Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Handelsrecht Gesellschaftsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Gemeinschuldner (Stpfl.) im Prüfungstermin des Konkursverfahrens im Gegensatz zum Konkursverwalter oder einem Konkursgläubiger die Steuerforderung nicht bestritten, so ist er an dem steuergerichtlichen Feststellungsverfahren nach § 146 KO nicht beteiligt.

Die Konkurseröffnung über das Vermögen eines Steuerschuldners bildet, auch wenn der Steuergläubiger an dem Konkursverfahren beteiligt ist, kein rechtliches Hindernis, das Steuerfestsetzungs- oder ein schwebendes Rechtsmittelverfahren gegen den Gemeinschuldner persönlich fortzusetzen.

 

Normenkette

AO §§ 228-229; FGO § 33; AO §§ 238, 231, 241; KO §§ 144, 146

 

Tatbestand

In einem gegen den Beschwerdeführer (Bf.) eingeleiteten Fahndungsverfahren wurde für die Zeit vom 1. Januar 1940 bis 20. Juni 1948 unter Berücksichtigung eines Haushaltsverbrauches von 400.000 RM ein ungeklärter Vermögenszuwachs von insgesamt 530.000 RM ermittelt. Dieser Betrag wurde vom Finanzamt auf die Jahre 1940 bis I/1948 verteilt und als nichtversteuerter Gewinn aus Gewerbe im Wege der Nach- bzw. Berichtigungsveranlagung, für I/1948 im Wege des Vorauszahlungsbescheides zur Einkommensteuer herangezogen. Der Bf. legte hiergegen unter dem 11. März 1949 Einspruch ein. Am 14. April 1949 wurde über sein Vermögen der Konkurs eröffnet. Das Finanzamt meldete eine Steuerforderung von 52.223,99 RM zur Konkurstabelle an. Im Prüfungstermin bestritt der Konkursverwalter die Forderung, dagegen nicht der Bf. (Gemeinschuldner). Mit Schreiben vom 7. Juni 1950 nahm der Konkursverwalter das steuerliche Rechtsmittelverfahren auf. Das Finanzamt erließ unter dem 13. Juni 1950 eine Einspruchsentscheidung gegen den Konkursverwalter, in der es die Ansprüche des Finanzamts gemäß § 146 der Konkursordnung (KO) feststellte und den Einspruch als unbegründet zurückwies. Auf die Berufung des Konkursverwalters hin erließ das Finanzgericht unter dem 20. Dezember 1950 eine Entscheidung, in der es die Einspruchsentscheidung teilweise abänderte. Die finanzgerichtliche Entscheidung war gleichfalls ausschließlich gegen den Konkursverwalter gerichtet.

 

Entscheidungsgründe

Gegen das Urteil des Finanzgerichts hat der Steuerpflichtige - Stpfl. - (Gemeinschuldner) Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt. Die Rb. muß als unzulässig verworfen werden.

Die Konkursmasse ist kein körperschaftsteuerpflichtiges Zweckvermögen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 89/38 vom 13. Juli 1938, Slg. Bd. 44 S. 249, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1938 S. 843). Die bei der Verwaltung der Konkursmasse erzielten Einkünfte gelten steuerlich als Einkünfte des Gemeinschuldners (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 687/37 vom 22. Juni 1938, Slg. Bd. 44 S. 162, RStBl. 1938 S. 669). Es müssen jedoch nach Eröffnung des Konkurses für die Weiterführung des Rechtsmittelverfahrens die Bestimmungen der Konkursordnung, insbesondere § 146 Absatz 5 KO, beachtet werden. Im vorliegenden Falle wurde die Forderung vom Finanzamt beim Konkursgericht angemeldet. Sie gehört somit zur Schuldenmasse des Konkurses. Der Konkursverwalter ist berechtigt, gemäß § 146 Absatz 3 KO ein bei Konkurseröffnung schwebendes Rechtsmittelverfahren aufzunehmen. Es wird ihm gegenüber durch die Konkurseröffnung unterbrochen (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs II A 610/25 vom 22. Januar 1926, Slg. Bd. 18 S. 141, RStBl. 1926 S. 189; VI 302/39 vom 7. Juni 1939, RStBl. 1939 S. 774). Der Bf. hat als Gemeinschuldner die Forderung gemäß § 144 Absatz 2 KO nicht bestritten. Nach § 144 Absatz 1 KO gilt eine Forderung als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin ein Widerspruch weder vom Konkursverwalter noch von einem Konkursgläubiger erhoben wird. Ein Widerspruch des Gemeinschuldners ist hierfür somit ohne rechtliche Bedeutung. Ein Gläubiger kann jedoch nach Beendigung des Konkurses gegen den Gemeinschuldner aus der Eintragung in die Tabelle gemäß § 164 Absatz 2 KO nicht vollstrecken, wenn der Gemeinschuldner im Prüfungstermin die Forderung bestreitet. Des weiteren kann in diesem Falle gemäß § 144 Absatz 2 KO ein Rechtsstreit, welcher über die Forderung zur Zeit der Eröffnung des Konkurses anhängig ist, gegenüber dem Gemeinschuldner aufgenommen werden. Es ist somit möglich, daß auf Grund der Widersprüche des Konkursverwalters, der Konkursgläubiger und des Gemeinschuldners ein Rechtsmittelverfahren sich in eine Mehrheit von Verfahren verzweigt (Jäger, Konkursordnung, 6. und 7. Auflage § 144 Anmerkung 3; siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs Gr.S. 1/26 S vom 25. Oktober 1926, Slg. Bd. 19 S 355, RStBl. 1926 S. 337).

Der Bf. ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder. Der Steuerbescheid wird somit auf Grund der Vorschriften über die Haushaltsbesteuerung (ß 26, § 27 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) auch gegen die Ehefrau und die Kinder wirksam. Wenn auch die Ehefrau berechtigt ist, selbständig ein Rechtsmittel einzulegen, so wirkt doch ein vom Ehemann eingelegtes Rechtsmittel auch für die Ehefrau und die Kinder. Der Konkursverwalter tritt nicht an die Stelle des Ehemannes. Es besteht deshalb die Möglichkeit, unabhängig von dem gegenwärtigen Verfahren gegen den Konkursverwalter ein Rechtsmittelverfahren gegen die Ehefrau und die Kinder durchzuführen. Darüber hinaus hat der Reichsfinanzhof in der Entscheidung IV A 46/26 S vom 23. März 1927, Slg. Bd. 21 S. 9, RStBl. 1927 S. 105, ausgesprochen, daß die Konkurseröffnung über das Vermögen eines Steuerschuldners, auch wenn der Steuergläubiger sich am Konkursverfahren beteiligt, kein rechtliches Hindernis bildet, ein schwebendes Rechtsmittelverfahren gegen den Gemeinschuldner persönlich fortzusetzen. Er hat dies u. a. damit begründet, daß für die am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten ein Interesse daran liegen kann, daß das Rechtsmittelverfahren gegen den Gemeinschuldner persönlich seinen Fortgang nimmt. Der Steuergläubiger könne im Konkursverfahren nur den Betrag anmelden, den er von dem Steuerschuldner zu fordern habe. Dieser Betrag könne sich mit der festzusetzenden Steuer decken, brauche es aber nicht. Bei vielen Steuerarten, wie z. B. bei der Einkommensteuer, fänden Vorauszahlungen statt, die auf die "festgesetzte Steuerschuld" anzurechnen seien. In allen diesen Fällen würde sich die Konkursanmeldung auf die "Abschlußzahlung" zu beziehen haben. Dieser habe aber die Festsetzung des Jahresbetrages der Steuer vorauszugehen. Der festgesetzte Jahresbetrag werde häufig von der Abschlußzahlung abweichen (siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 85/28 vom 14. März 1928, RStBl. 1928 S. 212). Nach der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1132/30 vom 8. August 1930, Steuer und Wirtschaft 1930 Nr. 1042, kommt die Fortführung des Steuerstreites gegen den Gemeinschuldner persönlich regelmäßig nur dann in Frage, wenn im Einzelfall ein besonderes Interesse des Steuergläubigers oder des Steuerschuldners an dieser Fortsetzung besteht. Hieraus ergibt sich, daß der Einspruch des Bf. durch die Einspruchsentscheidung gegenüber dem Konkursverwalter noch nicht vollkommen erledigt ist. Hinsichtlich der Vorauszahlungsbescheide I/1948 wird auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 15/51 S vom 23. Februar 1951, Bundessteuerblatt 1951 Teil III S. 75, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen 1951 S. 159, verwiesen. Die Entscheidung des Finanzgerichts hat nur Wirkung auf das in Konkurs befindliche Vermögen des Bf. und nach Beendigung des Konkurses gemäß § 164 Absatz 2 KO. Sie hat keine Bedeutung für das Vermögen der Ehefrau und der Kinder.

Das gegenwärtige Verfahren ist ein Verfahren nach § 146 Absatz 3 KO. Es hat den Widerspruch des Konkursverwalters erledigt. Der Bf. ist an ihm nicht beteiligt. Er muß seine Rechte nach § 144 Absatz 2 KO (Widerspruch im Prüfungstermin) oder entsprechend den Grundsätzen der Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV A 46/26 geltend machen. Im gegenwärtigen Verfahren steht ihm kein Rechtsmittel zu. Die Rb. muß deshalb als unzulässig verworfen werden. Bei der Schwierigkeit der Rechtslage erscheint es jedoch angemessen, von der Erhebung von Kosten für die Durchführung der Rb. gemäß § 319 Absatz 1 der Reichsabgabenordnung abzusehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407278

BStBl III 1951, 192

BFHE 1952, 477

BFHE 55, 477

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