Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltlichkeit bei Erwerb durch Vermächtnis

 

Leitsatz (NV)

  1. Der Erwerb von Vermögen aufgrund eines Vermächtnisses ist i.d.R. ein entgeltlicher Vorgang, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung erbringen muss, deren Wert die vermächtnisweise Zuwendung annähernd ausgleicht. Das gilt auch dann, wenn Empfänger der Gegenleistung nicht der Erbe, sondern ein Dritter ist.
  2. Eine Kapitalgesellschaft muss entgeltlich erworbene eigene Anteile mit den Anschaffungskosten aktivieren (Bestätigung des Senatsurteils vom 6. Dezember 1996 I R 51/95, BFHE 179, 326, BStBl II 1998, 781).
 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 1, § 30; EStG § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster (EFG 2001, 127)

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten darüber, wie der Erwerb eines Gesellschaftsanteils aufgrund eines Vermächtnisses des verstorbenen Gesellschafters und damit verbundene Verpflichtungen der Vermächtnisnehmerin im Rahmen der Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, an der bis September 1987 E, dessen Tochter H und zwei weitere Gesellschafter beteiligt waren. Die Beteiligung des E belief sich auf 80 v.H. des Stammkapitals. E ist am 28. September 1987 verstorben. Seine alleinige Erbin ist H.

In seinem Testament hatte E als Vermächtnis zu Gunsten der Klägerin bestimmt, dass auf diese ein Anteil an der Klägerin im Nennwert von 500 000 DM übertragen werden sollte. Als Untervermächtnis sollte die Klägerin an seine Ehefrau F u.a. 1 Mio. DM zahlen, und zwar in vier gleichen Jahresraten vom 1. Januar 1988 an, zuzüglich Zinsen. Ferner hatte E der Klägerin zur Auflage gemacht, für die Pflege seiner Grabstätte und derjenigen der F zu sorgen.

Durch Gesellschafterbeschluss vom 21. Dezember 1987 nahm die Klägerin das mit dem Untervermächtnis und der Auflage belastete Vermächtnis an. Daraufhin übertrug der Testamentsvollstrecker am selben Tag einen zuvor abgeteilten Geschäftsanteil im Nennwert von 500 000 DM auf die Klägerin. H blieb weiterhin Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin.

Die Klägerin bewertete den erworbenen Anteil in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1987 nach dem Stuttgarter Verfahren und aktivierte ihn im Umlaufvermögen mit 1 620 000 DM. Die Verbindlichkeiten aufgrund des Untervermächtnisses und der Auflage passivierte sie mit 1 571 804 DM. Den Differenzbetrag von 48 196 DM betrachtete sie als eingelegt, weshalb sie in der vEK-Gliederung zum 31. Dezember 1987 einen entsprechenden Zugang zum vEK i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (KStG) ―EK 04― erfasste. Die in 1988 geleisteten Aufwendungen aufgrund des Untervermächtnisses behandelte sie als Aufwand, die Minderungen der Verbindlichkeiten als Ertrag. Den auf dieser Basis abgegebenen Steuererklärungen folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) in Steuerbescheiden, die gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen.

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA demgegenüber zunächst davon aus, dass sowohl der eigene Anteil als auch die Vermächtnis- und Auflagenverbindlichkeiten im außerbetrieblichen Bereich angefallen und sodann in das Betriebsvermögen der Klägerin überführt worden seien. Der eigene Anteil sei gemäß § 11 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) und § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit den Anschaffungskosten des E in Höhe von 500 000 DM zu bewerten. Daneben seien auf der Aktivseite ein "steuerlicher Ausgleichsposten" in Höhe von 1 120 000 DM zu bilden und auf der Passivseite "andere Gewinnrücklagen" in derselben Höhe anzusetzen, wobei der Ausgleichsposten "nach Abgang des Buchwerts der Anteile" ausgebucht werden müsse. Die Behandlung der Verbindlichkeiten blieb unverändert. Den Differenzbetrag in Höhe von 48 196 DM erfasste das FA nunmehr als Zugang zum vEK i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG (EK 02). Es erließ entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide und Feststellungsbescheide gemäß § 47 Abs. 2 KStG; die Körperschaftsteuerbescheide wurden bestandskräftig.

Im Einspruchsverfahren gegen die vEK-Bescheide machte die Klägerin weiterhin geltend, dass der eingelegte Anteil mit dem Teilwert zu bewerten und der saldierte Vermögenszuwachs von 48 196 DM im EK 04 zu erfassen sei. Außerdem wurde nunmehr streitig, ob das FA die Anschaffungskosten des E zutreffend ermittelt hatte. Im Ergebnis erließ das FA ―nach vorherigem Hinweis― eine Einspruchsentscheidung, in der es statt eines Zugangs zum EK 02 in Höhe von 48 196 DM nunmehr eine Minderung des EK 02 um 1 571 804 DM ansetzte und im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurückwies.

