Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Abgrenzung zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und Gewerbebetrieben.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 13/1/1, § 15/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) betreibt eine Gärtnerei. Streitig ist, ob sie in II/1948 und im Jahre 1949 als landwirtschaftlicher (gärtnerischer) Betrieb oder als Gewerbebetrieb anzusehen ist und infolgedessen der Gewerbesteuer unterliegt. Das Finanzamt hat die Bfin. zur Gewerbesteuer herangezogen. Die Bfin. behauptet als land- und forstwirtschaftlicher Gartenbaubetrieb nicht gewerbesteuerpflichtig zu sein.

Der Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung ist das Finanzamt von folgender Aufteilung des Wareneinsatzes ausgegangen:

------------------------------- II/1948 ---------- 1949 Handelsware ------------------- 2.996 DM --------- 7.041 DM Waren für Gärtnerei ------------- 917 DM --------- 1.578 DM ------------------------------- 3.913 DM --------- 8.619 DM.Darnach habe der Fremdbezug die Selbstgewinnung weit überschritten. Der Betrieb sei auf den Handel mit fremden Erzeugnissen gerichtet.

Mit der Berufung wurde geltend gemacht, nicht die Einkünfte aus Eigenproduktion und Zukauf dürften gegenübergestellt werden, sondern die Umsätze. Im übrigen stünden sich die landwirtschaftlichen und gewerblichen Gewinne im Verhältnis von 60 : 40 gegenüber. Es seien

--------------------------------- II/1948 ---------- 1949 vom Gesamtbetrag der Entgelte zu 14.043 DM ------- 26.456 DM entfallen a) auf Eigenerzeugung ----------- 8.244 DM ------- 14.053 DM b) auf Handelsware -------------- 5.646 DM ------- 11.907 DM c) auf Friedhofsgärtnerei --------- 153 DM ---------- 496 DM.Die änderung der Rechtslage durch die neue Rechtsprechung wirke sich gemäß Abschn. 140 a (3) der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951 erst ab 1. Januar 1952 aus.

Das Finanzgericht hat die Gewerbesteuerpflicht in Anwendung der Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 250/50 U vom 2. Februar 1951, Slg. Bd. 55 S. 171, Bundessteuerblatt III S. 65, bejaht. Das Gesamtbild des Betriebes spreche für die Gewerbesteuerpflicht. Bereits die absolute und prozentuale Höhe des Wareneinsatzes für die Handelsware lasse den gewerblichen Charakter des Betriebes erkennen. Auch wenn mit der Bfin. von dem Verhältnis der Entgelte ausgegangen werde, sei die Gewerbesteuerpflicht zu bejahen. Die Entgelte für Handelsware und Friedhofsgärtnerei hätten in II/1948 rund 41 %, im Jahre 1949 rund 46 % des Gesamtentgelts betragen. Es handle sich also nicht nur um einen unbedeutenden Zukauf als Aushilfe im Erzeugungsprozeß.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) werden die früheren Einwendungen wiederholt, insbesondere, daß das Finanzgericht zu Unrecht entgegen Abschn. 140 a EStR 1951 = Abschn. 13 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1951, wonach die Anwendung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 2. Februar 1951 erstmals für die Gewinnermittlung der Wirtschaftsjahre angeordnet sei, die nach dem 30. März 1951 begonnen haben, die Rechtsprechung des angezogenen Urteils des Bundesfinanzhofs bereits auf das Wirtschaftsjahr II/1948 und 1949 angewendet habe. Die Anordnung der Richtlinien sei für die Finanzämter bindend. Was für die Finanzämter bindend sei, könne nicht durch Steuergerichte geändert werden. Eine solche Handhabung widerspreche dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Vertreter der Bundesfinanzverwaltung hätten bei den Verhandlungen über die EStR 1951 zugesagt, daß bei der Abgrenzung des Gewerbebetriebes gegenüber Land- und Forstwirtschaft nicht kleinlich verfahren werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat in dem angezogenen Urteil IV 250/50 U ausgesprochen, ein landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Betrieb werde bereits dann zu einem gewerblichen Betrieb, wenn er dauernd und nachhaltig Zukäufe von fremden Erzeugnissen über den betriebsnotwendigen Umfang hinaus tätige. Diese Entscheidung weicht von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ab, nach der ein grundsätzlich der Landwirtschaft zuzurechnender Betrieb als Gewerbebetrieb zu behandeln ist, wenn die gewerbliche Tätigkeit überwiegt; ein überwiegen wurde vom Reichsfinanzhof regelmäßig angenommen, wenn der Zukauf fremder Erzeugnisse, das bedeutet der auf dem Zukauf beruhende Umsatz, dauernd und nachhaltig 50 % des Gesamtumsatzes übersteige, maßgebend seien die gesamten Verhältnisse des einzelnen Falles und die Verkehrsauffassung (so Urteil des Reichsfinanzhofs VI 507/38 vom 2. August 1939, Slg. Bd. 47 S. 182). Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Zukauf über das betriebsnotwendige Maß hinausgehe, will die Entscheidung IV 250/50 U nach den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles beurteilt wissen. Für die Abgrenzung zwischen Gewerbe und Landwirtschaft handelt es sich somit im wesentlichen um zwei Probleme, deren Lösung angesichts der Vielfältigkeit der Gestaltung der Landwirtschaft und des Gewerbes insbesondere auf dem Grenzgebiet zwischen den beiden Tätigkeiten und der verschiedenartigen Entwicklung der deutschen Landwirtschaft (Intensivierung) außerordentliche Schwierigkeiten bereitet. Es ist daher verständlich und zu begrüßen, daß der Bundesminister der Finanzen in den GewStR 1951 in Abschn. 13 Abs. 1 bis 6 (wie in den EStR 1951 Abschn. 140 a) eine Regelung versucht hat, um den Schwierigkeiten bei der Durchführung der neueren Rechtsprechung in einer für Steuerpflichtige und Verwaltung gleichmäßig tragbaren Weise zu begegnen. Die beiden hervorstechenden Probleme sind der Begriff des steuerschädlichen Zukaufs und des betriebsnotwendigen Ausmaßes des Zukaufs. Das erste Problem ist im Abs. 2, das zweite im Abs. 4 des Abschn. 13 GewStR gelöst. Darnach sollen als fremde (steuerschädliche) Erzeugnisse nur solche für die Weiterveräußerung zugekaufte Erzeugnisse gelten, die nicht im eigenen Betrieb im Erzeugungsprozeß bearbeitet werden. Hinsichtlich des Einflusses der Höhe des Zukaufs auf die Charakterisierung als Landwirtschaft oder Gewerbe wird ausgesprochen, daß Zukäufe, gemessen an dem Einkaufswert der fremden Erzeugnisse, bis zu 20 % des Gesamtumsatzes grundsätzlich den Charakter des Betriebes als landwirtschaftlichen (gärtnerischen) nicht beeinträchtigen sollen. Dagegen macht regelmäßig ein Zukauf von über 30 % des Umsatzes den Betrieb zu einem Gewerbebetrieb, während bei einem zwischen 20 und 30 % liegendem Zukauf unter Würdigung aller Umstände zu entscheiden ist, ob die sonstigen Merkmale auf einen landwirtschaftlichen oder auf einen Gewerbebetrieb schließen lassen.

