Leitsatz (amtlich)

1. Die Befreiung von der Vermögensabgabe nach dem BVFG setzt bei Veräußerung von Grundstücken im Sinne des Bewertungsrechts an ein gemeinnütziges Siedlungsunternehmen voraus, daß das betr. Grundstück der Bildung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes oder einer landwirtschaftlichen Nebenstelle dient.

2. Finanzverwaltung und Steuergerichte sind abgabenrechtlich an eine materiell unrichtige Bescheinigung der Oberen Siedlungsbehörde nicht gemäß § 37 Abs. 4 BVFG gebunden; die Bindung besteht nur in tatsächlicher Hinsicht.

 

Normenkette

LAG § 16 ff., § 202; BVFG vom 19. Mai 1953 § 37; BVFG vom 19. Mai 1953 § 42; BVFG vom 19. Mai 1953 § 47; BVFG vom 19. Mai 1953 § 50

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Der Abgabepflichtige (Kläger und Revisionsbeklagter, weiterhin als Kläger bezeichnet) wurde durch unanfechtbar gewordenen Vermögensabgabe-Bescheid vom 21. Juli 1956 mit einem abgabepflichtigen Vermögen zur Vermögensabgabe zu einem ursprünglichen Vierteljahrsbetrag veranlagt. In dem Bescheid gewährte ihm das FA (Beklagter und Revisionskläger) für die Zeit ab 1. April 1955 auf Grund von zwei Bescheinigungen der zuständigen Behörde als der Oberen Siedlungsbehörde gemäß §§ 47 und 50 BVFG vom 19. Mai 1953 wegen Verkaufs des der Vermögensabgabe unterworfenen landwirtschaftlichen Betriebs und eines bebauten Grundstücks an ein anerkanntes gemeinnütziges Siedlungsunternehmen eine Vergünstigung dahin, daß der Vierteljahrsbetrag in Höhe von 0,55 v. H. des Einheitswertes des veräußerten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einschließlich Herrenhaus ab Übergabezeitpunkt als abgegolten galt. Demzufolge ergaben sich von da ab keine Vierteljahresraten mehr. Die OFG wies durch Schreiben vom 8. Februar 1963 das FA an, den Vermögensabgabe-Bescheid gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO zu berichtigen. Das Haus habe vor und nach der Veräußerung als Altersheim gedient, also nicht die Voraussetzung für eine Befreiung von der Vermögensabgabe nach §§ 42, 47, 50 BVFG erfüllt.

Das FA erließ einen dahin gehenden berichtigten Vermögensabgabe-Bescheid vom 13. Dezember 1963 unter weiterer Erhöhung infolge eines Anteils für Inventar und Einbeziehung einer Entschädigungsforderung bei 1,1 v. H. Vierteljahressatz.

Infolge Nichteinbeziehung des Herrenhauses als dem landwirtschaftlichen Betriebe nicht dienend errechnete sich bei einer Ermäßigung nach dem BVFG von 771,05 DM ein Vierteljahrsbetrag von 450,70 DM.

Das Herrenhaus diente vor und nach der Veräußerung als Altersheim und war einheitswertmäßig als selbständiges Einfamilienhaus bewertet.

Der Einspruch des Klägers, mit dem ersatzlose Aufhebung des Berichtigungsbescheides begehrt wurde, blieb ohne Erfolg. Das FG hob im ersten Rechtszuge die Einspruchsentscheidung und den Berichtigungsbescheid aus formellen Gründen auf; es sah entgegen der Rechtsprechung des BFH die Berichtigung eines unanfechtbaren Vermögensabgabe-Bescheides nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO als unzulässig an. Auf die Revision des FA hob der BFH das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Er bejahte die Berichtigungsmöglichkeit eines Vermögensabgabe-Bescheides nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH und des BVerfG.

Im zweiten Rechtsgang trug der Kläger unter Bezugnahme auf sein früheres Vorbringen vor:

1. Die nachträgliche Zurechnung des Einheitswert-Anteils und der Entschädigungsforderung zum Vermögensabgabe-Vermögen verstoße gegen Treu und Glauben, weil das FA trotz Kenntnis des Sachverhaltes die Berichtigung erst sieben Jahre nach der Veranlagung vorgenommen habe.

2. Das Herrenhaus sei zu Recht in die Begünstigung des BVFG einbezogen worden. Es komme nicht auf dessen Bewertung als Teil des landwirtschaftlichen Betriebes an, weil es bei Veräußerung oder Verpachtung der Bildung eines landwirtschaftlichen Betriebes des Erwerbers oder Pächters diene. Es habe mit dem veräußerten, zur Siedlung geeigneten Grundstück ein wirtschaftliches Ganzes gebildet, so daß der Erwerb durch das Siedlungsunternehmen zwangsläufig unmittelbar dem begünstigten Zwecke diene.

