Leitsatz (amtlich)

Auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen einer KG kann der Einheitswert ihres Betriebsvermögens gesondert festgestellt werden. In diesem Verfahren ist auch der Konkursverwalter prozeßführungsbefugt. Im Klageverfahren müssen die Liquidatoren für das konkursfreie Vermögen der KG notwendig beigeladen werden.

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen einer GmbH & Co. KG, die in X einen Einzelhandel für Damen- und Herrenoberbekleidung betrieb. Das Konkursverfahren wurde am 30.April 1979 eröffnet. Nach Konkurseröffnung wurden die Einheitswerte des Betriebsvermögens zum 1.Januar 1976 bis 1.Januar 1978 festgestellt. Die Feststellungen orientierten sich an den von der KG eingereichten Steuererklärungen und den von ihr vorgelegten Jahresabschlußbilanzen; die Feststellung zum 1.Januar 1976 beruht auf den Ergebnissen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1971 bis 1975. Gegen die Bescheide legte der Konkursverwalter Einspruch ein, der jedoch nicht begründet und deswegen zurückgewiesen wurde. Im Klageverfahren legte der Kläger berichtigte Bilanzen der KG zum 31.Dezember 1975 bis 31.Dezember 1977 vor. Hierin wurde jeweils eine Teilwertabschreibung auf die Warenvorräte vorgenommen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Kläger ist als Konkursverwalter für die angestrebte Änderung der Einheitswertbescheide prozeßführungsbefugt. Die Konkurseröffnung hatte zur Folge, daß der Gemeinschuldner die Befugnis verliert, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen; das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird während der Dauer des Konkursverfahrens durch den Konkursverwalter ausgeübt (§ 6 der Konkursordnung --KO--). Dies gilt auch für einen Feststellungsbescheid über den Einheitswert eines gewerblichen Betriebs, wenn er zur Konkursmasse gehöriges Vermögen betrifft. Zwar wird in der Rechtsprechung angenommen, daß die Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung zu den konkursfreien Angelegenheiten der Gesellschaft gehöre und die durch den Konkurs aufgelöste Gesellschaft in diesem Verfahren durch ihre Liquidatoren vertreten werde (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13.Juli 1967 IV 191/63, BFHE 90, 87, BStBl III 1967, 790; vom 21.Juni 1979 IV R 131/74, BFHE 128, 322, BStBl II 1979, 780). Die Feststellung des betrieblichen Einheitswerts bietet jedoch die Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags nach dem Gewerbekapital und damit auch für die spätere Festsetzung der Gewerbesteuer. Da die KG Schuldnerin der Gewerbesteuer ist (§ 5 Abs.1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--), wird durch die Feststellung der Einheitswerte auch zur Konkursmasse gehöriges Vermögen betroffen; dem Konkursverwalter muß daher ein Anfechtungs- und Klagerecht zustehen.

Obwohl nach Konkurseröffnung Steuerforderungen zur Konkurstabelle angemeldet werden und im Falle des Bestreitens des Konkursverwalters ein Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs.3 der Abgabenordnung (AO 1977) ergeht, ist doch nicht ausgeschlossen, daß einzelne Besteuerungsgrundlagen weiterhin in einem gesonderten Verfahren festgestellt werden (vgl. BFH-Urteile vom 3.Mai 1978 II R 148/75, BFHE 125, 202, BStBl II 1978, 472; vom 17.Juli 1985 I R 117/84, BFHE 144, 198, BStBl II 1985, 650, für Gewerbesteuermeßbescheide; s. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., § 251 AO 1977 Anm.16; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., § 251 AO 1977 Anm.56). Deshalb kann auch das Verfahren zur Feststellung des betrieblichen Einheitswerts fortgeführt werden.

2. Das FG hat jedoch die Beiladungserfordernisse nicht beachtet.

Von den angefochtenen Einheitswertfeststellungen sind auch die Gesellschafter der KG betroffen, weil die Einheitswerte Bedeutung für die von ihnen geschuldete Vermögensteuer haben. Da insoweit konkursfreies Vermögen betroffen ist, besteht kein Prozeßführungsrecht des Konkursverwalters. Insoweit gilt die Regelung des § 48 Abs.1 Nr.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), daß das Klagerecht durch die Gesellschaft wahrgenommen und diese durch den oder die vertretungsberechtigten Gesellschafter vertreten wird. Nachdem die Gesellschaft durch die Konkurseröffnung aufgelöst worden ist (§ 161 Abs.2 i.V.m. § 131 Nr.3 des Handelsgesetzbuches --HGB--), werden für sie ihre Liquidatoren, d.h. sämtliche Gesellschafter tätig, sofern sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus einem Beschluß der Gesellschafter etwas anderes ergibt (§ 146 Abs.1 HGB). § 48 Abs.1 Nr.3 FGO ist unbedenklich auch für eine in Liquidation befindliche Personenhandelsgesellschaft anwendbar (BFH-Urteil vom 21.Januar 1982 IV R 146/78, BFHE 135, 386, BStBl II 1982, 506).

Da die Einheitswerte einheitlich mit Wirkung für das konkursbefangene und das konkursfreie Vermögen festgestellt werden, ist die Beiladung der Gesellschafter gemäß § 60 Abs.3 FGO erforderlich. Im Hinblick auf § 48 Abs.1 Nr.3 FGO beschränkt sich die Beiladung jedoch auf den oder die Liquidatoren der Gesellschaft, da keine Fragen streitig sind, die einzelne Gesellschafter allein angehen.

Die Unterlassung der Beiladung ist als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens von Gerichts wegen zu berücksichtigen, so daß das angefochtene Urteil aufgehoben werden mußte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60694

BStBl II 1986, 408

BFHE 145, 495

BFHE 1986, 495

BB 1986, 723-723 (ST)

DB 1986, 1266-1266 (ST)

HFR 1986, 305-305 (ST)

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