Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarung einer nachträglichen zusätzlichen Gegenleistung bei Konkurs des Grundstücksveräußerers als eigenständiger Steuertatbestand und kein Ereignis i.S. von § 175 Abs.1 Nr.2 AO 1977 - Anwendbarkeit des § 160 Abs.2 FGO a.F. - Zulässigkeit einer Anschlußrevision

 

Leitsatz (amtlich)

1. Fällt ein Grundstücksveräußerer nach Abwicklung des Kaufvertrages in Konkurs und wird der Grundstückskaufvertrag vom Konkursverwalter nach § 36 KO angefochten, so stellt das vom Erwerber zur Beseitigung der relativen Unwirksamkeit des Erwerbsvorgangs an die Konkursmasse gezahlte Entgelt eine zusätzliche Leistung i.S. von § 27 Abs.2 Nr.1 des früheren baden-württembergischen GrEStG (entspricht: § 9 Abs.2 Nr.1 GrEStG 1983) dar.

2. Die nachträgliche zusätzliche Gegenleistung i.S. von § 9 Abs.2 Nr.1 GrEStG 1983 ist in einem zusätzlichen Bescheid, der neben den anderen, den ursprünglichen Erwerbsvorgang betreffenden Bescheid tritt, grunderwerbsteuerrechtlich zu erfassen.

 

Orientierungssatz

1. Für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des FGO-Änderungsgesetz vom 21.12.1992 am 1.1.1993 bereits anhängige Revisionsverfahren ist § 160 Abs.2 FGO a.F. (Überprüfung des FG-Urteils in Sachen Grunderwerbsteuer auf Verletzung von Landesrecht) weiterhin anzuwenden.

2. NV: Hat der Kläger innerhalb der Rechtsmittelfrist selbständig Revision eingelegt, ist er aber später zur unselbständigen Anschlußrevision übergegangen, liegt in den diesbezüglichen Erklärungen des Klägers die Rücknahme der Hauptrevision und die Einlegung der unselbständigen Anschlußrevision.

3. NV: Hat das FG der gegen zwei Verwaltungsakte erhobenen Klage nur hinsichtlich des einen Verwaltungsakts stattgegeben, und der Kläger wegen der Klageabweisung hinsichtlich des anderen Verwaltungsakt Revision eingelegt, so ist eine gegen den stattgebenden Teil des FG-Urteils gerichtete unselbständige Anschlußrevision des FA unzulässig. Dies gilt in solchen Fällen auch umgekehrt bei einer Revision des FA gegen die Aufhebung eines Bescheids für eine gegen die Klageabweisung hinsichtlich des anderen Bescheids gerichtete unselbständige Anschlußrevision des Klägers.

 

Normenkette

FGO § 160 Abs. 2; GrEStG BW § 27 Abs. 2 Nr. 1; GrEStG BW § 37 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 §§ 38, 170 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

I. Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (Kläger) ist Bauunternehmer und war im Jahre 1974 einziger Gesellschafter einer GmbH. Von dieser GmbH kaufte er am 16. September 1974 neun Eigentumswohnungen für 526 099 DM. Für diesen Erwerbsvorgang setzte der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 25. Februar 1975 die Grunderwerbsteuer zunächst auf 36 826,90 DM fest. Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch beantragte der Kläger Steuerbefreiung für zwei Wohnungen nach § 6 Abs.6 Nr.10 des früheren baden-württembergischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und machte geltend, die beiden Wohnungen hätten jeweils einen Wert von 107 250 DM. Das FA gewährte die beantragte Steuerbefreiung und ermäßigte unter Aufteilung der vereinbarten Gesamtgegenleistung entsprechend den Wertangaben des Klägers die Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von 311 599 DM (Gesamtpreis: 526 099 DM abzüglich 2 x 107 250 DM) auf 21 811,90 DM (Bescheid vom 23. April 1975).

Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1980 stellte der Prüfer fest, daß 1975 über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden war, daß der Konkursverwalter den Kaufvertrag vom 16. September 1974 angefochten und die Rückauflassung der Eigentumswohnungen verlangt hatte. Der darüber entstandene Rechtsstreit war durch einen Vergleich vom 25. Mai 1977 beigelegt worden. Darin hatte sich der Kläger verpflichtet, den Unterschiedsbetrag zwischen dem im Kaufvertrag vereinbarten und dem als angemessen erachteten Kaufpreis, nämlich insgesamt 334 372 DM, an den Konkursverwalter zu zahlen. Ferner ermittelte der Prüfer für die zwei Wohnungen, die antragsgemäß von der Besteuerung ausgenommen worden waren, niedrigere Anteile am Gesamtkaufpreis. Danach betrugen die Anteile der beiden Wohnungen am Gesamtkaufpreis von 526 099 DM statt 107 250 DM jeweils 71 334 DM und an dem Vergleichsbetrag von 334 372 DM jeweils 46 104 DM. Das FA erhöhte dementsprechend die Grunderwerbsteuer durch einen auf § 173 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 14. Oktober 1981 nach einer Gegenleistung von 625 595 DM (Kaufpreis: 526 099 DM zuzüglich Vergleichsbetrag: 334 372 DM ./. 2 x 117 438 DM) auf 43 791,65 DM. Hiergegen hat der Kläger (nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren) Klage erhoben. Diese Klage ist noch beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen V 68/82 anhängig.

Während dieses Klageverfahrens kam das FA zu der Ansicht, es habe den angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 1981 zu Unrecht auf § 173 Abs.1 Nr.1 AO 1977 gestützt. Bei richtiger Sachbehandlung sei kein Änderungs-, sondern ein "Ergänzungsbescheid" zu erteilen gewesen. Es setzte durch einen auf § 172 Abs.1 Nr.2 Buchst.a und c AO 1977 gestützten Änderungsbescheid vom 16. März 1983 die Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag vom 16. September 1974 nach einer Bemessungsgrundlage von 383 431 DM (526 099 DM ./. 2 x 71 334 DM) auf 26 840,10 DM und für die Zahlung des Vergleichsbetrages von 334 372 DM durch "Ergänzungsbescheid" vom selben Tage weitere 23 406 DM fest. Durch geänderten "Ergänzungsbescheid" vom 29. April 1983 ermäßigte es die Grunderwerbsteuer ausgehend von einer Gegenleistung von 242 164 DM (334 372 DM ./. 2 x 46 104 DM) auf 16 951,55 DM.

Der Kläger hat gegen den Änderungsbescheid vom 16. März 1983 sowie gegen den geänderten "Ergänzungsbescheid" vom 29. April 1983 Einspruch eingelegt. Das FG hat deshalb am 22. Mai 1984 im Verfahren V 68/82 beschlossen, das Verfahren "analog § 74 FGO" bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Klageverfahrens auszusetzen.

Auf die nach erfolglos gebliebenen Einsprüchen erhobene Klage, mit der der Kläger die Aufhebung der Bescheide vom 16. März 1983 sowie des Änderungsbescheides vom 29. April 1983 und der Einspruchsentscheidung begehrte, hob das FG den "Ergänzungsbescheid" vom 16. März 1983, den geänderten "Ergänzungsbescheid" vom 29. April 1983 sowie die Einspruchsentscheidung, soweit diese den "Ergänzungsbescheid" bestätigt, auf und wies die Klage im übrigen ab. Der Erlaß eines "Ergänzungsbescheids" zur Erfassung der nachträglich vereinbarten Gegenleistung sei mangels entsprechender verfahrensrechtlicher Grundlage unzulässig. Der Erwerbsvorgang (Kauf der Eigentumswohnung) und die nachträglich vereinbarte Gegenleistung stellten einen Steuerfall dar, der auch nur einheitlich besteuert werden dürfe. Denn durch die nachträgliche zusätzliche Leistung entstehe kein weiterer Steueranspruch des Steuergläubigers, vielmehr werde der ursprüngliche Anspruch nur erweitert. Aus der Systematik der AO 1977 ergebe sich, daß ein Abgabenfall nicht durch mehrere (Teil-)Steuerbescheide erfaßt werden dürfe. Vielmehr könnten zusätzlich vereinbarte Gegenleistungen mittels der §§ 172 ff. AO 1977, insbesondere über § 175 Abs.1 Nr.2 AO 1977 erfaßt werden. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt sei auch der Änderungsbescheid vom 16. März 1983 nicht zu beanstanden. Denn unabhängig von der Frage, ob das FA die niedrigeren Werte für die steuerbefreiten Erwerbsvorgänge (2 Eigentumswohnungen) ansetzen durfte, stellte der an den Konkursverwalter gezahlte Vergleichsbetrag von 334 372 DM eine zusätzliche nachträgliche Gegenleistung i.S. von § 27 Abs.1 Nr.1 GrEStG dar, unter deren Berücksichtigung der Kläger durch den festgesetzten Steuerbetrag in Höhe von 26 840,10 DM in seinen Rechten nicht verletzt werde, weil die Grunderwerbsteuer insgesamt, d.h. unter Einbeziehung der nachträglichen Gegenleistung 43 791,65 DM betragen würde.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

++/ Das FA wendet sich insbesondere gegen die Rechtsauffassung des FG, ein "Ergänzungsbescheid" dürfe nur erlassen werden, wenn sich verfahrensrechtlich dafür eine Rechtsgrundlage finde. Das FG habe verkannt, daß mit der Vereinbarung einer zusätzlichen Gegenleistung ein eigenständiger Steuertatbestand verwirklicht werde. /++

Der Kläger beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

++/ Der Kläger hat --innerhalb der Revisionsfrist-- am 10. September 1990 gegen das Urteil des FG Revision eingelegt, ohne diese zunächst zu begründen. Mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 25. Oktober 1990 wurde er auf den zwischenzeitlich erfolgten Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hingewiesen. Ihm wurde ferner die Revisionsbegründung des FA am 30. Oktober 1990 förmlich zugestellt. Mit Schriftsatz vom 29. November 1990, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 30. November 1990, bezeichnete der Kläger seine Revision als "Anschlußrevision" und begründete diese. Mit der Anschlußrevision verfolgt er sein Klagebegehren weiter, soweit das FG seine Klage abgewiesen hat. Er ist der Auffassung, daß auch der auf § 172 Abs.1 Nr.2 Buchst.a und c AO 1977 gestützte Änderungsbescheid vom 16. März 1983 rechtswidrig und deshalb aufzuheben sei. /++

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Die Revision des FA ist begründet.

Der Bundesfinanzhof (BFH) ist trotz des Wegfalls des früheren Absatzes 2 des § 160 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Art.1 Nr.37 des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2109) nicht daran gehindert, das angefochtene FG-Urteil auch auf die Verletzung von --nach § 23 Abs.2 GrEStG 1983 weiter fortgeltendem-- Landesrecht zu überprüfen. Das FGO-Änderungsgesetz enthält zwar insoweit keine ausdrückliche Übergangsregelung. Aus Art.7 FGO-Änderungsgesetz ergibt sich jedoch die allgemeine Intention des Gesetzgebers, durch die Gesetzesänderung nicht in laufende Rechtsmittelverfahren einzugreifen. Diese sollen vielmehr nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende geführt werden. Für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des FGO-Änderungsgesetzes am 1. Januar 1993 (vgl. Art.9 FGO-Änderungsgesetz) bereits anhängige Revisionsverfahren ist demnach § 160 Abs.2 FGO a.F. weiter anzuwenden.

a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei den vom Kläger auf Grund des vor dem Landgericht Stuttgart am 25. Mai 1977 abgeschlossenen Vergleichs an den Konkursverwalter gezahlten 334 372 DM um eine neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten, zusätzlich gewährte Gegenleistung i.S. von § 27 Abs.2 Nr.1 des früheren baden-württembergischen GrEStG --entspricht § 9 Abs.2 Nr.1 GrEStG 1983-- handelt. Als zusätzliche Leistung i.S. dieser Vorschrift ist jede Leistung anzusehen, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt und die nicht bereits von § 27 Abs.1 GrEStG (= § 9 Abs.1 GrEStG 1983) erfaßt ist. Im Regelfall handelt es sich dabei um Leistungen, die vom Erwerber zusätzlich zu der beim Erwerbsvorgang selbst bereits vereinbarten Gegenleistung, also nachträglich, gewährt werden (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1982 II R 4/81, BFHE 136, 146, BStBl II 1982, 625), um sich das Eigentum am Grundstück zu verschaffen oder zu erhalten. Die nachträgliche Gegenleistung kann zwar mit dem Grundstückserwerb nicht mehr kausal verknüpft sein --wie dies für die ursprünglich vereinbarte Gegenleistung erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 II R 28/86, BFHE 156, 251, BStBl II 1989, 466)--; zwischen ihr und dem Grundstückserwerb muß jedoch ein rechtlicher Zusammenhang bestehen (Urteil vom 12. Dezember 1979 II R 15/76, BFHE 129, 280, BStBl II 1980, 162, 163). Ein solcher kann sich bei einem bereits abgewickelten Geschäft auch daraus ergeben, daß bestehende Zweifel an dessen Wirksamkeit vergleichsweise durch Zahlung eines zusätzlichen Entgelts ausgeräumt werden (vgl. Sack in Boruttau-Egly-Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 13.Aufl. 1992, § 9 Rdnr.579) bzw. durch das zusätzliche Entgelt das Behaltendürfen des Grundstücks gesichert wird.