Die Regelung in den Richtlinien, die offensichtlich unter Berücksichtigung der Vielfältigkeit der wirtschaftlichen Erscheinungsformen erfolgt ist, erscheint dem Senat unter den gegebenen Verhältnissen für die Verwaltung und für die Steuerpflichtigen bei der Abgrenzung der landwirtschaftlichen (gärtnerischen) Tätigkeit gegenüber der gewerblichen im Fall des Zukaufs von fremden Erzeugnissen als eine brauchbare Grundlage der Beurteilung.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann die Rb. im Ergebnis keinen Erfolg haben. Es ist zwar vom Finanzgericht und Finanzamt die Frage über die Zurechnung des Betriebes zur Landwirtschaft oder zum Gewerbe nicht nach dem Verhältnis der steuerschädlichen Fremdbezüge zum Gesamtumsatz geprüft worden, wie es die vorstehend gebilligten GewStR vorsehen. Nach der Feststellung in den Akten auf Grund der Angaben der Bfin. und der Berechnung des Finanzamts, die insoweit von der Bfin. nicht bestritten wird, entfallen in II/1948 von den 3.913 DM Zukäufen 917 DM auf die Landwirtschaft, also 2.996 DM auf steuerschädliche Zukäufe, das sind, gemessen am Gesamtumsatz von 14.043 DM, rund 21 %. In 1949 entfallen vom Zukauf in Höhe von 8.619 DM 7.041 DM auf steuerschädliche Erzeugnisse, d. h. rund 27 % des Gesamtumsatzes von 26.456 DM. Nach den GewStR Abschn. 13 Abs. 4 Ziff. 3 ist somit unter Würdigung aller Umstände zu entscheiden, welcher Einkommensart der Betrieb zuzuweisen ist. Nach der vom Finanzgericht auch unter Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs möglichen Würdigung, daß das Gesamtbild für einen gewerblichen Betrieb spreche und die Bfin. jede Gelegenheit benutzt habe, um ihren Fremdumsatz zu steigern, enthält die Würdigung des Finanzgerichts, daß der Betrieb seinem Charakter nach einen Gewerbebetrieb darstelle, keinen Verstoß nach § 288 der Reichsabgabenordnung (AO). Die Rb. muß daher als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Berufung der Bfin. auf Abschn. 140 a Abs. 3 EStR 1951 (Abschn. 13 Abs. 7 GewStR 1951) ist vom Finanzgericht mit zutreffenden Gründen zurückgewiesen worden. Bei der angezogenen Bestimmung handelt es sich um Verwaltungsrichtlinien, die für die Steuergerichte nicht verbindlich sind. Der Einwand der Bfin. durch das Finanzgericht seien die Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzt, weil sämtliche Fälle aus dem Jahr II/1948 und 1949 nach den alten Grundsätzen veranlagt seien, geht fehl. Eine dem Gesetz entsprechende Auslegung kann nicht als unvereinbar mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung betrachtet werden. Es braucht dabei nur darauf hingewiesen zu werden, daß die oben genannte Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 250/50 U sich auf vor dem Währungsstichtag liegende Veranlagungszeiträume bezog.

Die Rb. war daher mit der Kostenfolge des § 307 AO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408222

BStBl III 1955, 267

BFHE 1956, 179

BFHE 61, 179

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