Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Trägt ein vermögender überlebender Ehegatte Krankenhauskosten für ein volljähriges Kind, das nach der letztwilligen Verfügung des erstverstorbenen Ehegatten zunächst dessen Nachlaß nicht antreten kann, so kann dem überlebenden Ehegatten eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG zustehen.

Bei alten, hilflosen Personen kann in der Regel als notwendig unterstellt werden, daß sie bei einer Kur von einer Person begleitet werden.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Die Bfin. und ihr verstorbener Ehemann hatten durch gemeinschaftliche letztwillige Verfügung ihre vier Kinder zu Erben berufen; ferner wandte der Ehemann den Kindern je zwei Hausgrundstücke als Vorausvermächtnisse zu. Die Eheleute hatten sich gegenseitig den lebenslangen Nießbrauch am gesamten Nachlaß des Erstversterbenden, einschließlich der Vermächtnisse vermacht. Dem überlebenden sollten über den Nießbrauch hinaus Mittel zum standesmäßigen Unterhalt aus dem Stammvermögen des Erstversterbenden zufließen. Weiter ernannten die Eheleute sich gegenseitig zum Testamentsvollstrecker. Eine Auseinandersetzung des Nachlasses sollte nur mit Zustimmung des überlebenden zulässig sein. Forderte ein Kind den Pflichtteil nach dem Erstversterbenden, so kamen die ihm zugedachten Vermächtnisse in Fortfall; außerdem konnte der überlebende dann das Kind auch für seinen eigenen Nachlaß auf den Pflichtteil setzen. Die Tochter N. war im Streitjahr 1959 53 Jahre alt. Sie hat in diesem Jahr 230 Tage im Krankenhaus gelegen. Ihre beruflichen Einnahmen als medizinisch-technische Assistentin und aus einer Angestelltenrente betrugen im Streitjahr nur etwa 3.200 DM. Im Jahre 1958 war eines der ihr vorausvermachten Grundstücke für 46.650 DM bar verkauft worden. Die Bfin. (Mutter) hat nach ihrer Behauptung für die Tochter im Jahre 1959 7.800 DM an Krankenhauskosten verauslagt. Eine Steuerermäßigung dafür nach § 33 EStG lehnten die Vorinstanzen ab, weil die Belastung der Mutter nicht zwangsläufig gewesen sei; die Tochter habe als Erbin ihres Vaters im Jahre 1959 ein Reinvermögen von etwa 87.000 DM gehabt; ferner habe sie über den Barerlös von 46.650 DM für das verkaufte Grundstück verfügen können.

Die Bfin., die im Streitjahr 1959 82 Jahre alt war, ist schwer leidend. Nach einer ärztlichen Bescheinigung konnten die erforderlichen Kuren "nur durchgeführt werden, wenn der Patientin eine Begleitperson zur Verfügung stand". Die Bfin. war vom 12. August bis 12. September 1959 zur Kur. Dabei begleiteten sie nacheinander ihre Kinder und eine Freundin einer Tochter. Die Bfin. macht die Aufenthaltskosten für die Begleitpersonen mit zusammen 317,30 DM nach § 33 EStG als Krankheitskosten geltend. Die eigenen Kur- und Arztkosten der Bfin. haben die Vorinstanzen nach § 33 EStG berücksichtigt. Die Kosten für die Begleitpersonen ließen sie dagegen außer Betracht. Das Finanzgericht führte aus: Es sei nicht auszuschließen, daß die Begleitpersonen auch zur eigenen Erholung mitgefahren seien. Die Begleitpersonen hätten auch nicht wie eine angestellte Pflegerin die Bezahlung ihres Aufenthalts erwartet oder verlangt. Schließlich sei weder durch amtsärztliches Gutachten noch sonst nachgewiesen, daß eine Begleitperson notwendig gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., mit der die Bfin. die Verletzung des sachlichen Rechts rügt, führte in beiden Streitpunkten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG kommen nicht nur Krankenhauskosten des Steuerpflichtigen selbst in Betracht, sondern auch die Krankenhauskosten für Angehörige, denen der Steuerpflichtige kraft Gesetzes Unterhalt zu gewähren hat, oder denen gegenüber er sich aus sittlichen Gründen zur übernahme der Krankenhauskosten verpflichtet fühlt. Davon geht auch das angefochtene Urteil aus. Das Finanzgericht meint aber, die Bfin. hätte nicht einzuspringen brauchen, weil die Tochter als Erbin ihres Vaters eigenes erhebliches Vermögen besessen und außerdem den Erlös aus dem Grundstücksverkauf zur Verfügung gehabt habe.