Der gegen diese Bescheide gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 127 veröffentlichten Urteil statt. Hiergegen wendet sich das FA mit seiner vom FG zugelassenen Revision.

Das FA beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur abweichenden Feststellung des vEK der Klägerin. Das FG hat zwar zu Recht die Annahme des FA verworfen, dass die Zuwendung des Anteils an die Klägerin deren EK 02 vermindert habe. Es hat jedoch zu Unrecht einen Zugang zum EK 04 angenommen.

1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 KStG ist das vEK einer Kapitalgesellschaft zum Schluss jedes Wirtschaftsjahrs entsprechend seiner Tarifbelastung zu gliedern. In der Eigenkapitalgliederung sind u.a. Einlagen der Anteilseigner auszuweisen, die das Eigenkapital in nach dem 31. Dezember 1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahren erhöht haben (§ 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG). "Einlagen" i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG sind alle verdeckten Einlagen, also diejenigen bilanzierungsfähigen Mehrungen des Gesellschaftsvermögens, die auf einer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Leistung eines Gesellschafters beruhen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348). Vermögensmehrungen, die weder Nr. 4 noch den ―im Streitfall nicht einschlägigen― Nrn. 1 oder 3 des § 30 Abs. 2 KStG unterfallen, sind in das EK 02 einzuordnen (§ 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG). Ob ein Zugang zum Eigenkapital im Sinne des Gliederungsrechts vorliegt und wie dieser Zugang ggf. zu bewerten ist, richtet sich ―wie sich aus § 29 Abs. 1 Satz 1 KStG ergibt― nach den für die Steuerbilanz geltenden Regelungen des Ertragsteuerrechts (Rekow in Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 29 KStG a.F. Rz. 12; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 29 Anm. 3).

2. Die im Streitfall zu beurteilende Übertragung eines Gesellschaftsanteils hat nicht zu einer Veränderung des Eigenkapitals der Klägerin geführt, die im Rahmen der Eigenkapitalgliederung zu berücksichtigen wäre. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich vielmehr, dass es sich um ein entgeltliches Geschäft handelte, das sich auf das in der Steuerbilanz auszuweisende Eigenkapital der Klägerin nicht ausgewirkt hat. Deshalb kommt weder die vom FA befürwortete Verminderung des EK 02 noch die von der Klägerin angestrebte Erhöhung des EK 04 in Betracht.

a) Das FG hat festgestellt, dass die Klägerin den Anteil aufgrund eines Vermächtnisses erhalten hat, durch das H als Erbin des verstorbenen Mehrheitsgesellschafters E beschwert war. Mit dem Vermächtnis war für die Klägerin die Verpflichtung verbunden, Leistungen zu Gunsten der Witwe des E zu erbringen sowie für die Grabpflege zu sorgen. Der der Klägerin zugefallene Gesellschaftsanteil hatte im Zeitpunkt der Annahme des Vermächtnisses einen Wert von 1 620 000 DM, dem ein Wert der auferlegten Verpflichtungen von 1 571 804 DM gegenüberstand. Diese Feststellungen sind nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für das Revisionsverfahren bindend.

b) Der Erwerb von Vermögen aufgrund eines Vermächtnisses ist zwar regelmäßig ein unentgeltlicher Vorgang. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung erbringen muss (Bundesminister der Finanzen ―BMF―, Schreiben vom 11. Januar 1993, BStBl I 1993, 62, Tz. 71; Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 16 Rz. 598; Kirchhof/Reiß, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 16 Rz. 106; Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 16 EStG Rz. 53; ebenso wohl BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, 363, BStBl II 1994, 633, 634, unter 2. der Entscheidungsgründe). Ein Verhältnis von Leistung und Gegenleistung liegt in der Regel vor, wenn die vermächtnisweise Zuwendung einerseits und die Verpflichtung des Vermächtnisnehmers andererseits sich im Wert annähernd ausgleichen. Stehen sich die beiderseitigen Positionen in dieser Weise ausgewogen gegenüber, so ist die dem Vermächtnisnehmer obliegende Leistung auch dann als Gegenleistung für die Zuwendung anzusehen, wenn Empfänger dieser Leistung ein Dritter ―und nicht der Erbe― ist. Der Vermächtnisnehmer muss einen so erworbenen Vermächtnisgegenstand mit Anschaffungskosten in Höhe dieser Gegenleistung aktivieren; das gilt auch dann, wenn Vermächtnisnehmer eine Kapitalgesellschaft ist und es sich bei dem Vermächtnisgegenstand um Anteile an eben dieser Gesellschaft handelt (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 1995 I R 51/95, BFHE 179, 326, BStBl II 1998, 781; Wassermeyer, Festschrift für Ludwig Schmidt, S. 621, 626).