Im Streitfall besteht ein derartiger rechtlicher Zusammenhang zwischen der Zahlung des Vergleichsbetrages in Höhe von 334 372 DM und dem ursprünglichen Erwerbsvorgang. Denn durch das seitens des Konkursverwalters nach § 36 der Konkursordnung (KO) im Jahre 1975 ausgeübte Anfechtungsrecht wurde der Erwerbsvorgang vom 16. September 1974 relativ, d.h. den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam (§ 29 KO), und zwar mit der sich aus § 37 KO ergebenden Folge, daß das durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Gemeinschuldners Veräußerte nicht vom Kläger behalten werden durfte, sondern von ihm --gegen Erstattung der Gegenleistung (Kaufpreis, vgl. § 38 KO)-- zur Konkursmasse zurückzugewähren war. Die Zahlung des zusätzlichen Betrages diente somit zur Beseitigung der relativen Unwirksamkeit des Erwerbs der Eigentumswohnungen durch den Kläger und sollte sicherstellen, daß der Kläger die Eigentumswohnungen behalten durfte. Der erforderliche rechtliche Zusammenhang zwischen dem --infolge Vereinbarung eines weit unter dem tatsächlichen Wert der Eigentumswohnungen liegenden Kaufpreises-- anfechtbaren Grundstückskaufvertrag und der nach Konkurseröffnung und erfolgter Anfechtung des Erwerbsvorgangs nachträglich für das Behaltendürfen der Wohnungen zusätzlich gezahlte Vergleichsbetrag ist deshalb im Streitfall vorhanden (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 28. Juni 1989 II R 4/87, BFH/NV 1990, 592).

Entgegen der Auffassung des Klägers kann es auch nicht entscheidend darauf ankommen, daß der Vergleichsbetrag nicht an den Erwerber selbst, die in Konkurs gefallene GmbH, sondern an die Konkursmasse zu Händen des Konkursverwalters gezahlt wurde. Zwar erfaßt § 27 Abs.2 Nr.1 GrEStG (= § 9 Abs.2 Nr.1 GrEStG 1983) seinem Wortlaut nach nur solche Leistungen, die dem Veräußerer, d.h. nicht einem Dritten, zusätzlich gewährt werden. Die Vorschrift muß aber zumindest entsprechend auch bei solchen zusätzlich vereinbarten Gegenleistungen Anwendung finden, die wegen der Eröffnung des Konkursverfahrens und der damit zusammenhängenden Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen des Veräußerers (§ 6 Abs.1 KO) nicht mehr diesem unmittelbar, sondern dem vom Konkurs betroffenen Vermögen des Gemeinschuldners (Konkursmasse, vgl. § 1 Abs.1 KO), welches der Verwaltung des Konkursverwalters untersteht (§ 6 Abs.2 KO), gewährt werden.

b) Nicht folgen kann jedoch der Senat der Rechtsauffassung des FG, daß das FA die sich aus der nachträglichen zusätzlichen Gegenleistung ergebende Grunderwerbsteuer nicht in einem gesonderten "Ergänzungsbescheid" habe festsetzen dürfen, sondern einen die ursprüngliche Steuerfestsetzung ändernden Bescheid hätte erlassen müssen. Diese Rechtsauffassung beruht auf der fehlerhaften Vorstellung, die Vereinbarung einer nachträglichen zusätzlichen Gegenleistung lasse keinen eigenständigen Steueranspruch entstehen, sondern wirke vielmehr auf den ursprünglichen Steueranspruch zurück und erweitere diesen lediglich.

Nach § 38 AO 1977 entstehen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Der Grundstückskaufvertrag vom 16. September 1974 unterlag als solcher gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG (= § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983) der Grunderwerbsteuer, weil insoweit alle Tatbestandsmerkmale erfüllt wurden, an die die Steuerpflicht geknüpft ist. Demgegenüber ist die Vereinbarung einer nachträglichen zusätzlichen Gegenleistung i.S. von § 27 Abs.2 Nr.1 GrEStG (= § 9 Abs.2 Nr.1 GrEStG 1983) ein nachträglich hinzutretendes, selbständiges Ereignis, welches zwar an einen Erwerbsvorgang i.S. von § 1 Abs.1 GrEStG anknüpft und einen solchen voraussetzt, die Tatbestandsmäßigkeit des ursprünglichen Erwerbsvorgangs aber nicht berührt, sondern vielmehr einen weiteren Steueranspruch des Steuergläubigers begründet und entstehen läßt. Der Steuertatbestand besteht hier in der zusätzlichen Leistung in Verbindung mit dem Kaufvertrag, der allein den Tatbestand für die weitere Steuererhebung nicht bilden kann, weil die nachträgliche Leistung auf Umständen beruht, die erst nach Abschluß des Kaufvertrages eingetreten sind. Das Gesetz knüpft die Steuer an die zusätzliche Leistung; dieses Tatbestandsmerkmal ist deshalb auch erst mit der Vereinbarung der zusätzlichen Gegenleistung erfüllt (vgl. schon BFH-Beschluß vom 3. April 1951 II 152/50 S, BFHE 55, 261, BStBl III 1951, 100). Da mit der Vereinbarung oder Gewährung einer nachträglichen zusätzlichen Gegenleistung ein eigenständiger Steuertatbestand verwirklicht wird, wirkt ein solches Ereignis steuerlich auch nicht auf den ursprünglichen steuerpflichtigen Erwerbsvorgang i.S. von § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977 zurück, sondern läßt diesen vielmehr unberührt. Der Erlaß eines den Gesamtvorgang umfassenden Änderungsbescheids kommt deshalb nicht in Betracht.

Das FA hat somit zu Recht die nachträglichen zusätzlichen Leistungen des Klägers in einem zusätzlichen Bescheid, der neben den anderen, den ursprünglichen Erwerbsvorgang betreffenden Bescheid tritt, grunderwerbsteuerrechtlich erfaßt. Das auf anderer Rechtsauffassung beruhende FG-Urteil ist deshalb im Umfang des Revisionsantrags des FA aufzuheben.

2. ++/ Die Anschlußrevision des Klägers ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 126 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Bei der Revision des Klägers handelt es sich um kein selbständiges (Haupt-)Rechtsmittel. Der Kläger hat zwar innerhalb der Rechtsmittelfrist selbständig Revision eingelegt, ist aber später wegen Zweifeln an der Zulässigkeit dieser Revision zur unselbständigen Anschlußrevision übergegangen. In den diesbezüglichen Erklärungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 29. November 1990 liegt die Rücknahme seiner Hauptrevision und die gleichzeitige Einlegung einer Anschlußrevision (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Januar 1972 VII R 26/69, BFHE 104, 286, BStBl II 1972, 351).

Diese ist zwar fristgerecht eingelegt worden, aber dennoch unzulässig, weil sie über den Rahmen der (Haupt-)Revision des FA hinausgeht. Die Anschließung an eine Revision ist ihrem Wesen nach akzessorisch im Verhältnis zur Hauptrevision; sie muß sich auf denselben Steuerfall beziehen wie die Revision (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1984 I R 22/79, BFHE 142, 276, BStBl II 1985, 69, 72). Fehlt es an dieser Voraussetzung, weil die unselbständige Anschlußrevision sich z.B. auf einen Steuerbescheid bezieht, für den keine Revision eingelegt wurde, so ist die Anschließung unzulässig (vgl. BFH-Urteile vom 3. Juli 1979 VII R 53/76, BFHE 128, 158, BStBl II 1979, 655, 656, und vom 19. Dezember 1989 IX R 171/85, BFHE 160, 16, BStBl II 1990, 542). Hat das FG der gegen zwei Verwaltungsakte erhobenen Klage nur hinsichtlich des einen Verwaltungsakts stattgegeben, und der Kläger wegen der Klageabweisung hinsichtlich des anderen Verwaltungsakts Revision eingelegt, so ist eine gegen den stattgebenden Teil des FG-Urteils gerichtete unselbständige Anschlußrevision des FA unzulässig (BFH-Urteil vom 4. Oktober 1983 VII R 16/82, BFHE 139, 232, BStBl II 1984, 167). Dies gilt in solchen Fällen auch umgekehrt bei einer Revision des FA gegen die Aufhebung eines Bescheides für eine gegen die Klageabweisung hinsichtlich des anderen Bescheides gerichtete unselbständige Anschlußrevision des Klägers.

Gegenstand der (Haupt-)Revision des FA sind im Streitfall allein die "Grunderwerbsteuerergänzungsbescheide" vom 16. März und 29. April 1983 sowie die Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 1983, soweit diese den "Ergänzungsbescheid" vom 29. April 1983 bestätigt. Die Anschlußrevision des Klägers betrifft jedoch einen anderen Steuerbescheid, nämlich den geänderten Grunderwerbsteuerbescheid vom 16. März 1983 sowie die Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 1983, soweit diese den Bescheid vom 16. März 1983 bestätigt.

3. /++ Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).

Gegenstand des Klageverfahrens (Revisionsverfahrens) ist, nachdem die Entscheidung des FG hinsichtlich des Änderungsbescheides vom 16. März 1983 über 26 840,10 DM rechtskräftig und der Bescheid bestandskräftig geworden ist, nur noch der geänderte "Ergänzungsbescheid" vom 29. April 1983 über 16 951,55 DM und die Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 1983, soweit diese den "Ergänzungsbescheid" bestätigt. Diese lassen einen Rechtsverstoß nicht erkennen. Die Klage ist deshalb abzuweisen.

Dem Erlaß des weiteren Bescheides, der neben den anderen, den ursprünglichen Erwerbsvorgang betreffenden Bescheid getreten ist, steht --unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Doppelerfassung der zusätzlichen Gegenleistung-- auch nicht der Änderungsbescheid vom 14. Oktober 1981 über 43 791,65 DM entgegen, mit dem das FA neben dem ursprünglichen Erwerbsvorgang auch die zusätzliche Gegenleistung (Vergleichsbetrag) steuerlich erfaßt hat. Dieser Bescheid wurde nämlich durch den --bestandskräftig gewordenen-- Änderungsbescheid vom 16. März 1983 über 26 840,10 DM gemäß § 172 Abs.1 Nr.2 Buchst.a und c AO 1977 geändert und ist deshalb in diesen Bescheid aufgegangen. Der Änderungsbescheid vom 16. März 1983 enthält keine Erfassung der zusätzlichen Gegenleistung mehr, sondern betrifft ausschließlich den Erwerbsvorgang vom 16. September 1974.

Der Festsetzung der Steuer für die Gewährung der zusätzlichen Gegenleistung in einem weiteren Bescheid stand auch nicht der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen. Abweichend von dem in § 170 Abs.1 AO 1977 behandelten Regelfall, wonach die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Steuer entsteht, begann im Streitfall wegen Verletzung der den Kläger betreffenden Anzeigepflicht nach § 37 Abs.2 Nr.1 GrEStG (entspricht § 19 Abs.2 Nr.1 GrEStG 1983) die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs.2 Nr.1 AO 1977 mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Da die Steuer im Streitfall im Jahre 1977 (Abschluß des Vergleichs) entstanden ist, begann demnach die (vierjährige --vgl. § 169 Abs.2 Nr.2 AO 1977--) Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1980. Der Erlaß des zusätzlichen Grunderwerbsteuerbescheides im Jahre 1983 erfolgte demnach fristgerecht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65291

BFH/NV 1994, 65

BStBl II 1994, 817

BFHE 174, 380

BFHE 1995, 380

BB 1994, 1557

BB 1994, 2334

BB 1994, 2334-2335 (LT)

DB 1994, 1657 (L)

DStR 1994, 1188-1190 (KT)

HFR 1994, 725-727 (LT)

StE 1994, 461 (K)

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