Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Verbringung von Waren aus Betriebstätten der sowjetischen Besatzungszone in Betriebstätten des gleichen Unternehmens in den Westzonen sind als Anschaffungskosten der Teilwert der überführten Waren anzusetzen, sofern die Anschaffungskosten durch die Betriebstätte der sowjetischen Besatzungszone getragen worden sind.

Als Teilwert sind die Kosten anzusehen, die bei einer Betriebstätte im Bundesgebiet unter gleichartigen Verhältnissen, wie sie bei der Betriebstätte in der sowjetischen Besatzungszone bestehen, gegeben wären.

Werden von einer Betriebstätte der sowjetischen Besatzungszone Güter in eine selbständige bilanzierende Betriebstätte des gleichen Unternehmens in den Westzonen vor dem 1. Januar 1950 überführt, so stellen sie keine Einlage dar, die die Entnahmen im Sinne des § 10 Absatz 1 Ziffer 3 EStG 1949 mindern.

 

Normenkette

EStG § 6 Ziff. 2, § 10 Abs. 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft hat im Jahre 1949 aus ihrer Filiale in X. in der Ostzone Waren in ihre Betriebstätte in den Westzonen gebracht. An Transportkosten entstanden 312 DM. Die Anschaffungskosten der Filiale der sowjetischen Besatzungszone für die Waren betrugen 2 701 DM-Ost. Strittig sind die Anschaffungskosten der Waren für die Bilanzierung bei der Betriebstätte in den Westzonen. Das Finanzgericht rechnete die 2 701 DM-Ost in 549 DM-West um und kam zuzüglich der 312 DM-West (Transportkosten) zu Anschaffungskosten in Höhe von 852 DM-West.

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist der Auffassung, daß als Anschaffungskosten der Teilwert anzusetzen sei, den sie auf 2 105 DM-West schätzt. Es sind dies 60 Prozent des Verkaufserlöses. Sie ist der Auffassung, daß der Umrechnungskurs in den Berliner Wechselstuben für DM-Ost nicht den tatsächlichen Anschaffungspreis richtig zum Ausdruck bringe. Es sei hierbei auch zu beachten, daß der Umrechnungssatz für DM-Ost in DM-West nach dem amtlichen Verrechnungsverkehr zu einem vollkommen anderen Ergebnis führen würde. Nach Lage der Verhältnisse sei es am zweckmäßigsten, den Teilwert den Anschaffungskosten gleichzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

Die Anschaffungskosten von Gütern, die nicht im Währungsgebiet hergestellt worden sind und von Betriebstätten außerhalb des Währungsgebietes in die Westzonen verbracht werden, müssen geschätzt werden. Der Bfin. ist darin beizutreten, daß der Aufwand für diese Güter in den amtlichen Kursen für die einzelnen Währungen nicht immer einwandfrei zum Ausdruck kommt. In vermehrter Weise gilt dies hinsichtlich nichtamtlicher Notierungen. Für das Verhältnis der DM-West zur DM-Ost bestehen verschiedene Umrechnungssätze. Die Notierungen der Berliner Wechselstuben weisen ein anderes Wertverhältnis auf, wie es dem Wertverhältnis im amtlichen interzonalen Verrechnungsverkehr entspricht. Es gibt Fälle, in denen die DM-Ost in die DM-West in dem Verhältnis 1:1 umgerechnet wird, während andererseits zeitweise bei den Berliner Wechselstuben ein Kurs der DM-Ost zur DM-West von 6:1 bestand. Ein Kurs, der das richtige Verhältnis der inneren Kaufkraft der DM-Ost zur DM-West wiedergibt und der einer Umrechnung zugrunde gelegt werden kann, liegt nicht vor. Bei der gegebenen Lage entspricht es dem Grundgedanken des Einkommensteuerrechtes am besten, wenn man bei der Verbringung von Waren aus Betriebstätten der sowjetischen Besatzungszone in Betriebstätten des gleichen Unternehmens in den Westzonen als Anschaffungskosten den Teilwert der überführten Ware ansetzt, sofern die Anschaffungskosten durch die Betriebstätte der sowjetischen Besatzungszone getragen worden sind. Als Teilwert sind die Kosten anzusehen, die bei einer Betriebstätte im Bundesgebiet unter gleichartigen Verhältnissen, wie sie bei der Betriebstätte in der sowjetischen Besatzungszone bestehen, gegeben wären. Diese Grundsätze können dort keine Anwendung finden, wo infolge der Ausnutzung des nichtamtlichen Berliner Kurses für DM-Ost die Beschaffungskosten in DM-West für die Waren gemindert worden sind. In einem derartigen Falle errechnen sich die Anschaffungskosten nach dem Betrag der aufgewandten DM-West.

Die Firma hat den Teilwert der Waren mit 60 Prozent der Verkaufspreise geschätzt. Es ist nicht anzunehmen, daß weitere Erhebungen zu einem zuverlässigeren Ergebnis führen. Der Senat folgt deshalb der Schätzung der Firma.

Das Finanzgericht sah in den umstrittenen Waren Einlagen und berücksichtigte sie bei Feststellung des überschusses der Entnahmen über die Einlagen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Werden von einer Betriebstätte eines Unternehmens Güter in eine andere selbständig bilanzierende Betriebstätte des gleichen Unternehmens überführt, so erhöhen sie wohl in erfolgsneutraler Weise das Kapital dieser Betriebstätte, stellen aber keine Einlage dar, die die Entnahmen im Sinne des § 10 Absatz 1 Ziffer 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 mindern. Dies gilt auch für das Jahr 1949 bei der übertragung von Betriebsgegenständen aus der sowjetischen Besatzungszone in Betriebstätten der Westzonen und umgekehrt, da für dieses Jahr die Sonderbestimmung des § 2 Absatz 2 Satz 2 EStG 1950 noch keine Geltung hatte. Siehe hierzu auch Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 4/50 S vom 20. Januar 1951, Bundessteuerblatt - BStBl - III S. 68, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - 1951 S. 143; Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 22/51 S vom 30. April 1951, BStBl. 1951 III S. 131, Bay. FMBl. 1951 S. 342.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407322

BStBl III 1952, 79

BFHE 1953, 197

BFHE 56, 197

BB 1952, 979

DB 1952, 303

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