden, die im Zeitpunkt der Fertigstellung des Wohngebäudes Gesellschafter der Bfin. gewesen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

Das Finanzgericht stützt seine Auffassung, daß die Sonderabschreibung nach § 7 b EStG von Wohngebäuden, die zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehören, nur von den Gesellschaftern, die bei Fertigstellung der Wohngebäude Gesellschafter waren, und nur nach ihrem jeweiligen, höchstens aber nach dem im Zeitpunkt der Fertigstellung bestehenden Beteiligungsverhältnis in Anspruch genommen werden könne, auf die sogenannte Bilanzbündeltheorie. Danach werden die einzelnen Gesellschafter als selbständige Gewerbetreibende und die Personengesellschaft nur als Zusammenschluß dieser Gesellschafter behandelt. Aus der vom Finanzgericht vertretenen Auffassung ist im Schrifttum bisweilen die Folgerung gezogen worden, daß jeder Gesellschafter selbständig bestimmen dürfe, ob und in welcher Höhe Absetzungen für Abnutzung, Abschreibungen, Rückstellungen, Wertberichtigungen usw. in seiner Sonderbilanz vorgenommen werden. Die Finanzverwaltung betont demgegenüber die Einheit der Bilanz der Personengesellschaft und folgert daraus, daß die bezeichneten Maßnahmen nur einheitlich und nicht von jedem Gesellschafter verschieden getroffen werden dürfen (vgl. Verfügung der Finanzbehörde Hamburg, Erlaß vom 1. März 1957 - 52 - S 2130 - 50, Der Betrieb 1957 S. 248).

Die Vorstellung, daß jeder Gesellschafter selbst einen Betrieb führt, soll die Regelung des § 15 Ziff. 2 EStG verständlich machen. Diese Vorschrift geht davon aus, daß die Personengesellschaft einkommensteuerlich kein Steuersubjekt ist und daß deshalb die einzelnen Mitunternehmer als Steuersubjekte die auf sie entfallenden Gewinnanteile als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern haben. Sie klärt abweichend vom bürgerlichen Recht das Verhältnis der Personengesellschaft zu ihren Gesellschaftern, die der Gesellschaft Dienste leisten oder Wirtschaftsgüter überlassen, dahin, daß grundsätzlich alles, was die Gesellschafter von der Gesellschaft für diese Leistungen beziehen, im Rahmen ihrer Gewerbebetriebe anfällt und deshalb zu ihren Gewinnanteilen gehört. Die Bilanzbündeltheorie und die gedankliche Aufgliederung der Personengesellschaft in Einzelunternehmen der Gesellschaft will in erster Linie das Verhältnis der Gesellschafter zur Personengesellschaft und der Gesellschafter untereinander verständlich machen. Sie darf aber nicht zu einer Auflösung der Einheit der Personengesellschaft und zu einer übertonung der Sonderbilanzen der einzelnen Gesellschafter führen, weil das mit dem Sinn und Zweck und der gesetzlichen Gestaltung der Besteuerung von Mitunternehmern der Personengesellschaft nicht vereinbar wäre. Nach § 15 Ziff. 2 EStG wird der Gewinnanteil eines Gesellschafters an der Personengesellschaft zu seinen gewerblichen Einkünften gerechnet. Die Ermittlung dieses Gewinnanteils setzt eine einheitliche Bilanzierung der Personengesellschaft voraus, deren Gewinn deshalb in einem besonderen Verfahren einheitlich und gesondert festgestellt wird (ß 215 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -). Von Sonderfragen abgesehen, die den einzelnen Gesellschafter unmittelbar und persönlich angehen, steht dem von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter nicht einmal das Recht zu, die gegen ihn wirkende einheitliche Gewinnfeststellung im Rechtsmittelverfahren anzufechten (ß 239 Abs. 1 Ziff. 3 AO und Urteil des Bundesfinanzhofs I 32/57 U vom 8. Oktober 1957, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 436). Sonderbilanzen für die Mitunternehmer werden nur hilfsweise für die Fälle aufgestellt, in denen die prozentuale, dem allgemeinen Beteiligungsverhältnis entsprechende Aufteilung des einheitlich festgestellten Gewinns zu einem tatsächlich unrichtigen Ergebnis führt. Das ist z. B. bei Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen der Fall, die auf persönlichen Eigenschaften der Gesellschafter beruhen und deshalb nur diesen Gesellschaftern zugute kommen dürfen (vgl. § 7 a EStG und Abschn. 63 f Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1950). Nach Möglichkeit ist aber das Gesetz so auszulegen, daß nicht die Einheitsbilanz der Personengesellschaft gegenüber den Sonderbilanzen der Gesellschafter an Bedeutung zurücktritt. Daraus folgt, daß in allen Punkten, in denen dem Kaufmann eine gewisse Entscheidungsfreiheit eingeräumt ist, z. B. bei Sonderabschreibungen, bei Teilwertabschreibungen oder bei der Bildung von Rückstellungen für Pensionsanwartschaften usw., die Geschäftsführung der Personengesellschaft von der Entscheidungsbefugnis nur einheitlich Gebrauch machen und nicht ein einzelner Mitunternehmer für seine Sonderbilanz einen anderen Wertansatz verlangen kann. Eine Auflösung der Einheitsbilanz und eine überbetonung der Sonderbilanzen der einzelnen Gesellschafter würde das System der einheitlichen Gewinnfeststellung beeinträchtigen, mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden sein und zu einer dem Sinn des Gesetzes nicht entsprechenden Komplizierung der Bilanzierung und Gewinnberechnung führen. Wie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 39/56 S vom 29. Mai 1956 (Slg. Bd. 63 S. 76, BStBl 1956 III S. 226) ausgesprochen ist, darf der Gesichtspunkt der Durchführbarkeit der Steuergesetze bei ihrer Auslegung nicht außer Betracht bleiben. Auch in anderen Fällen hat der Bundesfinanzhof die Folgerungen, die gedanklich aus der Bilanzbündeltheorie hergeleitet werden könnten, im Interesse der Einheit der Personengesellschaft nicht überspannt. So hat er die Aufspaltung eines Arbeitsverhältnisses des Gesellschafters zur Personengesellschaft in einzelne Arbeitsverhältnisse mit den Mitgesellschaftern abgelehnt (Urteil des Bundesfinanzhofs I 256/55 U vom 25. September 1956, Slg. Bd. 64 S. 3, BStBl 1957 III S. 2) und die Möglichkeit des Abschlusses eines steuerbegünstigten Kapitalansammlungsvertrages des Gesellschafters mit seiner ein Bankgeschäft betreibenden Personengesellschaft verneint (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 43/56 U vom 15. November 1957 - BStBl 1958 III S. 68 -).