Das FG hob auf die Klage im zweiten Rechtsgang erneut, wenn auch anders begründet als im ersten Rechtsgang, den Berichtigungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Es hielt die Zurechnung des Einheitswert-Anteils und der Entschädigungsforderung für zutreffend, wenn auch im Endergebnis für ohne Auswirkung. Der Anteil für Inventar am Einheitswert des enteigneten Grundbesitzes habe zum abgabepflichtigen Vermögen gehört, weil die abgetretenen Grundstücksflächen damals vom Kläger weiterbewirtschaftet worden seien (Hinweis auf § 30 Abs. 2 BewG a. F.).

Die Entschädigungsforderung für den 1947 abgegebenen Grundbesitz gehöre zu dem der Vemögensabgabe unterliegenden Vermögen des Klägers. Entsprechend einem zu billigenden Verwaltungserlaß sei die Entschädigungsforderung mit 55 v. H. des auf den enteigneten Grundbesitz entfallenden Bodenwertanteils angesetzt worden.

Die Einbeziehung dieser Beträge widerspreche auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben. Das alleinige Untätigbleiben des FA führe zu keiner Verwirkung des Abgabeanspruchs. Ein positives Verhalten des FA auf Nichtgeltendmachung sei nicht feststellbar. Die Erhöhung der Vermögensabgabe-Vierteljahrsbeträge infolge der Zurechnung wirke sich auf Grund der Verjährungsvorschriften dem Grundsatz nach ab 1. Januar 1958 aus.

Die Versagung der Vergünstigung für das Herrenhaus und die damit verbundene Beschränkung der Herabsetzung des Ermäßigungsbetrags nach § 50 BVFG durch die Berichtigung statt der vorherigen völligen Freistellung sei dagegen zu Unrecht erfolgt. Das FA habe im Vermögensabgabe-Bescheid vom 21. Juli 1956 zutreffend auch hinsichtlich des Herrenhauses die Vergünstigung gewährt, weil das FA an die Bescheinigung der Oberen Siedlungsbehörde vom 16. Januar 1956 in Verbindung mit der Ergänzung vom 20. März 1956 gebunden gewesen sei. Nach § 37 Abs. 4 BVFG hätten die zuständigen Behörden ohne weitere Nachprüfung die Vergünstigung auf dem Gebiete des Steuer- und Abgaberechts nach §§ 37 bis 56 BVFG zu gewähren, wenn die Siedlungsbehörde bescheinige, daß die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Vergünstigung vorlägen. Diese Bescheinigung sei bindend. Nach § 47 Abs. 3 (Abs. 2) BVFG stehe der Veräußerung an einen Vertriebenen oder Flüchtling die Veräußerung an ein gemeinnütziges Siedlungsunternehmen gleich. Im Streitfall seien zwar die Voraussetzungen für die Ausstellung der Bescheinigung nicht erfüllt gewesen, da das als Einfamilienhaus bewertete Herrenhaus nicht den begünstigten Zwecken zugeführt worden sei; Das FA müsse aber trotzdem ohne weitere Nachprüfung die Vergünstigung gewähren und hätte demgemäß die zunächst bewilligte Vergünstigung für das Herrenhaus nicht rückgängig machen dürfen. Das FG folge nicht der anderweitig vertretenen Auffassung, den Finanzbehörden sei lediglich verboten, die Versicherung der Siedlungsbehörde auf ihre Richtigkeit nachzuprüfen, nicht aber verboten, die Steuerbefreiung zu versagen, wenn sich aus der Bescheinigung das Nichtvorhandensein der Voraussetzungen für die Steuervergünstigung ergebe. Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 37 Abs. 4 BVFG schlössen ähnlich wie § 93 Abs. 2 II. WoBauG und § 95 Abs. 3 des II. WoBauG in Verbindung mit § 7c EStG auch hier die Bindung in rechtlicher Hinsicht mit ein. Die zu § 29 Abs. 2 des Reichssiedlungsgesetzes (RSiedlG) anderslautende Gesetzesauslegung und Rechtsprechung könne schon wegen des abweichenden Gesetzeswortlautes nicht herangezogen werden. Die ergänzende Bescheinigung vom 20. März 1956 sei dem FA und dem Kläger übersandt worden. Das FA hätte die Bescheinigung vor dem Verwaltungsgericht anfechten können. Durch die Einbeziehung des Einheitswerts für das Herrenhaus in die Vergünstigung des § 50 Abs. 1 und 2 BVFG verbleibe es bei der im Bescheid vom 21. Juli 1956 gewährten Ermäßigung der Vermögensabgabe in Höhe von 0,55 v. H. des Einheitswerts. Da der Ermäßigungsbetrag die vom Kläger insgesamt zu leistenden Vierteljahrsbeträge an Vermögensabgabe übersteige, trete dieser an die Stelle des errechneten Ermäßigungsbetrages (§ 50 Abs. 4 BVFG).