c) Im Streitfall waren die Zuwendung an die Klägerin und deren Verpflichtung in diesem Sinne ausgewogen. Die weitgehende betragsmäßige Übereinstimmung beider Positionen rechtfertigt die Annahme, dass sowohl E als auch die Klägerin sie als Bestandteile eines gegenseitigen Geschäfts verstanden haben. Aus der Sicht des E mag es bei der Anordnung und Ausgestaltung des Vermächtnisses vor allem um die Absicherung seiner Ehefrau gegangen sein. Gerade deshalb liegt es jedoch nahe, dass er der Klägerin eine angemessene Gegenleistung versprechen wollte, um sie zur Übernahme der Versorgungsverpflichtung zu bewegen. In diesem Sinne angemessen konnte aber nur eine Gegenleistung sein, die die Belastung durch die Versorgungsverpflichtung ausglich und der Klägerin zusätzlich eine ―von Zeitpunkt und Art der Verwertung des Anteils abhängige― Gewinnmöglichkeit versprach. Mit dieser Zielrichtung ist das Vermächtnis ersichtlich ausgestaltet und später von der Klägerin angenommen worden. Damit erweist sich der Erwerb des Anteils durch die Klägerin als ein entgeltlicher mit der Folge, dass die Klägerin einerseits den Anteil mit den Anschaffungskosten aktivieren und andererseits Verpflichtungen in gleicher Höhe passivieren musste. Folglich liegt eine Änderung des (saldierten) Gesellschaftsvermögens, die bei der Gliederung des vEK der Klägerin zu berücksichtigen wäre, nicht vor.

d) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass ―wie das FG ausgeführt hat― der Wert der aus dem Untervermächtnis resultierenden Verpflichtungen "nicht zeitnah nach dem Wert der Anteile festgelegt worden" ist. Denn zum einen hat E sein Testament u.a. am 11. Januar 1986 geändert und dabei u.a. die ursprüngliche Anordnung, der Klägerin Gesellschaftsanteile in Höhe von nominal 750 000 DM zu übertragen, im Sinne einer Übertragung eines Anteils in Höhe von (nur noch) nominal 500 000 DM geändert. Dabei hat er andererseits das Untervermächtnis zu Gunsten der F unverändert bestehen lassen, was dafür spricht, dass er die dort getroffenen Verfügungen jeweils an die aktuelle Vermögenssituation angepasst hat. Vor allem aber ist davon auszugehen, dass der Klägerin bei Annahme des Vermächtnisses die Ausgewogenheit der beiderseitigen Leistungen bekannt war und dass sie ohne eine entsprechende Gegenleistung die ihr auferlegten Verpflichtungen nicht übernommen hätte. Dafür spricht nicht zuletzt, dass die Klägerin auch die Interessen ihrer Minderheitsgesellschafter wahren musste. Für die Vermutung des FA, dass es der Klägerin bei der Annahme des Vermächtnisses vor allem um die Versorgung der F gegangen sei, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

3. Der Streitfall bietet keine Veranlassung, auf die vom FG erörterte Frage einzugehen, mit welchem Wert der der Klägerin zugefallene Anteil bei Vorliegen einer verdeckten Einlage anzusetzen wären und welche Rolle in diesem Zusammenhang die Regelung in § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 spielen könnte. Denn eine verdeckte Einlage könnte nur dann vorliegen, wenn E über den Austausch von Leistungen hinaus der Klägerin eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zuwendung gemacht hätte, was angesichts der im Wert nahezu übereinstimmenden gegenseitigen Leistungsverpflichtungen nicht anzunehmen ist. Andererseits ist bei einer Würdigung des Anteilserwerbs als entgeltlich § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 nicht einschlägig, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt das erstinstanzliche Urteil nicht in vollem Umfang bestätigt werden kann. Vielmehr hat das FG lediglich die vom FA vorgenommene Erhöhung des EK 02 zu Recht rückgängig gemacht, während hinsichtlich der Feststellung des EK 04 dem Revisionsantrag des FA zu folgen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 923912

BFH/NV 2003, 820

HFR 2003, 701

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