Mit Recht rügt die Bfin., daß diese Auffassung des Finanzgerichts rechtlich nicht zutreffe. Nach dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute hat die Bfin. (Mutter) am gesamten Nachlaß des Vaters, einschließlich der Vorausvermächtnisse der Kinder, den lebenslangen Nießbrauch. Der Verkaufserlös für das der Tochter vorausvermachte Grundstück fiel als Surrogat in den Nießbrauch. Da, solange die Mutter lebt, der Nachlaß nur mit ihrer Zustimmung auseinandergesetzt werden kann, hat die Tochter weder rechtlich noch wirtschaftlich als Erbin ihres Vaters gegenwärtig nutzbares noch verwertbares Vermögen. Das Vermögen des Erblassers stand vielmehr der Mutter zu. Es war der Tochter auch nicht zuzumuten, Pflichtteilansprüche gegen ihre Mutter zu erheben. Denn sie würde damit gegen den letzten Willen ihres Vaters verstoßen und außerdem Gefahr laufen, auch von ihrer Mutter auf den Pflichtteil verwiesen zu werden. Das Testament der Eltern ist nicht, wie das Finanzgericht anzunehmen scheint, ungewöhnlich oder gar verwerflich in dem Sinne, daß die Eltern bewußt und gewollt die Tochter mittellos gestellt hätten. Die letztwilligen Anordnungen der Eltern waren sinnvoll, weil sie dem überlebenden Ehegatten den ungeschmälerten Genuß des erarbeiteten gemeinschaftlichen Vermögens für den Rest seines Lebens erhalten sollten.

Geht man aber davon aus, daß auf Grund der wirksamen testamentarischen Anordnung des Vaters nur die Mutter Vermögen besaß, so war sie ihrer kranken Tochter gegenüber gemäß §§ 1601 ff. BGB zum Unterhalt verpflichtet und hat diese Verpflichtung durch übernahme der Krankenhauskosten erfüllt.

Die Vorentscheidung ist im übrigen in sich widerspruchsvoll. Wenn das Finanzgericht wirklich annahm, daß die Tochter eigenes Vermögen aus dem Nachlaß des Vaters hätte, so wäre es richtig gewesen, die Erträge aus diesem Vermögen der Tochter und nicht der Mutter zuzurechnen, wie es tatsächlich geschehen ist. Es geht jedenfalls nicht an, einerseits der Mutter den vollen Ertrag des Nachlasses zuzurechnen mit der Folge der Steuererhöhung durch die Progressivwirkung des Einkommensteuertarifs, andererseits aber die Mutter, wenn sie den notwendigen Unterhalt für ihre Tochter leistet, darauf zu verweisen, daß die Tochter selbst Vermögen habe.

Die angefochtene Entscheidung mußte deshalb insoweit wegen unrichtiger Anwendung von § 33 EStG aufgehoben werden. Das Finanzgericht muß noch feststellen, wie hoch die Krankenhauskosten für die Tochter im Streitjahr 1959 waren.

Auch im zweiten Streitpunkt ist die Vorentscheidung rechtlich bedenklich. Die Bfin. war nicht verpflichtet, ein amtsärztliches Gutachten vorzulegen. In den Akten befinden sich zwei ärztliche Bescheinigungen vom 6. Juni 1956 und vom 4. Dezember 1959, wonach die Bfin. eine Begleitperson brauchte. Bei dem hohen Alter der Bfin. hätte das Finanzgericht auf Grund der Lebenserfahrung eine solche Feststellung sogar ohne ärztliches Attest treffen können. Die Vorentscheidung war darum auch in diesem Punkt aufzuheben. Ebenso widerspricht es der Lebenserfahrung, daß Personen, die eine gebrechliche alte Dame zur Kur begleiten, damit ihre eigene Erholung erstreben. Die Sache ist insoweit spruchreif. Gemäß § 296 Abs. 3 AO entschied der Senat, daß die Kosten für die Begleitpersonen sowohl nach Grund und Höhe zwangsläufig im Sinne von § 33 EStG waren. Das Finanzgericht hat bei der erneuten Entscheidung über den Streitfall diesen Punkt als erledigt zu behandeln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411188

BStBl III 1964, 331

BFHE 1964, 271

BFHE 79, 271

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