Mit der Revision rügt das FA Widerspruch gegen das geltende Recht. Es sei nur in tatsächlicher, nicht aber in rechtlicher Hinsicht an die Bescheinigung nach §§ 42, 47 Abs. 2 BVFG gebunden gewesen. Infolgedessen habe es die Bescheinigung der Oberen Siedlungsbehörde auf die Einbeziehung des Herrenhauses in rechtlicher Beziehung nachprüfen und insoweit die Befreiung von der Vermögensabgabe durch den Berichtigungsbescheid versagen dürfen (Hinweise auf die Rechtsprechung des BFH). Die sogenannte Fehlerberichtigung stehe nicht im Gegensatz zu Treu und Glauben. Ein Steueranspruch werde allein durch Fristablauf nicht verwirkt, sondern dazu sei ein besonderes Verhalten des FA nötig.

Der Kläger führt zur Revision aus, der Rechtsstreit konzentriere sich auf die Frage, ob das FA gemäß § 37 Abs. 4 BVFG an die ausgestellte Bescheinigung der Siedlungsbehörde dahin gebunden sei, daß das FA die Steuervergünstigung gewähren müsse. Diese Frage habe das FG mit Recht bejaht.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Der erkennende Senat stimmt dem FG nicht zu, daß wegen der Bindung an die Bescheinigung der Oberen Siedlungsbehörde die im Vermögensabgabe-Bescheid vom 21. Juli 1956 für das Herrenhaus gewährte Vergünstigung nicht im Wege der Fehleraufdeckung durch den Berichtigungsbescheid hätte rückgängig gemacht werden dürfen, obwohl die Vermögensabgabe für das Herrenhaus nicht unter die Vergünstigung des BVFG falle und materiell-rechtlich statt des vollen Erlasses der Vermögensabgabe lediglich eine Kürzung des Ermäßigungsbetrages um 770,05 DM mit einem verbleibenden Vierteljahrsbetrag von 450,70 DM zutreffend sei.

a) Das Problem stellt sich nur, wenn die Bescheinigung der Oberen Siedlungsbehörde und die Ergänzung dazu vom 20. März 1956 über die Einbeziehung des Herrenhauses in die Bescheinigung vom 16. Januar 1956 unrichtig sind. Diese Frage bejaht der Senat in Übereinstimmung mit dem FG, das insoweit auch tatsächliche Feststellungen getroffen hat. Der Verkauf des Herrenhauses erfüllte nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung der Bescheinigung nach § 47 BVFG trotz der Veräußerung an das gemeinnützige Siedlungsunternehmen; denn das Herrenhaus war schon vorher selbständig als Einfamilienhaus bewertet und diente seit dem Jahr 1946 und auch nach der Veräußerung als Altersheim, jedoch nicht der landwirtschaftlichen Ansiedlung von Flüchtlingen und Vertriebenen. Wie das FG zutreffend ausführt, ergibt die Aufzählung in § 42 BVFG, nämlich land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, Betriebsteil eines solchen Betriebes und Grundstück im Sinne des Bewertungsrechts, daß die Voraussetzungen für jede wirtschaftliche Einheit des Bewertungsrechts gesondert zu prüfen sind. Die genannten Grundstücksarten sind nur unter der Voraussetzung begünstigt, daß die Veräußerung oder Verpachtung der Bildung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes dient oder Grundlage einer landwirtschaftlichen Nebenstelle wird. Dabei genügt es, daß das Grundstück mit landwirtschaftlichen Grundstücken eine wirtschaftliche Einheit in der Hand des Erwerbers oder Pächters bildet (vgl. Ehrenforth, Bundesvertriebenengesetz, § 42 Anm. 2). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Die auf das Herrenhaus entfallende Vermögensabgabe fällt daher nicht unter die Befreiungsvorschriften der §§ 42, 47, 50 BVFG und dieses Grundstück hätte daher nicht in die Bescheinigung nach § 37 Abs. 4 BVFG einbezogen werden dürfen. Der Kläger hat in der Revisionsinstanz zu den Ausführungen des FG über die Ablehnung der materiellen Befreiungsvorschriften bezüglich des Herrenhauses auch hilfsweise nichts vorgebracht.

b) Der erkennende Senat verneint entgegen der Auffassung des FG die formelle Bindung der Finanzverwaltung gemäß § 37 Abs. 4 BVFG an eine materiell unrichtige Bescheinigung der Oberen Siedlungsbehörde. Er hält an der bisherigen Rechtsprechung, die auf die Auslegung des § 29 Abs. 2 RSiedlG zurückgeht, fest. Eine Bescheinigung der Siedlungsbehörde nach § 37 Abs. 4 BVFG bindet die Finanzbehörde nur in tatsächlicher, nicht in rechtlicher Hinsicht. Die Bindung besteht nur für die in der Bescheinigung enthaltenen tatsächlichen Feststellungen. Die Finanzbehörden und Steuergerichte sind aber nicht an einer rechtlichen Prüfung gehindert, ob die begehrte steuerliche Vergünstigung auf Grund der tatsächlichen Feststellung der Siedlungsbehörde zu gewähren ist. Diesen Standpunkt hat der Senat eindeutig in dem BFH-Urteil III 64/60 vom 16. November 1962 HFR 1963, 357) vertreten, in dem ebenfalls eine Vergünstigung bei der Vermögensabgabe auf Grund der vom Abgabehaftenden behaupteten Bindung des FA an eine der materiellen Rechtslage nicht gerecht werdende Bescheinigung der Siedlungsbehörde zur Entscheidung stand und in dem ausdrücklich auch auf die Ähnlichkeit der Rechtslage gemäß § 29 RSiedlG hingewiesen wurde. Auf die vom FG wiedergegebene Entwicklung der Rechtsprechung des RFH zu § 29 RSiedlG und auf den abweichenden Wortlaut des § 29 Abs. 2 letzter Satz, "die Versicherung unterliegt nicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörden" braucht nicht näher eingegangen zu werden, da sich das die RFH-Rechtsprechung abschließende RFH-Urteil II 418/37 vom 6. Mai 1938 (RStBl 1938, 829) weniger auf den Wortlaut des § 29 Abs. 2 RSiedlG stützt als auf die Auslegungsregel des § 1 StAnpG. Wie es dort heißt, könne nicht angenommen werden, daß der Staat die steuerrechtliche Würdigung von Tatbeständen nicht denjenigen Behörden übertragen wolle, die er selbst für diesen Zweck geschaffen und deren Beamte er für Erfüllung dieses Zweckes ausgebildet habe, sondern Behörden, denen eine Erfahrung auf steuerrechtlichem Gebiete fehle. Im gleichen Sinne wurde in dem BFH-Urteil V 31/53 S vom 26. November 1953 (BFH 58, 341, BStBl III 1954, 43) eine Bindung in rechtlicher Hinsicht an die Bescheinigung der Siedlungsbehörde deshalb verneint, weil die an die Anerkennung geknüpfte Rechtsfolge der Steuerfreiheit einer Nachprüfung durch die Steuerbehörden und Steuergerichte unterliege. Die gleiche zutreffende Begründung unter Bezugnahme unter anderem auf BFH-Entscheidungen II 201/51 S vom 2. November 1951 (BFH 55, 578, BStBl III 1951, 234; BFH II 84/57 U vom 17. Dezember 1958, BFH 68, 255, BStBl III 1959, 100) findet sich in BFH-Entscheidung II 16/56 vom 6. Juli 1960 (HFR 1961, 32), allerdings nicht auf § 1 StAnpG, sondern auf § 204 AO gestützt. Es wird dort hervorgehoben, daß kein allgemeiner Grundsatz bestehe, nach dem die Finanzbehörden an die Entscheidung anderer Behörden gebunden seien, sondern daß sich vielmehr die eigene rechtliche Würdigung und amtliche Ermittlungspflicht aus § 204 Abs. 1 AO ergebe. Diesen Gesichtspunkten hat der erkennende Senat bereits in den Urteilen III 78/51 U vom 14. August 1953 (BFH 58, 104, BStBl III 1953, 331), und III 171/53 S vom 30. April 1954 (BFH 58, 728, BStBl III 1954, 189) stattgegeben. Es darf des weiteren bei Beurteilung der Bindungspflicht auch nicht der in einzelnen Entscheidungen zum Ausdruck kommende zutreffende Rechtsgedanke unbeachtet bleiben, daß die Bindung an die verschiedenen Oberen Landessiedlungsbehörden-Bescheide zur Rechtszersplitterung führen dürfte, die einer gleichmäßigen Besteuerung und dem Zwecke einer einheitlichen Finanzrechtsprechung widersprechen würde.