Die Auffassung des Finanzgerichts führt zu dem Ergebnis, daß jeder Mitunternehmer in seiner Sonderbilanz über die Anwendung des § 7 b EStG selbst entscheiden darf. Denn es ist nicht vertretbar, bei einem Wechsel der Gesellschafter der Personengesellschaft streng nach der Bündeltheorie zu verfahren und damit zu einer Aufspaltung der einheitlichen Bilanz in diesem wichtigen Punkt zu gelangen, die Aufspaltung aber abzulehnen, wenn die einzelnen Mitunternehmer die Abschreibungen in ihren Sonderbilanzen unterschiedlich bemessen wollen. Lehnt man diese letzte Möglichkeit ab, was dem Sinn und Zweck des § 15 Ziff. 2 EStG entspricht, so muß man auch bei einem Wechsel der Gesellschafter der Personengesellschaft von der Einheit der Bilanz ausgehen und grundsätzlich die Personengesellschaft als den Hersteller der Wohngebäude ansehen. Berücksichtigt man, daß die Personengesellschaft des Handelsrechts unter ihrem Namen Grundstücke erwerben und auch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden kann (ß 124 des Handelsgesetzbuches), so erscheint es gerechtfertigt, die Identität solcher Personengesellschaften grundsätzlich nicht von dem jeweiligen Wechsel ihrer Gesellschafter abhängig zu machen. Aus dem Grundsatz des § 7 b EStG, daß die Sonderabschreibung nur dem Hersteller, nicht aber dem Erwerber des Gebäudes zustehen soll, ist nicht der Schluß zu ziehen, daß der Grundsatz der Einheit der Bilanz bei jedem Wechsel der Gesellschafter zurücktreten müsse und daß sich die Ermittlung der in der Einheitsbilanz vorzunehmenden Sonderabschreibungen nur aus der Summe der Abschreibungen der Sonderbilanzen ergebe.

Zu der Frage, ob nicht in besonderen Fällen, in denen infolge eines tiefgreifenden Gesellschafterwechsels u. U. die wirtschaftliche Identität der Personengesellschaft zu verneinen ist, der Personengesellschaft die Sonderabschreibung des § 7 b EStG versagt werden muß, braucht hier nicht Stellung genommen zu werden. Jedenfalls müßte dann aber die Sonderabschreibung in vollem Umfang und nicht nur für die neuen Gesellschafter versagt werden.

Gegen die Bejahung der Identität bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken, so daß die Abschreibung nach § 7 b EStG im Wirtschaftsjahr 1953 in vollem Umfang zu gewähren ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408978

BStBl III 1958, 75

BFHE 1958, 193

BFHE 66, 193

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge