Leitsatz (amtlich)

Übereignet eine KG, deren Komplementär der Erblasser war, in Erfüllung eines Verschaffungsvermächtnisses ein Grundstück an den Vermächtnisnehmer, so ist dieser Vorgang gemäß §§ 3 Nr. 2, 6 Abs. 2 GrEStG jedenfalls dann von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn an der KG nur der Erblasser, der Erbe und der Vermächtnisnehmer beteiligt waren.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Nr. 2, § 6 Abs. 2

 

Tatbestand

Der frühere Kläger, der mit seinem Tode von der jetzigen Revisionsklägerin beerbt wurde, und dessen Bruder Günther K. waren von deren Vater mit Vertrag vom 20. März 1951 als Kommanditisten in dessen bis dahin als Einzelfirma betriebenes Geschäft aufgenommen worden. Der Vater verstarb 1959. In einer notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen hatte er festgelegt, es sei in Aussicht genommen, daß Helmut - der Kläger - zum 1. Januar 1960 aus der Firma ausscheide. Er - der Erblasser - bestimme daher, daß Helmut seinen Kommanditanteil auf seinen Bruder Günther, den er zum Alleinerben einsetze, übertragen müsse und dieser verpflichtet sei, daß im Jahre 1958 erworbene Erbbaurecht zum 1. Januar 1960 auf Helmut zu übertragen und auf diesem Grundstück Gebäulichkeiten für eine Fabrik zu errichten, die Helmut ab 1. Januar 1960 in eigener Regie betreiben werde. Hierfür solle Helmut ebenso sämtliche Maschinen, Gerätschaften und Einrichtungsgegenstände, Halb- und Fertigfabrikate und etwaige Außenstände erhalten. Die genannten Verpflichtungen habe der Erbe Günther aber nur für den Fall, daß ihm Helmut den Kommanditanteil voll und ganz übertrage. Am 23. Januar 1960 zeigten die Brüder dem Handelsregister an, daß ihr Vater infolge Todes aus der Gesellschaft ausgeschieden und Günther K. als persönlich haftender Gesellschafter in die Gesellschaft eingetreten sei. Gleichzeitig wurde dem Register mitgeteilt, der frühere Kläger sei ausgeschieden und Günther K. führe die Firma als Einzelkaufmann fort. Am 17. Mai 1960 stellten die Brüder (der frühere Kläger und sein Bruder Günther) die Bilanz der KG zum 31. Dezember 1959 sowie getrennte Eröffnungsbilanzen zum 1. Januar 1960 auf. Das Firmenvermögen wurde in der vom verstorbenen Vater angegebenen Weise geteilt. In einem notariellen Vertrag vom 11. Oktober 1960 schlossen die Brüder hinsichtlich des Erbbaurechtes eine "Auseinandersetzungsvereinbarung" des Inhalts, daß das Erbbaurecht im Wege der Auseinandersetzung auf den früheren Kläger übergehe und dieser den Erbbauzins ab 1. Januar 1960 trage. Gleichzeitig wurde die Auflassung erklärt.

Der Beklagte (FA) sah den bei Auflösung der KG vom Kläger erworbenen Anspruch auf Übereignung des Erbbaurechts mit aufstehenden Gebäuden als grunderwerbsteuerpflichtig an und setzte Grunderwerbsteuer fest. Als Besteuerungsgrundlage wurde die "Aufgabe des anteiligen Gesellschaftsanteils an der KG" angesehen, wovon gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG ein Teilbetrag von der Besteuerung ausgenommen wurde.

Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Auf die Klage setzte das FG unter Abänderung der angefochtenen Einspruchsentscheidung und des ihr zugrunde liegenden Steuerbescheids die Grunderwerbsteuer herab. Zur Begründung führte das FG aus, die Auflösung der KG und die damit verbundene Übertragung des Erbbaurechtes, die im Vertrag vom 11. Oktober 1960 ihre notarielle Form erhalten habe, unterliege der Grunderwerbsteuer. Der Kläger habe das Erbbaurecht nicht kraft Erbrechts von Todes wegen, sondern kraft Gesellschaftsrechts erworben. Der Teil der Gesamtgegenleistung des Klägers (aufgegebener Kapitalanteil und eingegangene Schulden), der anteilig dem Wert des erhaltenen Erbbaurechtes im Verhältnis zum Wert der anderen erhaltenen Vermögensgegenstände entspreche, sei Besteuerungsgrundlage für den Grunderwerb. Dieser sei allerdings abweichend von der Berechnung des FA zu ermitteln, wodurch sich eine Herabsetzung der Grunderwerbsteuer ergebe.

Mit der Revision wird Aufhebung der Vorentscheidung und Freistellung von der Grunderwerbsteuer beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Erbin des Klägers ist begründet.

Gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG ist von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz u. a. ausgenommen der Grunderwerb von Todes wegen im Sinne des ErbStG. Zum Grunderwerb von Todes wegen im Sinne des ErbStG gehört gemäß § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes auch der Erwerb durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB). Der frühere Kläger hat das Erbbaurecht mit aufstehendem Gebäude durch Vermächtnis erworben. Dem steht weder entgegen, daß sich der Erwerb erst im Zuge einer notariell beurkundeten Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen dem früheren Kläger und dem Erben seines Vaters vollzog, die auch die Übertragung des Kommanditanteils des früheren Klägers an den Erben zum Gegenstand hatte, noch daß das Erbbaurecht nicht zum Vermögen des Erblassers gehörte, denn ein Vermächtnis im Sinne § 2 Abs. 1 ErbStG liegt auch vor, wenn der dem Vermächtnisnehmer zu übertragende Gegenstand nicht Eigentum des Erblassers war. Ausreichend ist vielmehr, daß der mit dem Vermächtnis beschwerte - hier der Erbe Günther K. - nach dem Willen des Erblassers den vermachten Gegenstand dem Vermächtnisnehmer verschaffen soll und dies auch kann (Verschaffungsvermächtnis im Sinne §§ 2169 bis 2171 BGB). Das war für den vorliegenden Fall zu bejahen.