Die dargestellten allgemeinen Gesichtspunkte rechtfertigen es, trotz des zu § 29 RSiedlG unterschiedlichen Wortlauts des § 37 Abs. 4 BVFG auch hier eine Bindung an die Bescheinigung der Siedlungsbehörde nur in tatsächlicher Hinsicht anzunehmen. Es ist zu unterstellen, daß der Gesetzgeber des BVFG im Jahre 1953 die enge Auslegung des § 29 Abs. 2 letzter Satz RSiedlG durch den RFH und den BFH in fester Rechtsprechung kannte. Wenn trotzdem in § 37 Abs. 4 BVFG nicht eine eindeutig die Finanzbehörden und die Steuergerichte in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht bindende Wortfassung gewählt wurde, wie sie sich in § 93 Abs. 2 und § 95 Abs. 3 des II. WoBauG findet, ist die allgemeingültige Folgerung geboten, daß in § 37 Abs. 4 BVFG nur eine Bindung in tatsächlicher Hinsicht bestimmt wurde. Der Kommentar Kühne-Wolff (Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich - Anhang I zu § 202 des Lastenausgleichsgesetzes - BVFG § 37 Anm. 4 -) erstreckt ebenfalls die Bindung nur auf die tatsächliche, nicht aber auch auf die rechtliche Beurteilung. Der anders gerichteten, mit dem FG übereinstimmenden Auslegung bei Ehrenforth (a. a. O., § 37 Anm. 8) folgt der Senat nicht.

2. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist in der Regel in einer nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO zulässigen Berichtigung nicht zu sehen. Die hier vorgenommene Fehlerberichtigung hält sich im üblichen Rahmen einer solchen Berichtigungsmöglichkeit.

Soweit der Kläger bezüglich der beiden im Berichtigungsbescheid nachgeholten, vom FG gebilligten Zurechnungen ohne materiell-rechtliche Einwendungen lediglich ein Verstoß gegen Treu und Glauben durch jahrelange Untätigkeit des FA geltend gemacht hat, ist diesem Vorbringen nicht zu folgen. In der Revisionsinstanz ist der Kläger auf diese beiden Posten und eine etwaige Verwirkung nicht mehr eingegangen, sondern hat nur die Beibehaltung der Vermögensabgabe-Vergünstigung durch Einbeziehung des Herrenhauses begehrt und allein die Frage der Bindung des FA an die Siedlungsbescheinigung als prozeßerheblich herausgestellt.

3. Der erkennende Senat folgt in der Frage der beiden Zurechnungen dem FG. Die Sachlage und die materielle Rechtslage sind eindeutig, unbestritten und von der Vorinstanz rechtlich zutreffend gewürdigt worden, und zwar auch unter der gegebenen Berichtigungsmöglichkeit für die Zurechnung des Einheitswert-Anteils nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 oder nach § 92 Abs. 2 oder nach § 218 Abs. 4 AO. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt hinsichtlich der Einbeziehung der beiden Posten durch die Vermögensabgabe-Berichtigung nicht vor. Nach ständiger, vom FG zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung des BFH verstößt das FA nicht gegen Treu und Glauben, wenn es lediglich während eines längeren Zeitraumes untätig geblieben ist. Diese Untätigkeit wirkt sich zugunsten des Vermögensab Jabe-Schuldners durch Verjährung einzelner Vermögensabgabe-Raten aus. Um insgesamt aber Verwirkung des Vermögensabgabe-Anspruchs annehmen zu können, bedarf es eines besonderen Verhaltens, Tätigwerdens oder Gebarens des FA. Im Streitfall ist ein solches Verhalten nicht festzustellen. Insbesondere hat das FA sich auch nicht im Hinblick auf einzelne Schreiben des Klägers dahin geäußert, daß der Einheitswert-Anteil oder die Entschädigungsforderung nicht der Vermögensabgabe unterlägen. Da die Verjährung der Vierteljahrsbeträge durch das Schreiben des FA an den Abgabepflichtigen vom 29. Oktober 1963 unterbrochen worden ist, wirkt sich die Erhöhung des Vermögensabgabe-Vierteljahrsbetrags infolge der Zurechnungen ab 1. Januar 1958 aus.

Somit greift die Revision des FA voll durch. Sie führt unter Aufhebung der Vorentscheidung dazu, daß die Klage gegen den Vermögensabgabe-Berichtigungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung abgewiesen wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70290

BStBl II 1973, 173

BFHE 1973, 549

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