Dahingestellt bleiben kann, ob in allen Fällen eines Verschaffungsvermächtnisses gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG Grunderwerbsteuerfreiheit eintritt, d. h. insbesondere auch dann, wenn ein Dritter den weder dem Erben noch dem Erblasser gehörenden vermachten Gegenstand unmittelbar an den Vermächtnisnehmer übereignet und der Vermächtnisnehmer gleichzeitig in Erfüllung einer Auflage eine "Gegenleistung" erbringt. Der Senat braucht diese Frage jedoch nicht zu entscheiden, denn im vorliegenden Falle gehörte der vermachte Gegenstand - das Erbbaurecht - zum Vermögen der KG, an welcher bis zum Tode des Erblassers dieser zu 40 v. H., der Erbe zu 40 v. H. und der Vermächtnisnehmer (frühere Kläger) zu 20 v. H. beteiligt waren. In einem solchen Fall entspricht die Befreiung von der Grunderwerbsteuer dem Sinn und Zweck des § 3 Nr. 2 GrEStG. Das bedarf keiner weiteren Begründung, soweit der frühere Kläger selbst an der KG beteiligt war. Wären in diesem Umfang nach § 6 Abs. 2 GrEStG selbst solche der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgänge steuerfrei geblieben, die kein Erwerb von Todes wegen im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes sind, so kann § 3 Nr. 2 GrEStG keine engeren Grenzen ziehen. Aber auch im übrigen, nämlich soweit der Bruder des früheren Klägers - teils als Erbe des verstorbenen Vaters und teils seit Beginn der Gesellschaft - Mitglied der KG war, kommt eine Besteuerung nicht in Betracht. Zwar ist die KG grunderwerbsteuerrechtlich als selbständiger Rechtsträger anzusehen, zu dessen rechtlich verselbständigtem Sondervermögen das Erbbaurecht gehörte. Hinsichtlich dieses Sondervermögens blieben jedoch die einzelnen Gesellschafter Eigentümer (§§ 121 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB, § 718 BGB), wenn auch mit den anderen Gesellschaftern gemeinsam in gesamthänderischer Verbundenheit (vgl. Urteil des Senats vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, 296, BStBl II 1969, 400, 402). Demgemäß kann die Übertragung des Erbbaurechts an den früheren Kläger, soweit die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG in Frage steht, nicht anders beurteilt werden als ein Erwerb teils aus dem Nachlaß, teils aus dem Vermögen des Erben. Beide Fälle werden aber grundsätzlich von § 3 Nr. 2 GrEStG als Erwerbe von Todes wegen erfaßt. Dies bedarf für Erwerbe aus dem Nachlaß selbst aufgrund des insoweit zweifelsfreien Gesetzeswortlauts keiner näheren Begründung. Für die im Zuge eines Vermächtnisses erfolgenden Grundstücksübertragungen aus dem Vermögen des Erben könnte die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG zwar zweifelhaft sein, weil dadurch Wirtschaftsgüter in den Rechtsverkehr einbezogen werden, die nicht zwingend, d. h. in unmittelbarer Folge des Todesfalles, eine neue Zuordnung zu einem anderen Rechtsträger hätten erfahren müssen. Gleichwohl muß auch in diesen Fällen § 3 Nr. 2 GrEStG eingreifen. Dafür spricht insbesondere, daß durch § 3 Nr. 2 GrEStG, der uneingeschränkt auf die "Erwerbe von Todes wegen im Sinne des ErbStG" verweist, selbst Abfindungen für den Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch von der Grunderwerbsteuer befreit werden, die in Form der Übertragung eines Grundstücks aus dem Vermögen des Erben geleistet werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG). Gleiches gilt für den Grundstückserwerb als Gegenleistung für die Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses. Kann aber die Abfindung für die Ausschlagung eines Vermächtnisses durch Übertragung eines Grundstücks aus dem Vermögen des Erben gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei erfolgen, so muß nach derselben Vorschrift auch die in Erfüllung des Vermächtnisses selbst erfolgende Übereignung eines dem Erben gehörenden Grundstücks an den Vermächtnisnehmer von der Besteuerung ausgenommen bleiben.

Eine Besteuerung in Höhe des Werts der Auflage in entsprechender Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG kommt nicht in Betracht, da sich die Vorschrift insoweit ausdrücklich nur auf Schenkungen unter Lebenden bezieht.

Schließlich ist die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Vorgang als Erfüllung eines Kaufvermächtnisses anzusehen wäre. Nach der gesamten Gestaltung der erbrechtlichen Verhältnisse durch den Vater des früheren Klägers wollte dieser seinem Sohn Helmut nicht nur einen Anspruch auf den Abschluß eines Kaufvertrags einräumen. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß der frühere Kläger einen unmittelbaren Anspruch auf Übertragung des Erbbaurechts erhalten sollte. Nach dem Sachverhalt haben der frühere Kläger und sein Bruder Günther K. auch keinen Kaufvertrag über das Erbbaugrundstück abgeschlossen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70957

BStBl II 1974, 555

BFHE 1974, 415

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